• Keine Ergebnisse gefunden

Standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bodennutzung

Im Dokument Download: Vollversion (Seite 89-92)

Das Ziel einer standortgerechten, nachhaltigen und umweltschonenden Bodennutzung ist es, die Erhaltung oder Re-generierung der abiotischen und biotischen Lebensgrundlagen von Kulturlandschaften mit ökonomischer Bodennut-zung zu vereinen. Nur auf diese Weise können stabile rurale Gesellschaften unter Wahrung ihres kulturellen Erbes bestehen bleiben oder neu entstehen.

Für die Erreichung dieses Zieles müssen verschiedene ökologische Prinzipien eingehalten werden:

– Prinzip der Abfallverwertung.

– Prinzip der Symbiose.

– Prinzip der biologischen Vielfalt.

– Prinzip der Elastizität und Resilienz.

– Prinzip des Fließgleichgewichts.

Darauf aufbauend lassen sich vier Thesen formulieren, die diese Form der Bodennutzung kennzeich-nen:

These 1:

Standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bodennutzung führt zu einer Verminderung der Stoff-belastung von Nachbarsystemen durch die

– Reduktion von Entkopplungsprozessen in genutzten Ökosystemen oder im Betrieb.

– Synchronisation der Aufbau-, Umbau- und Abbauprozesse von lebender und toter Biomasse.

– Minimierung der Bodendegradation.

Leitsatz: Erhaltung oder Wiederherstellung der Regelungsfunktion von Böden.

These 2:

Standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bodennutzung führt zu einer Sicherung der Artenvielfalt (pflanzliche, tierische und mikrobielle Organismen) und damit verbunden zu einer verbesserten Elastizität und Re-silienz durch die

– Vielfalt der Kulturen sowie ihrer räumlichen und zeitlichen Anordnung.

– Integration von Acker-, Vieh- und Holzwirtschaft.

– Einbeziehung von Ausgleichsflächen (Biotopdiversität).

– Einrichtung von Schutzzonen.

– schonende Art der Bodenbearbeitung.

– Reduktion der Anwendung von Agrochemikalien.

– Erhaltung der Bodenstruktur (Habitat).

Leitsatz: Erhaltung oder Wiederherstellung der Lebensraumfunktion von Böden.

These 3:

Standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bodennutzung führt zu einer Steigerung der Effizienz des Ein-satzes der zur Produktion notwendigen Ressourcen durch die

– Reduzierung von Stoff- und Energieverlusten (Kreislaufwirtschaft).

– Reaktivierung bzw. Förderung der Selbstregulationsprozesse.

– Eliminierung bzw. den Ausgleich von Stoffdefiziten (Melioration, Düngung).

– Maßnahmen zum Bodenschutz.

Leitsatz: Langfristige Erhaltung (Nachhaltigkeitsprinzip) oder Wiederherstellung der Produktionsfunktion von Böden unter Berücksichtigung ökonomischer, ökologischer, sozialer und kultureller Gegeben-heiten.

76 D 1.2 Belastbarkeit und Tragfähigkeit

Abb. 12 verdeutlicht aber auch, daß in vielen Regionen ein erhebliches Potential für Ertragssteigerungen vorhanden ist, wenn es gelingt, besser angepaßte Formen der Bodennutzung zur Anwendung zu bringen. Eine Erhöhung der rela-tiven landwirtschaftlichen Produktivität auf im Mittel nur 0,5, d.h. 50% der NPP würde bereits zu einer erheblichen Verbesserung der globalen Ernährungssituation führen (vgl. auch FAO, 1989).

Diese Darstellungen zeigen, daß weltweit ein erhebliches Potential für Ertragssteigerungen vorhanden ist, ohne daß es zu einer größeren Ausdehnung der Ackerflächen zu Lasten anderer Ökosysteme kommen müßte. Aus ökologischen Gründen muß die Forderung gestellt werden, daß der steigende Bedarf an Nahrungsmitteln und nachwachsenden Roh-stoffen durch standortangepaßte Intensivierung bereits bewirtschafteter Flächen gedeckt wird. Nur so kann verhindert werden, daß zunehmend natürliche Ökosysteme vernichtet werden, mit den bekannten negativen Folgen für die Biodi-versität sowie den Kohlenstoff- und Stickstoff-Haushalt der Erde. Maßstab für die Intensivierung könnten die in Ka-sten 11 aufgeführten Richtlinien sein (vgl. von Urff, 1992).

Die Verteilung der NPP verdeutlicht auch, daß besonders in den Entwicklungsländern aufgrund der sehr alten Böden die Fruchtbarkeit und damit die Tragfähigkeit häufig sehr gering ist und überwiegend auf der organischen Bodensub-stanz, d.h. auf einem labilen Pool beruht. Dies bedeutet, daß Eingriffe in die leicht verletzbaren Systeme häufig äußerst problematisch sind. Ein direkter Vergleich mit den Eingriffen im temperaten Klimabereich ist daher nicht zulässig. Insbesondere darf die Rodung der temperaten Wälder in der Vergangenheit nicht mit der Rodung der Regen-wälder gleichgesetzt oder gar als Argument für die Abholzung der letzteren verwendet werden.

Andererseits muß aber auch gegen den Mythos angegangen werden, daß sich die Böden der Tropen generell nicht zur in-tensiven und nachhaltigen Landnutzung eignen (FAO, 1993a). Bei genauer Standortanalyse und bei Berücksichtigung der standortspezifischen Faktoren ist es durchaus möglich, auch dort auf großen Flächen eine nachhaltige und umwelt-schonende Landbewirtschaftung zu praktizieren. Etwa 57% der Böden in den Tropen gehören nicht zu den typischen

„tropischen Böden“ wie Oxisols und Ultisols; der Anteil der als fruchtbar eingestuften Böden beträgt in den Tropen etwa 24%. Im Vergleich dazu beträgt deren Anteil im temperaten Bereich rund 27%.

Die weltweite Erfassung der potentiell kulturfähigen Böden muß daher vorrangig verfolgt und verbessert werden. Nur auf einer solchen Basis kann eine standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bodennutzung mit höherem Er-tragspotential entwickelt werden.

Betrachtet man die Entwicklung der Agrarproduktion der vergangenen Jahre und setzt sie in Relation zur Erdbevölke-rung (Abb. 13), so kann festgestellt werden, daß in den letzten 30 Jahren eine Verdopplung der Produktion stattgefun-den hat, daß aber die Versorgung pro Kopf der Bevölkerung nur um ca. 20% gestiegen ist. Nach rascher Zunahme in den ersten 25 Jahren stagniert die Pro-Kopf-Produktion und wird in den nächsten Jahren weiter sinken. Regional be-stehen daher große Unterschiede in der Versorgung. Abb. 14 zeigt, daß die Entwicklung in verschiedenen Regionen sehr unterschiedlich verlaufen ist. Regionen mit stagnierender und sinkender Pro-Kopf-Produktion stehen solchen mit deutlichem Anstieg, z.B. in Ostasien, gegenüber.

Soll die Bekämpfung der Armut effektiv gestaltet werden, so müssen neben der Drosselung des Bevölkerungswachs-tums dringend Maßnahmen für die Erhaltung der Böden und für die Steigerung der Produktivität ergriffen werden (Commander, 1989). Dabei zeigt sich, daß Modelle, die in den Industrieländern entwickelt wurden, nur bedingt über-tragbar sind und aufgrund des hohen Einsatzes von Energie und Rohstoffen sowie der zunehmenden Umweltbelastun-gen weltweit nicht anzustreben sind. Vielmehr müssen standortgerechte Strategien der Bodennutzung entwickelt

wer-These 4:

Standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Bodennutzung führt zu effizienter Landnutzung und stabilen ruralen Gesellschaften durch die

– nachhaltige Produktion qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel.

– Sicherung eines angemessenen Einkommens der ländlichen Bevölkerung.

– Erhaltung ländlicher Kulturlandschaften.

– Bewahrung des kulturellen Erbes.

Leitsatz: Erhaltung oder Wiederherstellung der Kulturfunktion von Böden.

D 1.2 Belastbarkeit und Tragfähigkeit 77

über 1,0 0,95 - 1,00 0,90 - 0,95 0,85 - 0,90 0,80 - 0,85 0,75 - 0,80 0,70 - 0,75 0,65 - 0,70 0,60 - 0,65 0,55 - 0,60 0,50 - 0,55 0,45 - 0,50 0,40 - 0,45 0,35 - 0,40 0,30 - 0,35 0,25 - 0,30 0,20 - 0,25 0,15 - 0,20 0,10 - 0,15 0,05 - 0,10 unter 0,05

Abbildung 12:Relative Agrarproduktivität, dargestellt als relativer Anteil der Nettoprimärproduktion der Kulturpflanzen im Verhältnis zur potentiellen natürlichen Nettoprimärproduktion Quelle:Esser, 1993

78 D 1.2 Belastbarkeit und Tragfähigkeit

den, die nachhaltig und umweltschonend sind. Im Kasten 11 sind die Maßstäbe, die an derartige Nutzungssysteme anzulegen sind, zusammengefaßt.

Der Beirat wählt bewußt die etwas lange Bezeichnung „standortgerechte, nachhaltige und umweltschonende Boden-nutzung“, weil in ihr alle von ihm für wichtig erachteten Elemente der Nutzung enthalten sind. Zukünftige Formen der Bodennutzung müssen die Vielfalt der abiotischen und biotischen Faktoren am Standort beachten, auf Nachhaltigkeit ausgerichtet sein, und von der Nutzung selbst dürfen Nachbarsysteme nicht übermäßig belastet werden, d.h. sie

müs-Bevölkerung

Im Dokument Download: Vollversion (Seite 89-92)