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STAATSVERSCHULDUNG, INTERTEMPORALE ALLOKATION UND EXOGENES WACHSTUM

11.1 Staatliche Verschuldungspolitik im Ramsey-RA- Ramsey-RA-Modell

11.1.2 Steady State und dynamische Anpassung

11.1.2.2 Transitorische Dynamik

Wie beim Solow-Swan-Modell bezieht sich das wachstumstheoretische In-teresse am Ramsey-RA-Modell vorrangig auf dessen Vorhersagen über das V erhalten der Wachstumsraten und anderer Modellgrößen entlang des Anpas-sungspfades zum Steady State.

Qualitativ-globale Stabilitätsanalyse34

Die beiden Stationaritätsloki in Abbildung 11.1 teilen den positiven Orthanten des Phasendiagramms in vier Regionen ein, in denen die Richtung der Trajek-torien jeweils durch rechtwinklige Doppelpfeile angezeigt wird. Die Struktur der Pfeile in Abbildung 11.1 deutet darauf hin, daß das Wachstumsgleichgewicht (k°,c°) ein Sattelpunkt ist, der stationäre Zustand also für jede gegebene anfang-liehe Kapitalintensität nur entlang einer Trajektorie, des eingezeichneten stabi-len Arms oder Sattelpfades, SS, erreicht werden kann. Obwohl ein Sattelpunkt nach der grundlegenden mathematischen Definition instabil ist, werden nach herrschender Meinung Sattelpunkte in einer Volkswirtschaft wie der hier modellierten als ein stabiles Gleichgewicht interpretiert.35

Diese ökonomisch motivierte Umdeutung instabiler Sattelpunkte zu einer na-türlichen Stabilitätseigenschaft geht davon aus, daß im vorliegenden Modell eine der Zustandsvariablen, die Kapitalintensität, eine historische Variable dar-stellt, deren Anfangswert ökonomisch vorgegeben ist. Hingegen kann die zweite Zustandsvariable, Konsum pro Kopf, in jeder Periode unabhängig von ihrer Geschichte frei „gewählt" werden. Für einen so strukturierten

Zustands-34 Vgl. allgemein für die nachstehende qualitativ-globale Stabilitätsanalyse Blanchard und Fischer (1989), S. 46f.; Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 75-80; Romer (1996), S. 48f.

sowie Aghion und Howitt (1998), S. 20f. Eine analoge Darstellung im zeitdiskreten Pha-senraum bietet Obstfeld und Rogoff (1996), S. 442f.

35 Diese Interpretation, die auf Sargent und Wallace (1973) zurückgeht und sich insbe-sondere auf Modelle optimaler Kapitalakkumulation (wie das hier vorliegende!) und Rationale Erwartungsmodelle bezieht, ist aber keineswegs unbestritten. Siehe ausführlich dazu Gandolfo (1997), S. 373ff. sowie mit abweichender Meinung Takayama (1994), S.

407,432.

raum wird dann eine Endwertbedingung sicherstellen, daß der Anfangswert der freien Variable, bei gegebenem Anfangswert der historischen Variable, auf dem stabilen Ast des Sattels zu liegen kommt. Bei weiterer Überlegung erweist sich sogar, daß ein im mathematischen Sinne stabiles Gleichgewicht in der vor-liegenden Modellwirtschaft zu einem ernsten Problem der Indeterminiertheit des Wachstumspfades führen würde: Konvergierten alle Pfade in seiner Um-gebung gegen den Steady State, wäre der Anfangswert des Pro-Kopf-Konsums unbestimmt. Die Sattelpunktstruktur eines Wachstumsgleichgewichts bedeutet in einem intertemporalen Kontext mit einer freien Variablen also nicht nur Sta-bilität des Steady States, sondern auch Eindeutigkeit des gleichgewichtigen An-passungspfades.

Speziell gilt im vorliegenden Ramsey-RA-Modell, daß jede Trajektorie abseits des stabilen Sattelpfades SS entweder gegen die der Gleichung (11.13) zugrundeliegende Keynes-Ramsey-Regel verstößt oder die Transversalitäts-bedingung bezüglich des Sachkapitals (11.14) verletzt. Daher wird, für eine gegebene anfängliche Kapitalintensität, der anfängliche Pro-Kopf-Konsum durch die Forderung, daß die Volkswirtschaft auf dem Sattelpfad SS liegt, eindeutig bestimmt. Ausgehend von diesen Anfangswerten folgt die intertemporale Allokation der Volkswirtschaft dem stabilen Sattelpfad SS.36 Auf diesem stabilen Arm des Sattels steigen die Werte der Kapitalintensität und des Pro-Kopf-Konsums, ausgehend von einer niedrigen Kapitalintensität:

k0 < k •, monoton an. Der monotone Anstieg von k führt zu einer monotonen Abnahme des Nettozinssatzes, die wiederum ein monotones Absinken der Wachstumsrate des Pro-Kopf-Konsums impliziert. Ebenso kann gezeigt werden, daß auch die Wachstumsrate der Kapitalintensität und typischerweise ebenso die Wachstumsrate des Pro-Kopf-Outputs auf dem Pfad zum langfristigen Wachstumsgleichgewicht monoton abnehmen, bis sie im Steady State den Wert null erreichen. Die positiven transitorischen Wachstumsraten sind also um so höher, je weiter die Ökonomie noch von ihrem Steady State entfernt ist (bedingte Konvergenz).37 Auf diese Wachstumsraten während der

transito-36 Cass (1965, S. 236-238), Barro und Sala-i-Martin (1995, S. 75f.), Maußner und Klump (1996, S. 130f.) sowie Romer (1996, S. 48-50) bieten ausführliche Begründungen dafür, daß das dynamische Gleichgewicht eindeutig dem stabilen Sattelpfad folgt.

37 Mankiw, Romer und Weil (1992) prägten den Begriff der bedingten im Unterschied zur absoluten Konvergenz, um deutlich zu machen, daß die Bewegung einer neoklassischen

rischen Dynamik besitzen nun auch die technologischen und Präfernzparameter einen Einfluß. Die nachstehende Proposition faßt zusammen:

SATZ 11.5 (Transitorisches wirtschaftliches Wachstum)

In ihrer Anpassungsdynamik folgt die intertemporale Allokation der Ramsey-RA-Ökonomie dem stabilen Sattelpfad in den Steady State. Auf diesem dyna-mischen Gleichgewichtspfad sind die Wachstumsraten der Kapitalintensität, des Pro-Kopf Konsums und typischerweise auch des Pro-Kopf Einkommens positiv und um so höher, je weiter die Ökonomie von ihrem Steady State ent-fernt ist. Je geringer die Rate der Zeitpräferenz, je höher die intertemporale

Substitutionselastizität des Konsums und je stärker die Grenzproduktivität des Kapitals sinkt, um so schneller konvergiert die Volkswirtschaft zum Steady State.

Beweis. Siehe Blanchard und Fischer (1989, S. 46f.) sowie Barro und Sala-i-Martin (1995, S. 75-80).

Quantitativ-lokale Stabilitätsanalyse38

Die aus der qualitativen Stabilitätsanalyse abgeleitete Sattelpunkteigenschaft des Wachstumsgleichgewichts kann durch Linearisierung des nichtlinearen Systems dynamischer Gleichungen {(Il.12),(11.13)} um den Steady State und quantitative Analyse der Stabilität des sich ergebenden topologisch äqui-valenten Systems bestätigt werden.

Das nichtlineare Differentialgleichungssystem:

ic,

= f(k,)-c, -(n + 8)k, =: <I>(k„c,)

c,

=_!_[/'(k,)-8-p)c, =:f(k„c,)

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ist in der Umgebung eines nichtdegenerierten (oder: hyperbolischen) Steady States (k°,c°) topologisch äquivalent zum dynamischen System, das durch seine Linearisierung um diesen Steady State gewonnen wird:

(Ramsey-RA-)Ökonomie zum Steady State nur dann auch Konvergenz zweier Volkswirt-schaften, also empirisch: internationale Konvergenz, bedeutet, wenn beide Ökonomien identische Fundamentaldaten in Form von Technologien und Präferenzen aufweisen.

Siehe dazu auch Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 26-30.

38 Vgl. allgemein für das nachstehende Blanchard und Fischer (1989), S. 47; Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 87f. sowie Turnovsky (1995), S. 239-242.

(11.18)

k,

= o<l>(k,,c,) (k, -k•)+ o<l>(k„c,) (c, -c•),

ok, oc,

(11.19) c,

. =

of(k,,c,) (k I _ k•) of(k,,c,) +-~~-( _ .) c, C

ok, oc,

Da topologisch äquivalente Systeme die gleichen dynamischen Eigenschaften besitzen, kann nach dem Hartman-Grobman-Theorem39 die Dynamik von {(11.12),(11.13)} in der Umgebung des Steady States lokal approximiert werden durch die Dynamik des Systems { (11.18),(II. l 9)}:

SATZ 11.6 (Lokale Stabilität)

Das eindeutige Wachstumsgleichgewicht des Ramsey-RA-Modells ist lokal sat-telpunkt(in)stabi/40.

Beweis.

Die Stabilitätseigenschaften des Steady States (k.,c") werden bestimmt durch die Eigenwerte der Jacobimatrix der im Steady State bewerteten partiellen Ablei-tungen; diese lautet im vorliegenden Fall:

J(k

' c)=[<l>k rk rc

<l>c]=[f'(k•)-(n+ö)

-IJ·

(1/e)F(k.)c· 0

Für die Eigenwerte der Jacobimatrix, Ä-1 und Ä-2, gilt allgemein, daß ihr Produkt der Determinante der Jacobimatrix entspricht: det (J)

= A.iA.i ·

Zudem sind zwei Eigenwerte mit unterschiedlichem Vorzeichen eine hinreichende Bedingung für lokale Sattelpunkt(in)stabilität eines Differentialgleichungssystems in der Ebene. Daher garantiert ein negatives Vorzeichen der Determinante der Jacobi-matrix die Sattelpunkt(in)stabilität eines Wachstumsgleichgewichts. Im vorlie-genden Fall ergibt sich die Determinante der im Steady State bewerteten Jacobimatrix als:

1 w

det ( J)

= - -

f ( k )c ( -1) < 0 . e

Das Wachstumsgleichgewicht ist also lokal sattelpunkt(in)stabil.

39 Siehe für eine Darstellung des Theorems Gandolfo (1997), S. 360-363.

40 Die gewählte Schreibweise soll die oben diskutierte Streitigkeit zwischen mathematischer Instabilität und ökonomisch gedeuteter Stabilität von Sattelpunktgleichgewichten begriff-lich erfassen.

11.1.3 Staatliche Verschuldungspolitik und Wirtschaftswachstum Im folgenden sollen das voranstehende elementare Modell um den Staat als dritten ökonomischen Akteur erweitert und die Auswirkungen öffentlicher Ver-schuldung auf das realwirtschaftliche Gleichgewicht der Volkswirtschaft unter-sucht werden.