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5.1 In vivo Versuche

5.2.2 Beurteilung der Versuche an primären Rattenzellen

Die primären Rattenhepatozyten wurden gewählt, da die Eigenschaften dieser Zellen den Eigenschaften in vivo im hohen Maße ähneln. Es war für die vorliegende Dissertation nicht möglich an bovinen primären Leberzellen zu arbeiten, da die Isolation dieser Zellen durch nicht-rezirkulierende Perfusion einer kompletten Rinderleber nicht oder nur mit großem Aufwand möglich ist. Die Gewinnung von primären Hepatozyten von Ratten hingegen war bereits im Institut für Lebensmitteltoxikologie und Chemische Analytik der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, Lebensmitteltoxikologie und Ersatz-/Ergänzungsmethoden zum Tierversuch unter der Leitung von Prof. Dr. Pablo Steinberg etabliert und wurde dort routinemäßig im Rahmen einer Lehrveranstaltung durchgeführt. Diese primären Rattenzellen konnten im Anschluss an diese Lehrveranstaltung für die Versuche der vorliegenden Arbeit genutzt werden. Ratten werden in der Forschung vielfach als Spendertier für die Gewinnung von primären Leberzellen verwendet, pro Ratte können zwischen 100-400 Millionen Hepatozyten isoliert werden (Shulman &

Nahmias 2013). Außerdem liegen bereits Studien vor, die zeigen, dass diese Zellen sowohl IGF-I wie auch IGF-II mRNA exprimieren und die IGF-I-Produktion durch GH stimulierbar ist (Helander et al. 2003, Shoba et al. 2001; Lamas et al. 1991).

In der vorliegenden Arbeit wurde mit Hilfe eines Vorversuch (4.2.5) festgestellt, dass unter den hier verwendeten Kulturbedingungen nach 48 Stunden in der Monolayer-Kultur nur noch durchschnittlich 20 % der primären Rattenhepatozyten vital waren.

Es wurde geschlussfolgert, dass die Hepatozyten unter diesen Kulturbedingungen nur für weniger als zwei Tage für die Analyse ihrer metabolischen Funktion genutzt

141 werden konnten. Auch in anderen Studien wurde gezeigt, dass es in der Monolayer-Kultur schon nach kurzer Zeit zum Verlust der kuboidalen Morphologie und der leberspezifischen Funktion der Zellen kommt (Dunn et al. 1991; Koide et al. 1989).

Shulman und Nahmias (2013) zeigten, dass die Sekretionsfähigkeit von Albumin und Harnstoff und die Aktivität des Enzyms Cytochrom P450 von primären Hepatozyten als Funktionsparameter in der Monolayer-Zellkultur ebenfalls in der ersten Woche einer Kultur der Zellen deutlich abnimmt. Aus diesem Grund wurde für den Hauptversuch (4.2.6) die Kulturdauer der primären Hepatozyten auf maximal 16 Stunden beschränkt. Nach 16 Stunden Zellkultur in den verschiedenen Medien waren, wie erwartet, noch über 80 % der Zellen vital. Des Weiteren war die Harnstoff-Syntheseleistung der primären Rattenzellen nach nur 16 Stunden mit der Harnstoff-Syntheseleistung der HepG2-Zellen nach drei Tagen vergleichbar, was als weiterer Beleg dafür gewertet werden kann, dass die primären Rattenzellen nach der verkürzten Kulturzeit lebensfähig waren und ihre Fähigkeit zur Harnstoffsynthese noch vorhanden war.

Bezüglich des Effektes von GH auf die primären Hepatozyten wurde die Hypothese aufgestellt, dass GH die IGF-I-Ausschüttung stimuliert und auch die Ausschüttung von IGF-II beeinflusst. In bereits publizierten Untersuchungen an primären Rattenzellen wurde gezeigt, dass der Zusatz von GH in das Zellkulturmedium von primären Ratten- und Maushepatozyten zu einer Steigerung der IGF-I-mRNA-Expression und der IGF-I-Konzentration im Medium führt (Bielohuby et al. 2011;

Helander et al. 2003; Shoba et al. 2001). Des Weiteren stieg auch bei hypophysektomierten Ratten die IGF-I-mRNA-Expression in der Leber nach Injektion von GH an (Bielohuby et al. 2009; Hoeflich et al. 2001; Domené et al. 1993).

Während der Versuche an primären Rattenhepatozyten für die vorliegende Arbeit konnte jedoch wider Erwarten kein stimulierender Effekt von GH auf die IGF-I-Konzentration im Medium oder die IGF-I-Expression in den Zellen beobachtet werden. Ein möglicher Grund für das Fehlen der GH-Ansprechbarkeit der primären Zellen könnte ein vorübergehender Verlust der IGF-I-Synthesefähigkeit der primären Rattenhepatozyten durch den Isolationsprozess aus dem Tier sein. Dafür spricht sowohl die im Kurzzeit-Versuch nachgewiesene geringen relativen Mengen der IGF-I

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mRNA in den Zellen, wie auch die verminderte IGF-I-Konzentration im Medium nach der Adhäsionsphase (4 Stunden) und der nur geringe erneute Anstieg der IGF-I-Konzentration nach 16 Stunden Kultur im Hauptversuch (4.2.6). In einer Arbeit von Bielohuby et al. (2011), die den stimulierenden Effekt von GH auf primäre murine Hepatozyten nachwies, waren die Zellen in der Kultur, wahrscheinlich aufgrund besserer Kultur-Bedingungen, länger vital als während der eigenen Versuche.

Bielohuby et al. (2011) ließen der GH-Stimulation eine 24-stündige Kulturphase in serumfreiem Medium vorausgehen. Es ist möglich, dass die murinen Hepatozyten in dieser Zeit ihre IGF-I-Synthesefähigkeit großteils zurück erlangten und deshalb anschließend wieder durch GH stimulierbar waren. Im eigenen Versuch hingegen konnte die 16-stündige Kultur nicht ausgereicht haben, damit die Zellen ihre Fähigkeit zur Synthese von IGF-I zurückerlangten. Es ist außerdem davon auszugehen, dass die Kulturbedingungen während des eigenen Versuches nicht optimal für die Zellen waren und deshalb die Syntheseleistung beeinträchtigt war.

Ansonsten wäre ebenfalls denkbar, dass eine wieder einsetzende Fähigkeit der primären Rattenzellen zur IGF-I-Produktion schon durch das im Medium basal vorhandene bGH maximal stimuliert wurde, so dass keine weitere Stimulation durch den Zusatz von rattenspezifischem GH möglich war. Zwar wurde in der vorliegenden Arbeit versucht, den FCS-Anteil im Kulturmedium gering zu halten, aber es konnten in diesem immer noch rund 14 ng/ml bGH nachgewiesen werden. In den Untersuchungen von Bielohuby et al. (2011) und Shoba et al. (2001) wurde dagegen komplett serumfreies Medium verwendet.

In der Untersuchung an Wildtyp-Ratten von Bielohuby et al. (2011) konnte nachgewiesen werden, dass auch die Injektion sehr hoher Dosen an GH zu keiner Steigerung der hepatischen IGF-I-Produktion führte. Die Autoren spekulierten, dass die maximale IGF-I-Ausschüttung aus der Leber bei Ratten schon erreicht ist und durch exogenes GH nicht weiter gesteigert werden kann. Dies könnte auch in vitro der Fall sein.

Eine mögliche andere Erklärung für die fehlende GH-Stimulierbarkeit der primären Rattenzellen während der eigenen Versuche ist, dass die eingesetzte GH-Konzentration von 200 ng/ml nicht hoch genug war um die IGF-I-Produktion

143 anzuregen. In der Studie von Bielohuby et al. (2011) wurde erst ab einer Konzentration von 500 ng/ml GH im Medium ein stimulierender Effekt auf die intrazelluläre IGF-I-mRNA und die IGF-I-Konzentration im Medium nachgewiesen.

Dagegen spricht jedoch, dass in der Studie von Shoba et al. (2001) bereits 50 ng/ml GH im Kulturmedium nach 24-stündiger Inkubation zu eine Verdopplung der IGF-I-mRNA-Expression führten.

In der eigenen Arbeit fehlte nicht nur ein Effekt von GH auf die IGF-I-Produktion der primären Rattenzellen, sondern auch auf IGF-II. In der Literatur wird diskutiert, dass IGF-II bei Säugetieren generell nicht so stark durch GH und andere Hormone beeinflussbar ist wie IGF-I (Humbel 1990). Außerdem ist aufgrund der frühen Abnahmen der Vitalität davon auszugehen, dass die Kulturbedingungen in der Monolayer-Kultur suboptimal waren, was zudem eine Rolle gespielt haben könnte, da die physiologische Funktion der Zellen wahrscheinlich nicht gegeben war. Dass die IGF-II-Konzentration in den Versuchen für die vorliegende Arbeit nach Kultur über 16 Stunden und im Vorversuch über bis zu 48 Stunden wieder deutlich anstieg, spricht dafür, dass die IGF-II-Syntheseleistung der Zellen durch den Isolationsprozess aus der Ratte entweder nicht ganz so stark supprimiert wurde oder diese Zellfunktion schneller wieder einsetzte.

Nach der Kultivierung der primären Rattenzellen mit Sexualsteroidhormonen konnte in der vorliegenden Arbeit im Vorversuch ein steigernder Effekt von P4 auf die IGF-II-Konzentration nach 24 Stunden und nach 48 Stunden Kultur im Medium beobachtet werden. Dieser Effekt stimmt mit den, im eigenen in vivo Teil gemachten, Beobachtungen überein, wo in der Lutealphase unter Progesteron-Einfluss ein Anstieg der IGF-II-Konzentration im Blut der Färsen beobachtet werden konnte und ist deshalb besonders interessant. Über den Einfluss von P4 auf die IGF-II-Sekretion von primären Rattenzellen liegen nach unserem Wissen allerdings zum jetzigen Zeitpunkt keine Studien vor. Die Aussagekraft des Vorversuches ist zudem eingeschränkt, da nach 48 Stunden Kultur nur noch ein geringer Prozentsatz der Zellen lebte. Außerdem konnte der positive Effekt von P4 auf die IGF-II-Konzentration im Medium im Hauptversuch nicht reproduziert werden. In diesem Versuch wurde weder ein Effekt von P4 noch von E2 auf die IGF-I- und –II-Konzentration im Medium

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oder die intrazelluläre IGF-I mRNA nachgewiesen. Es ist möglich, dass Sexualsteroidhormone über die kurze Kulturzeit keinen Einfluss auf die IGF-Synthese ausübten. Eine näher liegende Ursache ist jedoch, dass die Kultur der primären Zellen auf nur einer Schicht Kollagen keine optimalen Bedingungen für primäre Hepatozyten bot (Shulman & Nahmias 2013; Dunn et al. 1991; Koide et al.

1989) und deshalb die physiologische Funktionen der Zellen und deren IGF-Syntheseleistung eingeschränkt waren, was einen möglichen Effekt maskiert haben könnte. Die Monolayer-Kultur bietet somit keine geeigneten Bedingungen um den Einfluss von Sexualsteroiden auf das IGF-System zu untersuchen. Um die Eignung von primären Rattenzellen als Model für die GHR-Signaltransduktion besser untersuchen zu können, wäre es wünschenswert eine bessere Kulturmethode, wie zum Beispiel eine Sandwich-Kultur mit einer weiteren Kollagenschicht oder eine 3D-Kultur zu etablieren. Shulman und Nahmias (2013) zeigten, dass Hepatozyten in der Sandwich-Kultur mit zwei Kollagenschichten über 42 Tage hinweg ihre kuboidale Morphologie beibehielten und die Harnstoff- und Albumin-Sekretion über die ersten zehn Tage der Kultur anstieg und danach konstant blieb. In einer Studie über 3D-Zellkulturen von primären Rattenhepatozyten wurde gezeigt, dass diese ihre kuboidale Morphologie mit einer deutlich höheren Viabilität als in der Monolayer-Kultur beibehielten und auch das Enzym Cytochrom P450 signifikant stärker exprimierten als in der Monolayer-Kultur. Ein weiter Ansatz für die eine optimale Nachahmung der physiologischen Verhältnisse im Körper, wäre die Kultur in einem Biochip. Während der Kultur der Zellen in einem solchen Microfluid-Biochip (Baudoin et al. 2013a, Baudoin et al 2013b) wäre es möglich, dem permanent die Zellen umspülenden Medium intermittierend GH zu zusetzen, um so die physiologischen GH-Pulse im Körper zu imitieren.

Es ist besonders erstrebenswert primäre Rattenhepatozyten weiter auf Ihre Eignung als Modell zu untersuchen, da Studien belegen, dass es sowohl bei Ratten (Escalada et al. 1997) wie auch bei Rindern (Winkelman et al. 2008) zu einer „Entkopplung der somatotropen Achse“ in der späten Trächtigkeit kommt. Ferner wurde bei Ratten bereits ein inhibitorischer Effekt einer Langzeitgabe von E2 auf die hepatische IGF-I-Expression und die IGF-I-Konzentration im Blut beobachtet (Böttner & Wuttke 2006;

145 Murphy & Friesen 1988). Bei Rindern wird die Einwirkung von E2 über mehrere Wochen als mögliche Ursache für die Entkopplung der somatotropen Achse rund um die Kalbung diskutiert (Winkelman et al. 2008; Wook et al. 2004; Radcliff et al. 2003).

Diese ähnlichen Eigenschaften der beiden Spezies lassen vermuten, dass primäre Rattenhepatozyten in einer Sandwich-, einer 3D-Kultur oder einem Microfluid-Biochip ein geeignetes Modell für den hepatischen GHR-Signaltransduktionsweg sein könnten. Es ist allerdings davon auszugehen, dass primäre Rinderhepatozyten die beste Grundlage für die in vitro Untersuchung des IGF-Systems darstellen würden.

Bei der Etablierung einer solchen Zellkultur sollte aber von Beginn an eine Sandwich- oder 3D-Kultur oder die Kultur in einem Microfluid-Biochip angestrebt werden, da davon auszugehen ist, dass die Monolayer-Kultur auch für Rinderhepatozyten keine optimalen Bedingungen bieten kann.

Abschließend kann geschlussfolgert werden, dass HepG2-Zellen nicht als Model zur Untersuchung des GHR-Signaltransduktionsweges geeignet sind, da ihr IGF-System aufgrund der Tumorgenese verändert ist. Auch die Monolayer-Kultur von primären Rattenzellen ist kein geeignetes Modell, da die Zellen wahrscheinlich zu schnell ihre Funktionalität einbüßen. Hier wäre die Etablierung einer Sandwich- oder 3D-Kultur oder die Nutzung eines Microfluid-Biochips zur Kultivierung der Zellen erstrebenswert. Um speziesindividuelle Effekte ausschließen zu können, wäre die beste Option eine Microfluid-Biochip primärer Rinderhepatozyten zu etablieren und zur Untersuchung des Kurz- und Langzeit-Einflusses von Sexualsteroidhormonen auf den GHR-Signaltransduktionsweg zu nutzen, um diese Ergebnisse auf die in vivo Situation beim Rind übertragend zu können.