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Das „Dust-Bowl-Syndrom“

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Das Zusammenwirken umweltzerstörerischer Landwirtschaftspraktiken mit der historischen Dürre der 30er Jahre verwandelte den Weizengürtel im Westen und Südwesten der USA in die sogenannte „Dust Bowl“ – eine von Staubstürmen durchzogene, trockene Landschaft. „Schwarze Blizzards“ fegten die nährstoffreiche Bodenkrume der Region fort – z.B. der Sturm vom 9. Mai 1934, der von Montana und Wyoming über Dakota ca. 350 Mio. t Staub in Richtung Ostküste transportierte (Kellogg, 1935). Unter dem Eindruck ebensolcher „Dust-Bowl“-Ereignisse wurde die erste weltweite Bewegung zur Erhaltung der Bodenressourcen der Erde geboren: Ausgangspunkt war dabei der 1933 von Präsident Roosevelt gegründete US Soil Conservation Ser-vice.

Unter dem Namen „Dust-Bowl-Syndrom“ werden hier die durch die industrielle Landwirtschaft hervorgerufenen Deg-radationserscheinungen zusammengefaßt. Diese moderne Form der Landwirtschaft zeichnet sich vor allem dadurch aus, daß sie auf den verfügbaren Flächen den größtmöglichen kurzfristigen Gewinn zu erzielen sucht. Als Symptome dieses Syndroms lassen sich Erosion und Bodenverdichtung sowie die Kontamination von Luft und Wasser ausma-chen. Kennzeichnend ist zum einen die Minimierung des menschlichen Arbeitsaufwandes durch Einsatz einer Palette von Maschinen in großräumig „bereinigten“ Fluren und in „Tierfabriken“. Ertrag und Leistung werden zu maximieren versucht durch

– Monokultivierung leistungsfähiger Pflanzensorten, – Massentierhaltung,

– hohe Gaben von Pestiziden und Medikamenten, – intensiven Dünge- und Futtermitteleinsatz, – intensive Bewässerung.

* In den Syndromkapiteln wird jeweils am Ende ergänzende, nicht im Text zitierte Literatur genannt. Weitere Literatur zu den Syndromen, die im Text auch an anderer Stelle zitiert wird, ist im Gesamtliteraturverzeichnis aufgeführt.

D 1.3.3 Hauptsyndrome der Bodendegradation 159

Automatisierung, Mechanisierung Verstärkung des nationalen Umweltschutzes

Internationale Abkommen, Einrichtung intern. Institutionen

Anspruchssteigerung Wachsendes Umweltbewußtsein

Bevölkerungswachstum Wachsende Exposition

Kommerzialisierung, Ausbreitung der Marktwirtschaft Globalisierung der Märkte

Zerstörung (Struktur, Volumen) Versauerung, Kontamination

Erosion, morphologische Änderungen

Destabilisierung naturnaher Ökosysteme

Resistenzbildung

Absinken des Grundwasserspiegels

Verstärkter Treibhauseffekt Wasserverschmutzung, Eutrophierung

Globaler und regionaler Klimawandel Ausweitung der Bewässerung Versalzung, Alkalisierung Intensivierung der Landwirtschaft Fortschritte in Bio- und Gentechnologie

Entwicklung bodenschonender Bewirtschaftungsformen

Verlust biologischer Vielfalt Überdüngung Zentralisierung der Wirtschaftsplanung

WISSENSCHAFT / TECHNIKGESELLSCHAFTLICHE ORGANISATION

BEVÖLKERUNG PSYCHOSOZIALE SPHÄRE

WIRTSCHAFT VERKEHR

BIOSPHÄREHYDROSPHÄREATMOSPHÄRE LITHOSPHÄRE / PEDOSPHÄRE

Abbildung 34:Syndromspezifisches Beziehungsgeflecht: Dust-Bowl-Syndrom

160 D 1.3.3 Hauptsyndrome der Bodendegradation

Hauptsymptome des zugehörigen Bodenschädigungsbildes sind (WRI, 1992; WWI, 1992):

– Hohe Anfälligkeit gegenüber Wind- und Wassererosion infolge der beträchtlichen Expositionszeiten des umge-pflügten Bodens sowie aufgrund der geringen Gliederung der Agrarlandschaft.

– Destabilisierung der Grasnarbe und nachfolgende Erosion durch Überbesatz und Überweidung.

– Fertilitätsverlust durch Tiefpflügen, Beseitigung der Ernteabfälle und monotone Fruchtfolgen.

– Reduktion der Bodendrainage infolge der Verdichtung durch schwere Landmaschinen.

– Chemische Bodenbelastung durch Überdüngung und Kontamination (Pestizide).

Die Schwerpunkte dieses Landwirtschaftstyps mit seinen positiven und negativen Konsequenzen lagen ursprünglich im Bereich von Gunstböden, also z.B. in Mittel- und Osteuropa, USA, Kanada, Argentinien, Südafrika und Australi-en. Seit den 60er Jahren breitet sich die industrielle Landwirtschaft allerdings auch in Regionen der Welt aus, welche nicht über vergleichbare Gunstböden verfügen – in den Mittelmeerländern, in Lateinamerika, Ostafrika, im Nahen Osten und Südasien.

Das vom Staat geförderte und vom Export ins kriegsgeschädigte Europa angetriebene Dry Farming Programme hatte dem „Dust-Bowl“-Phänomen in den USA „den Boden bereitet“: Unter massivem Maschineneinsatz (Traktor, Schei-benpflug, Mähdrescher usw.) wurden die Great Plains in eine monotone „Getreidefabrik“ umgewandelt, deren umge-brochene Oberfläche einen großen Teil des Jahres ungeschützt der Witterung ausgesetzt blieb (Worster, 1988).

Das „Dust Bowl-Syndrom“ im weiteren Sinne als Folge der industriellen Landwirtschaft ist das Resultat eines fortge-setzten technisch-innovativen Wettbewerbs um regionale und globale Märkte für Agrarprodukte bei verzerrter Allo-kation der verschiedenen Bodenfunktionen. Voraussetzung für den kommerziellen Erfolg ist dabei das Zusammenfal-len der Faktoren Kapital, Know-how, gesellschaftspolitische Unterstützung (Flurbereinigung) und günstige Standort-bedingungen (Bodenqualität, Klima, Wasserverfügbarkeit) (Blaikie und Brookfield, 1987). Die treibende Kraft hinter der „Grünen Revolution“ ist ein Gemisch aus kommerziellen Interessen, der Notwendigkeit der Ernährung der wach-senden Bevölkerung sowie den Strategien nationaler und internationaler Behörden und Organisationen (Herkendell und Koch, 1991). Fördernd wirken die ungenügende Internalisierung der externen Effekte in Form von künstlich verbilligten Rohstoffen und Energie (z.B. durch die EU-Agrarmarktordnung).

Die Praktiken der industriellen Landwirtschaft und die dadurch induzierte Bodendegradation haben eine Reihe von ne-gativen Auswirkungen außerhalb der Pedosphäre (SRU, 1985), insbesondere

– Veränderungen der hydrologischen Verhältnisse (Grundwasserspiegel, Oberflächenabfluß, Versickerung etc.).

– Verschlickung von Flüssen und Häfen.

– Minderung der Wasserqualität (Eutrophierung, Kontamination, Sedimentbelastung), dadurch steigende Kosten für die Bereitstellung von Trinkwasser (aufwendige Reinigung, Bau von Fernwasserleitungen).

– Reduktion der Artenvielfalt bzw. Verschiebung des natürlichen Artengefüges.

– Resistenzbildung bei Schädlingen und Krankheitserregern.

– Anreicherung von Schadstoffen in der Nahrungskette, dadurch auch Gesundheitsgefahren für den Menschen.

– Emission von Treibhausgasen bzw. atmosphärenchemisch wirksamen Substanzen.

Potentielle Abhilfemaßnahmen und Hinweise

Zur Beherrschung der Umweltbelastungen sind längerfristige Perspektiven erforderlich, die insbesondere die folgen-den Maßnahmen verbinfolgen-den sollten:

● Eine erhöhte Diversität, d.h. die Abkehr von Monokulturen und die Einführung von vielgliedrigen Fruchtfolgen,

● die Einrichtung kleinerer Ackerschläge,

● die Entwicklung von Landmaschinen für bodenschonenden Ackerbau und der Verzicht auf bodenschädigende Be-arbeitungsmethoden, z.B. Tiefpflügen,

● die Reduzierung des hohen Stickstoffeinsatzes,

● die Einführung biologischer Methoden für Düngung und Pflanzenschutz,

● die Durchsetzung eines Raumplanungsrechts sowie von Flächennutzungsplänen.

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Zu erwägen – und bereits mehrfach vorgeschlagen – ist die Einführung einer Stickstoffabgabe. Durch Erziehung und Aufklärung, die in der Schule beginnen muß, ist vernetztes Denken und Planen zu fördern, das die vielfältigen Wech-selwirkungen zwischen Bodenbearbeitung und Auswirkung auf andere Elemente des Systems rechtzeitig erkennen läßt. Dadurch sind Langzeitfolgen zu vermeiden bzw. zu vermindern.

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