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Netzwerkmethode (Jana Gerling und Antonia Sehlleier)

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

5.5 Methodenbeispiele

5.5.9 Netzwerkmethode (Jana Gerling und Antonia Sehlleier)

Jana Gerling und Antonia Sehlleier Kurzbeschreibung

Die Netzwerkmethode ist auf Dr. W. Vogelauer zurückzuführen und dient zur Visualisierung von komplexen Entscheidungsmöglichkeiten einer ratsu-chenden Person. Innerhalb der Beratung berichtet die ratsuchende Person von verschiedenen Möglichkeiten der eigenen Zukunftsgestaltung, zwischen denen es ihr schwerfällt, Prioritäten zu setzen. Hierbei kann es sich in der Bildungsberatung z.B. um eine Entscheidung bezüglich beruflicher Verän-derungen handeln, sodass beispielsweise die Handlungsoptionen wie Studi-um, Ausbildung, Privates, Arbeiten im bisherigen Berufsfeld und finanzielle Sicherheit zunächst unvereinbar gegenüberstehen. Jede Entscheidungsmög-lichkeit geht mit positiven und negativen beruflichen, sowie privaten Verän-derungen einher.

Abb. 22: Netzwerkmethode (eigene Darstellung)

Hier setzt die Netzwerkmethode an. Sie dient dazu, Zusammenhänge zwi-schen einzelnen Optionen herzustellen und zu visualisieren. Auf einem Plakat wird mit Moderationskarten (z.B. in Wolkenform) ein Netzwerk dargestellt, um eine Struktur in das weitere Vorgehen zu bringen. Auf die Moderations-karten wird jeweils eine Handlungsoption notiert. Daraufhin werden die Be-ziehungen und die Beeinflussung der Handlungsoptionen zueinander durch Pfeile und Symbole dargestellt. Die Handlungsoption, von der am meisten Pfeile ausgehen oder auf die die meisten Pfeilspitzen zeigen, wird im Bera-tungsgespräch als erstes thematisiert.

Im Anschluss an die Netzwerkmethode wird entweder gemeinsam, oder von der ratsuchenden Person alleine als Aufgabe zu Hause, eine Hand-lungs-Matrix ausgefüllt. In dieser Matrix werden die Entscheidungsmöglich-keiten strukturiert und priorisiert. Dann wird der Frage nachgegangen, auf welche Optionen der oder die Ratsuchende aktiv Einfluss nehmen kann bzw.

welchen passiven unveränderbaren Faktoren sie ausgesetzt ist. Die Aufstel-lung erfolgt in kurz-, mittel- und langfristige HandAufstel-lungsoptionen.

Material: Phase/Funktion: Anliegen: Zeit:

1. Vorbereitung: Flipchart und einen Stift bereitlegen, sowie die Handlungs-matrix ausdrucken.

2. Methode einleiten: Die ratsuchende Person beschreibt viele Entschei-dungs- und Handlungsoptionen, die jedoch alle gleichrangig attraktiv oder schwer zu realisieren erscheinen. Sie äußert den Wunsch, Unterstützung bei der Entscheidungsfindung zu erhalten. Sie als Berater, fassen nun das Anliegen zusammen und teilen der ratsuchenden Person mit, dass Sie eine geeignete Methode zum Einsatz in Entscheidungsfindungsprozessen ken-nen. Sie erläutern den Ablauf der Netzwerkmethode und den Nutzen der Moderationskarten.

3. Kernphase: Sie stehen nun an der Flipchart und bitten die ratsuchende Per-son erneut ihre Handlungsoptionen zu nennen. Diese notieren Sie jeweils auf einer Moderationskarte (Wolke). Im Anschluss lenken Sie die Aufmerk-samkeit der ratsuchenden Person auf die Beziehungen zwischen den Opti-onen. „Wie stehen die einzelnen Optionen in Wechselwirkung zueinander?“

Die Beziehungen werden durch Pfeile mit einer Pfeilspitze dargestellt. An diese Pfeile werden zur Visualisierung einer positiven (+) oder negativen (-) Beeinflussung entsprechende Symbole gezeichnet. Falls zwei Optionen in Widerspruch zu einander stehen, wird der Pfeil mit einem Blitz-Symbol versehen. Hierbei können folgende Fragen die ratsuchende Person zu Über-legungen anregen: „Sind Option A und B miteinander vereinbar?“; „Die Wolke C steht nun ganz für sich, sehen sie Zusammenhänge zu anderen Wolken?“.

Falls innerhalb dieser Phase weitere Handlungsoptionen zur Sprache kom-men, werden diese auf neue Moderationskarten ergänzt.

4. Abschluss und Transfer: Zuletzt können die Fragen „Wenn Sie sich das Netzwerk so anschauen, was steht für Sie im Fokus? Was ist Ihnen besonders wichtig?“ zum Ausfüllen der Matrix überleiten. Anhand der erarbeiteten

Vernetzung der „Wolken“ auf dem Flipchartplakat betrachtet die ratsu-chende Person erneut alle Handlungsoptionen und hebt wichtige Optionen hervor. Ansonsten lenkt der Berater oder die Beraterin einen besonderen Fokus auf die Option von der am meisten Pfeile ausgehen bzw. auf die am meisten Pfeile zeigen. Anschließend laden Sie die ratsuchende Person dazu ein, Optionen umzuformulieren, sollte sich z.B. eine Kombination aus zwei Optionen zusammenführen lassen. Außerdem bieten Sie an, Optionen, die in weiteren Handlungsschritten nicht mehr berücksichtig werden sollen, vollständig zu streichen. Im Anschluss wird die Matrix erklärt. Diese erhält die ratsuchende Person als Ausdruck ausgehändigt. In die erste Spalte der Handlungsmatrix werden alle Entscheidungs- und Handlungsmöglichkei-ten eingetragen. Für jede dieser Handlungsoption wird notiert, was das Vorhaben genau beinhaltet: wie, (bis) wann und mit wem diese Schritte um-gesetzt werden und welche zusätzlichen Informationen zur Entscheidungs-findung ggf. noch fehlen. Diese Matrix wird je nach zeitlichen Ressourcen entweder innerhalb der Beratung oder von der ratsuchenden Person allei-ne Zuhause ausgefüllt.

Kommentar zum Einsatz

Voraussetzungen für den Berater bzw. die Beraterin: Der oder die Bera-tende sollte Grundwissen über systemische Beratung mitbringen und selbst in der Lage sein, Zusammenhänge und Abhängigkeiten schnell mitzudenken.

Anliegen: Die ratsuchende Person äußert ein Entscheidungsproblem, formu-liert mehrere Handlungsoptionen und ist unsicher, welches Ziel/Handlungs-option zuerst angegangen werden soll.

Phase im Beratungsgespräch: Die Netzwerkmethode wird im Übergang von der Mittel- zur Endphase der Beratung eingesetzt. Die Visualisierungsmetho-de basiert darauf, dass grundlegenVisualisierungsmetho-de Informationen über Visualisierungsmetho-den Beratungsan-lass und Inhalt bereits thematisiert wurden und nun in eine Reihenfolge und Ordnung gebracht werden müssen. Wird die Netzwerkmethode erfolgreich durchgeführt, kann sie zum Abschluss des Beratungsverhältnisses überleiten.

Schwierigkeiten/Barrieren: Die Methode dient zur Unterstützung der rat-suchenden Person durch den Berater oder die Beraterin. Er oder sie fordert die ratsuchende Person allerdings auch auf, vernetzt mitzudenken und sich von Wechselwirkungen zwischen Optionen nicht verwirren zu lassen. Es be-steht die Gefahr, dass das „Chaos im Kopf“ der ratsuchenden Person während der Umsetzung der Netzwerkmethode zu einem Chaos auf dem Papier über-tragen wird und die Wolkenabbildung inklusive der Pfeilverbindungen sehr unübersichtlich ist. In diesem Fall ist es wichtig, die ratsuchende Person nicht alleine zu lassen, sondern auch unterschwelligen Anteilen, die emotional mit den verschiedenen Handlungsoptionen verbunden sind, Raum zu geben. Nur

so kann sie sich auch von Optionen trennen oder eingefahrene Du-müsstest- Eigentlich-Lösungsideen dementsprechend verändern, dass sie individuell für sie stimmig werden.

Die Handlungsmatrix

Vorhaben Was? Wie? (Bis) wann? Mit wem? Zusätzliches?

Option A Option B ...

Abb. 23: Die Handlungsmatrix der Netzwerkmethode (s. Vogelauer 2011) Zum Weiterlesen

Vogelauer, Werner (2011): Methoden-ABC im Coaching. Praktisches Handwerks-zeug für den erfolgreichen Coach. 6. Aufl. Köln, S. 199 ff.

Beratungsbeispiel […]

Berater [B]: Sie hatten ja von mehreren Möglichkeiten für Ihre Zukunft gesprochen, welche verschiedenen Handlungsoptionen haben Sie?

Ratsuchender [R]: Also, ich würde ja gerne mein Hobby Yoga weiter ausbauen, ich weiß nicht, ob man das irgendwie als Beruf, also ob man das irgendwie so ändern kann, dass ich Kurse gebe. Also Yoga macht mir auf jeden Fall sehr viel Spaß und ich möchte das in Zukunft auch noch intensiver betreiben [Pause]

B: Dann schreibe ich das mal auf. [B. visualisiert] Eine berufliche Veränderung also?

R: Ja. [Pause B. schreibt] Also ich möchte einen Job finden, der mir sehr viel Spaß macht. Ich glaube, das ist dann nicht in so einem kaufmännischen Beruf, [lacht]

aber gleichzeitig möchte ich ja auch eine Balance zu meiner Familie haben, also ich möchte auf keinen Fall weniger Zeit mit meinen Kindern verbringen.

B: Okay, dann notiere ich das auch direkt. Was haben Sie noch für Ziele, für ihre private oder berufliche Zukunft?

R: Ja, einen Trainerschein zu machen, damit ich beruflich Yoga-Kurse geben kann.

B: [B notiert] Trainerfortbildung nenne ich das jetzt einmal.

R: Also, da muss ich mich dann ja erstmal weiterbilden, damit ich das überhaupt ma-chen kann. [Pause] Das darf auch nicht zu lange sein und zu viel kosten darf es

ja auch nicht. Also mit Kindern hat man ja nie viel Geld und als alleinerziehende Mutter muss ich ja schon sehr auf meine Finanzen achten. Außerdem möchte ich unabhängig sein von meinem Ex-Mann und wenn ich dann jetzt erstmal tausende von Euro in die Weiterbildung investieren muss, wäre das ja auch eher das gegen-sätzliche Ziel.

B: So wie sie das gesagt haben, schreibe ich das jetzt einfach mal auf. Finanzielle Unab-hängigkeit und zur Trainerfortbildung, dass die kostengünstig sein sollte.

[…]

B: Betrachten wir das jetzt alles einmal und schauen wo Sie Zusammenhänge erken-nen.

R: Also wie gesagt die Behinderung sehe ich jetzt erstmal in der beruflichen Verände-rung, und der Zeit mit den Kindern.

B: Die beiden Optionen stehen im Widerspruch?

R: Ja, auch die Trainerfortbildung [Pause], die sehe ich jetzt auch erstmal als viel Stress und Belastung an und das ist dann ja die berufliche Veränderung, deswegen würde ich da jetzt eher eine negative Auswirkung auf die Familie sehen. [B visualisiert]

Aber die Yoga-Kurse und der Spaß in dem Beruf sind auf jeden Fall positiv verknüpft.

Ich mache Yoga jetzt schon seit vielen Jahren und ich werde immer besser und ich habe auch schon gemerkt, dass ich Freude daran habe Menschen weiterzuhelfen und ich habe auch schon verschiedene Workshops besucht. Das macht mir Spaß.

[kurze Pause] Ein Pluspunkt ist natürlich die finanzielle Unabhängigkeit, das trägt auch dazu bei, dass ich Freude im Beruf habe, weil ich endlich von meinem Ex-Mann unabhängig bin und das macht die Berufsausübung natürlich wesentlich attraktiver für mich. [Pause] Aber diese finanzielle Unabhängigkeit, sehe ich in dem nächsten Zeitraum, wenn ich eine Fortbildung anfange, erstmal gefährdet.

B: Ja. [Visualisiert während R. spricht]

[…]

B: Wenn wir das jetzt so betrachten, was sehen Sie, was steht im Fokus?

R: [Pause] Das konzentriert sich alles schon sehr auf die Fortbildung oder Weiterbil-dung, denn die hat positive Auswirkungen auf meine finanzielle Unabhängigkeit und das finde ich sehr gut. Und die finanzielle Unabhängigkeit bringt ja auch den Spaß irgendwie. Ja aber der größte Konfliktpunkt ist die Zeit mit den Kindern, denn da sehe ich einen Blitz zur Weiterbildung.

B: Wie organisieren Sie es denn bisher, wenn Sie Ihre Yoga-Kurse besuchen?

R: Hm, Sie meinen, dass ich dafür ja jetzt auch schon Zeit aufwende.

5.5.10 Lebensrad/Lebensstern