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Finanzpolitik und private Wirtschaftspläne 160

SATZ 11.17 (Wohlfahrtswirkungen staatlicher Verschuldungspolitik) 122 Gegenwarts- und Zukunftskonsum seien beide normale Güter und füreinander

11.3 Staatliche Verschuldungspolitik im Modell der ewigen Jugend

11.3.3.2 Finanzpolitik und private Wirtschaftspläne 160

Staatliche Finanzpolitik beeinflußt die optimalen Wirtschaftspläne des Unter-nehmenssektors nicht. Die Wirtschaftspläne privater Haushalte hingegen wer-den von der öffentlichen Hand in doppelter Weise beeinflußt. Zum einen muß der Haushalt zu jedem Zeitpunkt aus seinem Einkommen zusätzlich einen Pauschsteuerbetrag finanzieren. Dies verschärft ceteris paribus seine dynami-sche Budgetrestriktion:

(11.151) ä(v, t) = (r, + 17)a(v,t) + w, - r, - c(v, t)

und verringert sein Humankapital, das dem abdiskontierten Gegenwartswert seines erwarteten zukünftigen Arbeitseinkommens nach Steuern entspricht:

159 Vgl. allgemein für das folgende Blanchard (1984), S. 15; Blanchard (1985), S. 238;

Buiter (1987), S. 107; Buiter (1988), S. 284; Blanchard und Fischer (1989), S. 127; Weil (1989), S. 188, 193f.; van der Ploeg (1991), S. 238f.; Nielsen (1992), S. 748; Maußner und Klump (1996), S. 168f.; McCafferty (1997), S. 584f. sowie Jha (1998), S. 279f. Filr analoge Darstellungen in zeitdiskreten Versionen des Modells der ewigen Jugend siehe Aschauer (1990), S. 81; Buiter (1990), S. 211 sowie Frenkel und Razin mit Yuen (1996),

s. 326f.

160 Vgl. allgemein für die Veränderung privater Wirtschaftspläne durch staatliche Finanz-politik Blanchard (1984), S. 16; Blanchard (1985), S. 239; Buiter (1988), S. 283f.;

.,

(11.152) \fv;h(v,t) :=

f(w,

-r,)R(t,s)ds = hr

Zum anderen kann der Haushalt sein Finanzvermögen nunmehr neben der In-vestition in produktives Kapital auch in - von ihm als perfekte Substitute zur Sachkapitalinvestition angesehenen - Staatsschuldpapieren anlegen:

(11.153) a, =k, +b,.

Da sich aber weder die Struktur des individuellen dynamischen Optimierungs-problems noch die allgemeinen Vorschriften für Aggregation und Pro-Kopf-Normierung der Variablen ändern, können die Gleichungen (11.141), (11.142) und (11.143) unmittelbar modifiziert werden, ohne die analytische Arbeit des Abschnitts 11.3.1 hier wiederholen zu müssen:

(11.154) c, =(p+17)(a, +h,), (11.155)

(11.156)

a,

=(r,-n)a, +w, -r, -c„

h,

=(r, +17)h1 +r,

-w,.

Die letzten drei Gleichungen führen wie im obigen Modell ohne Staat auf die Dynamik des Konsums pro Kopf:

(U.157)

c,

= (r, - p)c, -(n + 17)(p + 17)a1 •

Schließlich ist zu beachten, daß der Staat im Wirtschaftskreislauf durch seine Güterkäufe unmittelbaren Einfluß auf die allgemeinen Gleichgewichtsbe-dingungen nimmt, da er einen Teil der Güterproduktion absorbiert. Die Dyna-mik des Modells ergibt sich damit aus dem folgenden Differentialgleichungs-system 3. Ordnung:

(11.158)

fc, =

f(k, )-(n + ö)k, - c, - g,,

(11.159)

c,

= [/'(k,)-(ö + p))c, -(77+n)(77+ p)(k, +b,), (11.160)

6,

= [(f'(k,)-(ö +

n)]b,

+ g, - r,.

Staatliche Güterkäufe verändern die Kapitalakkumulationsgleichung, da sie ei-nen Teil der produzierten Sachgüter absorbieren. Staatliche Schuldpapiere sind Teil des Vermögens privater Haushalte, so daß die Staatsverschuldung pro Kopf in die Konsumgleichung eingeht. Schließlich sind alle drei fiskalischen Instru-mente des Staates: Steuern, Staatsausgaben und öffentliche Schuld EleInstru-mente der Akkumulationsgleichung der Staatsverschuldung.

Blanchard und Fischer (1989), S. 128; Maußner und Klump (1996), S. 168, 169f. sowie

Durch Vorgabe von Zeitpfaden für zwei der drei fiskalischen Instrumente kann das System { (II.158)-(II.160)} grundsätzlich für die Zeitpfade und Steady-State-Werte der endogenen fiskalischen Variable, des Pro-Kopf-Konsums und der Kapitalintensität gelöst werden. Bevor dies geschieht, soll jedoch zunächst eine allgemeine Aussage über die (Nicht-)Neutralität staatlicher Verschuldungspoli-tik abgeleitet werden.

11.3.3.3 Ricardianische Staatsschuldneutralität. Eine allgemeine Aussage In II.1 ist für das Ramsey-RA-Modell die Neutralität staatlicher Verschul-dungspolitik festgestellt worden. Andererseits tritt diese im Diamond-OLG-Modell des Unterkapitels II.2 nur für den Spezialfall wirksamer intergenerativer Transfermotive auf. Da das Modell der ewigen Jugend als Synthese der beiden vorgenannten Modellrahmen verstanden werden kann, soll im folgenden eine allgemeine Aussage über die Bedingungen der Gültigkeit Ricardianischer Staatsschuldneutralität abgeleitet werden.

Nach Definition 11.1 bedeutet Neutralität der Staatsverschuldung, daß für einen gegebenen Zeitpfad staatlicher Güterkäufe das reale Gleichgewicht einer Volkswirtschaft nicht von der intertemporalen Struktur der Pauschsteuerbe-lastungen beeinflußt wird. Für einen gegebenen Staatsausgabenpfad kann der Zeitpfad der Pauschsteuem die Trajektorien realer Variablen der durch Glei-chungen (11.158) bis (II.160) beschriebenen Volkswirtschaft nur durch seinen Einfluß auf den privaten Konsum beeinflussen. Staatliche Verschuldungspolitik ist daher neutral, wenn c, solange der Zeitpfad von g unverändert bleibt, unab-hängig von gegenwärtigen und zukünftigen Steuern gewählt wird. Unter II.1.3.2 ist die Gültigkeit Ricardianischer Staatsschuldneutralität für das Ramsey-RA-Modell festgestellt worden. Da zudem in II.3.1.5 abgeleitet worden ist, daß die makroökonomische Dynamik des Modells der ewigen Jugend für

ß =

0 in die des Ramsey-RA-Modells übergeht, folgt intuitiv nachvollziehbar:

Jha ( 1998), S. 280.

SATZ 11.24 (Neutralität staatlicher Verschuldung)161

Notwendig und hinreichend für die Neutralität staatlicher Verschu/dungspolitik im Sinne der Definition /1.1 ist eine gesellschaftliche Geburtenrate von null:

TJ+n=ß=O.

Beweis.162

Die Analyse soll auf Pfade für , beschränkt sein, die konsistent sind mit der intertemporalen Budgetbeschränkung des Staates (II.150). Einsetzen der Aus-drücke (II.152) für das Humankapital und (II.153) für das Finanzvermögen in die Konsumfunktion (II.154), führt auf:

c, = (p +

T/{

k, + b, +

!

(w, - ,,)R(t,s)ds}

Um das letzte der drei fiskalischen Instrumente des Staates ebenfalls zu berück-sichtigen, wird der Term:

.,

(p + TJ)

J

g,R(t,s)ds

1

auf der rechten Seite zugleich addiert und subtrahiert; anschließende Umfor-mung der Gleichung ergibt den Konsum pro Kopf als:

( "' -/(r.+q)du

l "'

-ic,.+q)du

(II.161) c,

=

(p + T/) k, +

f

w,e ' ds -(p + T/)

f

g,e ' ds

( "' -i(r.+q)du

l

+(p+TJ) b, -

f<•,

-g,)e' ds .

Der letzte Term auf der rechten Seite ist gegebenenfalls Ausdruck der Wirkung staatlicher Verschuldungspolitik auf den privaten Konsum. Da die intertempo-rale Budgetbeschränkung der öffentlichen Hand (II.150) verlangt, daß:

161 Vgl. Blanchard (1985), S. 239; Buiter (1988), S. 287; Blanchard und Fischer (1989), S.

129; Buiter (1989), S. 103f.; Weil (1989), S. 193; van der Ploeg (1991), S. 241; Maußner und Klwnp (1996), S. 169 sowie Jha (1998), S. 281. Für das Ergebnis Ricardianischer Staatsschuldneutralität in zeitdiskreten Versionen des Modells der ewigen Jugend siehe Aschauer (1990), S. 83; Buiter (1990), S. 213 sowie Frenkel und Razin mit Yuen (1996),

s. 328.

162 Vgl. Buiter (1988), S. 285-287; Blanchard und Fischer (1989), S. 128f.; Buiter (1989), S.

102-105; Weil (1989), S. 193; van der Ploeg (1991), S. 240f. sowie Maußner und Klwnp (1996), S. 168f. Für den Beweis Ricardianischer Staatsschuldneutralität in einer zeit-diskreten Version des Modells der ewigen Jugend siehe Buiter ( 1990), S. 211-213.

«> -f<r.,-n)du

b1

= f (

i-, - g,)e ' ds,

I

verschwindet dieser Tenn dann und nur dann, wenn: TJ + n = 0; genau in diesem Fall ist staatliche Verschuldung real wirkungslos.

Aus Satz II.24 folgt unmittelbar:

KOROLLAR 11.2 (zu Satz 11.24)163

Wenn

ß

= 0, dann ist ein endlicher Lebenshorizont: TJ > 0 nicht hinreichend für die Nichtneutralität staatlicher Verschuldung.

Proposition 11.24 und ihr Korollar, die beide auf Buiter (1988) zurückgehen, verbinden die Ergebnisse des Originalbeitrags von Blanchard (1985) über Staatsschuldneutralität und unsichere Lebenserwartung mit Weils (1989) Er-gebnis über Staatsschuldneutralität und Bevölkerungswachstum.

In Blanchards (1985) Modell der ewigen Jugend mit konstanter Bevölkerung (n

=

0) ist die Endlichkeit des Lebenshorizonts privater Wirtschaftssubjekte ( TJ >

0) hinreichend für die Nichtneutralität staatlicher Verschuldungspolitik. Die Diskontrate der intertemporalen Budgetbeschränkung des Staates beträgt r.

Hingegen diskontieren private Haushalte, die ihr Todesrisiko und damit die Wahrscheinlichkeit, daß sie durch erst in der Zukunft erhobene Steuern nicht mehr belastet werden, mit berücksichtigen, zukünftige Steuerlasten effektiv mit der Rate: r + TJ. Aufgrund dieser unterschiedlichen Diskontraten des unendlich lebenden Staates und der endlich lebenden Privaten besitzt eine zeitliche Real-lokation unverzerrender Steuern reale Effekte, die letztlich reflektieren, daß ein Teil der Steuerlast gegenwärtiger Staatsausgaben über öffentliche Verschuldung an zukünftige Generationen weitergegeben wird.164

Weil (1989) zeigt in seiner Variante des Modells der ewigen Jugend mit unend-lich lebenden ökonomischen Akteuren (TJ

=

0), daß Bevölkerungswachstum alleine (n > 0) ebenfalls ausreicht, um Ricardianische Äquivalenz aufzuheben.

Weil (1989, S. 184f.) schlägt vor, die neuen Haushalte (Familien) seines Mo-dells als nicht bzw. zu wenig geliebte Kinder, Töchter in einer Volkswirtschaft

163 Vgl. Buiter (1988), S. 287.

164 Vgl. Blanchard (1985), S. 239.

mit salischem Erbschaftsrecht165 oder als Immigranten zu verstehen. In einer solchen Ökonomie sich überlappender Familien kann der Staat mit Hilfe des Finanzierungsinstruments öffentlicher Verschuldung ökonomische Ressourcen nicht nur gegenwärtig lebender privater Wirtschaftssubjekte besteuern, sondern auch derjenigen Haushalte, die erst in der Zukunft geboren werden. Da bei wachsender Bevölkerung die Steuerbemessungsgrundlage des Staates mit der Zeit zunimmt, induziert eine schuldenfinanzierte Verlagerung von Steuern in die Zukunft selbst bei unendlichem Lebens- und Planungshorizont der Indivi-duen positive Vermögenseffekte bei privaten Konsumenten. Der sich daraus ergebende höhere private Konsum zeigt an, daß eine Verletzung staatlicher Schuldenneutralität auch ohne endliche Begrenzung der Lebenszeit privater Wirtschaftssubjekte möglich ist. Dies klärt zugleich eine im Abschnitt 11.2.4 unbeantwortet gelassene Frage: Operative intergenerative Transfers führen nicht deshalb zur Neutralität öffentlicher Schuld, weil sie einen unendlichen Planungshorizont der Haushalte begründen, sondern weil sie dazu führen, daß gegenwärtige Steuerzahler mit zukünftigen Steuerzahlern ökonomisch so ver-bunden sind, daß die intertemporale Ressourcengrundlage des Staates nicht größer ist als die des Aggregats gegenwärtig lebender Konsumenten. 166

In Blanchards (1985) Modell der ewigen Jugend ist das Bevölkerungswachstum null, so daß eine positive Sterberate der Bevölkerung, TJ, auch eine positive burtenrate impliziert. Daß es letztlich diese implizit angenommene positive Ge-burtenrate - und nicht die positive Sterberate - ist, die die Neutralität der Staats-verschuldung bricht, klärt Korollar 11.2. Ist nämlich

ß =

0, so behält zwar das obige Argument, daß mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit ein Teil der Steu-erlast bei Finanzierung von Staatsausgaben über öffentliche Verschuldung erst nach dem eigenen Ableben anfällt, seine Gültigkeit. Andererseits nimmt in ei-nem solchen Szenario aber die Bevölkerung mit der Rate: TJ = ß - n = -n ab. In bezug auf die zukünftigen Pro-Kopf-Steuerbelastungen eines gegenwärtig le-benden Haushalts gleichen sich diese beiden Effekte der zeitlichen

Verschie-165 „Salisches Gesetz", eigentlich das schriftlich niedergelegte Volksrecht der salischen Franken, bezeichnet seit dem 14. Jahrhundert die ausschließliche Thronfolgeberechtigung des Mannesstamms.

166 Vgl. Weil (1989), S. l 93f.

bung von Pauschsteuem gerade auf, so daß sich seine intertemporale Budgetbe-schränkung nicht lockert; öffentliche Schuld ist beiß= 0 daher neutral. 167 Satz 11.24 verbindet die Ergebnisse über Staatsschuldneutralität von Blanchard (1985) und Weil (1989) zu einer allgemeinen Proposition. Konstitutiv für die Nichtneutralität intertemporaler Reallokationen von Pauschsteuerlasten ist der Unterschied zwischen der zukünftigen Steuerbemessungsgrundlage des öffent-lichen Sektors, die Ressourcen sowohl bereits geborener als auch erst zukünftig lebender Haushalte umfaßt, und der zukünftigen Ressourcenbasis gegenwärtig lebender Haushalte. Der erwartete zukünftige Ressourcenzufluß privater Wirt-schaftssubjekte wächst mit Rate (-T/), der des Staates hingegen mit Rate n.

Außer wenn einzelne Individuen durch intergenerative Transfermotive mit allen nachgeborenen Haushalten verbunden sind, werden die Ressourcen zukünftiger Generationen nicht in der intertemporalen Budgetbeschränkung lebender Kon-sumenten berücksichtigt; auch ein unendlicher Lebenshorizont ist in dieser Be-ziehung nicht äquivalent mit intergenerativen Nutzeninterdependenzen. Private Akteure sind daher in ihren gegenwärtigen Konsumausgaben durch ihr Sach-vermögen und ihr eigenes Humankapital beschränkt. Der Staat hingegen hat Zugriff auf all diese Ressourcen und mit Hilfe des Finanzierungsinstruments öffentlicher Verschuldung zusätzlich auf das Humankapital der in der Zukunft Geborenen. Dieser Unterschied in den intertemporalen Möglichkeitensets der Privaten einerseits und des Staates andererseits drückt sich in einer höheren ef-fektiven Diskontrate privater Wirtschaftssubjekte aus, die diejenige der öffent-lichen Hand genau um ß

=

T/ + n übersteigt. 168

Die voranstehende Diskussion um die Ricardianische Aussage der Neutralität staatlicher Verschuldung wird im nächsten Unterkapitel, 11.4, in modellüber-greifender Perspektive wieder aufgegriffen. Im folgenden soll aber zunächst geklärt werden, welchen Einfluß staatliche Verschuldungspolitik für den allge-meinen Fall des Modells der ewigen Jugend "'F-0) auf die realen Größen der Volkswirtschaft besitzt.

167 Vgl. Weil (1989), S. 194f.

168 Vgl. Buiter (1988), S. 280,292.

11.3.3.4 Staatsverschuldung und Crowding-Out. Eine allgemeine Analyse