• Keine Ergebnisse gefunden

Äquivalente Formen intergenerativer Distributionspolitik

STAATSVERSCHULDUNG, INTERTEMPORALE ALLOKATION UND EXOGENES WACHSTUM

11.2 Staatliche Verschuldungspolitik im Diamond-OLG- Diamond-OLG-Modell

11.2.3 Staatliche Verschuldungspolitik und Wirtschaftswachstum

11.2.3.3 Äquivalente Formen intergenerativer Distributionspolitik

Die Emission von Staatsschuld und der Gebrauch von Pauschsteuem nehmen beide Einfluß auf das Lebenszyklusverhalten von Konsumenten. Insofern ist es intuitiv plausibel, daß zwischen beiden Instrumenten ein hoher Grad an Sub-stituierbarkeit besteht:

SATZ 11.14 (Redundanz und Nützlichkeit staatlicher Verschuldungs-politik)102

Staatliche Steuerpolitik sei definiert als eine Sequenz von Pauschsteuern pro Mitglied der jeweiligen Generation { ... , ,1,_., , 2,, , 1,, , 21+1, , 11+., ••• }, staatliche Ver-schuldungspolitik als eine Sequenz von staatlichen Schuldtiteln pro Arbeiter { ... ,b,_1,b,,b,+., ... }. Mit gegebenen Anfangswerten der Zustandsvariablen Kapi-talintensität und Staatsschuld pro Arbeiter führt eine kombinierte Steuer- und Schuldenpolitik des Staates, die sich aus jeweils arbiträr gewählten Zeitpfaden der Staatsschuld pro Arbeiter { ... ,b,_1,b,,bi+., ... } und der Pauschsteuern bzw. -transfers in beiden Lebensperioden { ... , ,11_., , 2,, , 1,, , 21+., ,11+., ••• } ergibt, auf die-selbe gleichgewichtige Evolution der Diamond-OLG-Ökonomie wie:

(1) Eine Steuerpolitik { ... , f1,_.,0, f1,,0, ,1

,+., ... }

und eine staatliche Verschul-dungspolitik { .. , b,_.,b,,b1+1 , ••• }, in denen: f1,

= ,

1, + ( ,21+1/(l + r1+1 )) und

b, =

b, -( ,21+1 /(1 + r1+1 )).

(2) Eine Steuerpolitik { ... ,O, ?'21,0,?21+1,0, ?"21+2 , ••• } und eine staatliche Verschul-dungspolitik

~ =b, +•1,·

f ~ ~ ~ }

t··,b,_.,b,,b,+P···' in denen: und

(3) Eine reine Steuerpolitik { ...

.f;,_1,

f

2 „

fi,, f

2 ,+., Tii+P···}

ohne Einsatz staatlicher Verschuldung: \:/t;b, = 0, in der: f1, = ,11 + b, und f21+1 = ,21+1 -(1 + r,+i )b,.

Beweis.103

Seien die Gesamtheit der Ressourcen, die ein privater Haushalt in einer Periode entweder über Pauschsteuem (-transfers, wenn dieser Betrag negativ ist) oder aufgrund seiner Zeichnung staatlicher Schuldpapiere netto an den Fiskus ab-führt (bzw. von diesem erhält) als effektive Steuerzahlungen bezeichnet. Sie sind für seine Jugend- bzw. Altersperiode jeweils durch:

102 Vgl. Bierwag, Grove und Khang (1969) sowie Buiter und Kletzer (1992a; 1992b).

(11.84) (11.85)

z11 := b1 + , 11 bzw.

Z21+1 := -(1 + r1+1 )b1 + '21+1

definiert. Die Summe der effektiven Steuerzahlungen über den gesamten Lebenszyklus eines Individuums entspricht dem Gegenwartswert der Netto-steuerzahlungen eines Haushalts über seinen gesamten Lebenszeitraum. Sie wird in Anschluß an die theoretischen und empirischen Arbeiten von Auerbach, Gokhale und Kotlikoff(l991; 1994) sowie Kotlikoff(l992) als Generationen-konten (engl.: ,,generational accounts") bezeichnet:

~ 1 1

Z1 := Z11 + --Z2t+I = '11 +--1"21+1 • 1 + r,+I 1 + r,+I

Mit diesen kann das dynamische System (11.83) äquivalent geschrieben werden als:

(11.86a) (11.86b)

(l+n)k1+1 -w(k1)+z11 +c11 [w(k1)-z11 - z21+1 ,/'(k1+1)-ö]=o 1 + rt+I

Z21 0

Z11+--= . (l+ n)

Das fiskalische Handeln des Staates kann nach (11.86) vollständig durch Se-quenzen der effektiven Steuerzahlungen {z11 };:0 und {z21 } :0 beschrieben werden. Die im voranstehenden Satz als äquivalent aufgeführten Finanzpoli-tiken führen jeweils auf identische Sequenzen effektiver Steuerzahlungen

{ z1,} ;:0 und { z21 } : 0 und damit auf dieselbe gleichgewichtige Evolution der mo-dellierten Volkswirtschaft. Eines der fiskalischen Instrumente b, ,1 und ,2 ist für die Ausgestaltung einer beliebigen staatlichen Finanzpolitik daher redundant.

Die Fälle (1) bis (3) des voranstehenden Satzes bilden drei Idealtypen dyna-mischer Finanzpolitik ab:

( 1) Die Steuern, die erhoben werden, um die nicht durch neue Schuldenausgabe finanzierten Zinskosten staatlicher Verschuldung zu decken, sind Pauschsteuern auf die junge Generation. Diese Schuldenausgabe entspricht Diamonds (1965) Fall der internen Schuld.

103 Vgl. Myles (1995), S. 495 sowie Ihori (1996), S. 201.

(2) Die Steuern, die erhoben werden, um die nicht durch neue Schuldenausgabe finanzierten Zinskosten staatlicher Verschuldung zu decken, sind Pauschsteuern auf die alte Generation.

(3) Der Staat gibt keine Schuld aus. Er erhebt eine Pauschsteuer auf die jünge-ren Haushalte und transferiert die gewonnene Kaufkraft in der gleichen Peri-ode zur älteren Generation; dies entspricht einem umlagefinanzierten Alters-sicherungssystem.

Diese drei Idealtypen dynamischer Finanzpolitik sind zueinander äquivalent, solange zwei der drei fiskalischen Instrumente so angepaßt werden können, daß sich identische {z1,};:0 und {z21

}:0

ergeben. Da der Fall (1) dem Fall staatlicher Verschuldungspolitik und Fall (3) dem Fall eines umlagefinanzierten Renten-versicherungssystems entspricht, folgt speziell aus Satz II.14 unmittelbar:

KOROLLAR 11.1 (zu Satz 11.14)

Staatsverschuldung und umlagefinanzierte Alterssicherung sind im Diamond-OLG-Mode/1 in dem Sinne vollkommen äquivalent, daß sie zu einer identischen gleichgewichtigen Dynamik der abgebildeten Ökonomie führen.

Der Korollar macht deutlich, daß öffentliche Schuld als ein Instrument staat-licher Wirtschaftspolitik betrachtet werden kann, das eine Redistribution von Steuerlasten und verfügbarem Einkommen zwischen Alterskohorten (Genera-tionen) begründet, die den Gegenwartswert der Steuereinnahmen aufgrund der langfristigen Budgetbeschränkung des Staates unverändert läßt. Jede solche intergenerative Redistributionsmaßnahme, die auf dem Einsatz von Pausch-steuern und Staatsschuldpapieren beruht, kann nach Satz II.14 auch durch den ausschließlichen Einsatz von Steuern und Transfers, ohne Verwendung staat-licher Verschuldung, durchgeführt werden. Insofern ist staatliche Verschul-dungspolitik redundant.104 Diese Redundanz kann als ein (schwacher) Fall Ricardianischer Äquivalenz interpretiert werden:105 Private ökonomische Akteure legen ihren Entscheidungen ihre lebenszeitliche Budgetbeschränkung zugrunde, nicht die Budgetbeschränkungen einzelner Perioden, die insofern

be-104 Dieses Ergebnis bezieht sich auf Ökonomien in einer deterministischen Umwelt. In einer Volkswirtschaft in stochastischer Umwelt kann zusätzlich jede beliebige intergenerative Versicherungsfunktion staatlicher Verschuldung auch durch altersabhängige Pausch-steuem und einen ausgeglichenen Staatshaushalt erfüllt werden. Siehe dazu Buiter und Kletzer ( 1992a), S. 26ff. sowie Buiter und Kletzer ( 1992b ), S. 292.

deutungslos sind. Die Relevanz staatlicher Verschuldungsinstrumente ergibt sich entsprechend erst für den Fall der eingeschränkten Variationsmöglichkeit von Pauschsteuem und -transfers: Wie Satz 11.14, (1) und (2) zeigen, kann zum einen jede intergenerative Umverteilung, die bei ausgeglichenem öffentlichen Budget mit über den individuellen Lebenszyklus differenzierten Pauschsteuem und -tranferzahlungen herbeigeführt wird, auch mit altersunabhängigen Pauschsteuem und -transferzahlungen in Verbindung mit einem nichtausge-glichenen Staatshaushalt erreicht werden. Da für eine uniforme Pauschsteuer-politik weniger Wissen über die Zensiten erworben, verbreitet und verwertet werden muß als für eine lebenszyklusdifferenzierte, impliziert dies eine Nütz-lichkeit des öffentlichen Verschuldungsinstruments durch die Senkung des In-formationsbedarfes staatlicher Wirtschaftspolitik. Zum anderen besitzen für die-sen Fall Veränderungen von b reale Wirkungen, die bei ausgeglichenem Haushalt durch realisierbare Steuer- und Transferpolitiken nicht erreichbar sind.106 Aus dem Redundanzergebnis in Satz 11.14, (3) darf daher keinesfalls auf die Irrelevanz der folgenden Analyse staatlicher Verschuldungspolitik geschlos-sen werden. Da im folgenden der Fall umlagefinanzierter Alterssicherung nicht gesondert behandelt werden wird, ist mit Verweis auf Korollar 11.1 vielmehr festzustellen, daß die nachstehend abgeleiteten Ergebnisse insofern von gestei-gerter Relevanz sind, als sie auf Fälle umlagefinanzierter Sozialversicherung übertragen werden können.

Eine entscheidende Implikation beinhaltet Satz 11.14 für die empirische Opera-tionalisierung des theoretischen Konzepts der Staatsverschuldung. Wird näm-lich staatnäm-liche Verschuldungspolitik als nur eine unter mehreren äquivalenten Politikmaßnahmen intergenerativer Umverteilung verstanden, so folgt daraus, daß die finanzstatistisch ausgewiesenen Größen der Nettokreditaufnahme und des Staatsschuldenstandes keine umfassende Aussagekraft bei der Beurteilung staatlicher dynamischer Finanzpolitik besitzen. Vielmehr sind nach Satz Il.14 zahlreiche formale Konsolidierungsmaßnahmen des öffentlichen Haushalts ios Vgl. lhori (1996), S. 202.

106 Daß jeder intergenerative Umverteilungseffekt staatlicher Verschuldungspolitik durch eine entspechende Kombination von Pauschsteuern und Transferzahlungen neutralisiert werden kann, führt Atkinson und Stiglitz (1980, S. 253) zu der Feststellung, der Begriff der „Last" der Staatsverschuldung sei falsch gewählt. Die fiskalische Last entstehe nicht

denkbar, die materiell die Belastung zukünftiger Generationen unverändert las-sen.107 Diesem Grundgedanken versucht in jüngerer Zeit das Konzept der inter-generativen Belastungsrechnung (engl.: ,,Generational Accounting") mit der Entwicklung eines inklusiveren Maßes der intertemporalen Distribution fiskali-scher Lasten Rechnung zu tragen. ws

11.2.3.4 Konstante Staatsschuld pro Arbeiter und Wirtschaftswachstum