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6. UMSETZUNG DER FRAUENSPEZIFISCHEN SUCHTARBEIT IN DER AMBULANTEN SUCHT-

6.2 Umsetzung auf Ebene der Institution

Laut Regula Ruflin und Lisa Guggenbühl (2009) ist es zwingend, dass die Grundlagen der gen-derspezifischen beziehungsweise frauenspezifische Suchtarbeit in der Führung einer Institu-tion verankert sein müssen (S. 16-18). Ansonsten wird es kaum möglich sein, dies in einer Institution nachhaltig umsetzen zu können. Förderlich ist dabei eine ausgeglichene Verteilung männlicher und weiblicher Kadermitarbeitenden. Ausserdem ist eine regelmässige Auseinan-dersetzung mit dem Thema Gender unabdingbar. Um frauenspezifische Beratung erfolgreich umsetzen zu können, benötigt es die passenden Strukturen und Abläufe. Diese müssen vor-handen, stark verankert und bereits in der Führung internalisiert sein. Nebst der gemischtge-schlechtlichen Führung spielt auch die Zusammenstellung des Teams eine wichtige Rolle. Sind in diesem ebenfalls Fachpersonen des weiblichen wie auch des männlichen Geschlechts ver-treten, ermöglicht dies den Klientinnen eine Wahlmöglichkeit (Ruflin & Guggenbühl, 2009, S.

16-18). Nebst der Ausgeglichenheit der Geschlechter spielt auch deren Berücksichtigung in den Beschäftigungsverhältnissen eine wichtige Rolle. Es wird nicht möglich sein, Grundsätze der Gleichstellung zu vermitteln, wenn diese von der Institution selbst nicht eingehalten wer-den. Dazu benötigt es eine bewusste Reflexion der Themen Beschäftigungsgrade, Lohnver-hältnisse, Schwangerschaft, Mutterschaft und Vaterschaft (Zenker, 2009, S. 33).

Ebenfalls unverzichtbar ist eine ständige Kommunikation und Thematisierung der frauenspe-zifischen Arbeit nach innen wie auch nach aussen. Dies besonders in der Kommunikation mit anderen involvierten Akteurinnen und Akteuren sowie zuweisenden und nachbehandelnden Stellen (Ruflin & Guggenbühl, 2009, S. 16-18). So sollte sich eine Institution stets fragen, ob ihr Leitbild die Gendergerechtigkeit darstellt, ihre Genderaspekte in die Öffentlichkeitsarbeit einfliessen und das Thema Gender auch mit Kooperationspartnern thematisiert wird (Zenker, 2009, S. 34).

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Frauen müssen in Beratungsgesprächen auf die Möglichkeiten von frauenspezifischen Ange-bote hingewiesen werden (Ruflin & Guggenbühl, 2009, S. 16-18). Broschüren, Flyer und Infor-mationen für Klientinnen sollen spezifisch für Frauen erstellt und dabei die geschlechtsspezi-fische Sprache berücksichtigt werden. So können beispielsweise Flyer für Frauen offeriert werden, in welchen alle Hilfsangebote der entsprechenden Stadt stehen (Marie-Louise Ernst, 2006, S. 319-320).

Die Themen Kinder und Mutterschaft sind weitere wichtige Aspekte, welche eine Institution beachten muss. Die Institution muss sich konzeptionelle Überlegungen zum Angebot einer Kinderbetreuung machen und sich fragen, wie damit umgegangen wird, wenn Klientinnen ihre Kinder in eine Beratung mitbringen möchten. Dafür könnte eine interne Kinderbetreuung organisiert werden. Falls dies nicht möglich ist, wäre die Bereitstellung eines Spielzimmers oder einer Spielecke von Vorteil. Zudem sollten Vernetzungen zu externen Kinderbetreuungs-angeboten geschaffen werden, damit die Kinder bei einer Krise der Mutter professionell ver-sorgt werden. Dieser präventive Gedanke ist wichtig, da speziell Kinder von suchtmittelabhän-gigen Personen gefährdet sind, später selbst suchtmittelabhängig zu werden (Ernst, 2006, S.

319-320).

Eine weitere wichtige Aufgabe, welche auf der Ebene der Institution erfüllt werden muss, ist die Vernetzung mit anderen Fachstellen. Diese ermöglicht bei spezifischen Problemen und Anliegen der Klientinnen eine Triage und somit adäquate Hilfe (Ernst, 2006, S. 319-320).

Schaffung frauenspezifischer Angebote

Eine zusätzliche Aufgabe einer ambulanten Suchtberatungsstelle sehen die Autorinnen in der Schaffung und Unterstützung von frauenspezifischen Angeboten. Bei der Gestaltung der An-gebote zeigen sich geschlechtsspezifische Unterschiede, welche es zu berücksichtigen gilt. Für Frauen spielen die Gruppendynamik und die atmosphärischen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle (Ruflin & Guggenbühl, 2009, S. 16-18). Bei der Planung der Angebote ist es zentral, die Klientinnen miteinzubeziehen und darauf zu achten, frauenspezifische Themen anzusprechen. Diese könnten beispielsweise sexuelle Gewalt, Selbstbewusstsein, Umgang mit Gefühlen und Beziehungs- und Partnerschaftsmuster sein (Ruflin & Guggenbühl, 2009, S. 17-18). Dabei wird darauf hingewiesen, dass das Bedürfnis für diese Themen oftmals aufgrund

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ihrer Schwere nicht ausgesprochen wird. Trotzdem sollten diese bekannten frauenspezifi-schen Thematiken, welche fachlich als erforderlich gelten, in einer Angebotsplanung berück-sichtigt werden. Denn auch wenn die Nachfrage nicht direkt besteht, ist die Wahrscheinlich-keit gross, dass ein Bedarf vorhanden ist. Oftmals fehlt es jedoch in der Praxis an den nötigen finanziellen Mitteln und der Bereitschaft, solche Angebote zu schaffen (Ruflin & Guggenbühl, 2009, S. 18).

Für suchtmittelabhängige Frauen ist der Zugang zu ambulanten Suchtberatungsstellen, doch auch allgemein zu Institutionen der Suchthilfe, oftmals erschwert. Nicht nur in Bezug auf die räumliche Erreichbarkeit, sondern auch durch ihre begrenzte zeitliche Verfügbarkeit und oft-mals fehlende Unterstützung des Partners wird dieser Schritt erschwert. Zusätzlich bestehen häufig massive Schuld- und Schamgefühle und eine enorme Angst vor Stigmatisierung oder sozialer Ausgrenzung (Quinten, 2002a, S. 169). Um diese Zugänge zu vereinfachen und die Bereitschaft der Frauen zur Nutzung eines Angebots zu erhöhen, würden es die Autorinnen als hilfreich erachten, die Angebote neutral zu gestalten und nicht in Zusammenhang mit ei-ner Suchtthematik zu bringen. So könnten solche Angebote beispielsweise von eiei-ner Ge-meinde angeboten werden, dabei aber von einer Suchtberatungsstelle organisiert sein. Nun folgen einige Beispiele von Umsetzungsmöglichkeiten, welche aus Sicht der Autorinnen ange-boten werden könnten:

- Frauenspezifischer Themenabend zu den Themen: Als Frau älter werden, Wechsel-jahre, Doppelbelastung durch Pflege von Angehörigen, Gesundheitsthemen wie De-pressionen und Krebs, Pensionierung, Stellensuche

- Frauen-Zmorge mit Kinderbetreuung, um neue Kontakte zu knüpfen - Selbsthilfegruppen für Frauen organisieren

- Sprechstunden mit Kinderbetreuung anbieten

- Niederschwellige Sprechstunde ohne Termine anbieten - Selbstverteidigungskurs für Frauen

- Bewerbungskurse - Computerkurse

- Broschüren mit den wichtigsten Hilfsangeboten für Frauen: Suchtberatung, Wohn-hilfe, Frauenhäuser, Notunterkünfte, gynäkologische Sprechstunde, medizinische

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Hilfe, finanzielle Hilfe, Mutter-Kind-Angebote, günstige Lebensmittel beziehungsweise Caritas-Märkte

Auch hier muss jedoch bemerkt werden, dass die Umsetzung solcher Angebote nur möglich ist, wenn die personellen und finanziellen Ressourcen dafür gesichert sind. Zudem besteht bei Veranstaltungen auf Gemeindeebene oder in kleineren Städten die Gefahr, dass Frauen auf-grund der bereits beschriebenen Stigmatisierung und Scham die Angebote nicht nutzen. Den-noch erachten die Autorinnen die Schaffung solcher Angebote als wichtig.