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Die Nationalen Gesundheitssurveys und der Gesundheitssurvey Ost

Risikomanagement-Prozeß

2.4 Datenquellen

2.4.3 Vorliegende Daten zum Zusammenhang von Umwelt und Gesundheit

2.4.3.1 Die Nationalen Gesundheitssurveys und der Gesundheitssurvey Ost

2.4.3.1 Die Nationalen Gesundheitssurveys und der Gesundheitssurvey Ost

Im Rahmen der Deutschen Herz-Kreislauf-Präventionsstudie (DHP4) wurden unter der Bezeichnung

„Nationaler Gesundheitssurvey“ in den Jahren 1984-1986 (NUS T0) und 1987-1989 (NUS T1) sowie 1990-1991 (NUS T2) repräsentative Stichproben der bundesdeutschen Bevölkerung einer standardi-sierten Untersuchung und einer umfangreichen Befragung zu gesundheitsrelevanten Themen unterzo-gen. Mit weitgehend gleicher Methodik wurde auch in den neuen Bundesländern 1991/92 der Ge-sundheitssurvey Ost (Survey Ost) durchgeführt.

Finanziert wurden die Studien durch das Bundesministerium für Forschung und Technologie (NUS T0-T2) und durch das Bundesministerium für Gesundheit (Survey Ost). Im Auftrag des ehemaligen Institutes für Sozialmedizin und Epidemiologie des Bundesgesundheitsamtes (SozEp/BGA) (heute:

Robert Koch-Institut) wurden die Datenerhebung und die Grundauswertung von Infratest Gesund-heitsforschung München (NUS T0-T2) und dem Zentrum für epidemiologische GesundGesund-heitsforschung Berlin (Survey Ost) vorgenommen.

Stichproben: Die Grundgesamtheit der Nationalen Gesundheitssurveys bilden alle Deutschen in den alten Bundesländern im Alter von 25 bis 69 Jahren, im Gesundheitssurvey Ost alle Deutschen in den neuen Bundesländern im Alter von 18 bis 79 Jahren. Die Auswahl der Erhebungseinheiten erfolgte in einer mehrfach geschichteten zweistufigen Zufallsstichprobe mit gleichen

4 Die DHP ist ein multizentrisches Forschungsprojekt, in dem die praktische Anwendbarkeit wissenschaftlich begründeter primärpräventiver Maßnahmen und Programme zur Bekämpfung ischämischer Herzkrankheiten und der Herzinfarkte / Schlaganfälle in ausgewählten Studiengemeinden nachgewiesen werden sollte. Die Nationalen Gesundheitssurveys (NUS T0-T2) dienten hierbei als Referenzpopulation.

keiten. Die erste Stufe der Zufallsstichprobenziehung bestand in der Auswahl der Gemeinden, ge-schichtet nach den Merkmalen Bundesland, Regierungsbezirk und politische Gemeindegrößenklasse.

In jeder Erhebungsrunde der Nationalen Gesundheitssurveys wurden 100 Erhebungspunkte in den alten Bundesländern, beim Gesundheitssurvey Ost 50 Erhebungspunkte in den neuen Ländern zufällig ausgewählt. Die zweite Stufe der Zufallsstichprobenziehung war die Auswahl der Probanden nach Geschlecht und Alter in den Erhebungspunkten. Bei einer Responserate von ca. 70% ergaben sich die in der Tabelle 3 dargestellten realisierten Nettostichproben.

Tab. 3: Nettostichproben der Nationalen Gesundheitssurveys und des Gesundheitssurvey Ost

Insgesamt Männer Frauen

NUS T0 (1984 - 1986) 4790 2417 2373

NUS T1 (1987 - 1989) 5335 2649 2686

NUS T2 (1990 - 1991) 5311 2688 2623

Survey Ost (1991 - 1992) 2617 1223 1394

Studiendesign und Erhebungsinstrumente: Der erste Nationale Gesundheitssurvey (1984-1986) bestand aus dem Nationalen Untersuchungssurvey und dem Nationalen Befragungssurvey. Im Natio-nalen Untersuchungssurvey wurden die Probanden einer einheitlichen standardisierten medizinischen Untersuchung und Befragung unterzogen, im Nationalen Befragungssurvey wurden weitere 11.000 Personen nur befragt. Neben der Gewinnung von Daten aus einer zusätzlichen Stichprobe diente dieses Vorgehen vorrangig der Reliabilitätsprüfung der Fragebogenitems. Der Vergleich der Fragebo-genangaben zwischen den beiden Stichproben ergab einen hohen Grad der Übereinstimmung, so daß das Erhebungsinstrument als geeignet angesehen werden konnte. In den folgenden Durchgängen der Gesundheitssurveys wurde deshalb auf einen zusätzlichen Befragungssurvey verzichtet.

In den Gesundheitssurveys wurden zwei zentrale Erhebungsinstrumente eingesetzt. Mit dem Fragebo-gen zu „Leben und Gesundheit in Deutschland“ wurden Angaben zu den Komplexen Demographie, Verhalten, Lebensbedingungen und Krankheiten erfaßt. Die medizinische Untersuchung beinhaltete die Messung von Blutdruck- und Pulsfrequenz, von Körpergröße und -gewicht sowie die Prüfung der Lungenfunktion. Anhand von Blut- bzw. Serum- und Urinproben wurden mehr als 40 Laborwerte (u.a. Cholesterin, Glukose, Gesamteiweiß, Hämoglobin, Eisen, Magnesium, Thiocyanat, Phosphat) bestimmt. Parallel zu den Daten der Gesundheitssurveys wurden in den alten und neuen Bundeslän-dern Angaben zum Arzneimittelverbrauch und zur Arzneimittelverträglichkeit gewonnen.

Beim Umweltsurvey wurden an Teilstichproben der Nationalen Gesundheitssurveys T0, T2 und des Survey Ost Umweltbelastungen erfragt sowie Blut-, Urin, Trinkwasser-, Wasser- und Luftproben zur objektiven Beurteilung von Umweltbedingungen analysiert. Der Umweltsurvey liefert für die Allge-meinbevölkerung der analysierten Altersgruppen repräsentative Angaben über die korporale Schad-stoffexposition (Blut, Urin, Haare) und die Schadstoffbelastung in den dazugehörigen Wohnungen (Innenraumluft, Hausstaub, Trinkwasser).

Im Rahmen des Survey Ost wurde die „Ernährungsstudie Ost“ zur Abschätzung der Ernährungssitua-tion und der ernährungsbedingten Schadstoffaufnahme in den neuen Bundesländern durchgeführt. Zur Bestimmung der Ernährungssituation und Berechnung der Nährstoffaufnahme wurde für eine Subpo-pulation von ca. 1.900 Personen das computergestützten Interview (Diet-History) als Erhebungsin-strument eingesetzt.

Ergebnisse und Schlußfolgerungen: Als Ergebnisse der Gesundheitssurveys stehen neben Angaben über die Häufigkeit, mit der bestimmte Krankheiten, Krankheitsmerkmale, Risikofaktoren, Beschwer-den sowie gesundheitsrelevante Lebensbedingungen und Verhaltensweisen in der Bevölkerung vor-kommen, auch Daten zur Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, zum Medikamentenkonsum und zu Arzneimittelnebenwirkungen sowie zu wesentlichen labordiagnostischen und medizinischen Meßgrößen zur Verfügung. Durch diese Meßgrößen läßt sich eine Vielzahl von Fragebogendaten auf ihre Plausibilität überprüfen. Die wiederholte Durchführung der Gesundheitssurveys gestattet die Beurteilung von Morbiditätstrends. Die Anwendung des gleichen Studiendesigns in Ost- und West-deutschland ermöglicht neben der Einschätzung regionaler Unterschiede eine gesamtdeutsche Dar-stellung des Gesundheitszustandes und des Gesundheitsverhaltens.

Mit den Nationalen Gesundheitssurveys wurde eine für die Bundesrepublik Deutschland neuartige Quelle der Morbiditätsstatistik geschaffen. Ein besonderer Vorteil der Surveydaten, der mit traditio-nellen gesundheitsstatistischen Mitteln nicht zu erreichen gewesen wäre, besteht in der individuellen Verknüpfbarkeit der Daten. Damit schließen Gesundheitssurveys bestehende Informationslücken der Medizinalstatistik und stellen eine wesentliche Grundlage für die Gesundheitsberichterstattung dar.

Die Daten der Gesundheitssurveys stehen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit als Public Use Files zur Verfügung. Diese dienen hauptsächlich Sekundäranalysen, werden aber auch häufig zum Ergeb-nisvergleich mit anderen Studien herangezogen.

Die Kopplung des Umweltsurveys an den jeweiligen Gesundheitssurvey erlaubt es, auf individueller Ebene Daten der korporalen Schadstoffbelastung (Human-Biomonitoring) mit Gesundheitsdaten aus der Anamnese, Ergebnissen medizinischer und labordiagnostischer Untersuchungen zu vergleichen.

Stellvertretend sei hier die Analyse des Cadmiumgehaltes im Blut unter Berücksichtigung der ge-sundheitsrelevanten Verhaltensvariablen „Rauchen“ genannt. Als Beispiel für die Verbindung von Labor- und umweltmedizinischer Diagnostik läßt sich die Bestimmung des Bleigehaltes unter Kon-trolle des Wertes für das Zellpackungsvolumen anführen.

Durch die standardisierte Arzneimittelanamnese eines jeden Probanden besteht die Möglichkeit, Aussagen auch zu Arzneimittelwirkstoffen oder Hilfsstoffen zu machen, die bei der Ermittlung der Umweltbelastung der Studienteilnehmer die Ergebnisse verfälschen könnten. So ist z.B. bei der Be-urteilung des Kupfergehaltes im Blut/Urin von Frauen die Einnahme hormonaler Kontrazeptiva zu berücksichtigen, beim Chromgehalt im Urin das Vorliegen eines insulinpflichtigen Diabetes mellitus.

Durch die Ernährungserhebung im Umweltsurvey war eine Quantifizierung der korporalen Schad-stoffbelastung über den Nahrungspfad möglich. Gleichzeitig erfolgte durch die bevölkerungsreprä-sentative Erfassung des Ernährungsverhaltens eine grobe Einschätzung der Schadstoffbelastung über die Nahrung. Die Anbindung von Ernährungserhebungen und Umweltsurveys an die

Gesundheitssur-veys ermöglicht zusätzlich die Ermittlung von Korrelationen mit klinischen und labordiagnostischen Parametern sowie mit anamnestischen Angaben zu Krankheiten. So sind z.B. die Arsen- und Queck-silberwerte höher bei kurz vor der Probenentnahme erfolgtem Fischkonsum. Weiterhin konnte eine Beziehung zwischen dem Nitratgehalt im Urin und dem Verzehr von Salat und Gemüse bestätigt werden.

Zur Einschätzung der gesundheitlichen Lage in Deutschland haben sich Gesundheitssurveys somit als eine wesentliche Informationsquelle erwiesen. Um Entwicklungen beurteilen zu können, sollten sie in regelmäßigen Abständen und mit weitgehend gleicher Methodik wiederholt werden. In Abhängigkeit von aktuellen gesundheitspolitischen Fragestellungen erlaubt das Studiendesign die flexible Erweite-rung um entsprechende Surveymodule. Vorteile eines solchen Vorgehens bestehen in der effizienten Nutzung finanzieller Ressourcen und in der zusätzlichen Einbindung externen Sachverstandes.