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Umweltmedial ausgerichtete Vereinbarungen

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Für die Böden und die mit ihnen verbundenen Funktionen ist im globalen Rahmen die „Welt-Boden-Charta“, die 1981 von der FAO angenommen wurde, von Bedeutung. In ihr wurden festgelegt:

– Prinzipien der Bodennutzung,

– daraus abgeleitete Handlungsanleitungen für einzelstaatliche Maßnahmen, – internationale Kooperations- und Informationsziele.

Diese Charta hat den Charakter eines allgemeinen Rahmens für den Umgang mit Bodenfunktionen. Infolge der gerin-gen Konkretisierung der Ziele für einzelne Bodennutzungsformen sowie des Fehlens von Regelungerin-gen zur Finanzie-rung der erforderlichen Maßnahmen und Sanktionsmechanismen bei Nichtbeachtung der Vertragsbestandteile stellt diese Charta jedoch keinen Eingriff in die nationalen Souveränitätsrechte dar. Diesem Vertrag kommt daher lediglich Appell-Charakter zu, der Reaktionen nur dann auslösen kann, wenn die Einzelstaaten von der Dringlichkeit des Hand-lungsbedarfs überzeugt sind.

Im globalen Zusammenhang wurden von der UN-Generalversammlung als Reaktion auf die 1977 stattgefundene Uni-ted Nations Conference on Desertification zahlreiche Studien zur technischen und institutionellen Umsetzung der dort beschlossenen Ziele einer Desertifikationsbekämpfung in Auftrag gegeben (Ahmad und Kassas, 1987). Betrachtet man jedoch die geringe Bereitschaft der Länder innerhalb der UN-Mitgliederstruktur, die zu einer finanziellen und techni-schen Unterstützung in der Lage wären, völkerrechtlich bindende Regelungen zu akzeptieren (in dem Regionenraster von Tab. 20 weitgehend die Staaten der Gruppen (1) und (2)), so bleibt abzuwarten, ob die „Wüsten-Konvention“ (vgl.

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Kap C 1.6) unmittelbare Folgen für die Allokation der Bodenfunktion nach sich ziehen wird. Auch in diesem Fall ist eher damit zu rechnen, daß angesichts des Prinzips der Gleichgewichtigkeit einzelstaatlicher Stimmen die Indu-strieländer nicht zu einem Verzicht auf einzelstaatliche Souveränitätsrechte bereit sein werden.

Für die anderen Umweltmedien, die über die Verbreitung von Stoffen auf Böden einwirken können, existiert eine Vielzahl internationaler Verträge. Für das Umweltmedium Luft beispielsweise, ist auf globaler Ebene neben der „Kli-marahmenkonvention“, in der noch keine verbindlichen Reduktionsziele festgeschrieben wurden, die „Wiener Kon-vention zum Schutz der Ozonschicht“ mit ihren Folgeprotokollen von besonderer Bedeutung. In diesen Protokollen wurden Reduktionsmengen und Zeiträume fixiert, die bei Akzeptanz die einzelstaatliche Handlungsfreiheit einengen.

Die Bereitschaft zur Kooperation der weniger entwickelten Länder wurde dabei durch die Errichtung eines Fonds zur Unterstützung der Reduktion ozonschichtgefährdender Stoffe erhöht (vgl. „Montrealer Protokoll“-Fonds, Kap. C 1.4.1). Die Industrieländer waren zu dieser Übereinkunft bereit, weil sie einerseits von diesem Umweltproblem betrof-fen und andererseits auch in der Lage waren, Substitutionsstoffe zu entwickeln und zu nutzen. Somit war in diesem Fall eine weitreichende Interessenhomogenität gegeben.

Die anderen internationalen Verträge über die Reduzierung der Luftemissionen wurden zumeist von benachbarten Staaten geschlossen (wie Convention on Long-Range Transboundary Pollution im Rahmen der ECE, 1979), deren un-mittelbare Betroffenheit die Vertragsbereitschaft induzierte. Gegenstand dieser exemplarisch herangezogenen Ver-einbarung und ihrer Folgeprotokolle sind Reduktionswerte für einzelne Stoffe, wobei die Erreichung dieser Zielset-zungen den Einzelstaaten überlassen bleibt (Levy, 1993). Vor dem Hintergrund einer staatenübergreifenden Alloka-tion von UmweltfunkAlloka-tionen ist dabei jedoch auf die unterschiedlichen RedukAlloka-tionspotentiale in den einzelnen Vertragsstaaten hinzuweisen, die zu unterschiedlichen Kosten der Emissionsvermeidung führen. Eine einheitliche Grenzwertformulierung für die Vertragsstaaten induziert daher internationale allokative Ineffizienz auch in bezug auf die Bodenfunktionen. Für das Umweltmedium Luft ist aber generell – und im Gegensatz zu den Bodenfunktionen – die Bereitschaft zur Übertragung einzelstaatlicher Souveränitätsrechte auf die internationale Ebene ausgeprägter, da bei diesem Umweltmedium eine grenz-überschreitende Betroffenheit besser wahrnehmbar ist. Es bleibt zu hoffen, daß sich diese Unterschiede in Zukunft verringern lassen.

Wirtschaftssektorspezifische Institutionen

Sektorspezifische Regelungen werden im folgenden insbesondere dahingehend untersucht, welche Eingriffe zur Be-einflussung der sektoralen Nachfrage nach Bodenfunktionen vereinbart wurden. Als Institution im Bereich der Land-wirtschaft soll zunächst die FAO betrachtet werden.

– Ziele der 1945 gegründeten Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN sind primär die Hebung des Ernährung- und Lebensstandards weltweit, die Verbesserung der Produktion und Verteilung von landwirt-schaftlichen Erzeugnissen sowie der Lebensbedingungen der ländlichen Bevölkerung.

– Bei ca. 170 Mitgliedsstaaten ist von einer Heterogenität der Interessen auszugehen, wobei die Finanzierung dieser Organisation zu 75% von zwölf OECD-Staaten sichergestellt wird (Gygi, 1990).

– Im Gegensatz zu dieser Disparität bei der Herkunft des Beitragsvolumens dominiert bei der Entscheidungsfindung das Prinzip der Gleichgewichtigkeit der einzelstaatlichen Stimmen.

– Zur Realisierung ihrer Ziele bedient sich die FAO eines „Welternährungsrates“ als Exekutivorgan, dessen Vor-schläge bezüglich der operativen Ziele sowie der Budgetstruktur die Beschlüsse der alle zwei Jahre zusammen-tretenden Generalversammlung, bestehend aus den zuständigen Agrarministern aller Mitgliedsländer, prägend be-einflussen. Die konkrete Ausführung ihres institutionellen Auftrages beschränkt sich aber zumeist auf technische Unterstützungsmaßnahmen in Form von Katastrophenhilfe, betreuende Kooperation im Rahmen von Ent-wicklungsprojekten mit anderen internationalen Institutionen sowie der Akquisition und Auswertung relevanter Daten.

– Des weiteren wurden allgemeine Verhaltenskodizes verabschiedet, die jedoch keinen verbindlichen Charakter für die Mitgliedstaaten haben (z.B. Code of Conduct on Pesticides).

Dieser Einrichtung ist somit, analog zu den anderen UN-Sonderorganisationen, von den Mitgliedstaaten nur eine ge-ringe Kompetenz zugestanden worden, da die Einflußnahme der finanzierenden Staaten nur eingeschränkt im Entscheidungsprozeß berücksichtigt ist. Daher kann der Einfluß der FAO auf Art und Umfang der Inanspruchnahme

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von Bodenfunktionen bisher nur indirekt über Informations- und Technologieangebote erfolgen, deren Quantität und Qualität wiederum unter Berücksichtigung finanzieller Restriktionen zu sehen ist.

Der Beirat empfiehlt, die Bundesregierung möge sich dafür einsetzen, daß die auf den Boden bezogenen Aktivitäten von FAO und UNEP wesentlich verstärkt werden, zumal der Bodenschutz gleichzeitig ein vorbeugendes Mittel zur Konfliktvermeidung ist. Insbesondere sind zu nennen:

– Eine entscheidende Verbesserung der Informationsbasis über die Verbreitung, die Eigenschaften und die Belastbar-keit der Böden; letzteres gilt für alle Bodenfunktionen.

– Die Etablierung eines weltweiten Monitoringsystems, das insbesondere auch die Böden mit einbezieht,

– damit verbunden die Schaffung eines Informationssystems, das als Grundlage für globale Planungen und Maßnah-men dient.

Von Einfluß auf die Nutzungsmöglichkeit der Produktionsfunktion durch die Landwirtschaft ist auch die Convention on International Trade in Endangered Species of Wild Flora and Fauna (CITES) von 1973 mit ihren Folgekonferen-zen, die den Handel mit bestimmten Tier- und Pflanzenarten untersagt und somit die für diesen Handel erforderlichen wirtschaftlichen Aktivitäten einschränkt (Cameron, 1993; Birnie und Boyle, 1992). Dieses Abkommen sieht einzel-staatliche Ex- und Importkontrollen vor, wobei die Klassifikation der in den Anhängen aufgeführten nicht zu han-delnden Arten fortlaufend von der Vertragsstaaten-Konferenz aktualisiert wird (vgl. ausführlich Kap. C 1.5). Die Ein-haltung dieser Bestimmungen ist jedoch von den Einzelstaaten abhängig, die auch eine Sanktionierung ver-tragswidriger Verhaltensweisen vornehmen müssen.

Die Möglichkeit, das auf der Basis der genetischen Information einzelner Arten gewonnene Wissen zu einer effizien-teren Nutzung der Produktionsfunktion einzelnen Staaten, die besonderen Engpässen bezüglich dieser Bodenfunktion ausgesetzt sind (in Tab. 20 besonders Region (7)) zur Verfügung zu stellen, ist Gegenstand der Konvention über die biologische Vielfalt, die in Art. 16 einen erleichterten Zugang für diese Staaten zu den relevanten Informationen, die vornehmlich in Staaten der Regionen (1) und (2) entwickelt wurden, vorsieht. Allerdings ist dieser Zugang an die völkerrechtlichen und einzelstaatlichen Rahmenbedingungen geknüpft, so daß sich faktisch noch keine Verbesserung des Informationstransfers einstellt.

Eine bodenbezogene Regelung, die insbesondere die Auswirkungen der Aktivitäten anderer Sektoren betrifft, ist das Ba-seler Abkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung aus dem Jahr 1989, das 1992 in Kraft getreten ist. Dieses Abkommen sieht eine weitgehende Vermeidung der Ent-stehung gefährlicher Abfälle vor, wobei die Abfälle grundsätzlich möglichst im eigenen Land entsorgt werden sollen.

Der Abfallbegriff betrifft dabei gefährliche Abfälle, die abgelagert werden sollen. Eine Verbringung in Staaten außerhalb der Mitgliedstaaten soll unterlassen werden. In Ergänzung zu dieser regional begrenzten Vereinbarung sind in anderen Regionen Regelungen verabschiedet worden, die ihrerseits insbesondere eine Annahme des Abfalls aus den OECD-Staa-ten verbieOECD-Staa-ten. In Afrika besteht innerhalb der Organisation afrikanischer StaaOECD-Staa-ten z.B. die Konvention über die grenzüber-schreitende Bewegung von Abfällen („Bamako-Konvention“).

Die Vermeidung des Exports von Abfällen in Länder, deren Entsorgungskapazität und -sorgfalt nicht zutreffend einge-schätzt werden kann, ist unter der Berücksichtigung des Ziels einer effizienten Bodenfunktionsnutzung zu begrüßen, da die qualitative Belastung der Regelungsfunktion sowie die Vermeidung irreversibler Bodenfunktionseinbußen vor-rangig sind.

Faßt man die vorangegangenen Ausführungen zusammen, gelangt man hinsichtlich des Einflusses globaler und inter-nationaler Institutionen auf die Allokation globaler Bodenfunktionen zu folgenden Schlußfolgerungen:

Zumindest seit der Konferenz von Rio de Janeiro 1992 besteht in der überwiegenden Mehrheit der Staaten Einigkeit darüber, daß globale Umweltprobleme nur in gemeinsamer Anstrengung der Staatengemeinschaft lösbar sind. Jede in diesem „Geist von Rio“ angestrebte Politik muß andererseits realistischerweise das Handeln von Staaten zum eigenen Wohle berücksichtigen. Dabei ist in vielen Fällen ein Interessenkonflikt zwischen den Ländern mit einer hoch ent-wickelten Volkswirtschaft und den Ländern mit geringem Pro-Kopf-Einkommen zu konstatieren. Es kommt in Zu-kunft daher in besonderem Maße darauf an, die oftmals nicht offensichtlichen Interdependenzen ins allgemeine politi-sche Bewußtsein zu rücken. Dann wird deutlich, daß politi-scheinbare nationale Verzichte (etwa in Form von Beiträgen an

D 1.3.1.7 Psychosoziale Sphäre und Böden 133

internationale Organisationen oder im Wege der Durchführung von Umweltschutzpolitik wie der CO2-Reduktionen) bei Berücksichtigung des gesamten Zusammenhangs (worin etwa auch bisher noch externalisierte Effekte oder eine langfristige Zeitperspektive enthalten sind) in vielen Fällen durchaus im Interesse auch des einzelnen Staates liegen werden.

Die Analyse zeigte aber auch, daß internationale Konventionen nur dann Sinn machen, wenn die globale Relevanz des Problemfeldes – und damit die Eingebundenheit der nationalen Interessen möglichst aller Länder – in ausreichendem Maße gegeben ist. Andernfalls wird spätestens ihre Umsetzung in einem Teil der Länder mangels Betroffenheit schei-tern.

Folglich ist nachdrücklich der Bedarf an Institutionen hervorzuheben, die helfen, internationale Interessenkonflikte, die notwendigen umweltpolitischen Maßnahmen im Wege stehen, zu mindern. Beispielhaft sei aus dem politisch-or-ganisatorischen Bereich das Instrument der „doppelt-gewichteten-Mehrheit“ genannt, welches den Interessenausgleich zwischen Geber- und Nehmerländern im Rahmen der GEF gewährleistet (siehe Kap. C 1.3). Potential zur Überwin-dung von Länderinteressen im Bereich der Umsetzung global vereinbarter Reduktionsziele steckt etwa auch in dem Prinzip der Joint Implementation der Klimarahmenkonvention (siehe Kap. C 1.4).

Der Beirat wird sich dem Thema der Verbesserung der institutionellen Gegebenheiten auf der internationalen Ebene in Zukunft weiter widmen und die Funktionsweise marktwirtschaftskonformer Instrumente prüfen. Insbesondere wird er die Möglichkeiten der Einrichtung eines internationalen Marktes für Bodenfunktionsrechte in seinem nächsten Jahres-gutachten untersuchen.

Diese und ähnliche Verfahren, deren Anwendung letztlich zum Vorteil aller Beteiligten dient, sind daher – neben der Wissensvermittlung und der Bewußtseinsbildung – von entscheidender Bedeutung. Der weitere Ausbau bestehender bzw. die Suche nach weiteren Institutionen des internationalen Interessenausgleichs ist eine wichtige Voraussetzung für das Zustandekommen und den Erfolg globalen Handelns und insoweit eine der dringlichen Aufgaben der Zukunft.

1.3.1.7 Psychosoziale Sphäre und Böden

1.3.1.7.1 Bedeutung von Boden für menschliches Erleben und Verhalten

Boden ist Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen. Er kann in vielerlei Hinsicht als Grundlage individuellen wie kollektiven menschlichen Handelns sowie sozialer und gesellschaftlicher Organisation angesehen werden. Da praktisch jede menschliche Tätigkeit Boden beansprucht, ist jeder Mensch in irgendeiner Weise „Bodenakteur“. Die-ser Zwang zur Bodennutzung kann mit negativen Folgen für den Boden, mit Degradation und im Extremfall mit seiner Zerstörung verbunden sein.

Aus der Sicht des Menschen kommen dem Boden grundlegende Funktionen zu (s. auch D 1.1.2.1). So ist Boden u.a.

unverzichtbare Grundlage unserer Ernährung, Grundlage für die Einrichtung von Wohn-, Arbeits- und Freizeitstätten und für die Anlage der entsprechenden Infrastruktur (z.B. Straßen und Wege), Grundlage für unsere Bedürfnisse und Wünsche nach Kontrolle über Raum (Territorialität) und nach Eigentum und Besitz. Daneben tritt Boden als prägen-des Element von Natur und Landschaft in Erscheinung und wird u.a. dadurch zur Grundlage für die Entwicklung rä-umlicher Identität als Teil von Selbstidentität.

Die soziale, ökonomische, kulturelle und politische Differenzierung einer Gesellschaft schlägt sich in räumlichen – und damit bodenbezogenen – Strukturen nieder (Bassand, 1990). Insbesondere die für Industriegesellschaften typische funktionale Spezialisierung im Rahmen der Landnutzung, und hier vor allem die Trennung der Funktionsbereiche „Ar-beiten“ und „Leben“, gibt bestimmte Nutzungsarten von Boden und Raum vor (Industriegebiete, Durchgangsverkehr,

„Schlafstädte“). Die Aufteilung des Raumes in Segmente (z.B. Stadtviertel) mit oft monofunktionaler Nutzung bedingt verschiedene Lebens- und Wirtschaftsweisen (bestimmte Produktionsweisen, lange Wege zur Arbeit, Befriedigung materieller, sozialer, kultureller Bedürfnisse) und damit auch verschiedene Arten der Einflußnahme auf den Boden.

Die Sozialstruktur, vor allem die Machtstruktur, und die räumliche Struktur bedingen sich wechselseitig und verän-dern sich auch in Abhängigkeit voneinander.

Der menschlichen Lebens- und Wirtschaftsweise zufolge ist Boden in den Bereichen Land- und Forstwirtschaft, Ener-gie- und Rohstoffwirtschaft, Industrie und Gewerbe, Siedlungstätigkeit, Verkehr, Erholung und Freizeit sowie

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gung von besonderer Bedeutung. In diesen Bereichen finden Menschen in unterschiedlichen Positionen, Rollen und sozialen Gruppierungen (als Arbeitende, Wohnende, Freizeit-Gestaltende) unterschiedliche Zugangsmöglichkeiten zu und Gestaltungsmöglichkeiten von Boden vor.

Bereits die Beschreibung dieser weitgefaßten Erscheinungsweisen und Funktionen von Boden für den Menschen macht deutlich, daß Mensch-Boden-Beziehungen aus sozial- und verhaltenswissenschaftlicher Perspektive nicht auf den Aspekt des physischen Substrats Boden reduziert werden dürfen. Vielmehr müssen überzeugende Ansätze zur Bo-dendegradation von einem breiteren Bodenbegriff (was Boden ist) ausgehen, der über den naturwissenschaftlichen und wirtschaftlichen hinausreicht und entsprechend die Definition der Bodenfunktionen (wozu Boden dient) erweitert.

Schon eine Analyse des Sprachgebrauchs des Begriffs „Boden“ legt eine solche begriffliche Ausweitung nahe (Kasten 16).

Wie für die Umwelt als Ganzes, so gilt auch für das Umweltmedium Boden, daß es nicht nur als physisches, sondern als „soziales Konstrukt“ verstanden und behandelt werden muß, mithin als Korrelat menschlicher Wahrnehmung und menschlichen Verhaltens (WBGU, 1993). Insofern wird Boden von den Individuen, Gruppen oder Gesellschaften und in unterschiedlichen Epochen in durchaus verschiedenen Bedeutungen (Valenzen) erlebt, die über den bloßen Substratcharakter weit hinausgehen: Was für den einen nicht weiter zu beachtender „Dreck“ und für den anderen Grundlage seiner Ernährung und damit seines Überlebens ist, kann für einen dritten „heiliger Boden“ sein – bei unter Umständen identischer physischer Zusammensetzung des zugrundeliegenden Substrats. In ihren vielschichtigen Bedeutungen spielen Böden so die Rolle eines „Archivs“, aus dem Wertigkeiten und Handlungen von Individuen, Gruppen oder Gesellschaften rekonstruiert werden können. Das Umweltmedium Boden erfüllt somit eine bedeutende Kulturfunktion, indem es gewissermaßen die geronnenen Spuren von Handlungen beinhaltet und gleichzeitig der Ent-wicklungsraum jeder Kultur ist.

Kasten 16

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