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Gesundheitsrelevante Umweltprobleme

3.4 Wasser

3.4.2 Trinkwasser

Die Gewährleistung eines hohen Qualitätsstandards des Trinkwassers ist von besonderer Relevanz, da jeder Bürger täglich eine vergleichsweise große Menge Trinkwasser aufnimmt und mit einer noch weit größeren bei der Körperhygiene und im Haushalt in Kontakt kommt, so daß gegebenenfalls Schadstoffe und mikrobielle Verunreinigungen auf diesem Wege rasch verbreitetet werden können („Explosivepidemien”). Trinkwasser ist in Deutschland für alle nicht nur in ausreichender, sondern in

der jeweils gewünschten Menge verfügbar. Die täglich mit der Nahrung aufgenommenen Trinkwas-sermengen weisen sehr große individuelle Unterschiede auf, was auch für die Bewertung der mögli-chen Schadstoffexposition von Bedeutung ist. Die mittlere täglich aufgenommene Menge beträgt 920 ml Leitungswasser; 5 % der erwachsenen deutschen Bevölkerung trinken mehr als 1880 ml und 2 % mehr als 2450 ml. Neben der oralen Exposition besteht beim Trinkwasser auch die Möglichkeit der Exposition über die Haut und die Schleimhäute sowie auf dem Inhalationsweg.

Trinkwasser und Gesundheit

Rechtsvorschriften und technische Entwicklung hatten und haben das Ergebnis, daß chemische Noxen im Trinkwasser nicht oder nur in sehr geringen Mengen vorkommen und so kaum Gesundheitsrisiken verursacht werden. Bei den mikrobiellen Belastungen des Trinkwassers ist dagegen eine zunehmende Diversität der Keime festzustellen, die beim Verbraucher (am Wasserhahn) eine Rolle spielen. Damit entstehen sowohl für die Überwachung als auch die Aufbereitung neue Anforderungen. Die Beurtei-lung der Bedeutung von Mikroorganismen im Trinkwasser und die Wirksamkeit der Vorbeugungs-maßnahmen und -strategien bedürfen einer Überprüfung.

Die jüngere Vergangenheit - d.h. die Zeit nach der Wiedervereinigung - brachte zusätzliche Probleme.

Bei Untersuchungen der Trinkwasserbeschaffenheit in den neuen Bundesländern wurde ermittelt, daß 1989 800.000 Menschen (rund 5 % der Bevölkerung) Wasser mit mehr als 50 mg Nitrat pro Liter Wasser erhielten; Ende 1995 waren es noch 104.000 (0,65 %). Im Hinblick auf Pflanzenschutz- und Schädlingsbekämpfungsmittel gab es nur wenige belastete Trinkwässer; die Untersuchungen wurden jedoch nicht flächendeckend durchgeführt. Aufgrund des stark rückläufigen Wasserverbrauchs konn-ten die meiskonn-ten der belastekonn-ten Brunnen geschlossen werden. Die 1995 und 1996 noch aufgetrekonn-tenen Überschreitungen der zulässigen Höchstkonzentrationen waren hinsichtlich möglicher Gesundheitsri-siken ohne Bedeutung.

Anders ist dagegen die Situation bei zivilen und militärischen Altlasten zu bewerten. Bei den zivilen Altlasten bestehen die Probleme insbesondere in den großräumigen industriellen Ballungsgebieten wie Bitterfeld, Leuna-Merseburg usw.. Bei den rund 4000 Liegenschaften mit einer geschätzten Gesamtfläche von 0,5 Mio. ha in militärischer Verwaltung sind nach jahrelangem, häufig unsachge-mäßen und in Bezug auf den Umweltschutz fahrlässigen Umgang mit Treibstoffen, Kampfmitteln und anderen Einsatzstoffen oder deren wilder Ablagerung Schadstoffe in erheblichen Mengen in die Umwelt gelangt. Daraus resultiert auch eine Gefährdung der Rohwasserressourcen. Bis Ende 1996 konnte über die Hälfte der Liegenschaften in militärischer Verwaltung bewertet werden. Über die Liegenschaften des MfS liegen keine Daten vor. Bei weniger als 1 % der bewerteten Liegenschaften waren unmittelbare Gefährdungen von Rohwasser für die Trinkwasserversorgung zu vermuten bzw.

bereits nachgewiesen, so daß geeignete Sofortmaßnahmen eingeleitet wurden. Gesundheitsgefahren durch den Genuß kontaminierten Trinkwassers werden mittels verschärfter Kontroll- und Siche-rungsmaßnahmen für das Roh- und Trinkwasser derzeit ausgeschlossen. Bei einem Teil der verblei-benden Liegenschaften besteht weiterhin Klärungsbedarf.

In umfangreichen Studien über die Exposition der deutschen Bevölkerung (1985/86 u. 1990/91 in den alten Bundesländern, 1991/92 in den neuen Bundesländern; siehe Kapitel 2.4) sind folgende wesentli-che Ergebnisse erzielt (s. Tabelle 9) worden:

− Trinkwasser der deutschen Haushalte (Spontanprobe) enthält mittlere Konzentrationen von Blei (0,71 µg/l), Cadmium (0,061 µg/l), Eisen (56 µg/l), Kupfer (63 µg/l) und Zink (227 µg/l). Die ent-sprechenden Gehalte in der Stagnationsprobe sind deutlich höher. Bezogen auf den WHO-Leitwert für Blei in Trinkwasser (10 µg/l) wird bei der erwachsenen Bevölkerung Deutschlands in 5,5 % (Spontanprobe) bzw. 7,7 % (Stagnationsprobe) eine Überschreitung festgestellt (alte Bundeslän-der: Überschreitung in 3 bzw. 4,2 %; neue BundeslänBundeslän-der: Überschreitung in 14,8 % bzw. 20,8 %).

− In den neuen Bundesländern lagen bis 1992 höhere Eisen- und Zinkgehalte, tendenziell höhere Cadmiumgehalte und - wie oben dargestellt - vor allem höhere Bleigehalte im Trinkwasser vor.

Der mittlere Kupfergehalt ist in den alten Bundesländern vergleichsweise höher. Mit fortschreiten-der Sanierung des Wohnungsbestandes ist auch eine Angleichung fortschreiten-der Befunde zu erwarten.

Tab. 9: Prozentuale Überschreitungen der Grenz- bzw. Richtwerte der Trinkwasserverordnung im häuslichen Trinkwasser der 25- bis 69jährigen deutschen Bevölkerung: Zeitlicher und regio-naler Vergleich. (Die Werte in den neuen Ländern gleichen sich mit fortschreitender Sanie-rung des Wohnungsbestands an diejenigen der alten Länder an.)

G r enz -/ 1 . 2. U m w

elt-R ic htw e rte U m w e lt- U m w e lt- Survey in m g/l Sur vey W e st Sur ve y W e st O st

1985 /86 1990/9 1 1991/92

B lei

Spontanprobe 0,04 1,3 % 0,1 % 5,9 %

Stagnationsprobe 0,04 1,8 % 0,8 % 7,7 %

C adm ium

Spontanprobe 0,005 0,0 % 0,1 % 0,5 %

Stagnationsprobe 0,005 0,1 % 0,2 % 0,7 %

E isen

Spontanprobe 0,2 6,8 % 9,3 % 2 5,4 %

Stagnationsprobe 0,2 18,5 % 18,7 % 4 1,9 %

K upfe r

Stagnationsprobe 3 0,5 % 0,6 % 0,4 %

Z ink

Stagnationsprobe 5 1,2 % 0,6 % 8,1 %

C alc ium 400 0,0 % 0,0 % 0,0 %

M a gnesium 50 0,0 % 0,0 % 6,0 %

N atrium 150 0,5 % 0,9 % 0,0 %

Bezugsbevölkerung (Mikrozensus 1991):

insgesamt: 25-69jährige 45 196 000

neue Länder: 25-69jährige 9 356 000

alte Länder: 25-69jährige 35 841 000

Aus dem vorliegenden Material der Umwelt-Surveys kann für die alten Bundesländer abgeleitet werden, daß die mittleren Blei- und Cadmiumgehalte im häuslichen Trinkwasser der Bevölkerung für den genannten Zeitraum sowohl in Bezug auf die Spontan- als auch auf die Stagnationsprobe abge-nommen haben. Bei Eisen und Kupfer ist hingegen eine Zunahme festzustellen. Für Zink liegt keine eindeutige Veränderung vor. Der Rückgang der Blei- und Cadmiumgehalte kann auf den Austausch der früher noch verwendeten Bleirohre und der blei- und cadmiumhaltigen verzinkten Eisenrohre sowie den Ersatz cadmiumhaltiger Lötverbindungen zurückzuführen sein. In den letzten Jahren wur-den Bleirohre durch verzinkte Eisenrohre und vor allem Kupferrohre ersetzt. Nach deren Neuinstalla-tion wurden in den ersten Betriebsmonaten bis -jahren, insbesondere nach nächtlicher StagnaNeuinstalla-tion, den Richtwert der TrinkwV überschreitende Kupferkonzentrationen beobachtet. In Bezug auf die mittle-ren Calcium- und Natriumgehalte kann eine Zunahme für den betrachteten Zeitraum festgestellt werden.

Die beobachteten Überschreitungen der Grenz- bzw. Richtwerte sind unter gesundheitlichen Aspekten im Falle von Blei, Cadmium und Kupfer von besonderer Bedeutung. Es muß jedoch bezweifelt wer-den, ob insbesondere für Blei die nach demoskopischen Gesichtspunkten durchgeführte Beprobung die Entwicklung hinreichend widerspiegelt. Aus einer im Auftrag der Kommission im Februar 1995 vorgelegten Studie geht hervor, daß im Norden und Westen Deutschlands noch etwa 500.000 und im Osten etwa 400.000 Bleihausanschlußleitungen, das sind 7 bzw. 26 % der jeweils vorhandenen An-schlüsse, bestehen. Außerdem sind danach im Norden und Westen in 1,5 und im Osten in 1,2 Millio-nen Haushalten, das sind 10 bzw. 24 % der dortigen Haushalte, Bleileitungen installiert. In diesen Fällen nimmt der Verbraucher gesundheitlich bedenkliche Mengen an Blei über das Trinkwasser auf, wobei Kinder und Schüler naturgemäß besonders gefährdet sind. Eine besondere Risikogruppe stellen mit .rehydratisierter Milch ernährte Säuglinge dar. Die Kosten für das Auswechseln der Bleileitungen werden in der Begründung zur Novellierung der EG-Trinkwasserrichtlinie für Deutschland mit 3,3 Mrd. ECU angegeben.

Kupfergehalte im Trinkwasser über 3 mg/l sind zwar für den größten Teil der Bevölkerung gesund-heitlich unbedenklich, werden aber im Zusammenhang mit dem Auftreten von frühkindlicher Leber-zirrhose als Folge einer chronischen Kupferintoxikation und in Verbindung mit genetischen Faktoren diskutiert, wenn saures Brunnenwasser über Kupferinstallationen zugeführt wird und für die Zube-reitung von Säuglingsnahrung benutzt wird. Erhöhte Eisenwerte führen zu Trübungen und Färbung des Wassers, die seine Qualität in ästhetischer und technischer Hinsicht beeinträchtigen, nicht jedoch von gesundheitlicher Bedeutung sind. Ähnliches gilt für erhöhte Zinkgehalte.

Über die mikrobielle Belastung der Trinkwässer stehen vergleichbare Erhebungen nicht zur Verfü-gung. Da auch keine systematische Erfassung wasserbürtiger Infektionskrankheiten erfolgt, können nur die veröffentlichten, räumlich eng begrenzten Studien herangezogen werden. Danach muß vor allem in älteren und komplexen Versorgungssystemen für erwärmtes Trinkwasser mit dem Auftreten von Legionellen und Legionellosen einschließlich Todesfällen bei den versorgten Bürgern gerechnet werden. Hausinstallationen in Einfamilienhäusern waren bisher von Legionellen im Warmwassersy-stem praktisch nicht betroffen.

In Deutschland (Bundesrepublik und ehemalige DDR) sind in der Vergangenheit außerdem Ruhr (Shigella sonnei) und Typhus erwiesenermaßen als durch Trinkwasser vermittelte Infektionskrank-heiten aufgetreten. Nach Erfahrungen aus anderen hoch industrialisierten Ländern muß auch die Möglichkeit des Auftretens vielfältiger weiterer Infektionskrankheiten bzw. ihrer Erreger in Betracht gezogen werden: Viren (Hepatitis A, Hepatitis E, Erkrankungen durch Adeno-, Entero- und Rotavi-ren), Parasiten (Cryptosporidium parvum-Oocysten, Giardia intestinalis-Cysten, Toxoplasma), Chole-ravibrionen, Salmonella-Arten, Shigellen, neuere Problemkeime (Campylobacter-Arten, pathogene E.

coli einschließlich EHEC, Pseudomonas aeruginosa).

Trinkwasserassoziierte Gesundheitsrisiken spielen für die Gesamtmorbidität aufgrund des hohen Standes der Trinkwasserhygiene in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle. Man kann davon ausgehen, daß die Einhaltung der Überwachungsvorschriften und -methoden hinreichend gewährlei-stet ist und jede unzulässige Veränderung der Wasserqualität so frühzeitig erkannt wird, daß Gesund-heitsgefahren abgewendet werden können. In allen bekannt gewordenen Fällen einer trinkwasserbür-tigen Epidemie oder Infektion wie auch bei Gesundheitsbeeinträchtigungen infolge chemischer Kon-tamination war mindestens eine der Ursachen eine Verletzung trinkwasserhygienischer Vorschriften.

Dennoch sollten bei der insgesamt positiven Bewertung der trinkwasserhygienischen Situation zwei Aspekte berücksichtigt werden:

− Es gibt je nach Noxe unterschiedliche Bevölkerungsanteile, die aufgrund besonderer Bedingungen empfindlicher sein können als die Gesamtbevölkerung.

− Es besteht kein Erfassungssystem, mit dessen Hilfe wasserbürtige Erkrankungen gezielt gesucht und registriert werden können. Bei den Infektionskrankheiten ist erst oberhalb einer bestimmten Schwelle aufgrund des Seuchengesetzes mit einer Erfassung zu rechnen. Für Erkrankungen durch chemische Noxen gibt es keine systematische Erfassung.

Hinsichtlich des Trinkwasserschutzes gelten insbesondere die einschlägigen Bestimmungen im Was-serhaushaltsgesetz und in den Landeswassergesetzen. Regelungen und Qualitätsziele zur Überwa-chung und Sicherung der Trinkwasserqualität sind in der Trinkwasserverordnung sowie in Vorschrif-ten des Bundesseuchengesetzes und des Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetzes enthalVorschrif-ten. Als technisches Regelwerk ist hier insbesondere die DIN 2000 zu nennen.