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Intergeneratives Vererbungsmotiv und Neutralität staatlicher Verscbuldungspolitik 129 Verscbuldungspolitik129

SATZ 11.17 (Wohlfahrtswirkungen staatlicher Verschuldungspolitik) 122 Gegenwarts- und Zukunftskonsum seien beide normale Güter und füreinander

11.2.4.1 Intergeneratives Vererbungsmotiv und Neutralität staatlicher Verscbuldungspolitik 129 Verscbuldungspolitik129

Nach der dem OLG-Modell zugrundeliegenden Lebenszyklustheorie des Spa-rens müßten rationale, endlich lebende Indidviduen mit Annäherung an ihren Tod ihren Vermögensbestand mehr und mehr für Konsumzwecke auflösen, so daß sie (so gut wie) keine Erbschaften an nachkommende Generationen weiter-geben. Die empirischen Fakten quantitativ bedeutsamer Hinterlassenschaften Verstorbener wie auch erheblicher Vermögensbestände von Personen hohen Alters130 lassen daher ernsthafte Zweifel daran aufkommen, daß private Haus-halte in bezug auf Vermögensbildung und -abbau tatsächlich nur bis zu ihrem eigenen Lebensende planen und den Nutzen ihrer Nachkommen unberück-sichtigt lassen. In der ökonomischen Literatur sind deshalb verschiedene Mo-delle des Erbschaftsverhaltens rationaler Individuen diskutiert worden. 131 So führt Barro (1974) Erbschaften auf eine altruistische Verbundenheit der El-tern mit ihren Kindern zurück. In seinem altrustischen Erbschaftsmodell tritt die indirekte Nutzenfunktion der Nachkommen als zusätzliches und eigenständiges Argument in die Nutzenfunktion der Elternhaushalte ein. Im folgenden soll untersucht werden, welche Auswirkungen ein solcher elterlicher Altruismus auf die Kapitalakkumulation, die dynamische Effizienz der Volkswirtschaft und die Wirkung staatlicher Schuldenpolitik zeitigt.

129 Vgl. allgemein für die Integration eines intergenerativen Vererbungsmotivs in das Diamond-OLG-Modell Blanchard und Fischer (1989), S. 104-106; Azariadis (1993), S.

251-254; Barro und Sala-i-Martin (1995), 135-137; Ihori (1996), S. 38f. sowie Maußner und Klump (1996), S. 139f. Vgl. allgemein für die Diskussion staatlicher Verschuldungs-politik in diesem Modellkontext Buiter (1979), S. 413-426; Buiter (1980), S. 123-129;

Carmichael (1982), S. 202-205, 206f.; Burbidge (1983), S. 223-226; Lopez-Garcia (1989), S. 116f., 118; Huber (1990a), S. 74-77; Lopez-Garcia (1990), S. 234f., 236;

Azariadis (1993), S. 327f.; Richter und Wiegard (1993b), S. 373-375; Myles (1995), S.

501-504 sowie Ihori (1996), S. 206-208.

130 Eine Analyse empirischer Daten für Japan und die USA im Kontext der Lebenszyklus-hypothese der Ersparnisbildung findet sich beispielsweise in Hayashi, Ando und Ferris (1988). Kotlikoffund Summers (1981) schätzen, daß mindestens 70% der US-amerika-nischen Vermögensbildung auf Erbschaften und nicht auf Lebenszyklussparen zurückzu-führen sind; Modigliani (1988) hingegen sieht diese Proportionen gerade umgekehrt.

Hurd (1987, 1989, 1990) sowie Bernheim (1991) testen empirisch, ob ein originäres Erb-schaftsmotiv nachweisbar ist, kommen jedoch auf Grundlage identischer Datensätze zu entgegengesetzten Schlußfolgerungen.

131 Siehe Unterabschnitt Il.4.1.1 der vorliegenden Arbeit für deren ausführlichere Darstel-lung.

Unternehmungen und Staat

Die Modellierung des Sektors der Unternehmungen folgt weiterhin der des Unterabschnitts 11.2. l.2. Auch das fiskalische Verhalten des Staatssektors bleibt zum voranstehenden Abschnitt 11.2.3 unverändert. Speziell sei weiterhin unter-stellt, der Staat halte eine konstante Staatsschuld pro Arbeiter aufrecht, indem er jeden Haushalt der jeweils jungen Generation mit der Pauschsteuer:

='i-nb

i, l+n

belastet (die negativ, also ein Transfer sein kann).

Haushalte

Die entscheidende Veränderung des Modells bezieht sich auf die Präferenzen des repräsentativen Haushalts einer Generation. Jeder Konsument besitze ( 1 +n) Nachfahren (,,Kinder"), um deren Wohlfahrt auch nach seinem Ableben er zu Lebzeiten besorgt ist. Unter der formal-analytisch vorteilhaften Annahme, daß der Nutzen der Nachkommen in additiv separabler Form in die Nutzenfunktion der Eltern eingeht, lautet die Nutzenfunktion eines repräsentativen Haushalts der Generation t daher:

(11.100) U _ U( ) u;+1 132

t - C11,C21+1 +--.

1 + 7]

Darin bezeichen

u,:

1 die indirekte Nutzenfunktion jedes Kindes, die den maxi-mal erreichbaren Pro-Kopf-Nutzen der Nachkommen erfaßt, und 17 > 0 die

132 Diese Spezifikation der Nutzenfunktion folgt Carmichael (1982, S. 204). Burbidge (1983;

1984) kritisiert diese Formulierung. Er argumentiert, daß, da jedes Individuum (l+n) Kinder besitzt, das additiv separable Nutzenelement der Folgegeneration in (Il.100) mit diesem Wachstumsfaktor der Bevölkerung bewertet werden sollte. Zudem stelle eine konsistente Behandlung der Fälle des Erbschaftsmotivs und des (weiter unten behandel-ten) Schenkungsmotivs bei wachsender Bevölkerung zusätzliche Beschränkungen in be-zug auf verwendbare Diskontraten auf. Beide alternativen Ansätze sind mit Barro (1974) konsistent, da dieser eine konstante Bevölkerung (n=0) unterstellt. Buiter und Carmichael (1984) weisen allerdings daraufhin, daß die Nutzenfunktion als Abbildung einer zugrun-deliegenden Präferenzordnung konstruiert wird und daß, wenn die Präferenzordnung die Diskontraten nicht beschränkt, dies die Nutzenfunktion auch nicht tun sollte. Die Dis-kontrate kann daher dahingehend interpretiert werden, daß sie implizit die Zahl der Kin-der mitberücksichtigt. Lopez-Garcia (1989) zeigt zudem, daß die beiden alternativen Spe-zifikationen in einer allgemeineren Nutzenfunktion enthalten sind, für die sich die Ergebnisse der Analyse von Buiter ( 1979; 1980) und Carmichael (1982) bestätigen.

streng positive interpersonale, intrafamiliäre Diskontrate des Eltemhaushalts133 •

Für das selbstbezügliche Nutzenelement U(c1„c21+1) sollen die in 11.2.1.1 aus-führlich dargestellten Eigenschaften gelten.

Auch der Lebenszyklus des Ressourcenzu- und -abflusses eines Haushalts wird durch intrafamiliären Altruismus geändert. Zum einen fließen dem Haushalt zu Beginn seiner Altersperiode die ihm von seinen am Ende der Vorperiode ver-storbenen Eltern hinterlassenen Erbschaften zu; dies wird dahingehend model-liert, daß die Erbschaften in t zugeteilt, aber erst in t+ l erhalten und in der Zwi-schenzeit am Kapitalmarkt angelegt werden, so daß sie sich wie Ersparnisse verzinsen. Zum anderen hinterläßt der Haushalt selbst eine von ihm durch Kon-sumverzicht in seiner Altersperiode gewählte Erbschaft, die gleichmäßig unter seinen Nachkommen aufgeteilt wird. Die Budgetbeschränkung eines repräsen-tativen Haushalts der Generation t lautet somit:

(11.l0la) c1, +s, ~w, -r1,

(11.l0lb) c21+1 +(l+n)e, ~(l+r1+1)(s, +e,_1).

Hierin sollen e, die Erbschaft pro Nachfahre, die der Haushalt selbst hinterläßt, und e,.1 die ihm von seinen Eltern hinterlassene Erbschaft bezeichnen.

Wie in 11.2. l. l garantieren die Annahmen über U, daß der Konsum in beiden Lebensperioden streng positiv ist und die Lebenszeitbudgetbeschränkung voll ausgeschöpft wird. Die Bedingungen l. Ordnung für ein Nutzenmaximum sind dann:

(11. l 02) t3U/t3c1, l + r,+1 un d iJU /oc21+1

(11. l 03)

ou

(I +n ) > _1_ _

ou,:

1 , e, > 0 _ ,

OC21+l l + 7/ oe,

mit komplementärer Schlupfrigkeit: [ iJU (l +

n) -

_l _

ou,:

1

]e, =

0 .

t3c2t+l l + 7/ oe,

133 Die Diskontrate T/ beinhaltet mindestens zwei Elemente der Bewertung von Nutzen-strömen. Erstens ist sie Ausdruck der Tatsache, daß Eltern den Nutzen ihrer Nachfahren zwar in ihren Präferenzen beinhalten, aber in geringerem Maße als direkt bei ihnen selbst anfallenden Nutzen (interpersonale Diskontierung). Zugleich beinhaltet T/ aber auch die intertemporale Diskontierung, daß Haushalte gegenwärtigen Nutzen höher bewerten als in der Zukunft zu erwartende Nutzenzuströme (Zeitpräferenz).

Ein Anstieg der empfangenen Erbschaft kommt für die Nachkommen einem Anstieg ihres Pauscheinkommens in der zweiten Lebensperiode gleich, den sie, nach Hinzufügen der Verzinsung, mit ihrem Grenznutzen des Konsums bewer-ten. Damit folgt aus den Optimierungsbedingungen 1. Ordnung und der Bud-getbeschränkung dieser Nachkommen:

au,:, =

(l + r,+2 )

au

ae, ac2t+2

Somit kann (11.103) auch geschrieben werden als:

(11.103')

au/ ac

2

,+

1 > 1 + r,+2

au/oc

2l+2 - (1+17)(l+n).

Wie (11.103 ') deutlich macht, beinhaltet die Entscheidung, eine positive Erb-schaft zu hinterlassen, einen Trade-Off zwischen dem direkten Nutzen des El-ternhaushalts aus eigenem Konsum im Alter und dem über den intrafamiliären Altruismus motivierten indirekten Nutzen, den der Elternhaushalt aus dem Al-terskonsum seiner Kinder zieht.

Falls das Vererbungsmotiv operativ ist, geben (11.102) zusammen mit (11.103) auch die Bedingungen 1. Ordnung eines über einen unendlichen Planungsho-rizont definierten und in getrennte intra- und intergenerative Probleme de-komponierten dynastischen Allokationsproblems an. Das sich im Generatio-nenmodell mit Altruismus ergebende Wachstumsgleichgewicht ist dann das zeitdiskrete Äquivalent des Wachstumsgleichgewichts eines Ramsey-RA-Mo-dells.

Temporäres allgemeines Marktgleichgewicht und Steady State

Wie in 11.2.1.3 wird das temporäre Gleichgewicht der Volkswirtschaft in Peri-ode t durch die Konsistenz der Nachfrage- und Angebotspläne auf dem Kapi-talmarkt bestimmt:

(11.104) s, +e,_1 =(l+n)k1+1 +b.

Im Steady State der Volkswirtschaft ist die Kapitalintensität k konstant. Die Konsummöglichkeiten in beiden Lebensperioden werden in einem solchen sta-tionären Gleichgewicht beschrieben durch:

(11.105a) c1 (k,b,e) = w(k)-(1 + n)k + e-1 + r(k) b l+n

(11.105b) c2 (k,b,e) = (1 + n)(l + r(k))k - (1 + n)e + (1 + r(k))b.

Die marginalen Optimalitätsbedingungen, die die Steady-State-Eigenschaften des Systems bestimmen, vereinfachen sich im Wachstumsgleichgewicht zu:

(11.106)

oU/ocl

=l+ f'(k)-ö

oU/oc

2

(II.l 07) (l+n)(l+77)~l+ f'(k)-ö.

Das Steady-State-Gleichgewicht einer dezentral orgams1erten Wettbewerbs-wirtschaft mit Staatssektor ist ein Paar:

(k,e);k

>

0,e

~ 0, das (11.106) und (II.107) erfüllt. Nach (II.107) wird das Vererbungsmotiv im Steady State nur wirksam sein (e > 0), wenn: (l + n)(l + 77) = l + f'(k)-ö. Da 77 > 0, bedeutet dies zwingend, daß der Zinssatz oberhalb der Wachstumsrate der Bevölkerung, die Kapitalintensität mithin unterhalb der durch die Goldene Regel implizierten, liegen muß. Ein dezentrales stationäres Wettbewerbsgleichgewicht mit wirksa-mem Vererbungsmotiv, das zu streng positiven Erbschaftsbeträgen führt, ist da-her notwendigerweise dynamisch effizient.

Mit Hilfe der abgeleiteten Gleichungen ist es nun möglich, ein erstes Neutrali-tätstheorem abzuleiten, das im wesentlichen aufBarro (1974) zurückgeht:

SATZ 11.18 (Erbschaften und Staatsschuldneutralität; Barro (1974))

In einer Diamond-OLG-Ökonomie sei ein Vererbungsmotiv in dem Sinne wirk-sam, daß vor und nach der finanzpolitischen Innovation streng positive Erb-schaften getätigt werden. Dann ist staatliche Verschuldungspolitik sowohl in der kurzen als auch in der langen Frist neutral im Sinne der Definition 11.1.

Beweis.134

Für den Beweis der langfristigen Neutralität der Staatsschuld kann das Steady-State-Gleichungssystem (11. l 05) bei wirksamem Vererbungsmotiv als eine Funktion zweier endogener Variablen, kund

z,

formuliert werden:

c, (k, z)

=

w(k)-(1 + n)k +

z

c2(k,z) = (l + n)(l + r(k))k - (l + n)z,

wobei

z

:= e - b[(l + r(k))/(l + n)]. Da staatliche Verschuldung und Erbschaften außer als Bestandteil von

z

nicht in das System der Steady-State-Optimal-bedingungen { (II.l 06), (11.l 07)} eingehen, wird der langfristige Gleichge-wichtswert von

z

unabhängig von seiner Komposition festgelegt. Ein Anstieg

134 Vgl. Laitner (1979), S. 409f.; Cannichael (1982), S. 207; Azariadis (1993), S. 327f.;

Myles (1995), S. 504 sowie Ihori (1996), S. 207f.

in der Staatsverschuldung pro Arbeiter um M wird daher von den privaten Haushalten durch einen Anstieg der weitergegebenen Erbschaften um Ae

=

(1 + r(k))/(1 + n).M genau ausgeglichen, so daß das reale Steady-State-Gleichgewicht der Volkswirtschaft unverändert bleibt.

Für den Beweis der kurzfristigen Neutralität sei angenommen, daß die öffent-liche Hand, beginnend in Periode t, die Staatsverschuldung pro Kopf um den Betrag A erhöhen will. Sie kann dies erreichen, indem sie A Staatsschuld-papiere an jedes Mitglied der alten Generation verteilt, die diese an Mitglieder der jungen Generation verkauft. Um die Zinszahlungen auf die von der alten Generation gehaltenen Schuldpapiere zu finanzieren, verkauft der Staat zusätz-lich Schuldpapiere in Höhe von N,nA am Markt und besteuert jedes Mitglied der jungen Generation mit (r, - n)A/(1 + n). Die Budgetbeschränkung der alten Generation lautet damit:

c21 =(l+r,)(s1-1 +e,_2)-(l+n)e,_1 +(l+r,)A.

Die Budgetbeschränkungen der in t jungen Generation lauten:

r -n c11

=w,

--r1, -s, --'-A und

l+n

c2i+1 = (1 + ri+1 )(s, + e,_1 )-(1 + n )e,.

Die Kapitalmarktgleichgewichtsbedingung ist in allen Perioden gegeben durch:

s, +e,_1 =(l+n)k,+1 +b, +A.

Wenn das Verbungsmotiv wirksam ist, sind ein Anstieg der Erbschaften in allen Perioden um (1 + r, )A/ (1 + n) und eine Rückführung der gehaltenen Finanzver-mögensanlagen um (r, - n)A/(1 + n) geeignet, alle realwirtschaftlichen Größen auf ihrem ursprünglichen Niveau zu belassen. Diese ursprünglichen Niveaus waren Ergebnis individueller Nutzerunaximierung, und der Verkauf der Staats-schulden verändert die dafür grundlegenden Optimalbedingungen nicht. Daher besteht nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit, sondern auch der Anreiz für private Haushalte, Anpassungen in ihren Erbschaften und Finanzvermögens-anlagen so vorzunehmen, daß das reale Gleichgewicht der Volkswirtschaft in jeder Periode unverändert bleibt.

11.2.4.2 Intergeneratives Schenkungsmotiv und Neutralität staatlicher