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Talentkompass NRW (Sarah Künne)

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

5.5 Methodenbeispiele

5.5.13 Talentkompass NRW (Sarah Künne)

Kurzbeschreibung

Der Talentkompass NRW wurde als Orientierungshilfe für die berufliche Bera-tung entwickelt. In einem Ringordner sind Arbeitsblätter in mehreren Abtei-lungen zusammengefasst, anhand derer während einer Einzelberatung in fünf Schritten der titelgebende persönliche „Kompass“ des oder der Ratsuchenden aus seinen bzw. ihren Fähigkeiten entwickelt wird. Dabei werden gerade auch informelle Kompetenzen, sowie persönliche Interessen aber auch Wünsche bezüglich eines neuen Arbeitsplatzes berücksichtigt, sowie Wertvorstellun-gen des oder der Ratsuchenden bewusstgemacht, die als Grundlage für be-rufliche Entscheidungen oder Entwicklungen dienen. Das bebe-rufliche Ziel wird formuliert, dessen Hürden veranschaulicht und der nächste Schritt zur Zieler-reichung geplant.

Material: Phase/Funktion: Anliegen: Zeit:

• Ringordner

„Talentkompass

NRW“ Stifte

Wegweiser für

beruf-liche Entscheidungen Berufliche Entwicklung Kompetenzbilanzierung

ca.2 h 2 Sitzungen

Ablauf der Beratung

1. Vorbereitung: Der 100-seitige Talentkompass steht kostenlos sowohl für Beratende als auch für Ratsuchende im Internet zur Verfügung. Die Home-page der Gesellschaft für innovative Beschäftigungsförderung (GIB) bietet ebenso einen Leitfaden für Beratende oder Kursleitende zum Talentkom-pass NRW. Es empfiehlt sich, als Beraterin oder Berater z.B. mit Hilfe des Leitfadens die Durchführung des Talentkompasses vorzubereiten, des Wei-teren werden z.B. von der Talentkompass Akademie verschiedene Fortbil-dungen zur Anwendung des Talentkompasses angeboten.

2. Methode einleiten: Die Nutzung des Talentkompasses kann z.B. über die Homepage der Beratungseinrichtung und durch das Aufführen des offizi-ellen Flyers vorgestellt werden. Der ratsuchenden Person sollten die fünf Schritte des Talentkompasses NRW vorgestellt werden (s.u.). Der Ringord-ner wird den Ratsuchenden ausgehändigt und geht in seinen bzw. ihren Be-sitz über; dazu werden persönliche Daten auf Seite drei des Ringordners eingetragen. Der oder die Ratsuchende kann entscheiden, ob er bzw. sie die Notizen selbst einfügt oder dies dem bzw. der Beratenden überlässt. In die-sem Fall sollte der bzw. die Ratsuchende in die Formulierung der Antworten mit einbezogen werden. Als roter Faden dient eine Geschichte über einen

jungen Mann namens Frank, an dem die Ausgangslage, die Durchführung und die Lösung mit Hilfe des Kompasses veranschaulicht werden.

3. Kernphase: Der Kompass beinhaltet sechs Felder: Eigenschaften, Tätigkei-ten und Wissen des bzw. der Ratsuchenden, sogenannte „Kraftfelder“. Die Aspekte berufliches Umfeld, Werte und Interessen werden als „Magnetfel-der“ bezeichnet. Bei der Bestandsaufnahme sollen diese jeweils durch die ratsuchende Person eher aus dem Bauch heraus benannt und in die dazu vorgesehenen Arbeitsblätter eingetragen werden. Der Berater bzw. die Be-raterin kann durch Nachfragen diese Benennung unterstützen. Dadurch steigt der bzw. die Ratsuchende in eine Selbstreflexion ein und wird sich ge-rade über die informellen Fähigkeiten und Potenziale schrittweise bewusst.

Es werden jeweils drei Äußerungen aus jedem Feld als Favoriten ausge-wählt und auf Wunsch genauer betrachtet. Beispielantworten können zur Inspiration jeweils auf der Rückseite der Arbeitsblätter eingesehen werden (Schritt 1 und 2). Mit der Zusammenstellung des Kompasses aus den jewei-ligen Favoriten der jeweijewei-ligen Felder (Schritt 3), können neue berufliche Ideen aus den Kombinationen von favorisierten Tätigkeiten und Interessen gebildet werden (Schritt 4). Hieran schließt sich eine Phase an, in der es darum geht, Informationslücken zu identifizieren und Recherchefragen be-zogen auf die besonders attraktiven Berufsideen zu entwickeln. Hier ist es wichtig, die Selbstverantwortung der Ratsuchenden zu aktivieren und Mög-lichkeiten zu erarbeiten, wie sich der oder die Ratsuchende selbst orientie-ren kann, z.B. durch Kontaktaufnahmen und das Fühorientie-ren von Gesprächen mit Personen, die den Beruf bereits ausüben, den Besuch von Orientie-rungsveranstaltungen oder die gezielte Internetrecherche. In Schritt fünf wird aus diesen Ideen ein konkretes Ziel entwickelt und dabei auch gegebe-nenfalls vorhandene Hürden in den Blick genommen. Abschließend bietet der Talentkompass verschiedene Methoden an, um einen konkreten Plan zur Zielerreichung aufzustellen.

4. Abschluss und Transfer: In der Abschlussphase können Sie gemeinsam ein Resümee ziehen. Der bzw. die Ratsuchende kann den Ordner mit nach Hause nehmen und den Talentkompass bei ähnlichen Problemsituationen erneut anwenden.

Variante: Der Talentkompass enthält viele Hinweise zur Durchführung, sodass ein Ratsuchender den Ordner auch allein durcharbeiten kann. Der Umfang des Talentkompasses lässt es auch zu, ihn in mehr als einer Bera-tungssitzung zu benutzen, einige Teilschritte können dem Ratsuchenden auch als „Hausaufgabe“ mitgegeben werden. Einzelne der Methoden zur Visualisie-rung, Entscheidungsfindung oder Kompetenzbilanzierung können auch iso-liert eingesetzt werden.

Kommentar zum Einsatz

Anliegen & Zielgruppe: Der Talentkompass NRW kommt zum Einsatz, wenn eine Auseinandersetzung mit beruflichen Veränderungen gewünscht wird.

Somit können Zielpersonen sowohl junge Erwachsene in Ausbildungsverhält-nissen, Beschäftigte und Berufsrückkehrende als auch Arbeitssuchende sein, die Unterstützung darin brauchen, berufliche Veränderungen und Entschei-dungen aktiv zu gestalten.

Phase im Beratungsgespräch: Der Talentkompass ist so aufgebaut, dass er die gesamte Mittelphase eines Beratungsgespräches füllen kann. Vorhandene Ressourcen werden visualisiert und aktiviert, Denkanstöße werden formu-liert.

Schwierigkeiten/Barrieren: Diese Methode ist sehr an den Ringordner ge-bunden, sprechen Sie die Verwendung also vorher unbedingt mit der oder dem Ratsuchenden ab. Des Weiteren sei darauf hingewiesen, dass die Me-thode insgesamt sehr sprachlastig ist und durch den vergleichsweise großen Umfang aller Schritte die Gefahr besteht, im Verlauf des Beratungsprozesses die Motivation und den Zusammenhang zu den Belangen der ratsuchenden Person zu verlieren. Deswegen ist es die Aufgabe der beratenden Person mit-zubekommen, ob die oder der Ratsuchende gedanklich abschweift. Sollte die Durchführung des gesamten Instruments als zu langwierig erscheinen, bietet der Ordner viele einzelne Methoden, die auch unabhängig und in veränderter Reihenfolge im Beratungsprozess eingesetzt werden können. Gerade die Er-fassung der Werte und Wünsche der oder des Ratsuchenden tragen dazu bei, erarbeitete Entscheidungen zum beruflichen Umfeld nachhaltiger und zufrie-denstellender zu machen.

Zum Weiterlesen

http://www.der-talentkompass.de/ (abgerufen am 16.10.2016)

https://www.weiterbildungsberatung.nrw/themen/kompetenzbilanzierung/ta-lentkompass-nrw (abgerufen am 16.10.2016)

Flachmeyer, Marcus/Harhues, Ortrud/Honauer, Heike/Schulte Hemming, Andreas (Hrsg.) (2010): Wissen, was ich kann. Verfahren und Instrumente der Erfas-sung und Bewertung informell erworbener Kompetenzen. Münster, New York, München, Berlin: Waxmann.

Loebe, Herbert/Severing, Eckart (Hrsg.) (2010): Mitarbeiterpotentiale entdecken und entwickeln. Leitfaden für die Bildungspraxis. Band 43: Kompetenzpässe im betrieblichen Alltag nutzen. Bielefeld: W. Bertelsmann Verlag.

Beratungsbeispiel

Gemeinsame Erarbeitung der Kraftfelder „meine Eigenschaften“ (Schritt 1) Ratsuchender [R]: Ja das erste ist „schnell gestresst“ [schreibt] aber da würd‘ ich dann direkt auch ne „gute Selbstwahrnehmung“ [schreibt], „diszipliniert“ [schreibt] auf je-den Fall „rechthaberisch“ [schreibt] //hm// und manchmal auch ein bisschen „arro-gant“ [schreibt] aber „hilfsbereit“ auf jeden Fall [schreibt] „eifrig“ [schreibt] das geht ja mit der Disziplin einher

Beraterin [B]: Wenn du jetzt zum Beispiel nicht gestresst bist, sondern ganz entspannt bist, wie bist du dann? Oder was sagen vielleicht andere über dich, wenn sie dich in einer entspannten Atmosphäre finden?

R: ehm vielleicht „humorvoll“ [schreibt] //hm// ehm „eifrig“, aber ich schreib auch noch mal „ehrgeizig“ hin [schreibt] […]

B: Ja ok. Die Methode sieht es jetzt so vor, wenn man das jetzt erst mal gesammelt hat, dass man sich jetzt für drei von diesen [Eigenschaften] entscheidet, die man am liebsten ist. Also du hast ja jetzt grade schon ein paar Begriffe genannt, die vielleicht negativ konnotiert sind, hier ist jetzt die Frage „wie bist du besonders gern?“ also schau dir noch mal die an, die du aufgeschrieben hast und schreib die dann bitte hier unten hin, die für dich am wichtigsten sind.

R: Ja, kontaktfreudig, wissbegierig und sportlich […]

B: Ok und diese Sachen, die du jetzt grade noch mal zu diesen drei erklärt hast, willst du das jetzt noch dazu schreiben?

R: Ja, was war noch mal das erste? [lacht]

B: Wir können das Blatt ja auch kurz hier rausnehmen, dazu ist der Ordner ja ganz gut Gemeinsame Erarbeitung der Magnetfelder „mein berufliches Umfeld“ (Schritt 2) B: Und was ist mit diesen Personen, also sollen die sozusagen aus dem gleichen

Wis-sensbereich sein, sollen das auch Sportler sein, ist dir das irgendwie wichtig, wo die anderen so herkommen

R: Ne also lieber breit gefächert aber es muss passen zu dem, was ich machen möchte, eigentlich würde alles passen, auch ein Ingenieur würde passen, der halt Gerät-schaften entwickeln würde, um Menschen zu helfen

B: Ja gut, verstehe und wenn du jetzt wieder an den perfekten Arbeitsplatz denkst und ein Unternehmen würde sich vorstellen und würde sagen „wir haben hier Leute aus den unterschiedlichsten Bereichen, wir haben Physiotherapeuten, wir haben Psychologen“

R: Ja dann aus allen Bereichen, aus wirklich allen, also auch aus dem wissenschaftli-chen Bereich.

B: Das würde den Job also für dich attraktiv machen.

R: Ja. Und auch aus dem handwerklichen Bereich.

B: Also ein Team, was fachlich breit aufgestellt ist?

R: Ja.

Gemeinsames Erkunden „mein Ideenblatt“ (Schritt 4)

B: So und jetzt geht es vor allem um Fantasie, also zu Realität und Wirklichkeit, da kommen wir eben noch zu, aber hier geht es jetzt so um kreative Ideen, das heißt, wir gucken uns diese drei mal drei Felder an und schauen was das jeweils in der Kombination, sollen wir mal, oder hast du schon ein Feld, eine Idee?

R: Ja den Kraftsport verstehen, sprich die Technik und die Biomechanik.

B: Ja, was könnte das für ein Beruf sein, in dem man das macht?

R: Trainer oder Sportwissenschaftler oder Sportmediziner B: Gut dann nimm doch diese Möglichkeiten mal auf.

Gemeinsames Losgehen „mein Vorwärts-Plan“ (Schritt 5)

B: Ja also jetzt hast du ja deinen Plan schon super alleine aufgestellt, also ich hab‘ dir ja eigentlich nur das Blatt dafür gegeben. Ist dir jetzt so irgendwas Neues klarge-worden?

R: Ja, ich hab’ immer so mit mir gehadert, auch als ich die Bewerbung abgegeben hab, ob Medizin das Richtige ist, aber eben jetzt dadurch, dass ich ganz deutlich und das auch eben so abgegrenzt habe, das von dem, was ich gerne mache, das war das noch mal gut, mein Tun und meine Interessen zu verbinden und dann das raus gewählt hab, was ich am realistischsten finde, also ich meine immer alles auf-schreiben, zusammenfügen, dann noch mal raus filtern, das fand ich gut, weil was man tut und was man macht, das sind total viele Sachen, aber dann zu sagen: das mach ich am liebsten und dann das noch mal zu verbinden, also diese Verbindung, die hat mir am besten gefallen, dieses mit den Interessen und mit dem Tun, das hat für mich jetzt auch so gezeigt, dass ich nicht nur Mediziner sein möchte, sondern dass ich das auch mit dem Kraftsport am liebsten verbinden würde, so auch das mit der Studioleitung, dass ich das halt alles verbinden kann und vielleicht mal meine eigenen Nahrungsergänzungsmittel herstelle, ne eigene Marke hab’ oder so //ah ok// das hat mir noch mal aufgezeigt, dass ich halt lieber diesen wissenschaftlichen Weg gehen will aber halt erst mal dieses Studium schaffen muss. Also dazu muss ich ja angenommen werden.

B: Ja super und in Bezug auf deine Ängste oder Hürden, hat sich da was verändert?

R: Naja die sind schon immer noch da. Aber ich denke, das mit der Angst mit der Leis-tungsfähigkeit, dass mir das ein bisschen genommen wurde.