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Gesundheitsrelevante Umweltprobleme

3.2 Luft

3.2.1 Außenluft

Lange Zeit wurde die mögliche Auswirkung der Luftqualität auf die menschliche Gesundheit fast ausschließlich auf die Außenluft bezogen; als Quellen der Luftverunreinigungen wurden vorwiegend Industrie, Verkehr sowie Haushalte und Kleinverbraucher angesehen. Das hatte zur Folge, daß die Emissionen besonders dieser Quellen zu Indikatoren der Luftverunreinigung erhoben und Meßnetze und gesetzliche Regelungen darauf ausgerichtet wurden.

So wurden im wesentlichen bis weit in die 70er Jahre vorwiegend die Konzentrationen von Schwefel-dioxid, Stickoxiden, Kohlenmonoxid und Staub in der Außenluft bestimmt. Erst mit den Fortschritten in der Analysentechnik und der Zunahme der Kenntnisse über die toxikologische Bedeutung anderer Luftverunreinigungen wurden auch weitere erfaßt, die häufig zwar in geringerer Konzentration auf-treten, aber vielfach ein stark gesundheitsschädigendes Potential haben. Dazu gehören u.a. polyzykli-sche aromatipolyzykli-sche Kohlenwasserstoffe (PAK), Dioxine und Furane, Benzol und Ozon. Mit zunehmen-den Erkenntnissen über die bezunehmen-denkliche Verminderung der Ozonschicht und zunehmen-den möglichen Zusam-menhang mit der Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoffen sowie über die Erwärmung der Erdat-mosphäre werden auch globale Effekte der Luftverunreinigungen als vordringliche Probleme erkannt (siehe Kapitel 3.11). Das auch als natürlicher Bestandteil der atmosphärischen Luft vorkommende Kohlendioxid wird als Indikator für das Risiko der weiteren Erderwärmung angesehen.

Langjährige Messungen belegen einen deutlichen Rückgang der Konzentrationen einiger “klassi-scher” Luftschadstoffe, wie z.B. SO2, COund Gesamtschwebstaub. Bei Blei, dessen Anteil in der Luft überwiegend verkehrsbedingt war, ist ein starker Rückgang zu verzeichnen, was zu einer deutlichen Verringerung der Blutbleispiegel in der Bevölkerung führte. Bei SO2 und Staub ist in den alten Bun-desländern der Rückgang der Immissionskonzentrationen so deutlich, daß Wintersmog-Episoden praktisch nicht mehr auftreten. Auch in den neuen Bundesländern läßt sich eine Abnahme von SO2

und Staub beobachten, die auf Luftreinhaltemaßnahmen, aber auch auf die Stillegung von Produkti-onsstätten zurückzuführen ist. Für Stickoxide (NOx) fällt der Rückgang der Luftbelastung wesentlich bescheidener aus. Dies erklärt sich aus der Zunahme des Kfz-Verkehrs, die die Auswirkungen der Emissionsminderung durch technische Maßnahmen am Einzelfahrzeug und am Kraftstoff (Benzol-, Schwefelgehalt) bisher weitgehend ausgeglichen hat, trotz der zunehmenden Verbreitung “schadstof-farmer” Fahrzeuge (insbesondere durch Einführung der Katalysator-Technik).

Außenluft und Gesundheit (siehe auch Kap. 2.1)

Schwebstaub: Neuere epidemiologische Studien legen den Schluß nahe, daß keine Wirkungsschwelle für Schwebstaub angegeben werden kann, unterhalb derer keinerlei gesundheitlich nachteilige Effekte mehr auftreten (wie z.B. Auftreten und Verschlimmerung von Atemwegserkrankungen und -symptomen, vorzeitige Mortalität).Neben besonders sensiblen Personen (Asthmatiker, Personen mit sonstigen Atemwegserkrankungen, ältere Personen) ist deshalb auch die übrige Bevölkerung betrof-fen. Diese Beobachtungen gelten unabhängig davon, ob der gesamte Schwebstaub oder nur lungen-gängige Partikel bei der Expositions-Wirkungs-Betrachtung berücksichtigt werden. Es gibt jedoch viele ernst zu nehmende Hinweise, daß die Wirkung hauptsächlich von kleineren Partikeln ausgeht,

die in den bisherigen technischen Lösungen zur Verminderung der Partikelemission nicht ausreichend erfaßt worden sind. Viele Partikel - vor allem Ruß - haben die Eigenschaft, organische Verbindungen zu adsorbieren und diese dann verlangsamt, über einen längeren Zeitraum wieder abzugeben. Dieser Depoteffekt führt zu einer Wirkungsverstärkung.

Ozon/Sommersmog-Bestandteile: Ozon kommt auch als natürlicher Bestandteil der Luft vor. Es ist eine Luftverunreinigung, die sekundär unter der Einwirkung von Sonnenlicht durch komplexe Reak-tionen anderer Luftverunreinigungen - vor allem Stickstoffoxide - und flüchtige organische Verbin-dungen (VOC) - mit dem Sauerstoff der Luft in Bodennähe entsteht. Die Ozon-Konzentration unter-liegt starken tages- und jahreszeitlichen Schwankungen. Hauptanteil am Auftreten der Stickstoffoxide und der VOC, und davon abhängig des Ozons, haben dabei die Kraftfahrzeuge sowie die Lösemittel-verwendung. In Deutschland sind die heutigen Ozonkonzentrationen in der bodennahen Luft deutlich höher als am Anfang dieses Jahrhunderts. In der Außenluft werden im Sommer für Zeiträume bis zu mehreren Stunden Ozonkonzentrationen von 180 µg/m³ an vielen deutschen Meßstellen erreicht;

Werte über 240 µg/m³ werden selten gemessen, Konzentrationen über 360 µg/m³ wurden in den vergangenen Jahren in Deutschland nicht mehr erreicht.

Das aus drei Sauerstoffatomen bestehende Ozon-Molekül (O3) ist chemisch sehr reaktiv. Nach dem Einatmen reagiert es schnell an der Oberfläche der Atemwege und der Lungenbläschen. Die Betroffe-nen reagieren auch mit Reizerscheinungen an den Augen und Schleimhäuten. Bei KonzentratioBetroffe-nen von > 160 µg/m³ Ozon in der Atemluft und gleichzeitiger schwerer körperlicher Belastung können Atembeschwerden und gleichzeitig eine reversible Verschlechterung der Lungenfunktion auftreten (geringere Atemvolumina). Auch mögliche Langzeitwirkungen (“vorzeitiges Altern der Lunge”) werden als Folge chronischer Ozonexposition diskutiert. Als Risikogruppe müssen dabei Personen angesehen werden, die sich über lange Zeit im Freien stark körperlich betätigen, also nicht primär die ansonsten vorrangig betrachteten Risikogruppen, wie ältere Menschen oder Kranke. Ob Asthmatiker auf Ozon verstärkt reagieren, ist umstritten. Obwohl Ozon selbst nicht allergieauslösend wirkt, kann es aufgrund seiner Reizwirkung auf den Atemtrakt die Verschlimmerung von Atemwegsallergien (Asthma) fördern.

Der Verdacht auf eine krebserzeugende Wirkung von Ozon ergibt sich aus Befunden von Lang-zeitstudien an Mäusen, den Ergebnissen von Transformationstesten und den Befunden zur Genotoxi-zität. Untersuchungen an Ratten weisen ebenfalls auf ein krebserzeugendes Potential hin, sind aber entweder nicht eindeutig positiv oder methodisch umstritten. Ob Ozon auch für den Menschen krebs-fördernd wirkt, ist umstritten. Entsprechende Befunde liegen nicht vor. In jedem Fall steht die irritati-ve Wirkung im Vordergrund.

Im Hinblick auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die vom Ozon ausgehen, wurden bereits Anfang der 90er Jahre von der Umweltministerkonferenz Verhaltensempfehlungen für die Bevölke-rung bei Überschreitung einer Konzentration von 180 µg/m³ (als 2-Stunden-Mittelwert) ausgespro-chen. Die Verpflichtung, zur Information der Bevölkerung bei Überschreiten hoher Ozonkonzentra-tionen ist auch in der derzeit noch gültigen Ozonrichtlinie der EU (92/72/EWG) enthalten und durch die 22. BImSchV in nationales Recht umgesetzt worden. In den §§ 40a bis e des BImSchG

(“Ozonge-setz”) sind Vorschriften für Fahrverbote bei Überschreitung bestimmter Ozonkonzentrationen veran-kert, die am 31.12.1999 außer Kraft treten werden. Die Europäische Kommission arbeitet derzeit im Rahmen der Gesetzgebung zur Luftqualität auch an neuen Vorschriften für Ozon („Ozon-Tochterrichtlinie“). In den revidierten Luftgüte-Leitwerten der WHO 1998 wird als Leitwert ein 8-Stunden-Mittelwert von 120 µg/m³ angegeben.

Krebserzeugende Luftverunreinigungen: Zu den Substanzen in der Außenluft, die als Umweltkan-zerogene gelten, zählen unter anderem polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Arsen, Asbest, Benzol, Cadmiumverbindungen, Dieselrußpartikel, Dioxine und N-Nitrosoverbindungen.

Im Auftrag des Länderausschusses für Immissionsschutz (LAI) wurde 1992 ein umfassender Bericht über die Belastung der Atmosphäre in den alten Bundesländern mit kanzerogenen Luftverunreinigun-gen einschließlich einer toxikologischen Bewertung vorgelegt („Krebsrisiko durch Luftverunreini-gungen“, Hrsg. Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft des Landes Nordrhein-Westfalen, 1992). Die mittleren Konzentrationen kanzerogener Luftschadstoffe, wie sie einer neueren Zusammenstellung des LAI von 1996 entnommen werden können, sind in Abbildung 6 dargestellt.

Daraus ergibt sich u.a. die nach wie vor hohe Belastung durch Benzol und Ruß in vorwiegend durch Kfz-Verkehr geprägten bzw. verkehrsnahen Gebieten. Anhand der Studie des LAI und der Ergebnisse neuer epidemiologischer Studien muß man davon ausgehen, daß Schadstoffe in der Außenluft - vor allem Verkehrsemissionen - ein nicht unerhebliches Krebsrisiko darstellen.

Dieselruß ist ebenso wie andere Stäube vergleichbarer Korngröße bei der Ratte in hohen Konzentra-tionen eindeutig krebserregend. Da jedoch andere Versuchstiere wie Maus und Hamster bei gleicher Exposition anders reagierten als die Ratte, ist die Übertragung dieser Befunde auf den Menschen strittig. In mehreren epidemiologischen Untersuchungen wurde allerdings bei Dieselrußexposition ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko beschrieben. Es bestehen jedoch noch erhebliche Unklarheiten bezüglich der kausalen Zuordnung und der Quantifizierung des Krebsrisikos.

Aus Untersuchungen am Arbeitsplatz ist seit langem bekannt, daß Benzol Leukämien verursachen kann. Eine 1997 veröffentlichte epidemiologische Studie an 75.000 chinesischen Arbeitern ergab, daß auch noch bei durchschnittlichen Benzol-Expositionen von unter 10 ppm (entspricht 32.400 µg/m³) eine signifikante Erhöhung des relativen Risikos für akute nichtlymphatische Leukämien gegeben ist.

Als Quelle für Benzol kommt neben den Emissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr Tabakrauchen -sowohl aktiv als auch passiv - in Frage. Die Aufnahme von Benzol mit der Nahrung (direkt aus Le-bensmitteln oder aus Verpackungsmaterial) spielt dagegen eine untergeordnete Rolle. Der größte Teil des eingeatmeten Benzols wird über die Atemluft wieder unverändert abgeatmet. Das im Körper verbleibende Benzol verteilt sich rasch, wird aufgrund seiner Fettlöslichkeit im Körperfett und in fettreichen Geweben angereichert und von dort langsam im Konzentrationsausgleich in den Blut-kreislauf abgegeben. Ein kleinerer, aber für die hämatotoxischen und leukämogenen Wirkungen von Benzol entscheidender Teil wird in der Leber, aber auch im Knochenmark zu toxischen Metaboliten umgewandelt.

Der vom Länderausschuß für Immissionsschutz unter Annahme einer lebenslangen Belastung aufge-stellte Beurteilungsmaßstab für Benzol von 2,5 µg/m³ wird an stark befahrenen Straßen oft erheblich überschritten. Die verkehrsbedingten Benzolemissionen sollten deshalb in den Ballungsgebieten weiter gesenkt werden. Die Enquête-Kommission “Schutz des Menschen und der Umwelt” fordert eine Reduktion der verkehrsbedingten Emissionen durch langfristige Minderung des Kraftstoffver-brauchs. Eine solche Minderung ist nur durch Verringerung der Gesamtfahrleistung und durch Ent-wicklung von sparsameren Motoren möglich. Die Wirksamkeit des Katalysators, der im Betriebsop-timum den Benzolausstoß wesentlich verringert, ist insbesondere in den Kaltphasen nur sehr begrenzt und wird durch die Zunahme des Verkehrsaufkommens teilweise kompensiert. Ein wichtiger Weg zur Risikoreduktion im Bereich der Abgasemission besteht auch in einer weiteren Reduzierung des Ben-zolanteils im Vergaserkraftstoff.

Das Bundeskabinett hat im Dezember 1996 eine Verordnung mit Konzentrationswerten für verkehrs-bedingte Luftschadstoffe (u.a. auch Benzol) beschlossen (23. BImSchV). Bei Überschreitung dieser

0 2 4 6 8 10

ländlich Wohngebiet verkehrsnah industrienah

Arsen [ng/m³] Benzol [µg/m³] Cadmium [ng/m³]

Ruß [µg/m³] PAK [ng/m³] TCDD [10fg/m³]

Benzol Arsen

Ruß

Abb. 6: Kanzerogene Luftschadstoffe - Immissionssituation in Deutschland 1989 - 1994 nach einer Zusammenstellung des Länderausschusses für Immissionsschutz, 1996 (die gestrichelten Linien stellen die vom LAI vorgegebenen Beurteilungsmaßstäbe für die entsprechenden Stoffe in der Außenluft dar. Sie werden für die verkehrsbedingten Schadstoffe Benzol und Ruß auch in reinen Wohngebieten häufig überschritten)

Werte müssen verkehrsbeschränkende Maßnahmen geprüft werden, wobei jedoch die Verkehrsbe-dürfnisse und die städtebaulichen Belange angemessen zu berücksichtigen sind. Seit dem 01. März 1997 gilt für Benzol ein Konzentrationswert von 15 µg/m³. Ab 01. Juli 1998 wurde der Benzol-Wert auf 10 µg/m³ herabgesetzt.

Asbest: Die humankanzerogene Wirkung von Asbest wurde durch arbeitsmedizinische Studien ein-deutig nachgewiesen. Nach der Chemikalienverbots-Verordnung ist das Inverkehrbringen von Asbest als Stoff, in Zubereitungen oder Erzeugnissen mit mehr als 0,1 Massen-% seit Ende 1994 verboten (Ausnahme: Diaphragmen). Faserfreisetzungen sind somit nur noch aus bereits verbauten Produkten möglich. Zur Vermeidung einer Faserstaubentwicklung bei Abbruch und Sanierungsarbeiten und somit zur Minimierung des Risikos schreibt die Technische Regel für Gefahrstoffe TRGS 519 (“As-best. Abbruch-, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten”, Ausgabe März 1995) für den Arbeitsplatz vor, daß die Bearbeitung von Asbestzementerzeugnissen mit Arbeitsgeräten, die deren Oberfläche abtragen, wie z.B. Abschleifen, Hoch- oder Niederdruckreinigen oder Abbürsten, nicht zulässig ist.

Im Privat- und Hobbybereich wird gegen diese Grundregel aus Unkenntnis der damit verbundenen Gefahren auch heute noch häufig verstoßen.

Dioxine: Bei jeder thermischen Behandlung (z.B. Verbrennung) von organischen Chlorverbindungen können polychlorierte Dioxine entstehen, von denen einige zu den gefährlichsten bekannten Umwelt-giften zählen (siehe auch 3.9.2.2). Vor allem bei der Verbrennung chlorhaltiger Polymere in Abfall-verwertungsanlagen ist dieses Problem evident. Zwischenzeitlich ist es jedoch gelungen, durch tech-nische Maßnahmen die Emission von Dioxinverbindungen so weit zu reduzieren, daß nach gegenwär-tigem Kenntnisstand eine direkte Gefährdung der Bevölkerung über den Luftpfad sehr gering sein dürfte.

Das zentrale rechtliche Instrument auf dem Gebiet der Luftreinhaltung ist das Bundes-Immissionsschutzgesetz einschließlich der darauf gestützten Rechtsverordnungen, durch die auch die betreffenden EG-Richtlinien in nationales Recht umgesetzt werden.