• Keine Ergebnisse gefunden

Gesundheitsrelevante Umweltprobleme

3.1 Lärm

Lärm ist Schall, der stört und belästigt, das Wohlbefinden beeinträchtigt oder die Gesundheit schä-digt. Zudem ist er der Umweltfaktor, von dem die Bürger nach eigener Einschätzung am stärksten belastet sind (häufigster Anlaß für umweltbezogene Bürgerinitiativen). Dennoch hat der Lärm in der öffentlichen Diskussion über „Gesundheit und Umwelt” keinen herausragenden Stellenwert.

Der Mensch ist in seiner Umwelt zahlreichen akustischen Reizen ausgesetzt, die sich einerseits als physikalische Größe messen lassen, aber andererseits sehr differente subjektive Empfindungen her-vorrufen. Alle physikalisch meßbaren Geräuschmerkmale zusammen bestimmen nur zu etwa einem Drittel die individuelle Störwirkung eines Geräusches. Die jeweilige Situation (körperliche Arbeit, konzentriertes Nachdenken, Schlaf), in der ein Mensch den Lärm erlebt, sowie seine persönlichen Eigenschaften und Einstellungen (Lärmempfindlichkeit, Einstellung zur Lärmquelle) oder das Gefühl, dem Lärm mehr oder weniger ausgeliefert zu sein, sind für die Lärmempfindung ebenso wichtig, wie meßtechnisch erfaßbare Geräuschdaten. Damit wird deutlich, daß das Zusammenspiel von Wahrneh-mung und Wirkung von Geräuschen beim Menschen erheblichen Schwankungen unterliegt.

Lärm und Gesundheit

Innenohrschäden: Bei langjähriger Lärmbelastung mit 24-Stunden-Mittelungspegeln über 75 dB(A) beginnt das Risiko für lärmbedingte Innenohrschäden. Solche Belastungen werden in der Regel nicht allein durch Umweltlärm verursacht, sondern setzen eine langandauernde Exposition an entsprechen-den Arbeitsplätzen oder ein exzessives Freizeitverhalten voraus.

Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Lärmbelastung kann im Sinne eines Stressors wirken, wobei sich die Streßreaktion nicht von der Wirkung anderer Stressoren unterscheidet, also unspezifisch ist. Lärm kann auch bei niedrigen Schallintensitäten Streßreaktionen auslösen, wenn z. B. Konzentration oder Schlaf gestört werden. Zu den streßauslösenden Belastungssituationen zählt u.a. der Straßenver-kehrslärm. Unter Berücksichtigung von zahlreichen epidemiologischen Studien zum Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und Herzinfarkt muß befürchtet werden, daß Straßenverkehrslärmbelastungen mit Mittelungspegeln außerhalb der Wohnungsfenster von mehr als 65 dB(A) am Tage zu einer Zu-nahme des Herzinfarktrisikos um ca. 20 % führen.

Schlafstörungen: Geräuscheinwirkungen während des Schlafes können sich direkt auswirken als

− Änderung der Schlaftiefe mit und ohne Aufwachen

− Erschwerung und Verzögerung des Einschlafen oder Wiedereinschlafens

− Verkürzung der Tiefschlafzeit und der Gesamtschlafzeit

− vegetative Reaktionen, insbesondere erhöhte Freisetzung von Streßhormonen

− Minderung der empfundenen Schlafqualität.

Es ist nicht auszuschließen, daß bestimmte Symptome und vegetativ bedingte Krankheitserscheinun-gen als langfristige FolKrankheitserscheinun-gen anhaltender SchlafstörunKrankheitserscheinun-gen ausgelöst oder verstärkt werden.

Kommunikationsstörungen: Lärm kann die Kommunikation, die ein entscheidendes Mittel zur Entfaltung der Persönlichkeit und zur Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt darstellt, erheb-lich beeinträchtigen und damit bei den Betroffenen zu Verärgerung, Gefährdung und Einengung der Persönlichkeitsentfaltung führen. Auch Anstrengungen zur Verringerung von Kommunikationsstö-rungen, wie lauteres Sprechen, konzentriertes Zuhören mit gesteigerter Aufmerksamkeit und Unter-brechung der Unterhaltung, tragen zur erlebten Belästigung bei und können Streßreaktionen hervorru-fen. Bei Dauergeräuschen mit Pegeln von 65 dB(A) und mehr treten Beeinträchtigungen der Kommu-nikation auf, die nicht mehr akzeptabel sind.

Gesundheitlich relevante Lärmquellen

Straßen- und Schienenverkehrslärm: Die am weitesten verbreitete Lärmquelle ist der Straßenver-kehrslärm. Trotz technischer und planerischer Lärmminderungsmaßnahmen ist die Geräuschbelastung durch Straßen- und Schienenverkehr in den letzten Jahren auf einem hohen Niveau gleichgeblieben.

Etwa 16 % der Bevölkerung sind den vorliegenden Studien zufolge (Stand 1992) tagsüber Belastun-gen durch Straßenverkehrslärm von über 65 dB(A) ausgesetzt. Nachts sind 17 % der Bevölkerung verkehrslärmbedingten Mittelungspegeln von über 55 dB(A) ausgesetzt (s. Tabelle 6). Bei diesem Pegel können Schlafstörungen nur bei geschlossenen Fenstern in vertretbaren Grenzen gehalten

werden. Dem Schutz der Nachtruhe kommt aus präventivmedizinischen Gründen aber ein besonders hoher Stellenwert zu.

Fluglärm: Eine weitere wesentliche Lärmquelle ist der Flugverkehr. Nach Ergebnissen von Befra-gungen fühlten sich in den letzten zehn Jahren in den alten Bundesländern 10 bis 20 % der Bevölke-rung durch Fluglärm belästigt. Beeinträchtigungen des psychischen Wohlbefindens und Streßwirkung auf das Herz-Kreislauf-System stehen dabei im Vordergrund. Die rückläufige Entwicklung des An-teils der Bürger, die sich stark belästigt fühlen, ist vor allem als Folge der Verringerung des militäri-schen Tieffluglärms seit September 1990 zu erklären. In den neuen Bundesländern sind die Belästi-gungsangaben insgesamt deutlich niedriger. Mit der Anhebung der Mindestflughöhe für Tiefflüge auf 300 m ist in Deutschland eine Gefährdung des Innenohres durch Tieffluglärm praktisch auszuschlie-ßen.

Tab. 6: Geräuschbelastung der Bevölkerung durch Straßen- und Schienenverkehr (Stand 1992) sowie Industrie und Gewerbe (Stand 1985), Gebiet der alten Bundesländer insgesamt

Mittelungspegel Anteil der Bevölkerung in %

in dB(A)

Straßenverkehr Schienenverkehr Industrie und Gewerbe

1992 1992 1985

tags nachts tags nachts tags nachts

> 45 - 50 16,5 17,7 12,4 13,9 22,0 1,3

> 50 - 55 15,8 14,7 14,4 12,5 12,0 0,8

> 55 - 60 17,9 9,8 10,6 7,0 5,0 0,4

> 60 - 65 15,6 4,3 6,3 3,2 2,0 0,1

> 65 - 70 9,1 2,9 2,3 1,1 0,4 0

> 70 - 75 5,2 0,2 0,8 0,3 0,2 0

> 75 1,5 - 0,1 0,1 0,1 0

Bestimmte Formen des Musikkonsums: Bei Konzerten in großen Hallen oder im Freien treten in Lautsprechernähe so hohe Schallintensitäten auf, daß bei empfindlichen Personen bereits bei einer Expositionsdauer von einigen Stunden bleibende Innenohrschäden auftreten können. Wesentlich häufiger bewirkt aber langfristig wiederholtes Hören von lauter Musik eine schleichende Innenohr-schädigung, wobei erst nach mehreren Jahren bleibende Hörschwellenverschiebungen nachweisbar sind. Beim Musikhören mit Kopfhörern ist die Hörgefährdung deutlich höher als bei Lautsprecherbe-schallung. Eine Untersuchung der Hörfähigkeit von 1814 jungen Männern im Alter zwischen 16 und 24 Jahren ergab bei 24 % deutlich meßbare Beeinträchtigungen des Hörvermögens im

Frequenzbe-reich zwischen 3 und 6 kHz, bei denen sich lärmbedingte Gehörschäden am stärksten manifestieren.

Das Risiko für diese Gehörschäden war bei Jugendlichen deutlich erhöht, die

− wöchentlich oder öfter Diskotheken besuchten und/oder

− bisher mehr als 500 Stunden lang (Walkman-) Musik in erheblicher Lautstärke gehört hatten.

Regelungen zum Lärmschutz enthalten unter anderem das Bundes-Immissionsschutzgesetz, das Fluglärmgesetz, das Luftverkehrsgesetz, das Straßenverkehrsgesetz und das Baugesetzbuch ein-schließlich der auf diese Gesetze gestützten Rechtsverordnungen, sowie die Unfallverhütungsvor-schrift „Lärm“ des Hauptverbandes der gewerblichen Berufsgenossenschaften.

Empfehlungen

• Verminderung der Verkehrslärmbelastung auf gesundheitlich unbedenkliche Werte durch Erstel-lung und Umsetzung verkehrsträgerbezogener, abgestimmter Lärmminderungskonzepte, die die Möglichkeiten des technischen, planerischen, verkehrlichen und baulichen Schallschutzes bündeln (Maßnahmeoptionen: beispielsweise verkehrsberuhigte Zonen, Tempolimits, zeitgebundene Ver-kehrsbeschränkungen, Lärmminderung am Fahrzeug). Dabei besondere Berücksichtigung des Aspekts des Schutzes der Nachtruhe und der Lärmverminderung insbesondere in stark belasteten Bereichen.

• Erstellung und Umsetzung eines Konzeptes zur Bekämpfung von Gehörschäden durch exzessive Formen des Musikkonsums, das neben Maßnahmen der Gesundheitserziehung und Verbraucher-aufklärung gegebenenfalls auch regulatorische und technische Maßnahmen zur Lautstärkebegren-zung in Diskotheken und von Walkman-Geräten umfaßt.

• Information der Fachöffentlichkeit (insb. der Ärzte, Lehrer etc.) über die gesundheitliche Bedeu-tung der LärmbelasBedeu-tung.

• Forschungsarbeiten zur Bedeutung des Lärms im Streßmodell, Kombinationswirkung mit anderen Noxen, soziale Wirkungen.