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SATZ 11.17 (Wohlfahrtswirkungen staatlicher Verschuldungspolitik) 122 Gegenwarts- und Zukunftskonsum seien beide normale Güter und füreinander

11.2. S Zusammenfassung und Ausblick

Für eine differenzierte Analyse zentraler Fragen dynamischer Finanzpolitik und intergenerativer Verteilung muß eine Modellstruktur gewählt werden, die dem fortwährenden Eintritt neuer, mit Älteren wirtschaftlich unverbundener Akteure in das ökonomische System Rechnung trägt. Das Diamond-OLG-Modell bildet dazu den Lebenszyklus privater Haushalte stilisiert durch zwei Perioden ab, die sich als Arbeits- und Ruhestandsphase einer endlichen Lebenszeit interpretieren lassen. Allgemein besitzt das Modell eine große Reichhaltigkeit sowohl in

bezug auf die Existenzstruktur stationärer Gleichgewichte als auch bezüglich seiner transitorischen Dynamik. Für angewandte Fragen dynamischer Finanz-politik sichern bestimmte Regularitätsbedingungen jedoch die Existenz eines eindeutigen und stabilen Wachstumsgleichgewichts.

Der Steady State, der als Wettbewerbsgleichgewicht einer dezentralisierten Marktwirtschaft realisiert wird, fällt nur zufällig mit dem Wachstumsgleich-gewicht zusammen, das von der Goldenen Regel oder der modifizierten Golde-nen Regel als optimal ausgezeichnet wird. Wenn die Rate des Bevölkerungs-wachstums die Nettorendite des Kapitals übersteigt, ist der marktwirtschaftliche Steady State des Diamond-OLG-Modells sogar dynamisch ineffizient. Öffentli-che Verschuldung kann - ebenso wie andere, mit ihr materiell äquivalente For-men intergenerativer Distributionspolitik - in diesem Falle als effizienzstei-gemdes Instrument staatlicher Finanzpolitik begriffen werden: Eine Einführung bzw. Erhöhung der Staatsverschuldung führt transitorisch zu einer Abnahme der Wachstumsraten, langfristig zu einer Absenkung der Niveaus der Kapitalinten-sität und des Pro-Kopf-Einkommens. Im dynamisch ineffizienten Bereich einer Volkswirtschaft erhöht sie damit jedoch den Lebenszeitnutzen eines repräsenta-tiven-Haushalts im stationären Gleichgewicht. Für den Bereich der dynamischen Effizienz der Laissez-faire-Ökonomie sind die positiven Wirkungen staatlicher Verschuldungspolitik identisch, normativ senkt eine Erhöhung der öffentlichen Schuld pro Arbeiter allerdings die Wohlfahrt eines repräsentativen Haushalts im stationären Gleichgewicht.

Das Ergebnis möglicher Überakkumulation kontrastiert nicht nur aufs schärfste mit der intertemporalen Effizienz des Wettbewerbsgleichgewichts im Ramsey-RA-Modell des Unterkapitels 11.1. Es stellt auch die allokativen Vorzüge marktlicher vor politischen Lösungen, die sich in der statischen Allokation-stheorie ergeben, im intertemporalen Kontext radikal in Frage: Es gibt keine ,,unsichtbare Hand", die eine dynamische Wirtschaft in ein Optimum führt. An-dererseits gibt es mit staatlicher Verschuldungspolitik eine öffentliche Institu-tion, die weder zentral planen noch direkte Kontrolle ausüben muß, deren Exi-stenz im Fall dynamischer Ineffizienz aber genutzt werden kann, um die Optimalität der Gleichgewichtslösung sicherzustellen. Das theoretische Funda-ment und die empirische Relevanz dynamisch ineffizienter Wachstumsgleich-gewichte werden in der Literatur allerdings zunehmend bezweifelt.

Wird das Diamond-OLG-Modell um ein intergeneratives Transfermotiv entwe-der in Form von Erbschaften entwe-der Elterngeneration an ihre Kinentwe-der oentwe-der in Form von Schenkungen der Nachkommen an ihre unmittelbaren Vorfahren erweitert, so ergibt sich die Neutralität staatlicher Verschuldungspolitik, sofern das jewei-lige Transfermotiv wirksam ist.

Das Diamond-OLG-Modell weist zwei attraktive Grundmerkmale auf: Es ist genuin dynamisch und fundamental disaggregiert. Seine fundamental disaggre-gierte Struktur bedeutet, daß eine klare Unterscheidung zwischen Zielen und Beschränkungen der ökonomisch Handelnden ( dezentrale Entscheidungs-findung) einerseits und der kohärenten Auflösung ihrer gemeinsamen Interak-tion durch das ökonomische System (marktmäßige KoordinaInterak-tion) andererseits existiert; insbesondere endogenisiert es die volkswirtschaftliche Erspamisbil-dung, indem der gesamtwirtschaftliche Kapitalstock auf das Lebenszyklus-sparen einzelner Wirtschaftssubjekte zurückgeführt wird. Die genuin dynami-sche Struktur des OLG-Modellrahmens erlaubt eine differenzierte Analyse der zeitlichen Dimension gesellschaftlichen Wirtschaftens einschließlich solcher politischen Maßnahmen, die ihrer Form und Wirkung nach intertemporaler Na-tur sind. In seiner wachstumstheoretischen Formulierung durch Diamond (1965) stellt es daher die prototypische Modellstruktur der neoklassischen Position zur Staatsverschuldung - wie allgemeiner der Diskussion intertemporaler Aspekte staatlicher Finanzpolitik durch die „Neue Finanzwissenschaft" - dar.

Trotz seiner Vorzüge bleibt das Diamond-OLG-Modell optimaler Kapitalakku-mulation in bezug auf die Fragestellung der vorliegenden Arbeit allerdings als Analyserahmen sowohl der positiven Wirkungslehre als auch der normativen Rechtfertigungslehre staatlicher Verschuldungspolitik unvollkommen: In der positiven Wirkungs/ehre bleibt unbefriedigend, daß auch im

Diamond-OLG-Modell staatliche dynamische Finanzpolitik nur transitorische Wachstumsef-fekte, aber keinen Einfluß auf die langfristige Wachstumsrate der Volkswirt-schaft besitzt: Die modellierte Ökonomie konvergiert zu einem langfristigen Gleichgewicht, in dem nur Niveauvariablen mit einer exogenen und zeitinva-rianten Rate wachsen. Auch die Einführung einer exogenen technischen Fort-schrittsrate kann dieses Stationaritätsproblem nur vordergründig lösen. Die Mo-delle der Neuen Wachstumstheorie hingegen erlauben die langfristige Wachstumsrate als modellendogenes Gleichgewichtsresultat abzubilden, auf das

staatliche Wirtschafts- und Finanzpolitik Einfluß nehmen kann; die Erweiterung des Diamond-OLG-Modells um solches endogenes Wachstum bildet daher ei-nen zentralen Gegenstand des Kapitels III.

In der normativen Rechtfertigungs/ehre bleibt die Ambivalenz der Effizienz-eigenschaften des Laissez-faire-Wachstumsgleichgewichts und des Einsatzes staatlicher Verschuldungspolitik unbefriedigend. Zwar kann diese theoretische Unbestimmtheit mit Rückgriff auf die empirische Evidenz entwickelter Volks-wirtschaften für anwendungsbezogene Schlußfolgerungen und konkrete wirt-schaftspolitische Beratung aufgelöst werden, die mangelnde Aussagekraft des theoretischen Fundaments bleibt aber bestehen. Eine entscheidende Rolle für die Möglichkeit dynamischer Ineffizienz im Diamond-OLG-Modell spielt das über den individuellen Lebenszyklus extrem abfallende Lohnprofil der Haus-halte. Eine theoretische Möglichkeit, die Ambivalenz der Effizienzeigen-schaften von Wachstumsgleichgewichten aufzulösen, könnte somit darin beste-hen, das Lebenszyklusprofil des Lohneinkommens zu glätten; im folgenden Unterkapitel 11.3 wird daher mit dem Modell der ewigen Jugend ein Analyse-rahmen präsentiert, der dem fortwährenden Eintritt neuer, mit Älteren wirt-schaftlich unverbundener Akteure in das ökonomische System Rechnung trägt, ohne dazu auf einen überstilisierten Zyklus des Arbeitslebens zurückgreifen zu müssen.

11.3 Staatliche Verschuldungspolitik im Modell der ewigen