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Persistierende organische Verbindungen .1 Polychlorierte Biphenyle

Blei im Humanblut

3.9.2 Persistierende organische Verbindungen .1 Polychlorierte Biphenyle

Polychlorierte Biphenyle (PCB) sind Vertreter von halogenierten aromatischen Verbindungen, die in der Umwelt weit verbreitet sind. Seit Anfang der 30er Jahre wurden PCB industriell produziert und

vor allem seit den 50er Jahren weltweit in großen Mengen hergestellt und vorwiegend in hoch indu-strialisierten Ländern verwendet. Aufgrund ihrer physikalisch-chemischen Eigenschaften (chemisch inert, schlecht elektrisch leitend und praktisch nicht brennbar) wurden PCB weltweit in Kondensato-ren- und Transformatorenöl, elektrischen Isolierflüssigkeiten, Hydraulikflüssigkeiten, Schmiermitteln, Weichmachern etc. eingesetzt. Kommerzielle PCB-Produkte und auch Umweltproben enthalten stets komplexe Gemische von PCB-Einzelsubstanzen, genannt Kongenere. Chemisch lassen sich insgesamt 209 Kongenere unterscheiden, von denen ca. 130 in der Umwelt nachgewiesen werden. Die Toxizität der PCB-Gemische ist von der Kongenerenzusammensetzung abhängig und wird von der Art der Chlorsubstitution der einzelnen Kongenere beeinflußt. PCB, die in ortho-Position zur Verknüpfungs-stelle nicht substituiert sind, werden als coplanare PCB-Kongenere bezeichnet. Ihre Toxizität scheint um ein Vielfaches höher zu sein als die der mengenmäßig am häufigsten vorkommenden PCB-Kongenere.

PCB und Gesundheit

PCB sind außergewöhnlich stabil, werden im ökologischen Kreislauf nur wenig abgebaut und sind inzwischen in fast allen Umweltmedien nachzuweisen. Für die Belastung des Menschen sind Le-bensmittel tierischer Herkunft (Fleisch, Fisch, Milch und Milchprodukte) von größter Bedeutung. Im Menschen (Blut, Fettgewebe, Frauenmilch) werden vorwiegend die höher chlorierten Verbindungen gefunden, da beim Durchgang durch die Nahrungskette eine Anreicherung der lipophilen PCB statt-findet, die überwiegend die höher chlorierten betrifft, während die niedrig chlorierten PCB zu einem großen Teil abgebaut werden.

Die Zusammensetzung der PCB, die in solchen Proben gefunden werden, unterscheidet sich deutlich vom Muster der kommerziellen PCB-Produkte, denn beim Durchgang durch die Nahrungskette findet eine Anreicherung der lipophilen PCB statt, die überwiegend die höher chlorierten Kongenere betrifft, während die niedrig chlorierten PCB zu einem großen Teil abgebaut werden. Dies ist der Hauptgrund, weshalb auch im Menschen (Blut, Fettgewebe, Frauenmilch) vorwiegend die höher chlorierten Ver-bindungen gefunden werden.

Die Anwendung von PCB in sogenannten offenen Systemen wurde 1978 verboten; 1983 wurde die industrielle Produktion von PCB eingestellt und 1989 das Inverkehrbringen - einschließlich der Im-porte - durch die PCB-, PCT-, VC-Verbotsverordnung vom 18. Juli 1989 vollständig verboten. Weite-re Gesetze und Verordnungen betWeite-reffen Abfälle und die Entsorgung, wie z.B. Sammlung oder Aufla-gen für Abfälle (Altöl, Papier, Klärschlamm) und die ordnungsgemäße Beseitigung von PCB. In der Schadstoff-Höchstmengenverordnung von 1988 sind für PCB in Lebensmitteln, die den weitaus wichtigsten Belastungspfad für den Menschen darstellen, Höchstmengen auf der Grundlage der Un-tersuchung von 6 Einzelkongeneren festgelegt, bei deren Überschreiten Lebensmittel nicht mehr in den Verkehr gebracht werden dürfen. Weiterhin unterliegen PCB auch Grenzwerten in der Trinkwas-serverordnung.

Bei der Abschätzung der täglichen Aufnahme von PCB mit der Nahrung ist aufgrund der getroffenen Maßnahmen inzwischen ein Rückgang offensichtlich. Sie wird für Erwachsene in Deutschland derzeit auf etwa 0.05 µg/kg Körpergewicht geschätzt. Ein Rückgang der Belastung spiegelt sich auch in den PCB-Gehalten aus Frauenmilchuntersuchungen in Deutschland wider (s.a. Kap. 3.7.2). Im Vergleich zum Erwachsenen erhält der gestillte Säugling über die Frauenmilch als dem Lebensmittel am Ende der Nahrungskette eine deutlich höhere tägliche Zufuhr. Auf der Grundlage der PCB-Konzentration im Frauenmilchfett aus dem Jahr 1994 läßt sich eine tägliche Aufnahmemenge für den Säugling während der Stillperiode von etwa 3 µg/kg Körpergewicht abschätzen.

Aufgrund ihrer Fettlöslichkeit werden die PCB im Menschen hauptsächlich in fetthaltigen Strukturen bzw. Systemen (Fettgewebe, Frauenmilch, Knochenmark, Leber etc.) gespeichert. Im Stoffwechsel werden PCB zu Hydroxylierungsprodukten und schwefelhaltigen Verbindungen umgesetzt. Die Metabolisierungsrate und damit auch die Ausscheidung dieser Verbindungen hängt stark vom Chlor-gehalt und der Stellung der Chloratome im Molekül ab. Die Halbwertszeiten liegen bei niedrig chlo-rierten PCB im Bereich einiger Monate und bei höher chlochlo-rierten PCB im Bereich einiger Jahre.

Wegen dieser langen Halbwertszeiten und der anhaltenden Zufuhr stellen sich beim Menschen al-tersabhängig höhere Gehalte im Gewebe ein. Bei Frauen spielt die Ausscheidung von PCB über das Stillen eine Rolle.

Die akute Toxizität von PCB-Gemischen ist relativ gering. Symptome chronischer Vergiftungen wurden durch Fälle von Massenvergiftungen 1968 in Japan (Yusho) und 1979 in Taiwan (Yu Cheng) bekannt, nachdem hochgradig kontaminierte Lebensmittel (Reisöl) verzehrt worden waren. Im Vor-dergrund standen auffällige Hautveränderungen (Chlorakne, Hyperpigmentierung, Veränderungen an Finger- und Zehennägeln), aber auch anhaltende Störungen der Atemwege, Leberveränderungen, Blutbildveränderungen und Störungen der Immunfunktion. Bei Frauen, die während der Schwanger-schaft betroffen waren, kam es zu Fehl-, Tod- und Frühgeburten, die Neugeborenen wiesen ein ver-ringertes Geburtsgewicht auf sowie Schädigungen und Störungen, die als fetales PCB-Syndrom beschrieben wurden. In einigen Arbeitsplatzstudien konnte eine Assoziation zwischen dem PCB-Gehalt im Blut und Veränderungen der Leberenzymaktivität, Lebervergrößerung und Hautverände-rungen gezeigt werden. Während bei männlichen Yusho-Patienten eine statistisch signifikant erhöhte Krebssterblichkeit festgestellt wurde, haben epidemiologische Untersuchungen bei beruflich expo-nierten Personen bisher keinen gesicherten Nachweis einer kanzerogenen Wirkung erbracht. Derzeit kann das krebserzeugende Potential der PCB jedoch noch nicht abschließend bewertet werden, vor allem, weil bei den epidemiologischen Studien Expositionen gegenüber anderen kanzerogenen Stof-fen nicht ausgeschlossen werden können. Laut IARC/WHO liegt eine begrenzte Evidenz für PCB als Humankanzerogen und eine ausreichende Evidenz für Kanzerogenität im Tierversuch (erhöhte Tu-morraten in der Leber) vor.

Neben der akuten und subchronischen Toxizität von PCB und PCDD/F ist auch deren mögliche nachteilige Wirkung bei in der täglichen Umwelt vorkommenden Konzentrationen auf die pränatale und frühkindliche Entwicklung zu beachten. Dazu sind in der jüngsten Zeit wiederholt beunruhigende Studienergebnisse publiziert worden.

3.9.2.2 Dioxine

Die Dioxine sind eine Substanzklasse mit insgesamt 210 organischen Verbindungen, unterteilt in 135 polychlorierte Dibenzo-p-Dioxine (PCDD) mit der Leitsubstanz 2,3,7,8-Tetrachlordibenzo-p-Dioxin (2,3,7,8-TCDD „Seveso-Gift”) und den 75 polychlorierten Dibenzofuranen (PCDF). Aufgrund ver-schiedener Chlorierungsgrade und -arten ergeben sich bei gleichem Grundgerüst zahlreiche als Kon-genere bezeichneten Einzelsubstanzen, von denen weniger als 20 für den Nachweis im menschlichen Organismus toxikologisch von Bedeutung sind. Für Einzelsubstanzen, insbesondere auch für Gemi-sche verschiedener Substanzen, existiert nur ein eingeschränktes toxikologiGemi-sches Wissen. Zur Be-wertung hat man auf der Basis von in-vitro-Untersuchungen und tierexperimentellen Befunden „Toxi-zitätsäquivalente” entwickelt. Dabei wird die Toxizität des 2,3,7,8-TCDD mit 1,0 angesetzt und die Konzentrationen der weiteren Substanzen werden je nach ihrer Toxizität mit (niedrigeren) Faktoren multipliziert und hinzuaddiert. Der international toxicity equivalence factor (I-TEF) ist in deutsche Regelungen eingegangen (z.B. Bundes-Immisionsschutzgesetz). Es existieren auch noch andere TCDD-Toxizitätsäquivalenzmodelle (TEQ oder TEq des ehemaligen BGA und die I-TE-Werte), die aufgrund kleinerer Unterschiede bei der Berechnung zu divergierenden Ergebnissen führen können.

Dioxine und Gesundheit

Dioxine und Furane sind rein anthropogene Schadstoffe und durch weltweites, ubiquitäres Vorkom-men zur Metapher für die allgemeine Umweltverschmutzung geworden. Ihren Ursprung haben Di-oxine in diversen Verbrennungsvorgängen, wenn sie in Gegenwart von Chlorverbindungen ablaufen.

Die metallurgische Industrie, die Papier- und Zellstoff-Industrie, die thermische Müllbehandlung, der Hausbrand (hier insbesondere die Verbrennung von Holz) und der Kraftfahrzeug-Verkehr (Diesel-motoren) sind die wichtigsten Immissionsquellen. Auch bei der Pentachlorphenol-Herstellung und der Synthese von Herbiziden wurden Dioxine frei.

Dioxine und Furane werden hauptsächlich mit der Nahrung aufgenommen. Die Belastung durch Luft und Wasser ist daneben gering. Dioxin- und Furan-haltig sind vor allem tierische Fette und tierische Eiweiße. Im menschlichen Körper werden Dioxine insbesondere in fetthaltigen Strukturen und Sy-stemen angereichert (Fettgewebe, Serum, Frauenmilch). Die biologische Halbwertzeit der PCDD und PCDF im Fettgewebe beläuft sich auf etwa 7 Jahre.

Akute Vergiftungen des Menschen mit Chlorakne und anderen Hauterscheinungen, Gewichtsverlust, Leberfunktionsstörungen, Kopfschmerzen, Reizerscheinungen an den Konjunktiven und Atemwegen und Ausscheidung von Porphyrinen sind nach hohen Expositionen beschrieben worden. Bei der Langzeitbeobachtung von exponierten Arbeitern wird immer wieder über Neuropatien, Depressionen, vermehrte Suizide, allgemeine Leistungsunfähigkeit und Schlafstörungen berichtet. Eine Induktion von Leberenzymen bleibt über längere Zeit meßbar. Möglicherweise kommt es auch zu verschiedenen Immunstörungen. Bei Primaten werden im Tierversuch Lymphozytenfunktionen bei einer Gabe von 10 ng pro kg Körpergewicht 2,3,7,8-TCDD meßbar verändert.

Das Malignitätsrisiko bei exponierten Arbeitern ist erhöht. 2,3,7,8-TCDD wird deshalb als hu-mankanzerogene Substanz eingestuft, wobei Dioxinen und Furanen eine Promotor- nicht hingegen eine Initiatorwirkung zugeschrieben wird.

Trotz im Tierversuch eindeutig nachweisbarer Mißbildungsraten zeigten die Auswertung des Seveso-Störfalls und Fall-Kontrollstudien beim Menschen keine Häufungen von Mißbildungen. Die in Viet-nam in Zusammenhang mit dem Versprühen von „Agent Orange” beobachteten Mißbildungen und Frühaborte sind aufgrund des Phenoxyherbizidgemischs bezüglich der hierbei ursächlichen Rolle des TCDD nicht eindeutig zu interpretieren.

Die sich durch die Anreicherung am Ende der Nahrungskette für den Menschen ergebende Aufnahme und die sich mit der Frauenmilch auf den Säugling übertragende Belastung waren unter dem Aspekt des vorbeugenden Gesundheitsschutzes nicht mehr tolerabel. Die Minderung des Eintrags in die Umwelt und die Sanierung wurden als öffentliche Aufgabe erkannt und durch zahlreiche Maßnahmen (gesetzliche Regelungen, technische Umrüstungen etc.) angegangen. Die Erfolge zeigen sich u.a.

bereits in der rückläufigen Belastung der Frauenmilch (s. 3.7.2). Wegen der langen Halbwertszeit werden uns die Dioxine allerdings noch jahrzehntelang im Umwelt- und Lebensmittelmonitoring begleiten.