• Keine Ergebnisse gefunden

Die Aufgaben der Sozialen Arbeit in der ambulanten Suchtberatung

5. SOZIALE ARBEIT IM PRAXISFELD DER SUCHTHILFE

5.2 Die Aufgaben der Sozialen Arbeit in der ambulanten Suchtberatung

Da sich die Autorinnen in dieser Arbeit wie bereits erwähnt auf das Setting der ambulanten Suchtberatung fokussieren, wird folgend auf wichtige Aufgaben der Sozialen Arbeit in diesem Kontext eingegangen. Diese Aufzählung stellt lediglich einen Teilaspekt der Aufgaben dar und kann nicht abschliessend angesehen werden. Laut Loviscach (1996) sollte sich eine Suchtbe-ratungsstelle auf das Konzept der Suchtbegleitung abstützen und ihre Angebote als zentrale Anlaufstelle bei allen Suchtproblemen ausrichten. So sollte die Aufgaben des Kontakts, der Diagnose, der Beratung und Therapievermittlung, der Betreuung und Versorgung, der Be-handlung wie auch der Nachsorge abgedeckt werden (S. 217).

Kontakt herstellen

Die Voraussetzung für alle weiteren Angebote ist als erstes, den Kontakt zu den Klientin-nen/Klienten zu finden und zu halten. Für Suchtmittelabhängige ist es wichtig, dass sie unter dem geringstmöglichen Aufwand und unter niederschwelligen Voraussetzungen mit einer Suchtberatungsstelle in Verbindung treten können (Loviscach, 1996, S. 217-218). Laut Irm-gard Vogt und Klaudia Winkler (1996) machen sich suchmittelabhängige Personen oftmals in einem längeren Prozess viele Überlegungen, bevor sie den Schritt wagen und eine entspre-chende Stelle aufsuchen (S. 25). Die möglichen Konsequenzen und Einschränkungen, welche das Aufsuchen einer Beratungsstelle für sie und ihr Umfeld haben könnte, überlegen sie sich

Ammann Karin & Koster Luana 53

meistens genau. Aus diesen Gründen ist es besonders wichtig, darauf zu achten, wie mit den Betroffene umgegangen wird. Ein freundlicher, vertrauenswürdiger Umgangston und ein of-fener Kommunikationsstil können dabei sehr hilfreich sein. Eine barsche Redeweise, Warte-listen, lange Wege und eine unübersichtliche Einrichtung schrecken dabei nur ab. Daher spielt auch die Atmosphäre der Beratungsstelle eine wichtige Rolle. Für Betroffene ist es schwierig, sich auf einen langwierigen Beratungs- und Betreuungsprozess einzulassen, wenn sie auf un-ausgesprochene Vorurteile stossen und ihnen Unverständnis entgegengebracht wird (Vogt &

Winkler, 1996, S. 25). Vogt und Winkler (1996) meinen dazu: «Die Forderung, dass Beratende ihrer Klientel Akzeptanz entgegenbringen müssen, um sie überhaupt erreichen zu können, ist eben keine leere Formel, sondern eine wichtige Voraussetzung» (S. 25). Nebst der Akzeptanz ist auch der Aufbau von Vertrauen sehr wichtig, da oftmals ein grosses Misstrauen gegenüber allen Suchthilfeinstitutionen besteht. Dabei ist es wichtig, dass die räumliche Umgebung an-sprechend wirkt und Platz für Entscheidungsspielräume lässt (Loviscach, 1996, S. 217-218).

Anamnese/Diagnose

Nach der Herstellung des Kontakts und vor der eigentlichen Beratung und Behandlung gilt es eine anamnestische, beschreibende und diagnostische Klärung der Suchtgeschichte vorzu-nehmen (Loviscach, 1996, S. 219). Häufig distanzieren sich die Professionellen der Sozialen Arbeit vor diesem Prozess, da die Disziplinen der Medizin und Psychologie auch in diesem Bereich stärker etabliert sind (Silke Birgitta Gahleitner und Helmut Pauls, 2013, S. 61). Durch die bereits beschriebene ganzheitliche und biopsychosoziale Betrachtungsweise und die in-terdisziplinären Kompetenzen der Sozialen Arbeit eignet sie sich jedoch besonders, um die Schnittstellen zwischen psychischen, sozialen, physischen und alltagssituativen Dimensionen auszuleuchten. Denn anders als in den medizinischen Klassifikationssystemen wird in einer biopsychosozialen Diagnostik die Wichtigkeit der sozialen Dimensionen beachtet und mitein-bezogen (Gahleitner und Pauls, 2013, S. 66-67). Eine Möglichkeit, eine solche biopsychoso-ziale Diagnose zu erstellen, bietet das Diagramm Koordinaten psycho-sozialer Behandlung nach Pauls (siehe Abb. 9).

Ammann Karin & Koster Luana 54 Abbildung 9: Koordinaten der psychosozialen Diagnostik (Helmut Pauls, 2011, S. 210)

Nach Loviscach (1996) wird dabei zusammen mit der Klientin/dem Klienten die psychosoziale Situation erfasst, und aufgrund der erhaltenen Informationen werden Hypothesen zur Ent-wicklung von Handlungsstrategien erstellt. Dabei ist besonders wichtig, dass den Betroffenen nicht voreilige Problemdefinitionen oder standardisierte Verhaltensweisen zugeschrieben werden. Die subjektiven Beschreibungen müssen ernst genommen und in einer ganzheitli-chen Art betrachtet werden. Die Bearbeitung einer solganzheitli-chen psychosozialen Diagnose fungiert bereits als Teil des Beratungsprozesses, dient besonders zum Aufbau einer tragfähigen Bezie-hung und stellt somit bereits die Weiche für eine weitere Zusammenarbeit (S. 219).

Beratung

Die Begriffe Information, Beratung, Betreuung und Behandlung sind nicht eindeutig vonei-nander trennbar. Laut Loviscach (1996) unterscheiden sie sich oft nur unmerklich durch die Verwendung unterschiedlichen Methoden voneinander (217). Friedrichs (2002) bezeichnet die Beratung als das zentrale Handeln der Sozialen Arbeit (S. 168). Unter dem Ansatzpunkt der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Chancen im gesellschaftlichen Kontext sieht Friedrichs (2002) darin eine Möglichkeit, soziale, körperliche, seelische, lebenspraktische oder wirtschaftliche Schwierigkeiten anzugehen (S.

168). Dabei sollte zu Beginn einer Beratung immer die Lösung der dringendsten Probleme im

Ammann Karin & Koster Luana 55

Vordergrund stehen. Dabei muss von der Beraterin/dem Berater jeweils zuerst abgeklärt wer-den, welche Lösungsschritte die Klientin/der Klient alleine bewältigen kann und bei welchen sie/er aktive Unterstützung benötigt (Vogt & Winkler, 1996, S. 25). Generell lässt sich zur Beratung Suchtmittelabhängiger sagen, dass von Konfrontationstechniken abgesehen wer-den sollte. Diese erschrecken und ängstigen die Betroffenen oftmals und können dadurch wer-den Veränderungsprozess eher blockieren als unterstützen (Vogt & Winkler, 1996, S. 25).

Gefahr der Entmündigung

Bei dieser umfassenden Begleitung besteht jedoch die Gefahr der Entmündigung. Laut Co-rinna Voigt-Kehlenbeck (2008) bewegen sich die Professionellen der Soziale Arbeit allgemein, doch besonders stark im Berufsfeld der Suchthilfe, direkt im Alltag der Adressatinnen und Adressaten und rücken ihnen durch diese Weise sehr nahe. Dabei ist die Einnahme einer pro-fessionellen Haltung, welche ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen Anforderungen, Aufgaben und Interessen herstellt, besonders wichtig (S. 39). Voigt-Kehlenbeck (2008) merkt an: «Für dieses Gleichgewicht ist es zentral, dass sich die Fachkraft immer wieder aufs Neue daran erinnert, dass sich die Intervention aus dem Lebenssinn der Subjekte begründen muss»

(S. 40).

Suchtmittelabhängige Personen neigen allgemein dazu, gerne Verantwortung abzugeben. Es ist deshalb Vorsicht geboten, damit Betroffene nicht vollends entmündigt und in eine kindli-che Haltung gedrängt werden. Das Wichtigste, um solch einer Entwicklung vorbeugen zu kön-nen, ist das Entwickeln eines professionellen Arbeitsverständnisses (Lovsicach, 1996, S. 227-228), welches durch interdisziplinären Fachaustausch und Supervisionen gestärkt wird (Voigt-Kehlenbeck, 2008, S. 40).

5.3 Wesentliche Erkenntnisse aus dem Kapitel

Das Praxisfeld der Suchthilfe ist wie eine Abhängigkeitserkrankung selbst hochkomplex und tangiert die unterschiedlichsten Lebensbereiche. Genau aus diesem Grund muss auch die Suchthilfe ein breites Angebot von Hilfen ermöglichen. Um dies gewährleisten zu können, be-teiligen sich an diesen Hilfeprozessen unterschiedliche Disziplinen (Günter Rosenhagen, 2005, S. 76). Dabei hat jede Disziplin ihre eigenen Ansätze, Methoden und Zugänge, und die ver-schiedenen involvierten Professionen haben jeweils unterschiedliche Aufgaben. Die Ansätze

Ammann Karin & Koster Luana 56

und Zugänge der Profession der Sozialen Arbeit zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Men-schen als Individuum in einer ganzheitlichen Betrachtungsweise ins Zentrum des Geschehens stellen (Loviscach, 1996, S. 15). Der Mensch wird immer im Kontext seiner aktuellen Lebens-welt betrachtet, wobei der Fokus auf seinen Ressourcen und Stärken liegt und das Ziel stets die Selbstbefähigung ist (Beushausen, 2016, S. 232). Zu den Aufgaben der Sozialen Arbeit in der ambulanten Suchtberatung gehören unter anderem das Herstellen des Kontakts, das Er-stellen und Erfassen einer biopsychosozialen Diagnose und die Beratung der Betroffenen (Lo-viscach, 1996, S. 217). Anders als die anderen involvierten Disziplinen übernimmt die Soziale Arbeit eine umfassende und vollumfängliche Begleitung, welche in sämtliche Lebensbereiche wirken und über einen längeren Zeitraum bestehen kann (Abstein, 2012, S. 8). Genau aus diesen Gründen der ganzheitlichen, bereichsübergreifenden und langezeitigen Begleitung und Betreuung braucht es die Profession der Sozialen Arbeit in der Suchthilfe.

Da in diesen Aufgabenfeldern auch Akteure aus anderen Disziplinen der Suchthilfe vertreten sind, entstehen gewisse Spannungsfelder, welche es zu überwinden gilt. Jedoch werden diese Spannungsfelder durch die unterschiedlich zugeschriebenen Statuspositionen, welche ge-wisse Disziplinen innehaben, verstärkt (Berthel, Vogel & Kläusler, 2015, S.13-14). Es darf aller-dings nicht vergessen werden, dass die bestehenden Herausforderungen im Suchtbereich nur interdisziplinär gelöst werden können. Nicht zuletzt aus diesem Grund sollten sämtliche Ak-teure in der Suchthilfe an einer gelingenden Kooperation interessiert sein. Um dies umsetzen zu können, muss die interdisziplinäre Zusammenarbeit initiiert, gestaltet und mit genügend Ressourcen ausgestattet werden (Berthel, Vogel & Kläusler, 2015, S. 17).

Mit diesen wichtigen Erkenntnissen zur Sozialen Arbeit im Praxisfeld der Suchthilfe wird nun ins nächste Kapitel übergeleitet.

Ammann Karin & Koster Luana 57

6 Umsetzung der frauenspezifischen Suchtarbeit in der ambulanten