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Langfristiges Wachstumsgleichgewicht (Steady State)

STAATSVERSCHULDUNG, INTERTEMPORALE ALLOKATION UND EXOGENES WACHSTUM

11.1 Staatliche Verschuldungspolitik im Ramsey-RA- Ramsey-RA-Modell

11.1.2 Steady State und dynamische Anpassung

11.1.2.1 Langfristiges Wachstumsgleichgewicht (Steady State)

Ein Steady State (Wachstumsgleichgewicht, langfristiges Gleichgewicht) ist allgemein definiert als eine Situation, in der die verschiedenen Größen eines Modells mit konstanter Rate wachsen. Stimmen zusätzlich die konstanten Wachstumsraten aller Variablen überein, so wird dies als „balanced growth"

bezeichnet.26 Der Steady State des dynamischen Systems {(II.12), (II.13)}

kor-25 Für allgemeine Diskussionen über Phasendiagramme als Mittel der qualitativen Stabili-tätsanalyse siehe Simon und Blume (1994), S. 689-703 sowie Gandolfo (1997), S. 341-359.

26 Vgl. Hahn und Matthews (1964), S. 781f. sowie Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 19.

Die Terminologie langfristiger Gleichgewichtskonzepte ist in der Wachstumstheorie, ins-besondere in älteren Ansätzen, nicht einheitlich.

respondiert mit der Konstanz der Größen k und c, er findet sich formal also durch Nullsetzen der beiden Ableitungen nach der Zeit:

ic, =

i:,

=

O. 27

Die Isokline konstanter Kapitalintensität ist der geometrische Ort aller Paare (k,c) der Phasenebene, für die:

ic, =

0 gilt. Sie wird beschrieben durch die Glei-chung:

(11.15) fc

=

0 ~ c

=

f(k)-(n+o)k.

Die Isokline beginnt im Ursprung, da: f (0)

=

0. Sie erreicht ihr Maximum bei kGR, dem Niveau der Kapitalintensität, das nach der Goldenen Regel:

f'(k0R )-ö

=

n den wachstumsgleichgewichtigen Konsum maximiert. Ihren Schnittpunkt mit der Abszisse schließlich gibt /("ax, die durch:

c

=

0 ~ f(kmax)

=

(n + ö)kmax definiert wird. Die horizontalen Pfeile der Ab-bildung 11.1 geben an, in welche Richtung sich die Kapitalintensität abseits der Isokline bewegt. Unterhalb des

ic

= 0-Lokus nimmt die Kapitalintensität zu, oberhalb nimmt sie ab.28

Den geometrischen Ort aller Paare (k,c), die einen konstanten Pro-Kopf-Konsum: i:

=

0 begründen, beschreibt die Bedingung:

(11.16) f'(k)-ö

=

p.

Mit ihr korrespondiert graphisch in Abbildung 11.1 die vertikale Linie über

k',

die anzeigt, daß konstanter Pro-Kopf-Konsum, unabhängig vom Wert von c, nur bei der Kapitalintensität möglich ist, bei der der Nettozinssatz der privaten Dis-kont- oder Zeitpräferenzrate entspricht. Die vertikalen Pfeile in Abbildung 11.1 zeigen an, in welche Richtung sich der Pro-Kopf-Konsum abseits der i:

=

0-Isokline bewegt. Links des i:

=

0-Lokus ist infolge des sinkenden Grenzpro-dukts des Kapitals der Nettozinssatz höher als die private Diskontrate, so daß der Konsum pro Kopf zunimmt. Rechts der i: = 0-lsokline ist die Nettoertrags-rate produktiven Kapitals geringer als die Rate der Zeitpräferenz, der Pro-Kopf-Konsum nimmt daher ab.29

27 Barro und Sala-i-Martin (1995, S. 72) begründen ausführlich, warum die einzig mögliche Konstellation für einen Steady State im Ramsey-RA-Modell eine gemeinsame Wachs-tumsrate der intensiven Variablen Pro-Kopf-Konsum und Kapitalintensität von null ist.

28 Vgl. Maußner und Klump (1996), S. 125f. sowie Gandolfo (1997), S. 385.

29 Vgl. Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 72f., 75 sowie Gandolfo (1997), S. 385.

In Abbildung II. l findet sich ein eindeutiger Steady State im Schnittpunkt der beiden Isoklinen konstanten Pro-Kopf-Konsums und konstanter Kapital-intensität. Dieses graphische Ergebnis bestätigt sich auch formal-analytisch:

SATZ 11.2 (Existenz und Eindeutigkeit des Steady States)30

Im Ramsey-RA-Modell existiert ein eindeutiges Steady-State-G/eichgewicht

(lc,c ).

Beweis.

Existenz eines Steady States verlangt, daß es positive Werte von kund c gibt, für die (II.12) und (II.13) simultan zu null erfüllt sind. Die technologisch unter-stellten abnehmenden Erträge des Kapitals machen f'(k) zu einer monoton ab-nehmenden Funktion der Kapitalintensität. Da laut Inada-Bedingungen die linke Seite von (II.16) mit zunehmender Kapitalintensität von unendlich auf null fällt, kann (II.16) nur für einen eindeutigen Wert von

lc

erfüllt sein. Mit einer ein-deutig bestimmten Steady-State-Kapitalintensität folgt der langfristig gleichge-wichtige Pro-Kopf-Konsum aus (II.15) als: c• =f(k0)-(n+8)k0 Er könnte nur für eine Steady-State-Kapitalintensität: k0 > kmax negativ werden. Wegen der Konkavität von/ und der Bedingung für Konvergenz der intertemporalen Nutzenfunktion (II.4), p > n, gilt aber:

f'(k •) = p +ö > n + t5 =

/i::ax)

> f'(kmax)

und also: k • < kmax. Es existieren mithin eindeutige positive Steady-State-Werte von c und k .

Welche Eigenschaften besitzt dieses langfristige Gleichgewicht? Zunächst kann festgestellt werden, daß sich das Verhalten der Ramsey-RA-Wirtschaft im lang-fristigen Wachstumsgleichgewicht nicht von dem einer Solow-Swan-Ökonomie mit exogener und konstanter gesamtwirtschaftlicher Sparquote unterscheidet:

30 Vgl. Cass (1965), S. 238; Barro (1989a), S. 182; Blanchard und Fischer (1989), S. 45;

Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 73; Arnold (1997), S. 61 sowie Gandolfo (1997), S.

383.

SATZ 11.3 (Langfristige Wachstumseigenschaften)31

Im Steady-State-G/eichgewicht wachsen die gesamtwirtschaftlichen Niveau-größen der Volkswirtschaft: Kapitalstock, Produktion und Konsum mit der gemeinsamen konstanten und exogen gegebenen Wachstumsrate des Arbeits-angebotes n.

Beweis.

Über die Definition der intensiven Variablen: k := K/ L bzw. c := C/ L folgt für deren jeweilige Wachstumsrate:

k/k = k/

K -

L/

L bzw.

i:/

c

= C/C - L/

L. Da

im Steady State k und c konstant sind, das Arbeitsangebot aber mit der kon-stanten Rate n wächst, müssen sowohl der Kapitalstock als auch der Konsum im Steady State ebenfalls mit der Rate n wachsen. Da nach (11.2) dann auch y := Y/ L = f(k) im Wachstumsgleichgewicht zeitinvariant sein muß, wächst auch die Sachgüterproduktion (das Einkommen) mit der Raten .

Die zentralen Implikationen des Solow-Swan-Modells für die Antriebskräfte ökonomischen Wachstums hängen also nicht kritisch von der Annahme einer konstanten und exogen gegebenen gesamtwirtschaftlichen Sparquote ab. Auch mit endogenisiertem Sparverhalten konvergiert die Volkswirtschaft zu einem

„Balanced Growth"-Pfad, auf dem die gemeinsame Wachstumsquelle aller Niveauvariablen die nicht im Modell selbst erklärte Zunahme des Arbeitsange-botes mit der konstanten Rate n ist. In diesem stationären Wachstumsgleich-gewicht, in das die Ökonomie langfristig mündet, findet kein Wachstum der Pro-Kopf-Größen statt. Zwar kann durch die Einführung einer exogenen techni-schen Fortschrittsrate anhaltendes Wachstum auch in intensiven ökonomitechni-schen Variablen erzeugt werden. Eine solche Modellierung löst das Stationaritäts-problem aber nur vordergründig. Der Wachstumsmotor des Modells besteht dann nämlich aus einem Element, das - entgegen der positiven Heuristik des neoklassischen Paradigmas - nicht auf das Zusammenspiel dezentral entschei-dender rationaler Akteure und der Koordination ihrer individuell optimalen Wirtschaftspläne auf Wettbewerbsmärkten zurückgeführt wird. Insbesondere besitzen auch bei exogenem arbeitsvermehrendem technischen Fortschritt weder die Parameter, die die Produktionstechnologie beschreiben, noch die

31 Vgl. Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 72-74; Turnovsky (1995), S. 240; Maußner und Klump (1996), S. 127; Romer (1996), S. 52 sowie Gandolfo (1997), S. 384.

Präferenzparameter, die die Einstellung der Haushalte zu Konsum und Ersparnis widerspiegeln, einen Einfluß auf die Steady-State-Wachstumsraten; sie besitzen langfristig nur Einfluß auf das Niveau der Modellgrößen.

Der einzige bemerkenswerte Unterschied zwischen den „Balanced Growth"-Pfaden im Solow-Swan-Modell und im Ramsey-RA-Modell besteht darin, daß in letzterem ein Steady-State-Wachstumspfad mit einem Kapitalstock oberhalb des durch die Goldene Regel implizierten nicht möglich ist. Im Solow-Swan-Modell führt eine hinreichend hohe exogene gesamtwirtschaftliche Sparquote dazu, daß die Volkswirtschaft zu einem Steady State konvergiert, in dem Kapi-tal überakkumuliert worden ist. Es existieren dann Wachstumspfade, die durch Rückgang der gesamtwirtschaftlichen Ersparnis erreichbar sind und auf denen zu jedem Zeitpunkt, sowohl in der Transitorik als auch im Wachstumsgleichge-wicht, ein höherer Konsum realisierbar ist. 32 Im Gegensatz dazu kann es im Ramsey-RA-Modell, das die gesamtwirtschaftliche Ersparnisbildung als Ergeb-nis eines Optimierungsprozesses unsterblicher Konsumenten abbildet, keinen gleichgewichtigen Wachstumspfad geben, im Vergleich zu dem es möglich wäre, zu jedem Zeitpunkt einen höheren Konsum zu realisieren. Wäre die Volkswirtschaft auf einem solchen Pfad, würde der Konsument seine Abwei-chung vom Optimum realisieren und seine Ersparnisbildung nach unten anpas-sen, um auf den optimalen Konsumzeitpfad zu gelangen. Diese intuitive Erklä-rung findet ihren formalen Ausdruck in der Transversalitätsbedingung (II.14 ).

Da k im Steady State konstant ist, gilt (II.14), wenn die wachstumsgleichge-wichtige Nettoertragsrate des Kapitals: r' =f'(k')-<5 die Steady-State-Wachstumsrate n übersteigt. Mit (II.16) kann diese Bedingung äquivalent formuliert werden als:

(II.17) p>n.

Die Transversalitätsbedingung, die einem unendlich lebenden Konsumenten auf einem dynamisch ineffizienten Wachstumspfad anzeigen würde, daß er überak-kumuliert, fällt nach (II.17) also zusammen mit der Bedingung, daß das Opti-mierungsproblem des Haushalts wohldefiniert ist, d.h. daß das intertemporale

32 Für eine ausführlichere Begründung dynamischer Ineffizienz im Solow-Swan-Modell und ihren Zusammenhang mit der sog. Goldenen Regel der Kapitalakkumulation siehe Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 19-22 sowie Romer (1996), S. 16-18.

Nutzenintegral (11.4) konvergiert; oben wurde bereits angenommen, daß diese Bedingung erfüllt ist:

SATZ 11.4 (Langfristige Effizienzeigenschaften)33

Im langfristigen Wachstumsgleichgewicht bestimmt sich die Kapitalintensität nach der sog. modifizierten Go/denen Regel:

f'(k.)=p+8.

Das Wachstumsgleichgewicht kann daher nicht dynamisch ineffizient im Sinne einer Kapitalüberakkumulation sein. Die optimierenden Haushalte sparen aber auch nicht genug, um die durch die Goldene Regel implizierte Kapitalintensität zu erreichen.

Beweis.

Dynamisch ineffiziente Steady States sind verbunden mit Überakkumulation im Sinne einer Kapitalintensität oberhalb der durch die Goldene Regel impli-zierten. Der wachstumsgleichgewichtige Wert der Kapitalintensität wird nach (11.16) bestimmt durch: f'(k•)=p+8, die Goldene Regel impliziert die Kapitalintensität: f'(k 0R) = n

+

8. Im Zusammenspiel mit Transversalitäts-bedingung (11.17) folgt daraus: f'(k•) > f'(k 0R). Wegen Konkavität von/ muß dann gelten: k • < k0 R •

Das Ergebnis in Satz II.4 zeigt sich auch in Abbildung 11. l, in der die i: = 0-Isokline als Vertikale über einer Kapitalintensität eingezeichnet ist, die links von kGR liegt. Der optimierende Haushalt spart nicht genug, um die Kapital-intensität, die nach der Goldenen Regel den Pro-Kopf-Konsum im Wachstums-gleichgewicht maximiert, zu erreichen. In der Zeitpräferenzrate p drückt sich die Ungeduld des unsterblichen Haushalts aus. Diese führt dazu, daß der Trade-Off zwischen kurzfristigem Opfer an Gegenwartskonsum und dem permanenten langfristigen Gewinn durch das höhere Steady-State-Konsumniveau der Gol-denen Regel bereits bei einer Kapitalintensität k < k0 R hinreichend ungünstig ist, daß eine Einschränkung gegenwärtigen Konsums den Lebenszeitnutzen senken statt erhöhen würde. Da die Bedingung: f' ( k •) = p + 8 zwar nicht den

33 Vgl. Blanchard und Fischer (1989), S. 45; Barro und Sala-i-Martin (1995), S. 74;

Maußner und Klump (1996), S. 127; Obstfeld und Rogoff (1996), S. 442; Romer (1996), S. 53 sowie Gandolfo (1997), S. 383f.

Pro-Kopf-Konsum maximiert, gleichwohl aber die optimale Kapitalintensität der Volkswirtschaft im Sinne der Nutzenmaximierung des unendlich lebenden Konsumenten angibt, wird sie als modifizierte Goldene Regel bezeichnet.