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STAATSVERSCHULDUNG, INTERTEMPORALE ALLOKATION UND EXOGENES WACHSTUM

11.2 Staatliche Verschuldungspolitik im Diamond-OLG- Diamond-OLG-Modell

11.2.1.1 Haushalte und Faktorangebot 58

Das für den Modelltyp namensgebende Charakteristikum des Haushaltssektors besteht darin, daß in jeder Periode der Wirtschaft zwei sich in ihren Lebens-phasen überlappende Generationen von privaten Haushalten existieren: N,_, alte, in der Vorperiode geborene und N, junge, in der laufenden Periode gebo-rene Individuen. Die Lebenserwartung aller Individuen betrage zwei Perioden, ihre Anzahl wachse geometrisch von Generation zu Generation mit der kon-stanten Rate n: rft; n := (N/+1 / N, )-1, mit der auch die Gesamtbevölkerung,

N,

+

N,_, , in jeder Periode wächst.

Abgesehen von der Periode ihrer Geburt, seien alle Wirtschaftssubjekte intra-wie intergenerativ homogen in bezug auf ihre fundamentalen ökonomischen Merkmale (Präferenzen und Ausstattungen). Jedes junge Wirtschaftssubjekt bietet gegen reale Entlohnung Arbeitsleistungen an und wählt seinen Gegen-wartskonsum und den antizipierten Konsum im Alter auf der Grundlage seiner Präferenzen und der Ressourcenbeschränkung über seine Lebenszeit. Den nicht konsumierten Teil seines Reallohnes spart der repräsentative junge Haushalt in Form von Wertpapieren, die er mit in seine Altersperiode nehmen kann. Da der Zyklus eines (erwachsenen) Arbeitslebens stilisiert abgebildet werden soll, ha-ben sich alte Wirtschaftssubjekte annahmegemäß zur Ruhe gesetzt, sie beziehen

58 Vgl. allgemein für die nachstehende Modellierung des Haushaltssektors Diamond ( 1965), S. 1127, 1 l 30f.; Bierwag, Grove und Khang (1969), S. 205; Stein (1969), S. 139f.; Buiter (1979), S. 397, 401; Atkinson und Stiglitz (1980), S. 243; Buiter (1980), S. 114f.;

Auerbach und Kotlikoff (1987), S. 16f.; Kitterer (1988), S. 349-352; Blanchard und Fischer (1989), S. 92-94, 137f.; Azariadis (1993), S. 175, 196; Yakita (1994), S. 718;

Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 128f., 130f.; Carlberg (1995), S. 77f.; Myles (1995),

kein Arbeitseinkommen. Im Angesicht ihres Todes zu Beginn der nächsten Periode konsumieren alte Haushalte ihr gesamtes Einkommen. Dieses ergibt sich aus ihren mit der Nettokapitalrendite verzinsten Ersparnissen der Vorpe-riode, die sie zu Beginn ihrer Altersperiode in Sachkapital investiert haben. 59 Das Angebot an produktiven Faktoren der Volkswirtschaft besteht demnach in jeder Periode aus dem Arbeitsangebot der jungen und dem Kapitalangebot der alten Haushalte.

Arbeitsangebot

Da für ein repräsentatives Wirtschaftssubjekt der Zyklus eines erwachsenen Ar-beitslebens stilisiert abgebildet werden soll, bieten die alten Haushalte jeder Pe-riode keine Arbeit an (Ruheständler). Zur Vereinfachung der Analyse sei wei-terhin unterstellt, daß jedes junge Wirtschaftssubjekt seine gesamte Arbeitszeit lohnunelastisch anbietet;60 die Arbeitszeit kann dann o.B.d.A. so gemessen wer-den, daß das Arbeitsangebot eines jungen Haushalts gerade gleich eins ist. Das gesamte Arbeitsangebot der Volkswirtschaft entspricht somit in jeder Periode der Anzahl der jungen Wirtschaftssubjekte: Vt;

r;

= N,. Es wächst folglich geometrisch mit der Raten:

(11.28)

r;

= N, = N0(1 + n)' = L~(l + n)'.

Kapitalangebot

Sei c11 der Konsum in der Jugend eines repräsentativen Mitglieds der Genera-tion t und w, der Lohn eines Gungen) Arbeiters in der Periode t. Dann ist

s,

=

w, - c1, die Ersparnis eines jungen Haushalts in t. Dies ist dann auch die Höhe der Wertanlagen, die ein solcher Haushalt in die Periode t+l mitbringt:

S. 434f.; Ihori (I 996), S. 20-22; Maußner und Klump (1996), S. 133f., 136f. sowie Romer (1996), s. 72-75.

59 Die in dieser Darstellung implizite Zeitstruktur einer Periode folgt der Konvention von Auerbach und Kotlikoff(l987, S. 16): Die Produktion des Outputs, die Distribution des Einkommens und der Konsum ereignen sich am Ende einer jeden Periode.

60 Reichlin (1986) endogenisiert die Arbeitsangebotsentscheidung für den vorliegenden Modellrahmen und zeigt die dadurch entstehende Möglichkeit endogener Gleichge-wichtszyklen auf. Werden letztere aber durch geeignete Annahmen über intertemporale Substituierbarkeit der Konsumgüter und Komplementarität der Faktorinputs ausgeschlos-sen, so gelten die im folgenden abgeleiteten Ergebnisse bezüglich Existenz, Stabilität und Optimalität der Wachstumsgleichgewichte auch für Reichlins (1986) erweiterten Modell-rahmen. Siehe dazu auch Azariadis (1993), S. 212ff. sowie Ihori (1996), S. 35ff.

a,+t

=

s,

=

w, -c1,. Wenn jedes Mitglied der Generation t Wertanlagen in Höhe von a,+1 in die Periode t+ 1 mitnimmt und dann in Realkapital investiert, besteht das gesamte Kapitalangebot in Periode t+ 1 aus den Ersparnissen der Jungen der Vorperiode:

(II.29)

K,:

1 = N,a1+1 = N,s, = N, ( w, - c1,).

In (11.29) finden zwei wichtige Aspekte des Modells Ausdruck. Erstens wollen die alten Wirtschaftssubjekte ohne Besitz von Wertanlagen, die erst in der Folgeperiode fällig werden, sterben. In diesem Wunsch drückt sich implizit die für die Ergebnisse des Modells kritische Annahme aus, daß für einzelne Indivi-duen Ereignisse nach ihrem Tod keinen Einfluß auf ihren Lebenszeitnutzen be-sitzen. Insbesondere wird angenommen, daß sie ihren Kindern gegenüber nicht altruistisch motiviert sind und daher keine Erbschaften hinterlassen oder andere Transfers an Mitglieder der nächsten Generation leisten; in Abschnitt 11.2.4 wird ausführlich diskutiert, welche Auswirkungen die Einführung altruistisch motivierter intergenerativer Transfers in das Diamond-OLG-Modell besitzt.

Zweitens wird durch (11.29) deutlich, daß das Kapitalangebot aus der Erspamis-bildung privater Haushalte resultiert. Der Fortschritt des Diamond-OLG-Mo-dells gegenüber älteren neoklassischen Wachstumsmodellen vom Solow-Swan-Typ besteht darin, die Sparentscheidungen endogenisiert, also als intertemporales Nutzenkalkül rationaler Haushalte auf deren ökonomische Positionen und Präferenzen zurückgeführt zu haben; im folgenden soll daher zunächst die intertemporale Konsumentscheidung eines repräsentativen jungen Haushalts untersucht werden.

Intertemporale Konsumentscheidung der privaten Haushalte

Die Erspamisbildung eines repräsentativen jungen Haushalts ist Ergebnis einer intertemporalen Konsumentscheidung, die die zeitliche Struktur seines Lebens-zeitkonsums nach Maßgabe seiner Präferenzen durch intertemporale Reallo-kation der über seine Lebenszeit verfügbaren Ressourcen optimiert.

Budgetbeschränkung. Ein repräsentativer Haushalt der Generation t lebt zwei Perioden. In seiner Jugend arbeitet er und erzielt ein Arbeitseinkommen w„ das er entweder konsumiert oder spart und als Wertpapiere, ar+1

= s,,

mit in seine Ruhestandsperiode nimmt:

(11.30) c11 ~W1 -S1 •

Im Alter erzielt der Haushalt kein Arbeitseinkommen mehr. Er kann seinen Alterskonsum daher nur aus seinen Wertanlagen und deren Verzinsung finan-zieren:

(11.31) c21+1 ~ (l + r,+1 )a,+1 •

Die beiden Periodenbudgetbeschränkungen lassen sich zur Lebenszeitbudget-beschränkung eines in t geborenen Individuums zusammenfassen:

(11.32) C11 +--C21+l l ~ W 1,

l+r,+l

nach der der Gegenwartswert des Konsums über seinen gesamten Lebenszyklus den Gegenwartswert seines Lebenszeitarbeitseinkommens nicht übersteigen darf.

Präferenzen. Die Präferenzen des repräsentativen Individuums der Generation t sind definiert über den Vektor seines Konsums in beiden Lebensperioden; sie seien abgebildet durch die ordinale Nutzenfunktion:

(11.33) U1=U(c1,,c2

,+

1).

Bezüglich der Nutzenfunktion U: R! R sei angenommen, daß sie (monoton) wachsend, mindestens zweimal stetig differenzierbar und streng quasi-konkav sei:

au au

u

1 :=-->0,

u

2 :=-->0.

OC1, OC21+1

Quasi-Konkavität der Nutzenfunktion impliziert, daß der Haushalt den Konsum einer Vielzahl von Gütern dem Konsum nur eines Gutes vorzieht: Eine konvexe Kombination zweier beliebiger, gleich bedürfnisbefriedigender Güterbündel wird den jeweiligen Bündeln vorgezogen.61 Graphisch drückt sich dies in streng konvexen Indifferenzkurven aus, die keine „flachen Stellen" aufweisen. Weiter-hin besitze Zukunftskonsum die Eigenschaften eines normalen Gutes:

Vc1,,c2i+1 > O; U1U12 > U2U11 ,

worin: U12 := 02 U / oclt OC21+1 und ul I := 02 U / o( Ci, )2 , Schließlich sei ange-nommen, daß die Nutzenfunktion den Inada-Bedingungen:

61 Vgl. Takayama (1994), S. 60-65; Mas-Colell, Whinston und Green (1995), S. 933-935 sowie Maußner und Klaus (1997), S. 32f.

genüge, die sicherstellen, daß der Konsum in jeder Lebensperiode positiv ist.62 Die Steigung einer Indifferenzkurve im Punkt identischen Konsums, c, in bei-den Lebensperiobei-den definiert implizit die reine Rate der Zeitpräferenz des Haushalts:63

(II.34)

Optimale Ersparnis. Bezogen auf die unterstellte Ausgangssituation verhält sich ein repräsentativer Haushalt der Generation t unter der Annahme vollkom-mener Voraussicht64 rational, wenn er durch seine intertemporale Konsum-entscheidung seinen Nutzen bei gegebener Faktorentlohnung maximiert:

(II.P3) Max U,

=

U(c11 ,c21+1)

C11,C11+1

d Nb . + C21+1 <

U.. .. C11 - - _ W1,

l+~+I C1,,C2,+1 ~ 0.

Die Lagrange-Funktion dieses nichtlinearen Programmierungsproblems65 lautet:

<l>(c11,C21+1,Ä.)

=

U(c1,,C21+1) +

Ä.[w,

-Ci,

_--2!:+:!___]·

l + r1+1

Hierin bezeichnet Ä. den Lagrange-Multiplikator, dessen optimaler Wert als ,,Schattenpreis" angibt, wie sich die Zielfunktion verändert, wenn die

Neben-62 Dieser Satz von Annahmen über U, findet sich beispielsweise in Buiter (1980), S. 114.

63 Eine allgemeine Herleitung der Zeitpräferenzrate und ihres Bezuges zur Grenzrate der intertemporalen Substitution im (mikroökonomischen) Haushaltsproblem der optimalen intertemporalen Konsumentscheidung bieten Maußner und Klaus (1997), S. 63-65.

64 Vollkommene Voraussicht ist der deterministische Spezialfall rationaler Erwartungen, in dem der ökonomische Akteur in der Lage ist, den zukünftigen Verlauf der Volkswirt-schaft zutreffend vorauszusagen und auf Grundlage dieser Voraussagen seine Erwartun-gen bildet. Solche rationalen ErwartunErwartun-gen sind unabhängig von verganErwartun-genen Beobach-tungen und müssen sich selbst erfüllend sein. Vgl. Tumovsky ( 1995), S. 59-61.

65 Ausführliche Abhandlungen der formal-analytischen Grundlagen zur Lösung nichtlinea-rer Programmierungsprobleme finden sich in Dixit (1990); Takayama (1994), S. 75-123 sowie Sundaram (1996).

bedingung marginal gelockert wird; im vorliegenden Fall zeigt er den Grenz-nutzen des Lebenszeiteinkommens an.66

Die Kuhn-Tucker-Bedingungen 1. Ordnung charakterisieren den Optimalpunkt durch die Lagrange-Funktion; sie gelten jeweils mit komplementärer Schlupf-rigkeit:

(II.O.5)

(11.0.6)

o<I> -

-

u

2 C1, • C21+1

( ) -

/1, 1(1 + r,+I )-1 < -

o > o · (

,C21+1 - ,

o<I> )

C21+1 -

- o

·

OC21+1 oc2t+l

(II.O.7)

o<I> = - -

w, Ci, c21+1

>o? >0· (0<1>)? =0

- ,A - ' /1,

0 /4 1 + r,+I 17 /4

Die Kuhn-Tucker-Bedingungen 1. Ordnung sind notwendig und hinreichend für ein eindeutiges globales Maximum. 67 Die getroffenen Annahmen über die Nutzenfunktion gewährleisten, daß der Haushalt ein intertemporales Konsum-bündel wählt, das sein Lebenszeiteinkommen vollständig ausschöpft:

J' > 0 ~ C lt + C21+1

=

W ,,

1 + r,+I (11.35)

sowie daß die optimalen Werte für c1, und c21+1 innere Lösungen sind. Aus (II.O.5) und (II.O.6) ergibt sich dann als Bedingung 1. Ordnung für eine innere Lösung:

(11.36)

66 Diese ökonomische Interpretation des Lagrange-Multiplikators findet sich beispielsweise in Simon und Blume (1994), S. 448-452 sowie Sundaram (1996), S. 116f.

67 Sie sind nach dem Arrow-Hurwicz-Uzawa-Theorem (Takayama (1985, S. 97f., 106-111) präsentiert und beweist dieses Theorem) notwendig für ein lokales Maximum, weil die Nebenbedingungsfunktion: ((c1„c2,.1)=w, -c1, -(c2,.1/1+r,.1) linear ist. Sie sind nach dem Arrow-Enthoven-Theorem (Takayama (1985, S. 114f.) präsentiert und kommentiert dieses Theorem) hinreichend für ein globales Maximum, weil erstens U(c1, ,c2

1) und die lineare Nebenbedingungsfunktion ((c11,c2,.1) beide differenzierbar und quasi-konkav sind und zweitens die Unersättlichkeit des Konsumenten garantiert, daß: U, (

c;,

,c;,.,) > 0

für mindestens ein i = 1, 2 erfüllt ist. Schließlich ist das Maximum eindeutig, weil die Li-nearität von ((c11 , c2,.1 ) die Konvexität der Nebenbedingungsmenge impliziert und die Zielfunktion U(c1„c2,.1) streng quasi-konkav ist (die mathematische Grundlage für diese Aussage findet sich als Theorem 2.1 in Takayama (1994), S. 88).

Ihre graphische Interpretation besteht im Tangentialpunkt zwischen einer Indif-ferenzkurve im ( c11 , c2r+1 )-Raum und der intertemporalen Budgetbeschränkung.

Ökonomisch fordert (II.36) das Verhältnis der Grenznutzen des Jugendkonsums und des Konsums im Alter, das den Betrag der Grenzrate der intertemporalen Substitution anzeigt, mit der in Form des Zinsfaktors marktlich vorgegebenen Rate, mit der gegenwärtige in zukünftige Kaufkraft transformiert werden kann, zum Ausgleich zu bringen.

Die simultane Lösung von (II.35) und (II.36) führt auf Nachfragefunktionen nach Konsum in der Jugend und im Alter, beide in Abhängigkeit vom Lohnsatz in t und dem Zinssatz in t+ 1 :

(Il.37) (11.38)

. .

C11

=

C11 ( w„ r,+I)

c;1+1

=

c;1+1 ( w,' r,+1).

Unter Berücksichtigung des Lebenszykluszusammenhangs von Sparen und Konsum in den einzelnen Lebensabschnitten, lassen sich die optimalen Ent-scheidungsregeln des Haushalts in der Regel für die optimale Ersparnisbildung konsolidieren:

(Il.39)

s, =s, . .

(w,,rr+

1).

Sensitivitätsanalyse: Komparative Statik der Optimalentscheidungen. Da Konsum im Alter ein normales Gut ist, steigt die optimale Ersparnis mit dem Lohnsatz:

s.,

:=

(os,• /ow,)

> 0.

Hingegen ist die Wirkung eines veränderten Zinssatzes auf die optimale Erspar-nis theoretisch unbestimmt. Einerseits steigt mit dem Zins das Lebenszeit-einkommen, was ceteris paribus einen erhöhten Konsum in der Jugend und da-mit eine sinkende Ersparnisbildung impliziert (Einkommenseffekt).

Andererseits führt ein Anstieg des Zinssatzes zu einem Anstieg der Opportuni-tätskosten des Jugendkonsums in Form entgangenen Konsums in der zweiten Lebensperiode, so daß rationale Wirtschaftssubjekte verstärkt Gegenwarts- in Zukunftskonsum transformieren (Substitutionseffekt); hierdurch steigt ceteris paribus die Ersparnis. Der Gesamteffekt der konfligierenden Einkommens- und Substitutionseffekte ist theoretisch unbestimmt:

s,

:=

(os,' /ort+

1) ? .

Kapitalangebot bei optimaler Ersparnis. Mit der abgeleiteten Optimalregel läßt sich die Kreislaufgleichung (11.29) mit „ökonomischem Leben" füllen:

(11.40) K' i+i

=

N,a1+1

=

N,s, • , wobei nun: s,• = s,• (w,,r1+,) aus (11.39).