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5.1 In vivo Versuche

5.2.1 Beurteilung der Versuche an HepG2-Zellen

HepG2-Zellen wurden ausgewählt, da eine Tumorzelllinie einen hohen Anwendungs-Komfort bietet, da die Zellen allzeit verfügbar und außerdem relativ robust sind. Eine Eignung dieser Zellen für die Untersuchung des GHR-Signaltransduktionsweges würde eine einfache und kostengünstige Möglichkeit zur Reduktion von Tierversuchen und Bearbeitung zahlreicher Fragestellungen bieten. Eine bovine Leber-Zelllinie ist kommerziell nicht erhältlich, weshalb eine humane Zelllinie genutzt wurde. Basierend auf der, über zehn Tage hinweg, erstellten Wachstumskurve sowie der nachweislich konstanten dreitägigen Harnstoff-Syntheserate über drei Wochen (4.2.4), kann davon ausgegangen werden, dass die HepG2-Zellen unter den

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Kulturbedingungen während der eigenen Versuche vital waren und eine für diese Zelllinie reguläre Proliferationsrate aufwiesen (Darlington et al. 1987).

Es wurde vermutet, dass GH die IGF-I-Ausschüttung aus den HepG2-Zellen stimuliert und auch die Ausschüttung von IGF-II beeinflusst. Diese Hypothese wurde aufgestellt, da die Leber nachweislich der Hauptsyntheseort für IGF-I ist (Scott et al.

1985; Sjogren et al. 1999) und in der Literatur eindeutig beschrieben wird, dass GH die hepatische IGF-I-Sekretion initiiert (Carriquiry et al. 2009; Frago & Chowen 2005;

Argetsinger & Carter-Su 1996). In einer persönlichen Korrespondenz bestätigte Herr Dr. Clemmons (Department of Biochemistry Biophysics, University of North Carolina, USA), dass auch HepG2-Zellen IGF-I und, in besonders hohen Mengen, IGF-II synthetisieren. In einer Studie an Schafen wurde des Weiteren ein supprimierender Effekt von GH auf die IGF-II-Ausschüttung aus der Leber detektiert (Huang &

O’Sullivan 2009). In den eigenen Untersuchungen konnte zunächst durchflusszytometrisch bestätigt werden, dass HepG2-Zellen einen GHR aufwiesen.

Die Anwesenheit des GHR auf HepG2-Zellen wurde auch immunhistologisch in einer Studie von Parini et al. (1995) nachgewiesen.

Im Gegensatz zu der aufgestellten Hypothese, konnte aber in beiden selbst durchgeführten Versuchen an HepG2Zellen kein Effekt von GH auf die IGFI und -II-Konzentration im Zellkulturmedium oder auf die IGF-II-mRNA-Expression in den Zellen beobachtet werden.

Ein möglicher Grund dafür ist, dass in den Zellkulturmedien mit FCS-Anteil bereits basal geringe Konzentrationen von bGH nachgewiesen werden konnten und dieses schon im Medium befindliche bGH den GHR der HepG2-Zellen stimuliert haben könnte, sodass der Zusatz von 200 ng/ml GH keinen weiteren Effekt mehr hervorrief.

Die wahrscheinlichere Ursache ist aber der bereits in verschiedenen Studien beschriebene Verlust der koordinierten Antwort des IGF-Systems von malignen Zellen auf GH (Fausto et al 1995; Macdonald 2001; Michalopoulos & DeFrances 2005). Auch die eigenen Ergebnisse der IGF-I- und –II-Messung im Medium und der zellulären IGF-II-Expression geben Hinweise darauf, dass das IGF-System der einem Leberkarzinom (hepatocellular carcinoma, HCC) entstammenden HepG2-Zellen verändert ist.

137 In der vorliegenden Arbeit wurde im Kurzzeit-Kultur-Versuch (4.2.3) zwar eine höhere IGF-I-Konzentration im Medium nach 24 Stunden Kultur als vor Versuchsstart beobachtet, aber nach weiterer Kultivierung im selben Medium war diese bereits wieder abgesunken. Auch im Langzeit-Kultur-Versuch (4.2.3) nahm die dreitägige IGF-I-Syntheserate über drei Wochen hinweg konstant ab und lag nach zwei Wochen Kultur bereits deutlich unter der Konzentration im Medium vor Versuchsstart. Die IGF-II-Konzentration im zuletzt zugesetzten Medium war hingegen über eine kurze (48 Stunden) und eine lange Zeitdauer (

drei Wochen) in beiden Versuchen durchgehend höher als die IGF-II-Konzentration im Medium vor Versuchsstart. Ferner lag auch die IGF-II-mRNA-Expression während der Versuche auf einem überraschend hohen Level.

Auch bei Patienten mit hepatozellulärem Karzinom (hepatocellular carcinoma, HCC) konnte im Vergleich zu gesunden Probanden ein signifikanter Abfall der IGF-I-Konzentration im Serum nachgewiesen werden (Mazziotti et al. 2002). Anscheinend nimmt also die IGF-I-Syntheserate bei malignen Leberzellen ab. Es ist davon auszugehen, dass auch die, für die eigenen Zellkultur-Versuche verwendeten, HepG2-Zellen ihre Fähigkeit zur IGF-I-Sekretion nicht mehr aufweisen. Jedoch erklärt dies nicht, warum die IGF-I-Konzentration teilweise signifikant niedriger war als im Medium vor der Zellkultur. Da IGF-I in einem im Kühlschrank aufbewahrten Medium über sechs Tage hinweg nachweislich konstant war und das Medium jeweils für maximal eine Woche angesetzt wurde, ist nicht davon auszugehen, dass IGF-I im Medium zerfallen und abgebaut worden ist. Wahrscheinlicher ist, dass das basal im Medium befindliche IGF-I von den HepG2-Zellen gebunden wurde. Die Expression des IGF-I-Rezeptors wurde in Hepatozyten von gesunden, adulten Menschen und Nagern als verschwindend gering beschrieben (Zindy et al. 1992; Caro et al. 1988).

Jedoch wurde in Untersuchungen an HepG2-Zellen gezeigt, dass die Expression des IGF-IR um ein vielfaches höher ist, als bei nicht malignen Hepatozyten (Zhang et al.

2006; Caro et al. 1988). Außerdem liegen Untersuchungen vor, die zeigen, dass der IGF-IR bei humaner Leberzirrhose und Lebertumoren und in anderen humanen Lebertumorzelllinien ebenfalls überexprimiert wird (Scharf et al. 1998; Tsai& O’Malley 1994; Verspohl et al. 1988). Folglich ist davon auszugehen, dass die

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Konzentration im Medium nach Zellkultur durch Bindung von IGF-I an die vermehrt exprimierten IGF-IR der HepG2-Zellen abnahm, da das gebundene IGF-I nicht mehr nachweisbar war. Dadurch lässt sich auch begründen, dass im Kurzzeit-Versuch die IGF-I-Konzentration nach 48 Stunden Kultur im Vergleich zu dem Wert nach 24 Stunden Kultur erniedrigt war. Durch die hohe Proliferationsrate der HepG2-Zellen war nach 48 Stunden die Zellzahl der HepG2-Zellen deutlich höher als 24 Stunden zuvor, somit konnte auch mehr IGF-I aus dem Medium an deren IGF-IR binden und demnach die IGF-I Konzentration im Medium nachweislich abnehmen.

Im Gegensatz zu IGF-I wurde IGF-II während des Kurzzeit- und Langzeit-Versuches scheinbar konstant von den HepG2-Zellen in das Medium abgegeben, da die Konzentration im Medium in allen Versuchen erhöht war. Außerdem war die IGF-II-mRNA-Expression in den HepG2-Zellen durchgehend sehr hoch. Dies scheint ebenfalls typisch für Tumorzellenlinien und besonders für die HepG2-Zellline. In einer Studie von Lin et al. (1997) wurde nachgewiesen, dass die intrazelluläre IGF-II-Konzentration von HepG2-Zellen fünfmal so hoch ist wie die von anderen Zelllinien und Dong et al. (2013 & 2005) zeigten, dass die IGF-II-Expression im HCC-Gewebe auf mRNA- und Protein-Ebene deutlich erhöht ist. In anderen Studien wird sogar von einer 40-100-fachen IGF-II-Expression Erhöhung in Leberzelllinien und Lebertumorgewebe berichtet (Su et al. 1994; Cariani et al. 1988). Neben der Überexpression von IGF-II und dem IGF-IR konnte in Lebertumorzellen ferner eine erhöhte Expression des Insulin-Rezeptors nachgewiesen werden (Nishiyama &

Wands 1992; Tanaka et al 1997), für den IGF-II, nicht aber IGF-I, eine hohe Affinität besitzt (Frasca et al. 1999; Molleret al. 1989). Außerdem konnte vermehrt ein Verlust der Heterozygosität und Mutationen des IGF-IIR in HCCs beobachtet werden (De Souza et al. 1997; Yamada et al. 1997), welche eine Degradation von IGF-II bewirkt (De Souza et al. 1997). In der Literatur wird davon ausgegangen, dass die hohe Proliferationsrate von Tumorzellen durch deren stark erhöhte IGF-II-Synthese hervorgerufen wird. Es wurde beschrieben, dass IGF-II, welches nur vermindert vom IGF-IIR degradiert wird, an die vermehrt exprimierten IGF-IRs und Insulin-Rezeptoren der Zellen bindet und so malignes unkontrolliertes Wachstum bedingt (Alexia et al. 2004, Tanaka et al. 1997). Ein Ansatzpunkt der Tumorforschung ist es

139 daher, die Proliferationsrate von Lebertumoren durch Inhibition des IGF-IR zu bremsen (Höpfner et al. 2006; Zhang et al. 2006). In den eigenen Versuchen konnte anhand der IGF-Konzentrationen im Medium und der mRNA-Expression in den Zellen gezeigt werden, dass die verwendeten HepG2-Zellen Eigenschaften der Tumor-typischen Veränderungen des IGF-Systems zeigen.

Nach Kultivierung der HepG2-Zellen mit Sexualsteroidhormonen konnte, in der vorliegenden Arbeit, kein gerichteter, sich wiederholender Effekt von E1, E2, P4 oder der Kombination dieser Hormone auf die IGF-I-Konzentration im Kulturmedium beobachtet werden. Dies ist mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls in der Tumorgenese dieser Zellen begründet. Jedoch konnte in einer Studie von Li et al.

(2009) an HepG2-Zellen nachgewiesen werden, dass mit E2 vor-inkubierte HepG2-Zellen nach GH-Stimulation vermehrt IGF-I exprimierten. Diese Studie ist nur eingeschränkt mit der eigenen Arbeit vergleichbar, da die IGF-I-Expression in der vorliegenden Arbeit nicht bestimmt wurde. Eine mögliche Ursache für die verschiedenen Ergebnisse, könnten unterschiedliche Kulturbedingungen während der Versuche sein. Bezüglich der Eignung der HepG2-Zellen zur Untersuchung des Einflusses von Sexualsteroidhomonen auf die IGF-I-Ausschüttung aus der Leber als Modell auch für das Rind, muss festgestellt werden, dass diese Zellen keine passablen Eigenschaften aufweisen. Der positive Effekt von E2 auf die hepatische IGF-I-Ausschüttung, der während des eigenen in vivo Versuches beobachtet wurde, war im Kurzzeit-HepG2-Versuch nicht erkennbar.

Bezüglich der IGF-II-Produktion der HepG2-Zellen nach Kultur mit den verschiedenen Hormonmedien, wurde in der vorliegenden Arbeit beobachtet, dass gehäuft ein positiver Effekt von E2 auf die IGF-II Konzentration im Medium auftrat.

Ferner konnte im Kurzzeit-Versuch eine Steigerung der IGF-II mRNA nach Kultur mit E2 beobachtet werden.

Ein positiver Effekt von E2 und GH auf die IGF-II-mRNA-Expression wurde auch in einer Studie an Osteoblasten beobachtet (Bolamperti et al 2013). Osteoblasten zeichnen sich physiologischer Weise durch eine hohe Proliferationsrat aus, was der Grund dafür sein kann, dass ein übereinstimmender Effekt mit den HepG2-Zellen, welche pathologisch eine hohe Proliferationsrate zeigen, beobachtet werden konnte.

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Dieser Effekt steht aber im Gegensatz zum im in vivo Teil der vorliegenden Arbeit beobachteten Abfall der IGF-II-Konzentration im Serum während der Follikelphase und zeigt, dass HepG2-Zellen auch nicht als Model zur Untersuchung des Einflusses von Sexualsteroidhomonen auf die IGF-II-Ausschüttung aus der Leber genutzt werden können. Das IGF-System dieser Zellen ist höchstwahrscheinlich aufgrund der Tumorgenese stark verändert und deshalb nicht mit dem von gesunden, bovinen Leberzellen vergleichbar.