• Keine Ergebnisse gefunden

Gesundheitsrelevante Umweltprobleme

3.3 Strahlung

3.3.1 Ionisierende Strahlung

Ionisierende Strahlung wird durch Aktivitäten des Menschen „künstlich“ erzeugt, ist aber auch ein natürlicher Bestandteil der Umwelt. Zur Exposition des Menschen tragen maßgeblich die Inhalation des natürlichen radioaktiven Gases Radon, die Ingestion natürlicher Radionuklide mit den Lebens-mitteln sowie die terrestrische und die kosmische Strahlung bei. Aus der Anwendung ionisierender Strahlen in Medizin, Forschung und Technik resultiert eine zusätzliche Strahlenexposition, die we-sentlich vom jeweiligen Verwendungszweck abhängt. Außerdem kann berufliche Tätigkeit (z.B.

Phosphatdünger-Herstellung, Uranbergbau) zu einer Strahlenexposition führen. Im allgemeinen bleibt diese berufliche Exposition jedoch im Streubereich geographischer Unterschiede der natürlichen Strahlung. Die mittlere effektive Äquivalentdosis der Bevölkerung in Deutschland durch alle (künstli-che und natürli(künstli-che) Strahlenquellen, die zur Zeit bei ca. 4 mSv pro Jahr liegt, setzt sich wie in Tabelle 7 aufgeführt zusammen.

Tab. 7: Mittlere Strahlenbelastung in Deutschland aus natürlichen und künstlichen Quellen

Quelle Äquivalentdosis

[mSv]

terrestrische Strahlung 0,4

kosmische Strahlung (Meereshöhe) 0,3 Inhalation von Radon-Folgeprodukten 1,4 Ingestion natürlicher radioaktiver Stoffe 0,3

Fall-out Kernwaffenversuche <0,01

Anwendung Strahlenquellen d.Technik <0,01

berufl. Strahlenexposition <0,01

Anwendung Strahlung in Medizin 1,5

Für den Strahlenschutz sind zwei Wirkungsarten der Strahlung von besonderer Bedeutung:

− die deterministische Strahlenwirkung beruht auf der Fehlfunktion oder dem Verlust der Gewebe-funktion in den Organen und ist hauptsächlich durch Zellverlust bedingt. Nachdem eine Schwel-lendosis überschritten wurde, nimmt ihre Wirkung mit der Dosis zu. Die Schwellendosen liegen jedoch so hoch, daß deterministische Strahlenwirkungen nur bei einem Unfall erwartet werden können.

− die stochastische Strahlenwirkung manifestiert sich erst Jahre und Jahrzehnte nach einer Einwir-kung. Zur stochastischen Strahlenwirkung zählen die Induktion von Leukämie, Krebs und vererb-baren Schäden. Es wird hierbei davon ausgegangen, daß die Wahrscheinlichkeit für die Induktion bösartiger Neubildungen und vererbbarer Schäden proportional mit der Dosis zunimmt und keine Schwellendosis besteht.

Bei Bestrahlung von Schwangeren besteht zusätzlich das Risiko einer fruchtschädigenden Wirkung (Induktion von Fehlbildungen bei den Nachkommen), die von der Dosis und dem Zeitpunkt der Expo-sition abhängt. Teratogene Strahlenwirkungen manifestieren sich u.a. als Fehlbildungen, geistige

Retardierungen und frühkindliche Leukämien, wobei die Exposition in der 8. bis 15. Schwanger-schaftswoche besonders relevant ist.

Ionisierende Strahlung und Gesundheit

Epidemiologische Studien zum Strahlenrisiko: Da sich die von der Strahlung ausgelösten Krebser-krankungen und genetischen Schäden nicht von den spontan entstandenen unterscheiden lassen, können sie nur durch statistische Sicherung der relativen Häufung bei Bestrahlten gegenüber Nichtbe-strahlten wahrscheinlich gemacht werden. Untersuchungen, in denen es gelungen ist, bei beNichtbe-strahlten Menschen epidemiologisch Erbschäden nachzuweisen, liegen bisher nicht vor. Für genetische Strah-lenschäden gibt es somit bisher keine streng gesicherten, am Menschen gewonnenen Erkenntnisse.

Selbst in Hiroshima und Nagasaki konnte bisher bei Nachkommen der Überlebenden der Atombom-benexplosion keine erhöhte Rate vererbbarer Erkrankungen festgestellt werden. Daß ionisierende Strahlen genetische Schäden und Krebs auslösen, ist dagegen am Tier eindeutig belegt. Die Abschät-zungen des genetischen Strahlenrisikos für den Menschen stammen daher aus experimentellen Unter-suchungen an Mäusen. Hinsichtlich des strahlenbedingten Leukämie- und Krebsrisikos basieren die Abschätzungen hingegen vorwiegend auf den Auswertungen von Daten, die im Rahmen von epide-miologischen Untersuchungen an japanischen Atombomben-Überlebenden erhoben wurden. Weitere epidemiologische Untersuchungen zum strahlenbedingten Krebsrisiko wurden bei Patienten, die zur Diagnostik und Therapie bestrahlt wurden, bei beruflich strahlenexponierten Personen sowie bei Personen in der Umgebung kerntechnischer Anlagen durchgeführt.

In den vergangenen Jahren wurden mehrfach Berichte über Strahleneffekte bei Personengruppen publiziert, die niedrigen Strahlendosen ausgesetzt waren und bei denen vermehrt Leukämie, Krebs, teratogene oder genetische Schäden beobachtet wurden. Einige Studien beziehen sich auf Personen, die in der Umgebung kerntechnischer Anlagen leben, aus medizinischen Gründen bestrahlt wurden oder in Gebieten mit relativ hoher natürlicher Strahlung wohnen. Die meisten dieser Studien sind kritisch zu betrachten, da sie methodische Schwächen aufweisen. Insgesamt haben epidemiologische Studien im Bereich kleiner Dosen, obwohl sie für den Strahlenschutz eine große Bedeutung haben können, wenig zu den quantitativen Risikoabschätzungen beigetragen.

Von den Risikofaktoren der Umwelt gehört die ionisierende Strahlung zu denjenigen, die am besten untersucht sind. Deterministische Strahlenwirkungen wie Erythem, Beeinträchtigung der Blutbildung, Linsentrübungen sind nur bei hohen Dosen, wie sie in Unfallsituationen auftreten, von Bedeutung. Ob im Bereich niedriger Dosen (unter 100 mSv) zusätzliche Leukämien, Krebserkrankungen und geneti-scher Schäden auftreten, läßt sich nicht mit Sicherheit ausschließen. Bei Schwangeren ist möglicher-weise zudem mit teratogenen Strahlenwirkungen zu rechnen. Auf der Grundlage zahlreicher epide-miologischer Studien kann abgeschätzt werden, daß rund zwei bis vier Prozent aller tödlich verlau-fenden Krebserkrankungen durch natürliche Strahlung verursacht werden; der Anteil der durch die Technik bedingten tödlichen Krebserkrankungen liegt weit unter einem Prozent.

Radon: Als wesentlicher Faktor aus der Gesamt-Strahlen-Belastung des Menschen wird hier das Radon behandelt. Die geologische Formation der Erdkruste enthält in unterschiedlichen Konzentra-tionen natürliches radioaktives Uran und Thorium. Beide Radionuklide bilden bei ihrem Zerfall gasförmiges Radon, das direkt aus den obersten Erdschichten in die Außenluft oder in Gebäude entweicht und sich in geschlossenen Räumen anreichern kann. Für die Radonkonzentration in Gebäu-den ist die Exhalation aus Baustoffen i.a. von untergeordneter Bedeutung.

Radon zerfällt unter Aussendung von Alpha-Strahlen in kurzlebige radioaktive Zerfallsprodukte (Schwermetalle), die in den Atemtrakt des Menschen gelangen und dort die empfindliche Schleimhaut der Bronchien und Lungen bestrahlen. Die mittlere effektive Dosis durch Radon und seine Zerfalls-produkte liegt für die Bevölkerung Deutschlands im Mittel bei 1,4 mSv pro Jahr und liefert damit den Hauptbeitrag zur durchschnittlichen gesamten natürlichen Strahlenexposition. An Hand zahlreicher epidemiologischer Studien ist der dadurch bedingte Anteil an der gesamten Lungenkrebs-Sterblichkeit auf bis zu 10 Prozent geschätzt worden.

Um die Exposition der Bevölkerung durch Radon und seine Zerfallsprodukte zu ermitteln, wurden in den Jahren 1978 bis 1984 in den alten Bundesländern in jeder 5.000. Wohnung die Radonkonzentra-tionen bestimmt. In ca. 1 bis 2 Prozent der Wohnungen wird der von der deutschen Strahlenschutz-kommission (SSK) definierte Normalbereich (bis 250 Bq/m³) überschritten. Der Mittelwert von rund 50 Bq/m³ in den Wohnungen ist um den Faktor 3 höher als die natürliche Radonkonzentration in der Außenluft. In den neuen Bundesländern wurden ergänzend in den Jahren 1991 bis 1993 in ca. 1.500 zufällig ausgewählten Wohnungen Radon-Langzeitmessungen durchgeführt. Die Häufigkeitsvertei-lung der Radonkonzentrationen entspricht im wesentlichen der in den alten Bundesländern, jedoch mit dem Unterschied, daß in einzelnen Gebieten aufgrund des besonderen Einflusses spezieller Ra-donquellen (Bergbau, Halden etc.) Wohnungen mit erhöhten Konzentrationen häufiger vorkommen.

In Einzelfällen wurden Spitzenwerte von mehr als 100.000 Bq/m³ Radon festgestellt. Deutliche regio-nale Unterschiede ergeben sich auch aus den verschiedenen geologischen Verhältnissen in Deutsch-land. Bei Bergleuten, die unter Tage langanhaltend einer hohen Konzentration von Radon und seiner Zerfallsprodukten ausgesetzt waren, wurden gehäuft Lungenkrebs und andere Krebsformen festge-stellt. Die direkte Übertragung der an Bergleuten gewonnenen Befunde auf die Gesamtbevölkerung ist jedoch aus methodischen Gründen nicht statthaft, weil

− in der Bevölkerung auch Frauen und Kinder exponiert werden, bei den Bergarbeiter-Studien je-doch nur Männer erfaßt sind, die außerdem bei der Einstellung gesünder als der Durchschnitt der Bevölkerung waren;

− sich die physiologischen Bedingungen für Beschäftigte im Bergbau von denen in Wohnungen für die Bevölkerung stark unterscheiden (z.B. Atemrate, Feuchtigkeit der Luft etc.);

− im Bergbau nicht nur der Risikofaktor Radon, sondern zusätzlich Stäube, Explosionsgase etc.

vorlagen und damit nicht ausgeschlossen werden kann, daß Lungenkrebs die Folge eines synergi-stischen Effektes ist. So gibt es Hinweise auf einen synergistische Effekt von Rauchen und Strah-lenexposition bei der Lungenkrebsentstehung.

Die Unsicherheiten in der Risikoabschätzung für die Bevölkerung und in der Bewertung der so-zioökonomischen Aspekte drückt sich in der unterschiedlichen Höhe der Radonkonzentration aus, die von den verschiedenen nationalen und internationalen Strahlenschutzorganisationen als Grenze für eine Sanierung von Gebäuden festgelegt wurde (Tabelle 8). Die Werte reichen von 150 Bq/m³ (EPA, USA) bis 1.000 Bq/m³ (Schweiz). Außerdem unterscheiden sich die Werte in ihrem Charakter als Empfehlung, Eingreifrichtwert, gesetzlicher Grenzwert etc..

Tab. 8: Empfohlene Richtwerte für die Radonkonzentration (jährliche Durchschnittswerte) in Woh-nungen aus verschiedenen Ländern (Angaben in Bq/m³)

Land Bestehende Wohnungen Neubauten

Deutschland 250 250

England 200 200

Frankreich -

-Österreich 400 200

Kanada 800

-Schweden 400 200

Schweiz 1000

-USA 150 150

Empfehlungen zur Begrenzung der Radon-Exposition der Bevölkerung wurden unter anderem von der Strahlenschutzkommission 1988 und 1994 veröffentlicht („Strahlengrundsätze zur Begrenzung der Strahlenexposition durch Radon und seine Zerfallsprodukte in Gebäuden”) sowie 1990 von der Kommission der Europäischen Union („Empfehlung zum Schutz der Bevölkerung vor Radonexpositi-on innerhalb vRadonexpositi-on Gebäuden”; 90/143/Euratom).

Auf der Grundlage der Euratom-Richtlinie zur „Festlegung der grundlegenden Sicherheitsnormen für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisie-rende Strahlungen“ (1996) wird derzeit die Strahlenschutzverordnung novelliert.