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5 Diskussion

5.1 In vivo Versuche

5.1.1 Effekt von Sexualsteroidhormonen auf die hypophysäre GH-Sekretion 115

5.1.2.1 IGF-I und-IGF-II

Für einen Einfluss von Sexualsteroidhormonen auf die hepatische IGF-I-Ausschüttung spricht, dass die Konzentration von IGF-I während des eigenen Dissertationsprojektes im Blut der Färsen in der Lutealphase deutlich niedriger war als in der Follikelphase. Ferner wird die Hypothese durch eine Untersuchung von Kawashima et al. (2007) gestützt, in der rund um die Ovulation ebenfalls eine erhöhte IGF-I-Konzentration im Blut dokumentiert werden konnte. Zusätzlich wurde in Studien an Schafen und Ziegen gezeigt, dass in der Follikelphase im Vergleich zur Lutealphase erhöhte IGF-I Konzentrationen auftraten (Yonezawa et al. 2005; Spicer et al. 1990). Diese Ergebnisse können jedoch auch darin begründet sein, dass vermehrt GH aus der Hypophyse ausgeschieden wird, welches einen positiven Effekt auf die Ausschüttung von IGF-I aus der Leber hat.

Hingegen zeigten Alvarez et al. (2000) in einer Studie, in der am zweiten und vierzehnten Tag des bovinen Sexualzyklus Blutproben entnommen wurden, dass keine Änderung der IGF-I-Konzentration im Blut zu beobachten war. Da sich aber die Konzentrationen von E2 im Blut der Tiere am zweiten und vierzehnten Tag des Zyklus nicht mehr deutlich voneinander unterschieden (Glencross et al. 1973), sind die Ergebnisse dieser Studie nicht als Widerspruch zu der aufgestellten Hypothese zu bewerten. Außerdem zeigen verschiedene Studien an Rindern und an kleinen

119 Wiederkäuern, dass iatrogen substituiertes E2 bei ovarektomierten weiblichen Tieren einen deutlich steigernden Effekt auf die IGF-I Konzentration im Blut hat, während die Substitution von P4 die IGF-I-Konzentration im Blut mindert (Colak et al. 2011;

Yonezawa et al. 2005; Richards et al. 1991). Auch diese Ergebnisse untermauern, dass E2 und P4 die IGF-I-Ausschüttung aus der Leber regulieren, wobei E2 einen stimulierenden Effekt zu haben scheint, der von P4 aufgehoben wird. Inwieweit der Effekt auf hepatischer Ebene liegt oder durch eine erhöhte GH-Ausschüttung aus der Hypophyse zustande kommt, ist anhand dieser Studien nicht eindeutig differenzierbar.

Die hepatische IGF-I-mRNA-Expression war in der vorliegenden Dissertation in der Lutealphase vor und nach der Ovulation und auch während der Follikelphase vergleichbar. Zu erwarten wäre jedoch gewesen, dass einer vermehrten IGF-I-Konzentration im Blut auch eine gesteigerte mRNA-Expression in der Leber voraus geht. Auch in einer Studie von Radcliff et al. (2003) konnte gezeigt werden, dass die IGF-I-Konzentration im Blut zur Kalbung hin sinkt und parallel konnte ein Abfall der IGF-I-Expression in der Leber dokumentiert werden. Basierend auf dieser Studie kann also davon ausgegangen werden, dass die IGF-I-Konzentration im Blut und die relative hepatische IGF-I-Expression in einem engen Verhältnis zueinander stehen.

In den zuvor beschriebenen Studien von Kawashima et al. (2007) und Alvarez et al.

(2000) am Rind sowie von Yonezawa et al. (2005) und Spicer et al. (1993) an kleinen Wiederkäuern wurde die hepatische IGF-I-Expression im Zyklus jedoch nicht bestimmt, weshalb kein Vergleich der eigenen Ergebnisse mit diesen Studien möglich ist. In einer Arbeit von Carriquiry et al. (2009) konnte an Kühen gezeigt werden, dass die Injektion von 500 mg GH die Expression der IGF-I mRNA in der Leber steigert. Im physiologischen Zyklus der Färse, welcher in der vorliegenden Doktorarbeit untersucht wurde, sind die GH-Konzentrationen im Blut allerdings viel geringer, was auch ein Grund dafür sein könnte, dass keine deutliche Erhöhung der IGF-I-Expression nachgewiesen werden konnte.

Ein weiterer Grund könnte ferner sein, dass in der vorliegenden Doktorarbeit Leberbiopsien und Blutproben in der Follikelphase nur in sieben Zyklen von sechs

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Tieren vor der Ovulation genommen wurden, der Großteil der Proben aber erst direkt nach der Ovulation entnommen wurde. Zu diesem Zeitpunkt war die E2 -Konzentration im Blut nachweislich schon wieder viel niedriger als vor der Ovulation.

Wenn man nun davon ausgeht, dass E2 direkt via ERα die Transkription der Komponenten und Regulatoren des GH-Signaltransduktionsweges beeinflusst, ist anzunehmen, dass die IGF-I-mRNA-Expression in der Leber durch E2 zwar vor der Ovulation erhöht war, dies aber nach der Ovulation und anhand der geringen Anzahl der vor der Ovulation beprobten Tiere, nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Die Halbwertszeit von IGF-I im Blut ist durch die Bindung an die IGFBPs relativ lang (Guler et al. 1989). Folglich müsste ein Effekt von E2 auf die hepatische Sekretion im Blut deutlich länger nachweisbar sein als die hepatische Expression. Für diese Hypothese würde auch sprechen, dass die relative IGF-I-Expression in der Leber der sechs Tiere, die vor der Ovulation beprobt wurden (12,34 ± 7,84 RA) numerisch höher war als in den 49 Proben, die nach der Ovulation entnommen wurden (9,67 ± 6,23 RA). Der Grund, weshalb dieser Unterschied nicht aussagekräftig war, liegt wahrscheinlich in dem geringen Probenumfang und sollte in weiteren Arbeiten genauer untersucht werden. Weniger wahrscheinlich ist, dass die erhöhte IGF-I-Konzentration im Blut durch die IGF-I-Produktion im Follikel (Ortega et al. 2008) hervorgerufen wurde, weil mindestens 75 % des IGF-I im Blutkreislauf in der Leber gebildet werden (Sjogren et al. 1999).

IGF-II

In einer Studie, in der die IGF-II-Konzentration im Blut von Angus, Brahman und Senepol-Kühen an Tag 0 und 10 des Sexualzyklus bestimmt wurde, konnte kein Zyklusstand-abhängiger Unterschied der IGF-II-Konzentration im Blut dokumentiert werden (Alvarez et al. 2000). In der vorliegenden Doktorarbeit wurde jedoch während der Lutealphase eine höhere Konzentration von IGF-II im Blut der Färsen gemessen als in der Follikelphase (ante und post ovulationem) insgesamt. In einer Studie von Hua et al. (1995) an adulten Schafen wurde nachgewiesen, dass die Injektion von 0,1 mg bGH/kg über drei Tage zum Abfall der IGF-II-Konzentration im Blut führte.

Daher ist davon auszugehen, dass E2 über die zentrale Regulation der GH-Ausschüttung aus der Hypophyse indirekt auch die IGF-II-Konzentration im Blut der

121 Tiere in der Follikelphase supprimierte. Ob ein zusätzlicher direkter Effekt von E2 auf die Ausschüttung von IGF-II aus der Leber vorliegt ist, ist anhand der Ergebnisse der eigenen Studie nicht eindeutig zu klären. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Expression von IGF-II nicht über denselben Signaltransduktionsweg wie IGF-I vermittelt wird, da diese beiden Parameter sich in der vorliegenden Arbeit gegensätzlich verhielten. Dies wird im Weiteren noch detaillierter diskutiert.

Die Expression der hepatischen IGF-II mRNA war in der vorliegenden Studie generell sehr gering und sowohl in der Luteal- als auch in der Follikelphase vergleichbar. Diese Ergebnisse erlauben die Hypothese, dass das, im Blut nachweisbare, IGF-II nicht hauptsächlich aus der Leber stammte. In der Literatur ist belegt, dass im Uterus (Sosa et al. 2010, Robinson et al. 2002), in den Lutealzellen und Blutgefäßen des Gelbkörpers (Woad et al. 2000) sowie in der Skelettmuskulatur (Castigliego et al. 2010) ebenfalls IGF-II mRNA exprimiert wird. Da IGF-II auch eine Schlüsselrolle für die Entwicklung des Embryos und des Uterus in der frühen Trächtigkeit zugewiesen wird, liegt es nahe, dass eine große Menge IGF-II im Uterus bzw. im Endometrium gebildet wird. Es ist möglich, dass die Synthese von IGF-II in der Leber nur eine untergeordnete Rolle für die IGF-II-Gesamtkonzentration spielt und daher auch die mRNA-Expression von IGF-II in der vorliegenden Dissertation so niedrig war.

IGF-I vs. IGF-II

Abschließend kann festgestellt werden, dass sich in der eigenen Untersuchung IGF-I und IGF-II im Blut im bovinen Zyklus gegensätzlich verhielten. Diese Beobachtung machten auch Nikolić et al. (2001) in einer Studie, in der bei 145 gesunden Fleischrindern verschiedenen Geschlechts und Alters die IGF-I- und -II-Konzentration im Blut bestimmt wurde und in Tendenz ein reziprokes Verhältnis dieser beiden Parameter zueinander darstellbar war. Auch in einer Studie von Hua et al. (1995) konnte gezeigt werden, dass Fasten bei adulten Schafen zu einem Abfall von IGF-I und parallel zu einem Anstieg von IGF-II im Blut führt und, dass die Injektion von 0,1 mg bGH pro kg Körpergewicht über drei Tage bei gut ernährten Tieren zu einer

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Steigerung von IGF-I im Blut, aber zu einem Abfall der IGF-II-Konzentration führt.

Außerdem war IGF-I generell bei weiblichen adulten Schafen höher als bei Lämmern, während IGF-II sich gegensätzlich verhielt. Die gegenläufige Konzentration von IGF-I und -II, die in der eigenen Arbeit, sowie in Studien von Nikolić et al. (2001), Oldham et al. (1999) und Hua et al. (1995) beschrieben wurde, lässt schlussfolgern, dass IGF-I und IGF-II im Körper durch unterschiedliche Mechanismen synthetisiert und reguliert werden und ihnen sehr wahrscheinlich auch unterschiedliche Wirkungen im Organismus zukommen.

5.1.2.2 Regulation des hepatischen GHR-Signaltransduktionsweges während