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In den Schlussfolgerungen werden die wichtigsten Punkte zur Beantwortung der Fragestel-lung zusammengefasst. Dabei werden Praxisbezüge hergeleitet und eigene Erkenntnisse auf-gezeigt. Letztlich wird ein Ausblick des Themas Frau und Sucht, besonders in Bezug auf die Relevanz für die Soziale Arbeit, vorgenommen.

7.1 Beantwortung der Fragestellung

Befasst man sich mit den Themen Suchtmittelabhängigkeit und Gender, zeigen unterschied-lichste Studien der Geschlechterforschung deutlich auf, dass sich die Entstehung, die Konsum-motive, die Wahl und Funktion des Suchtmittels, das Konsumverhalten und die sozialen Merk-male der beiden Geschlechter deutlich unterscheiden. Obwohl das Wissen um die ge-schlechtsspezifischen Unterschiede in der Fachwelt angekommen ist, fehlt es in der Praxis an angepassten Angeboten. Doch weshalb ist die Beachtung des weiblichen Geschlechts bezo-gen auf eine Suchtmittelabhängigkeit so wichtig? Bei der Beachtung der Einflussfaktoren, wel-che bei Frauen zu einer Suchtmittelabhängigkeit führen können, und der sozialen Merkmale, welche suchtmittelabhängige Frauen zeigen, wird klar, dass diese weitaus mehr sind als ver-altete Annahmen über patriarchalische Gesellschaftsbilder. Die Unterschiede bestehen, und sie beeinflussen die Suchtverläufe der Betroffenen. Doch die Praxis der Suchthilfe und nicht zuletzt auch die Professionellen der Sozialen Arbeit hinken dieser Tatsache hinterher (vgl. Kap.

2.3). Obwohl die Soziale Gerechtigkeit als einer der Grundwerte der Sozialen Arbeit im Berufs-kodex Soziale Arbeit Schweiz von AvenirSocial (2010) festgehalten ist (S. 9), gerät die Wichtig-keit des Geschlechts oftmals hinter die Diagnose einer AbhängigWichtig-keitserkrankung.

Seit Beginn der Erforschung der Entwicklung von Suchmittelabhängigkeit dienten bereits un-zählige verschiedene Theorien und Modellen als Erklärung. Heutzutage wird von einem biopsychosozialen Denkansatz und einem multifaktoriellen Bedingungsgefüge ausgegangen.

Diese Ansicht vereint Theorien aus den unterschiedlichsten Wissenschaftsdisziplinen und hebt die Individualität einer Suchtmittelabhängigkeitsentstehung und -aufrechterhaltung her-vor. Das Modell der Sucht-Trias befasst sich dabei mit der Bedeutung der Dimensionen Per-son, Droge und Umwelt, welche sich wechselseitig beeinflussen. Mit diesem Wissen scheint

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es bezogen auf die Dimension der Person völlig unklar, weshalb die Bedeutung des Ge-schlechts nicht stärker berücksichtigt wird (vgl. Kap 2.2).

Aus diesem Grund haben sich die Autorinnen mit dieser Arbeit folgender Frage gewidmet:

Wodurch zeichnet sich eine Suchtmittelabhängigkeit bei Frauen aus, und welche Handlungs-empfehlungen ergeben sich daraus für die Profession der Sozialen Arbeit?

Bezogen auf die Einflussfaktoren, welche die Entstehung einer Suchmittelabhängigkeit be-günstigen können, lassen sich aus der Sozialisationsforschung wie auch der Entwicklungspsy-chologie klare geschlechtsspezifische Unterschiede erkennen. Aufgrund der unterschiedli-chen Sozialisation und Entwicklung lassen sich bei Frauen und Männern deutliche Unter-schiede im Verhalten, Fühlen und Denken feststellen. Diese UnterUnter-schiede können sich bereits ab der Geburt zeigen und werden durch die gesellschaftlich und kulturell herrschenden Rollenbilder geprägt. So sind Frauen eher personenzentriert, einfühlsam, fürsorglich, zeigen internalisierende Verhaltensweisen beim Verarbeiten von Problemen und Belastungen, sind beziehungsorientiert und tendieren zu selbstkritischen Denkweisen, was zu einer Verminde-rung des Selbstwerts führen kann. Diese weiblichen Eigenschaften der Sozialisation haben eine grosse Auswirkung auf die Entstehung einer Suchtmittelabhängigkeit. Auch in der Ausei-nandersetzung mit den sozialen Merkmalen suchtmittelabhängiger Frauen lassen sich klare Unterschiede und frauenspezifische Thematiken erkennen. So lassen sich die Doppelbelas-tung durch Vereinbarung von Familie und Beruf, das Unterdrücken oder Verdrängen von ne-gativen Gefühlen, unabhängig davon, ob diese aufgrund von Gewalterfahrungen, psychische Erkrankungen oder Überbelastung entstanden sind, und das Aufrechterhalten der eigenen Funktionsfähigkeit in belastenden Situationen als klare Konsummotive der Frauen benennen.

Auch bei der Wahl der Suchtmittel und beim Konsumverhalten zeigen sich eindeutige Diffe-renzen. So sind Frauen bedeutend häufiger von einer Medikamentenabhängigkeit betroffen, was sich mit ihrem versteckteren und risikoärmeren Konsumverhalten deckt.

Nebst der stärkeren gesellschaftlichen Stigmatisierung lassen sich weitere soziale Merkmale suchtmittelabhängiger Frauen feststellen, wie beispielsweise das Nichtbeachten der eigenen Bedürfnisse abhängige Beziehungen, Belastungen durch das Muttersein und das internalisie-rende Verhalten im Umgang mit Problemen und Belastungen (vgl. Kap. 3). Zusätzlich zu diesen

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Erläuterungen und Antworten zur Frage, wodurch sich eine Suchmittelabhängigkeit bei Frauen auszeichnet, wird nun zusammengefasst, welche Handlungsempfehlungen sich daraus für die Profession der Sozialen Arbeit ergeben.

Auf den Grundlagen der frauenspezifischen Suchtarbeit, welche zu Beginn der 1980er-Jahre durch die feministische Frauenbewegung aufkamen (vgl. Kap. 4), lassen sich verknüpfend mit den methodischen Zugängen und Ansätze der Sozialen Arbeit (vgl. Kap. 5) klare Handlungs-empfehlungen für die Soziale Arbeit im ambulanten Setting der Suchtberatung ableiten (vgl.

Kap. 6). Ausgehend davon, dass sich auch die Suchthilfelandschaft unter dem Label des Gen-der Mainstreaming immer stärker auf genGen-dergerechte Angebote ausrichtet, versuchten die Autorinnen unter Berücksichtigung des aufgeführten Wissens konkrete Vorschläge und Um-setzungsmöglichkeiten aufzuzeigen (vgl. Kap 6). Dabei wurde festgehalten, wie auf der Ebene der Institution, der Fachperson und direkt in der Beratung frauenspezifisch beziehungsweise genderspezifisch gearbeitet werden kann. Um auf die spezifischen Bedürfnisse der Frauen eingehen und diese berücksichtigen zu können, braucht es geeignete themenspezifische An-gebote und eigene Räume. Dies bedeutet, dass frauenspezifische AnAn-gebote auch in gemischt-geschlechtlichen Institutionen umgesetzt werden können. Die Voraussetzung dafür ist, dass die notwendigen Grundlagen dafür in den Strukturen der Institution verankert sind, eine ge-meinsame Grundhaltung besteht, welche von Respekt, Empathie, Empowerment, Solidarität und Parteilichkeit gekennzeichnet ist und die Fachpersonen sich selbst reflektiert mit ihrer eigenen Geschlechtsidentität befassen. Ausserdem müssen sie sensibilisiert sein für die Wich-tigkeit der Bedeutung und Beachtung des Geschlechts (vgl. Kap. 6), die frauenspezifischen Themen kennen und sich der frauenspezifischen Gründe einer Suchtmittelabhängigkeit und der Lebenswelten der Frauen bewusst sein. Diese Grundvoraussetzungen und die Umsetzungsmöglichkeiten anhand des Fallbeispiels von Frau A. geben schliesslich eine Ant-wort auf die Frage, welche Handlungsempfehlungen sich für die Profession der Soziale Arbeit ergeben.

7.2 Praxisbezug

Mit dieser Bachelor-Arbeit wird die Wichtigkeit der Beachtung des Geschlechts der Frau be-zogen auf eine Suchmittelabhängigkeit aufgezeigt. Den Autorinnen ist es ein Anliegen, die

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Professionellen der Sozialen Arbeit darauf zu sensibilisieren, sich mit den geschlechtsspezifi-schen Besonderheiten einer Suchtmittelabhängigkeit zu beschäftigen und sich insbesondere für die Berücksichtigung der Frau in dieser Thematik einzusetzen. Es liegt in der Verantwor-tung der Fachpersonen der Suchthilfe und somit zu einem grossen Teil in der VerantworVerantwor-tung der Sozialen Arbeit, dieses Thema wieder vermehrt in den öffentlichen Diskurs zu bringen. Es gibt keine auschlaggebenden Gründe, dies nicht zu tun. Im Gegenteil, gibt es diverse Gründe, welche im Verlauf dieser Arbeit aufgezeigt wurden, welche für die Berücksichtigung des Ge-schlechts bezogen auf eine Suchmittelabhängigkeit und die Schaffung von frauenspezifischen Angeboten sprechen.

Durch die beschriebenen Handlungsempfehlungen und Umsetzungsmöglichkeiten der frau-enspezifischen Suchtberatung wird ein Beitrag zur Praxis der Sozialen Arbeit erbracht. Da die methodischen Zugänge dieser Empfehlungen auf den Grundlagen der Methoden der klassi-schen Sozialen Arbeit beruhen, ergibt es sich von selbst, dass diese durch die Professionellen der Sozialen Arbeit umgesetzt werden können. Auch im Praxisfeld der Suchthilfe ist die Pro-fession der Sozialen Arbeit bekannt. Jedoch fehlt ihr dabei eine klare und starke Positionie-rung. Die Autorinnen sehen es als eine Notwenigkeit an, dass sich die Soziale Arbeit in der Suchthilfe klarer und stärker positioniert und sich ihre Vorteile zunutze macht. Damit eine gelingende interdisziplinäre Zusammenarbeit stattfinden kann, braucht es einen Umgang auf Augenhöhe. Zu oft lässt sich die Soziale Arbeit dabei von den dominierenden Disziplinen der Medizin und Psychologie verdrängen.

Durch die vertiefte Auseinandersetzung mit der Thematik konnten die Autorinnen wertvolle Erkenntnisse für die Berufspraxis sammeln. Dass die Wichtigkeit des Geschlechts der Frau im Prozess einer Suchtberatung nicht beachtet wird, könnte an den fehlenden Strukturen und am Unwissen der Fachleute selbst liegen. Es braucht daher die Bereitschaft und entspre-chende Bemühungen, sich und seine Umgebung für dieses Thema zu sensibilisieren, das ent-sprechende Wissen anzueignen und dies letztlich auch umzusetzen. Nur anhand dieser Grundlagen und des Engagements, sich für die Umsetzung der frauenspezifischen Suchtbera-tung einzusetzen, lässt sich diese im Alltag umsetzten.

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7.3 Ausblick

Da es in der Schweiz kaum aktuelle Studien über die bestehende frauenspezifische Angebots-struktur und Umsetzung sowie Wirksamkeit frauenspezifischer Suchtarbeit gibt, ist eine For-schungsarbeit in diesem Gebiet wünschenswert und notwendig. Zusammen mit weiteren Pro-jekten wäre dies womöglich der richtige Schritt, um das Thema stärker in den fachlichen und öffentlichen Diskurs zu bringen.

Damit dem Geschlecht der Frauen im Prozess einer Suchtberatung genügend Beachtung ge-schenkt werden kann, benötigt es eine entsprechende Haltung der Fachpersonen sowie die dazugehörigen Rahmenbedingungen und Strukturen. Dazu braucht es die Bereitstellung der nötigen finanziellen und personellen Ressourcen (vgl. Kap. 6.2). Unter den bestehenden poli-tischen Bedingungen ständiger Sparmassnahmen, worunter besonders die Angebote der Suchthilfe leiden, wird dies erschwert. Demnach sind die Professionellen der Sozialen Arbeit aufgefordert, sich mit Hilfe des Berufsverbandes AvenirSocial unter anderem auf der politi-schen Ebene für die Bereitstellung von mehr finanziellen Ressourcen einzusetzen und die Kon-sequenzen der Einsparungen in diesem Bereich aufzuzeigen. Obwohl die Problematiken der Suchtmittelabhängigkeit nicht mehr die gleiche Brisanz wie vor 25 Jahren zeigen, als die offene Drogenszene am Platzspitz und später am alten Bahnhof Letten in Zürich noch existier-ten und die Problematik für alle Welt sichtbar war, darf die Wichtigkeit der adäquaexistier-ten und langfristigen Betreuung der Betroffenen nicht vergessen werden.

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