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2 Literatur

2.1 Somatotrope Achse

2.1.4 Insulin-like Growth Factor System

Der dem GHR nachgeschaltete Signaltransduktionsweg resultiert in der Ausschüttung von IGF-I und wahrscheinlich auch IGF-II aus der Leber (Frago &

Chowen 2005). Die Existenz von IGF wurde erstmals 1957 diskutiert, als Salmon et al. (1957) feststellten, dass GH den Einbau von Sulfat in humanen Knorpel nicht direkt bedingt, sondern diesen Effekt über einen Serumfaktor induziert.

Im Jahre 1978 wurde IGF-I zum ersten Mal durch Rinderknecht und Humbel aufgereinigt und extrahiert (Rinderknecht & Humbel 1978). Der Terminus

„insulinähnlich“ wurde gewählt, da IGF-I und -II beide die Glukoseaufnahme in Fett- und Muskelzellen stimulieren und bis zu 50 % Übereinstimmung in der Struktur zu Insulin aufweisen (Blundell et al. 1983; Rinderknecht & Humbel 1978). Durch diese strukturelle Ähnlichkeit können I und II nicht nur an spezifische IGF-Rezeptoren binden sondern auch an den Insulin-Rezeptor. Die Bindungsaffinität ist jedoch im Vergleich zu Insulin eingeschränkt (Steele-Perkins et al. 1988).

In verschiedenen wissenschaftlichen Arbeiten wurde dargestellt, dass IGF-I für Zellwachstum, die intrauterine Entwicklung und besonders für das postnatale Wachstum wichtig ist (Romano et al. 2001; Valentinis & Baserga 2001; Grimberg &

Cohen 2000; Lassarre et al. 1991; Gourmelen et al. 1984). Als eine der wichtigsten Wirkungen von IGF-II wurde in einer Studie von Moses et al. (1980) deren Einfluss auf die embryonale Entwicklung beschrieben. Ferner hat IGF-II Einfluss auf das postnatale Wachstum und wahrscheinlich auch auf metabolische Regulationsmechanismen (A. J. D’Ercole 1996).

Die Produktion von IGF-I und IGF-II beginnt in fetalen Geweben und setzt sich postnatal fort (D’Ercole 1996; Han et al. 1987). Yakar et al. 1999 zeigten, dass die Synthese und Sekretion von IGF-I fetal wie auch postnatal zu 75 % in der Leber stattfindet. Die restlichen 25 % werden unter anderem in der Niere, der Muskulatur und im Fettgewebe gebildet und ins Blut sezerniert (Yakar et al. 1999).

Das im Blut zirkulierende IGF-I und IGF-II wird an spezifischen Bindungsproteinen (IGFBP) transportiert (Hwa et al. 1999; Rajaram et al. 1997). Es sind sechs Bindungsproteine mit hoher Affinität (IGFBP 1-6; Lucy 2011) sowie drei weitere

IGF-11 Bindungsproteine (IGFBP 7-9) mit geringerer Affinität zu IGF-I und IGF-II beschrieben (Pimentel et al. 2011; Monzavi & Cohen 2002; Kim et al. 1997).

Der größte Anteil an IGF-I und IGF-II bildet einen Komplex mit IGFBP-3 und einem zweiten Protein, der „acid labile subunit“ (ALS) (Spagnoli & Rosenfeld 1996). Als Funktion der Bindung von IGF an IGFBPs wird in der Literatur die Verlängerung der Halbwertszeit durch Schutz des Komplexes vor Proteolyse genannt (Guler et al.

1989), wodurch die BPs eine Schlüsselrolle für den Transport von IGF-I und IGF-II zu den Zielgeweben spielen. Ferner vermindert die Bindung an IGFBP den hypoglykämischen Effekt von freiem IGF-I und IGF-II, der durch die Wirkung von freiem IGF auf Insulinrezeptoren vermittelt wird (Baxter & Daughaday 1991).

In der Literatur werden zwei Rezeptoren für IGF-I und IGF-II beschrieben. Der IGF-IR wird ubiquitär exprimiert (Baserga 2000; Grimberg & Cohen 2000) und nur ausgereifte B-Lymphozyten und Hepatozyten tragen diesen Rezeptor laut Valentinis und Baserga (2001) nicht. Jedoch liegen auch Studien vor, in denen die mRNA des IGF-IR in der Leber von Rinder nachgewiesen werden konnte (Alam et al. 2012;

Colak et al. 2011). Der IGF-IR vermittelt vor allem die wachstumsfördernde Wirkung von IGF-I, aber auch IGF-II kann an diesen Rezeptor bindet (LeRoith et al. 1995;

Ullrich et al. 1986). Der IGF-IR wird im Zytoplasma als einzelnes Protein transkribiert.

Aus diesen Einzelproteinen bilden sich unter Einfluss von spezifischen Proteasen Heterodimere, welche als IGF-IR an der Zelloberfläche gebunden werden. Zwischen dem IGF-IR und dem Insulin-Rezeptor besteht zu etwa 70 % Strukturhomologie, weshalb IGF-I und IGF-II auch an den Insulin-Rezeptor binden können, allerdings mit wesentlich geringerer Affinität als Insulin (Baserga 2000; Grimberg & Cohen 2000;

Valentinis & Baserga 2001).

Neben dem, in der Literatur gut beschriebenen, IGF-IR, gibt es einen als IGF-II-Rezeptor (IGF-IIR) bezeichneten weiteren IGF-II-Rezeptor, welcher ausschließlich IGF-II bindet. Es wird beschrieben, dass der IGF-IIR dem Mannose-6-Phosphat-Rezeptor gleicht, welcher ein Rezeptor für die Phosphatsäure der Mannose ist. Es handelt sich bei dem IGF-IIR um ein einfach transmembranes Glycoprotein (MacDonald et al.

1988), das eine Rolle für den intrazellulären Transport von lysosomalen Enzymen spielt (Kornfeld 1992). Der IGF-IIR bewirkt, dass IGF-II aus dem Blut in die Zelle

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internalisiert wird und vermittelt dessen Degradation (Ludwig et al. 1996; Gelato et al.

1989).

Die beiden Mediatoren des Wachstumshormons IGF-I und IGF-II können sowohl endo-, para- als auch autokrin wirken (Jones & Clemmons 1995; Rotwein 1991;

D’Ercole et al. 1984). Während der fetalen Entwicklung wird besonders IGF-II im Körper des Fetus gebildet, jedoch ist nach Literaturangaben auch IGF-I für das fetale Wachstum von Bedeutung (Lassarre et al. 1991). Holland et al. (1997) zeigten beim Rind, dass sowohl die IGF-II als auch die IGF-I-Konzentration im Blut der Mutter und des Fetus positiv mit dem fetalen Wachstum korrelieren (Holland et al. 1997).

Zu den vielfältigen Wirkungen von IGF-I gehört zudem auf Zellebene die Beeinflussung des Zellwachstums und der Zellproliferation, der eine Beschleunigung des Zellzyklus, inklusive der Mitose, zugrunde liegt. Bei Kühen wird die IGF-I Konzentration im Blut als ein Indikator für die Energiebilanz beschrieben (Spicer et al. 1990). In einer Studie von Breier (1999) wurde nachgewiesen, dass während einer anabolen Stoffwechsellage die Konzentration von Triglyceriden, freien Fettsäuren (FFS) und Ketonkörpern durch IGF-I gesenkt und die Aufnahme von Aminosäuren in die Muskulatur gesteigert wurde. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass IGF-I die Glukoseaufnahme ins Gewebe erhöht und die GH- und Glukagon-Ausschüttung im Sinne eines negativen Feedbacks hemmt (Heemskerk et al. 1999). Liegt eine katabole Stoowechsellage vor, so kommt es nach Breier (1999) zu einer GH-Resistenz im Gewebe und in Folge zu einer geringeren IGF-I Konzentration im Blut, wodurch z.B. Glukose und FFS für die metabolische Homöostase wie die Laktogenese und nicht für Zellwachstum und Proliferation verwertet werden. Auch im peripartalen Zeitraum wird bei Hochleistungskühen eine verminderte IGF-I Konzentration im Blut nachgewiesen, welche mit einer GH-Resistenz einhergeht (Winkelman et al. 2008).

2.1.5 Die SOCS-Familie als Regulatoren des GH-Signaltransduktionsweges Eine wichtige Gruppe von Proteinen, die für die Regulation des GHR-Signaltransduktionsweges verantwortlich sind, ist die Familie der Zytokin-induzierten Proteine, die als „Suppressor of cytokine signaling“ (SOCS) bezeichnet werden

13 (Krebs & Hilton 2000). Die SOCS-Familie umfasst die Proteine SOCS1 bis 7 und das cytokine-inducible SH2 containing protein (CIS) (Alexander 2002; Hilton et al. 1998;

Starr et al. 1997; Masuhara et al. 1997; Yoshimural et al. 1995). Eine hohe Konzentration von GH kann neben anderen Faktoren, wie z.B.

Sexualsteroidhormonen, die im Kapiteln 2.3 näher beschrieben werden, die Aktivierung der Transkription von SOCS1, 2, 3 und CIS bewirken (Davey et al. 1999;

Matsumoto et al. 1997; Abbildung 2). Der Signaltransduktionsweg, welcher der Induktion der SOCS-Transkription zugrunde liegt, ist noch nicht vollständig geklärt, steht aber nach Meinung von Naka et al. (1997) in einem direkten Zusammenhang mit der STAT-Aktivierung. Die SOCS-Proteine können die GH-Wirkung in verschiedenen Geweben inhibieren (Du 2003; Morales et al. 2002; Davey et al. 1999;

Hansen et al. 1999; Karlsson et al. 1999; Tollet-Egnell et al. 1999; Adams 1998).

Abbildung 2: Darstellung der möglichen Blockierung des Signaltransduktionsweges von GHR durch die Induktion von Suppressor of cytokine signaling-Proteine (SOCS) und cytokine-inducible SH2 containing-Proteine (CIS); JAK2: Januskinase 2; STAT: signal transducers and activator of transcription-Proteine, P: symbolisiert die Phosphorylisierung

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Der Wirkungsmechanismus der SOCS-Proteine ist bisher nur teilweise aufgeklärt. So weiß man, dass SOCS1- und 3-Proteine an JAK2 binden und dessen Aktivität inhibieren, während CIS mit STAT5 um die Bindungsstelle am GHR-JAK2-Komplex konkurriert (Abbildung 2). Der genaue Mechanismus dieser inhibierenden Wirkung von SOCS2 ist noch fraglich (Krebs & Hilton 2001). Mäuse mit SOCS2 Defizienz zeigen Symptome einer GH-Überexpression (Rico-Bautista et al. 2005). Es wird diskutiert, dass SOCS2 genau wie CIS mit STAT5 um die Bindungsstelle am GHR konkurriert (Smit et al. 1996; Abbildung 2).

In einer Studie von Vesterlund et al. (2011) gibt es Hinweise darauf, dass SOCS2 an den GHR-Komplex bindet und dessen Ubiquitinierung fördert und es dadurch zur proteasomalen Degradation dieses Komplexes kommt. Die Ergebnisse einer anderen Arbeit, bei der an einer humanen Nierenzellenlinie mit SOCS-Überexpression gearbeitet wurde, lassen vermuten, dass ein niedriges SOCS2 Level in der Zelle eine inhibierende Wirkung auf die GH-Signaltransduktion hat, ein hohes dagegen einen steigernden Effekt haben könnte und sogar die inhibierende Wirkung von SOCS1 aufheben kann. Somit wird die Funktion von SOCS2 in der Literatur als dualer Modulator diskutiert (Favre et al.1999).

Beim Rind gibt es bisher nur wenige funktionelle Studien zu einer SOCS-Inhibierung des GHR-Signaltransduktionsweges. Eine Untersuchung zu diesem Thema beim Rind ist die Arbeit von Winkelman et al. (2008), in welcher die SOCS2 Expression in der Leber von multiparen Kühen via PCR nachgewiesen wurde. Die Tiere wurden in zwei Fütterungsgruppen eingeteilt und nahe einer physiologischen Kalbung wurden Leberbiopsien für die Bestimmung der SOCS2 Genexpression entnommen. Die Arbeitsgruppe konnte deutlich zeigen, dass die hepatisches SOCS2 mRNA Expression relativ zur Abkalbung anstieg, wobei dieser Effekt bei ad libitum gefütterten Tieren deutlicher war, als bei restriktiv gefütterten Tieren (Winkelman et al. 2008). Eine weitere Arbeit zu dem Thema ist die Studie von Piechotta et al.

(2013), in der gezeigt werden konnte, dass Kühe, deren IGF-I-Konzentration im Blut schon um Tag 250 post inseminationem gering war, eine in Tendenz niedrigere hepatische SOCS2 mRNA-Expression nach der Kalbung aufwiesen als Tiere, die an Tag 250 post inseminationem, höhere IGF-I-Konzentrationen hatten.

15 2.2 Gonadotrope Achse

Die Fortpflanzung und der Sexualzyklus des Rindes werden durch die Hormone der Hypothalamus-Hypophysen-Gonaden-Achse, die man auch als die gonadotrope Achse bezeichnet, reguliert. Die klassischen Komponenten dieser Achse sind das Gonadotropin-Releasing Hormone (GnRH), das Follikel-stimulierende Hormon (FSH), das luteinisierende Hormon (LH), Progesteron (P4), 17-ß-Östradiol (E2) sowie Inhibin (Roche, 1996). Weitere Hormone die eine Rolle im Sexualzyklus und / oder der Trächtigkeit spielen sind Östron (E1; Patel et al. 1999; Hoffmann et al. 1997) und Prostaglandin F2α (PGF; Liu et al. 1997; Knickerbocker et al. 1988). Durch ihre Interaktion in einem Netzwerk aus negativen und positiven Feedbackmechanismen wird der Sexualzyklus des Rindes gesteuert (Roche 1996).

2.2.1 Der Sexualzyklus des Rindes

Rinder sind polyöstrische Tiere, das Einsetzen der Pubertät wird beim weiblichen Tier zwischen dem 6. und 12. Lebensmonat und einem Durchschnittsgewicht von 200-259 kg beobachtet und ist durch den Beginn des Sexualzyklus, der zwischen 18 und 24 Tagen dauert, gekennzeichnet (Forde et al. 2011a; Hansel & Convey 1983).

Vor allem in der deutschen Literatur wird der bovine Sexualzyklus oft, basierend auf Verhaltensveränderungen und klinischen Veränderungen, in vier Zyklusstadien unterteilt (Ball & Peters 2004; Grunert & Berchtold 1999). Hierbei unterscheidet man:

Proöstrus: Phase zwischen Beginn einer für den Östrus typischen Verhaltensveränderung (z.B. gesteigerte Nervosität, Aufspringen auf andere Kühe) und dem Einsetzen der Paarungsbereitschaft (Dauer: ca.

zwei Tage)

Östrus: Phase der Paarungsbereitschaft, während der die Kuh deutliche Brunstsymptome (Duldungsreflex, Sekretion von Brunstschleim, gesteigerte Kontraktilität des Uterus) zeigt (Dauer: ca. 18 Stunden) Postöstrus: Phase, in der keine Paarungsbereitschaft mehr besteht und die

Brunstsymptome abnehmen, besonders bei Färsen kommt es in dieser Phase zum Abbluten (Dauer: ca. ein bis vier Tage)

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Diöstrus: Phase der sexuellen Ruhe (Dauer: ca. 14 Tage)

Da sich diese Arbeit vor allem mit den endokrinologischen Regelprozessen des Zyklus und den dabei gebildeten Steroidhormonen beschäftig, wird im Folgenden der Schwerpunkt auf die Einteilung in die Phasen des ovariellen Zyklus gelegt, welcher die hormonellen Veränderungen deutlich widerspiegelt. Diese Einteilung wird vor allem in der aktuellen englischsprachigen Literatur verwendet, hierbei wird der Zyklus in nur zwei Phasen gegliedert (Ginther et al. 2013a; Forde et al. 2011a; Hansel &

Convey 1983)

Lutealphase: Phase der Gelbkörperanbildung und -blüte, beginnt nach der Ovulation und endet mit der Regression des Gelbkörpers (Corpus luteum, CL), diese Phase beinhaltet den oben beschrieben Postöstrus und Diöstrus (Dauer: ca. 14-18 Tage) Follikelphase: Phase der finalen Reifung und der Ovulation des Follikels,

beginnt nach der Luteolyse und endet mit der Ovulation, diese Phase beinhaltet den oben beschrieben Proöstrus und Östrus (Dauer: ca. vier bis sechs Tage)

Nachfolgend werden die endokrinen Prozesse, die zu den Veränderungen am Ovar wie auch zu Hormonkonzentrationsänderungen im Blut des Rindes führen, beschrieben. In Abbildung 3 sind auf der Grundlage einer Veröffentlichung von Sewer & Li (2008) diese Prozesse vereinfacht dargestellt.

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Abbildung 3: Schematische Darstellung der Konzentrationen von Follikel-stimulierenden Hormon (FSH), luteolytischem Hormon (LH) und Progesteron (P4) im Blut, Follikeldynamik im Sexualzyklus des Rindes modifiziert nach Forde et al (2011a), in der Abbildung wurden die Konzentration von 17-β-Östradiol (E2) im Blut sowie die Zyklusphasen ergänzt.

Zu Beginn der Follikelphase bildet sich der Gelbkörper zurück und der dominante Follikel einer Kohorte von mehreren heranreifenden Follikeln, beginnt zu proliferieren (Hansel & Convey 1983a). In einer Studie von Fortune (1994) konnte gezeigt werden, dass der dominante Follikel während seiner Reifung große Mengen an E2 produziert, die ins Blut abgegeben werden. Durch die Luteolyse sinkt im Blut gleichzeitig die Konzentration von P4, wodurch es zu einer Erhöhung der Pulsfrequenz der GnRH-Freisetzung aus den Neuronen des Hypothalamus kommt (Frandson et al. 2003; Moenter et al. 1992). Moenter et al. wiesen 1992 nach, dass GnRH über das Hypothalamus-Pfortader-System zum Hypophysen-Vorderlappen gelangt, um dort die gonadotropen Zellen dazu anzuregen, die beiden Glykoproteinhormone (Chappel et al. 1983; Fiddes & Goodman 1981) FSH und LH pulsatil auszuschütten (Kakar et al. 1993; Schally et al. 1971; Sunderland et al.

1994a).

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Die gesteigerte pulsatile Freisetzung aus der Hypophyse bewirkt über die FSH-Rezeptoren zelluläres Wachstum der follikulären Granulosazellen (Camp et al. 1991;

Evans & Fortune 1997) und wie von Richards et al. (1998) beschrieben, auch die Proliferation des Follikels. Außerdem stellten Mindnich et al. (2004) und Hillier (1994) dar, dass FSH die Aktivität des Enzyms Aromatase stimuliert, das in den follikulären Granulosazellen Androgene zu Östrogenen umwandelt. Durch diese Aromatase wird die E2- und Inhibin-Konzentration in der Follikelflüssigkeit und im Blut gesteigert (Richards et al. 1998). Dies initiiert schließlich einen negativen Feedbackmechanismus, der laut Ginther et al. (2000) und Sunderland et al. (1994) eine reduzierte FSH-Ausschüttung zur Folge hat.

Ireland und Roche beschrieben jedoch schon 1983, dass der dominante Follikel trotz abnehmender FSH-Konzentration im Blut weiterhin E2 sezerniert und wächst. Xu et al. 1995 zeigten in ihrer Studie den Grund für dieses Phänomen. Der dominante Follikel exprimiert mit zunehmender Größe auch mehr LH-Rezeptoren auf den Granulosa- und Thekazellen. Parallel dazu stimuliert E2 durch einen positiven Feedbackmechanismus die hypothalamische GnRH-Sekrektion (Alilia & Hansel 1984; Diaz et al. 2002; Richards et al. 1998), wodurch die Frequenz der pulsatilen LH-Ausschüttung aus der Hypophyse steigt, während sich die Amplitude der Pulse leicht verringert (Rahe et al. 1980; Walters & Schallenberger 1984; Schallenberger et al. 1985). Da die follikulären Zellen nun einen Wechsel von einer hauptsächlich FSH-gesteuerten Aktivität (Adams et al. 1992) zu einer überwiegenden LH-regulierten Aktivität durchlaufen, werden das Follikelwachstum und die E2-Sekretion nicht unterbrochen (Kulick et al. 1999). Folglich bewirkt LH das Wachstum des Follikels, induziert die Ovulation und bedingt die Luteinisierung der Granulosazellen des Gelbkörpers (Walters & Schallenberger 1984; Ireland & Roche 1983). In der Literatur ist beschrieben, dass, sobald die LH-Pulse kumulieren, ein LH-Peak entsteht, welcher anschließend die Ovulation induziert (Rahe et al. 1980; Walters &

Schallenberger 1984; Schallenberger et al. 1985). Roche schlussfolgerte 1996 aus seinen Untersuchungen, dass es genau dann zur Ovulation kommt, wenn die Konzentration von P4 im Blut auf einem niedrigen Basalniveau verweilt und die LH-Pulse über zwei bis drei Tage hinweg alle 40-70 Minuten auftreten (Roche, 1996). Es

19 wurde weiterhin gezeigt, dass die Ovulation etwa 14 h (Nalbandow & Casida 1942) nach Ende des durch Brunstsymptome gekennzeichneten Östrus stattfindet (Frandson et al. 2003).

Nach der Ovulation beginnt die Lutealphase, welche durch die Anbildung des Gelbkörpers gekennzeichnet ist. Die Granulosa- und Thekazellen luteinisieren und bilden P4 (Diaz et al. 2002; Richards et al. 1998; Alilia & Hansel 1984).

Rahe et al. beschrieben bereits 1980, dass sich die Konzentration von P4 im Blut während der Blüte des Gelbkörpers auf einem konstanten Level befindet. Ferner stellte diese Arbeitsgruppe dar, dass durch niedrig-frequente GnRH-Pulse und die daraus resultierende FSH-Ausschüttung auch in der Lutealphase zwei bis drei Follikelwellen auftreten. Diese Follikel atresieren jedoch und ihre E2- und Inhibin-Produktion nimmt ab (Sunderland et al. 1994), da die hohen P4-Konzentrationen nur wenige LH-Pulse mit hoher Amplitude zulassen, was laut Peters et al. (1994) und Rahe et al. (1980) nicht ausreicht um eine Ovulation auszulösen. Nach dem Abklingen einer Follikelwelle steigt die FSH-Sekretion wieder an, so dass sich laut Sunderland et al. (1994) eine neue Follikelwelle bilden kann. Zum Ende der Lutealphase kommt es zur Rückbildung des Gelbkörpers durch endometrial gebildetes PGF und eine neue Follikelphase beginnt, während die P4-Konzentration im Blut absinkt (Hansel & Convey 1983).

2.2.2 Sexualsteroidhormone

Als Sexualsteroidhormone werden Steroidhormone bezeichnet, die zum Erfolg des Reproduktionsprozesses beitragen und in den Gonaden gebildet werden. Man unterscheidet hier die Östrogene, Progestine und Androgene (Gore-Langton &

Armstrong 1988). Neben diesen Sexualsteroidhormonen gehören auch Glukokortikoide und Mineralokortikoide zu der Gruppe der Steroidhormone, die aus Cholesterol synthetisiert werden (Sewer & Li 2008; Miller 1988). In Abbildung 4 sind die wichtigsten Schritte der Steroidhormonbiosynthese aus Cholesterol dargestellt.

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Abbildung 4: Vereinfachte Darstellung der Sexualsteroidhormonbiosynthese aus dem Vorläufermolekül Cholesterol

2.2.2.1 Östrogene

Während des Sexualzyklus des Rindes ist der Hauptbildungsort für E2 der Follikel, in dem die Eizelle von einer Zellschicht aus Granulosazellen und Thekazellen umgeben ist. In der stark durchbluteten Thekazellschicht wird eine große Menge an P4 und Androgenen gebildet (Mindnich et al. 2004; Luu-The 2001; Roberts & Skinner 1990;

Fortune & Quirk 1988; Dorrington et al. 1975). Diese diffundieren laut Fortune und Quirk (1988) nach ihrer Bildung in der Thekazellschicht in die Granulosazell-Schicht und werden dort durch die Aromatase CYP 19 zu E2 konvertiert (Mindnich et al.

2004; Luu-The 2001; Roberts & Skinner 1990; Fortune & Quirk 1988). Diese Syntheseform bezeichnen Fortune und Quirk (1988) als das „zwei Zellen/zwei Gonadotropin Model“, weil zwei Zellen bzw. Syntheseorte zur Bildung von E2 nötig sind.

In einer Studie von Glencross et al. (1973) beim Rind konnte gezeigt werden, dass die Konzentration von E2 etwa 3,5 Tage vor der Ovulation deutlich anstieg, kurz vorher bis zu 6 pg/ml betrug und zur Ovulation hin wieder abnahm. Während der

21 Lutealphase sank die E2-Konzentration im Blut in dieser Studie basal bis auf 2 pg/ml ab. Die Autoren konnten ferner sechs Tage post ovulationem einen erneuten Anstieg der E2-Konzentration dokumentieren, den sie auf die Anwesenheit von Follikelwellen zurückführten.

In einer weiteren Studie von Ginther et al. (2013b) konnte ebenfalls nachgewiesen werden, dass die E2-Konzentration im Blut vor der Ovulation deutlich anstieg und 29 Stunden vor dem Sprung des Follikels ein Maximum erreichte. Danach sank die E2-Konzentration bis 10 Stunden ante ovulationem, um vor der Ovulation noch einmal leicht anzusteigen. Auch in dieser Untersuchung lag die maximale Konzentration von E2 im Blut bei 6 pg/ml.

Neben der Bildung von E2 im Follikel wird in der Literatur auch die Synthese von Östrogenen in der Plazenta der Mutterkuh während der Trächtigkeit beschrieben (Hoffmann & Schuler 2002; Schuler et al. 2008; Leiser & Kaufmann 1994; Sawada et al. 1988). Zu den plazentär gebildeten Östrogenen gehört unter anderem Östron (E1; Schuler et al. 2008; Sawada et al. 1988). In der Studie von Schallenberger et al (1985) wurde gezeigt, dass die E1-Konzentration im Blut von Mutterkühen zur Kalbung hin anstieg und im neunten Monat der Trächtigkeit die höchste Konzentration vorlag und diese post partum wieder deutlich abfiel (Schallenberger et al. 1985). Vor der Kalbung wird E1 in der Plazenta vermehrt aus Pregnenolon gebildet, welches wiederum auch die Vorstufe für P4 ist (Hoffmann & Schuler 2002).

Ferner wird zum Ende der Trächtigkeit in der Plazenta vermehrt E2 synthetisiert, welches sich in diesem Zeitraum, im Vergleich zum Zyklus, in sehr hohen Konzentrationen im Blut befindet (Winkelman et al. 2008; Schuler et al. 2008;

Hoffmann & Schuler 2002; Leiser & Kaufmann 1994). Nach Untersuchungen an mehrkalbigen Kühen steigt ab circa drei Wochen vor der Geburt die Östradiol-Konzentration im Plasma kontinuierlich an (Patel et al. 1999; Piechotta et al. 2013).

Östrogene haben laut Niswender et al. (2000) generell einen mitose-fördernden Effekt. In einer Studie von Jensen wurde schon 1962 gezeigt, dass die Wirkung von Östrogenen über spezifische nukleäre Östrogen-Rezeptoren (ER) vermittelt wird.

Jensen (1962) beschrieb in seiner Studie erstmals den ERα. Außerdem wurde 1996 ein weiterer Östrogen-Rezeptor, der ERβ, von Kuiper et al. nachgewiesen.

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Diese ERs gehören laut Nilsson et al. (2001) zu der Familie der zellkernständigen Rezeptoren und wirken als liganden-aktivierte Transkriptionsfaktoren. Als klassischer Wirkungsmechanismus der ERs wird beschrieben, dass lipophiles E2 oder E1 durch

Diese ERs gehören laut Nilsson et al. (2001) zu der Familie der zellkernständigen Rezeptoren und wirken als liganden-aktivierte Transkriptionsfaktoren. Als klassischer Wirkungsmechanismus der ERs wird beschrieben, dass lipophiles E2 oder E1 durch