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5 Diskussion

5.1 In vivo Versuche

5.1.1 Effekt von Sexualsteroidhormonen auf die hypophysäre GH-Sekretion 115

5.1.2.3 Vergleich der Regulationsmechanismen der somatotropen Achse im

Rund um die Kalbung wurden die einzelnen Komponenten der somatotropen Achse bereits ausführlicher untersucht als während des physiologischen Zyklus des Rindes (Piechotta et al. 2013; Winkelman et al. 2008; Wook et al. 2004; Radcliff et al. 2003).

Die Ergebnisse der Arbeiten zu diesem Thema zeigen, dass kurz vor der Kalbung die

131 GH-Konzentration im Blut der Mutterkuh deutlich ansteigt und nach der Kalbung über mehrere Wochen stark erhöht ist, während die IGF-I-Konzentration im Blut zur Kalbung hin kontinuierlich sinkt und post partum über mehrere Wochen hinweg erniedrigt ist. Winkelman et al. (2008) sprechen bei diesem Phänomen von der

„Entkopplung der somatotropen Achse“, weil eine erhöhte GH-Konzentration nicht zu einer erhöhten IGF-I-Konzentration führt. Im Gegensatz zu den Verhältnissen rund um die Kalbung, wurde in der vorliegenden Doktorarbeit im bovinen Sexualzyklus beobachtet, dass eine erhöhte GH-Konzentration im Blut in der Follikelphase auch mit einer erhöhten IGF-I-Konzentration einhergeht. Ferner konnte ebenfalls in der , bereits erwähnten, Studie von Kawashima et al. (2007) nachgewiesen werden, dass die Konzentration von IGF-I während der Follikelphase erhöht ist. Sowohl in der späten Trächtigkeit, als auch in der Follikelphase, ist die E-Konzentration, wenn auch in verschiedenen absoluten Mengen, im Blut nachweislich erhöht (eigene Ergebnisse; Winkelman et al. 2008). Trotzdem resultiert diese erhöhte E2 -Konzentration in einer gegensätzlichen IGF-I-Ausschüttung aus der Leber um die Kalbung und während des bovinen Zyklus. Im Folgenden wird thematisiert, welche Ursachen diese Unterschiede der hepatischen IGF-I-Ausschüttung zugrunde liegen könnten.

GHR

In der eigenen Studie konnte nachgewiesen werden, dass der hepatische GHR vor der Ovulation unter hohen Konzentrationen von E im Blut vermehrt exprimiert wird.

Im Gegensatz dazu zeigten Untersuchungen rund um die Kalbung jedoch, dass der GHR zur Kalbung hin unter Einfluss von E vermindert exprimiert wird (Lucy et al.

2001a; Radcliff et al. 2003; Winkelman et al. 2008). In der Studie von Winkelman et al. (2008) wurde das Hormonprofil im Blut und die Expression von GHR und SOCS2 in der Leber von Kühen rund um die Kalbung untersucht. Die Tiere zeigten vor der Geburt über etwa drei Wochen erhöhte Konzentrationen von E2 im Blut, welche kurz vor der Kalbung ein Maximum erreichten. Direkt ante partum und nach der Kalbung konnte neben einer erhöhte GH-Konzentration im Blut eine verminderte hepatische Expression der GHR-mRNA bei der Kuh nachgewiesen werden. Zusätzlich bekräftigt

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auch eine Untersuchung von Wook et al. (2004), dass die GHR-mRNA-Expression um die Kalbung absinkt. Des Weiteren wurde in einer Arbeit von Radcliff et al. (2003) ebenfalls nachgewiesen, dass die Expression des hepatischen GHR1A um die Kalbung abnahm, wodurch auch die hepatische mRNA und die IGF-I-Konzentration im Blut abfiel.

Aus dem Vergleich dieser Studien (Winkelman et al. 2008; Wook et al. 2004; Radcliff et al. 2003) und den Ergebnissen der eigenen Studie an Färsen während des physiologischen Zyklus lässt sich schlussfolgern, dass unter dem Einfluss von endogenen Östrogenen während der Trächtigkeit und im physiologischen Zyklus der hepatische GHR gegensätzlich exprimiert wird. Ein Grund dafür könnte die verschieden lange Einwirkzeit von Östrogenen auf die Leber sein. Es kann diskutiert werden, dass eine erhöhte E-Konzentration im Blut über einige Tage hinweg, wie sie im Zyklus vorliegt, die GHR-Expression in der Leber steigert, über mehrere Wochen, wie in der späten Trächtigkeit, hinweg jedoch senkt. Diese Fragestellung sollte in zukünftigen Studien genauer untersucht werden.

Als weiterer Grund für die gegensätzlichen Effekte von E auf die hepatische GHR-Expression könnten ferner die verschieden hohen Konzentrationen von E2 sowie E2

und E1 während der späten Trächtigkeit und des Sexualzyklus diskutiert werden.

In der eigenen Studie lag die Konzentration der Gesamtöstrogene im Blut kurz vor der Ovulation bei rund 35 pg/ml. Im Blut von Kühen in der späten Trächtigkeit werden in der Routinediagnostik im Endokrinologischen Labor der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover mit dem gleichen ELISA Gesamtöstrogen-Konzentrationen über 800 pg/ml gemessen (persönliche Kommunikation, JProf. Dr. M. Piechotta). Das heißt, dass die Konzentration von Östrogenen in der späten Trächtigkeit mehr als 200-mal höher ist als in der Follikelphase des physiologischen Zyklus. Auch in einer Studie von Shah et al. (2006) konnte nachgewiesen werden, dass die Konzentration von E1 kurz vor der Kalbung 28000 ± 3600 pg/ml beträgt und die E2-Konzentrationen 1000 ± 100 pg/ml ist. In der Studie von Schallenberger et al. (1985) wurde gezeigt, dass die E1-Konzentration im Blut der Mutterkuh zur Kalbung hin durchschnittlich 580 pg/ml betrugt und die E2-Konzentration durchschnittlich bei 76 pg/ml lag. Wenn man die Messungen der Gesamtöstrogene in der eigenen Arbeit mit Werten, die in

133 anderen Studien ermittelt wurden, vergleicht, muss zwar beachtet werden, dass diese Werte nicht im selben Labor mit dem gleichen Test bestimmt wurden und deshalb Test-Schwankungen unterliegen. Trotzdem ist die Differenz zwischen den in der späten Trächtigkeit und im Zyklus gemessenen Werten so deutlich, dass festgestellt werden kann, dass die Konzentration von E1 und E2 in der späten Trächtigkeitsehr viel höher sind als die im Zyklus.

Eine weitere mögliche Ursache für die gegensätzliche GHR-Expression könnte sein, dass Östron einen negativen Effekt auf die GHR-Expression in der Leber hat, da Östron nur während der Trächtigkeit in der Plazenta der Kuh aus Pregnenolon synthetisiert wird (Hoffmann & Schuler 2002), nicht aber während des physiologischen Zyklus. Überdies können auch grundsätzliche andere Mechanismen als Östrogene in der späten Trächtigkeit als Ursache diskutiert werden, wie zum Beispiel eine verminderte Futteraufnahme oder ein kataboler Stoffwechsel. Hierauf soll aber in dieser Arbeit nicht detailliert eingegangen werden.

SOCS2

In der Literatur wird diskutiert, dass durch E2 induzierte SOCS2-Proteine um die Kalbung herum eine Bedeutung für die sogenannte „Entkopplung“ der somatotropen Achse spielen. In der vorausgehend bereits erwähnten Arbeit von Winkelman et al.

(2008) konnte unter anderem gezeigt werden, dass zwei Tage nach der Kalbung die SOCS2-mRNA in der bovinen Leber deutlich erhöht exprimiert wurde. Die Autoren diskutierten, dass durch die Langzeitwirkung von E2 über rund drei Wochen ante partum neben einer verminderten GHR-Expression auch eine gesteigerte Expression von SOCS2 induziert wird und dadurch die Entkopplung der somatotropen Achse in der „transition period“ bedingen könnte. Für diese Hypothese von Winkelman et al.

(2008) spricht, dass in einer Untersuchung an ovarektomierten Mäusen, welche den hepatischen ERα exprimierten, nach Langzeit-Behandlung (drei Wochen) mit E2 eine vermehrte hepatische Expression von SOCS2 und 3 nachgewiesen wurde, während nach einer Kurzzeitbehandlung (24 h) nur eine Erhöhung der SOCS3-Expression beobachtet wurde (Leung et al. 2004). Winkelman et al. (2008) schlussfolgerten aus dieser Studie von Leung et al. (2004) ferner, dass aufgrund des notwendigen

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Langzeiteinflusses von E2 der Anstieg der SOCS2-Expression in der Leber erst zwei Tage nach der Kalbung signifikant erhöht war. Die Ergebnisse der eigenen Untersuchung widerlegen jedoch, dass beim Rind nur eine Langzeit-Einwirkung von E2 eine gesteigerte SOCS2-Expression in der Leber hervorruft, da gezeigt werden konnte, dass SOCS2 vor der Ovulation, parallel zu der kurzzeitig erhöhten E2 -Konzentration im Blut, bereits vermehrt in der Leber exprimiert wurde. Die Expression von SOCS2 scheint also sehr zeitnah und auch sensibel auf die E2 -Konzentrationsänderung im Blut zu reagieren, da es im Zyklus zu einer viel geringeren Konzentrationserhöhung von E2, verglichen mit der in der späten Trächtigkeit, kommt. Diese Beobachtung stimmt überein mit dem in vitro Teil der zuvor vorgestellten Arbeit von Leung et al. (2004). Hier konnten die Autoren zeigen, dass bei plasmidtransferierten HuH7-Zellen schon nach 18-stündiger Inkubation mit E2 eine signifikant gesteigerte SOCS2- und SOCS3-Expression nachzuweisen war.

Obwohl die Expression von SOCS2 beim Rind also auch nach kurzer Einwirkung von E2 auf die Leber gesteigert werden kann, ist trotzdem davon auszugehen, dass die erhöhte SOCS2-Expression die Entkopplung der somatotropen Achse mitbedingen könnte. Der Grund dafür ist aber wahrscheinlich nicht, dass SOCS2 nur nach Langzeit-Einwirkung von E2 exprimiert wird, sondern vielmehr, dass SOCS2 vor der Kalbung über eine längere Zeit vermehrt exprimiert wird, so dass in den Hepatozyten durch Proteinbiosynthese an den Ribosomen eine größere Menge von SOCS2-Proteine entstehen als durch die nur kurzzeitig erhöhte SOCS2-Expression in der Follikelphase. Während der eigenen Studie wurde beobachtet, dass die hepatische Expression von SOCS2 nach der Ovulation bereits wieder mit dessen Expression in der Lutealphase vergleichbar war, was ebenfalls bestätigt, dass die hepatische SOCS2-Expression in der Follikelphase nur über einen sehr kurzen Zeitraum erhöht ist und deshalb nur in einer wesentlich geringeren SOCS2-Proteinkonzentration in der Leber resultieren kann als rund um die Kalbung. Um diese Hypothese zu verifizieren, hätte die Bestimmung der Konzentration der SOCS2 Proteine mit Hilfe eines Western-Blots während der vorliegenden Studie eine optimale Ergänzung dargestellt.

135 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die kurzzeitig leicht erhöhten E2 -Konzentrationen in der Follikelphase des Rindes zu einer gesteigerten GHR-Expression geführt haben. Parallel dazu ist die GHR-Expression von SOCS2 wahrscheinlich nicht über einen ausreichend langen Zeitraum erhöht, um einen inhibitorischer Effekt auf den Signaltransduktionsweg auszuüben oder dieser Effekt ist nur sehr gering, weshalb in der eigenen Arbeit in der Follikelphase erhöhte IGF-I-Konzentrationen im Blut gemessen werden konnten.

5.2 In vitro Versuche

Das Ziel der in vitro Versuche der vorliegenden Arbeit war es zu analysieren, ob Zellen der humanen Tumorzelllinie HepG2 oder primäre Rattenhepatozyten ein geeignetes Modell für die Untersuchung des GHR-Signaltransduktionsweges in der Leber darstellen. Daneben sollte untersucht werden, ob Sexualsteroidhormone einen Einfluss auf die IGF-I- und –II-Sekretion und -Expression dieser Zellen haben.

Basierend auf den eigenen Ergebnissen während des bovinen Zyklus und den in der Literatur beschriebenen Verhältnissen rund um die Kalbung, lag den Versuchen die Hypothese zugrunde, dass E1, E2 und P4 die zelluläre Sekretion von IGF-I und eventuell auch die von IGF-II je nach Einwirkdauer in unterschiedlicher Weise beeinflussen. Im Folgenden werden zuerst die Ergebnisse der Versuche an HepG2-Zellen und dann die der Versuch an primären Rattenhepatozyten thematisiert.