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Bodenanker (Rahel Dina Hackert)

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

5.5 Methodenbeispiele

5.5.2 Bodenanker (Rahel Dina Hackert)

Kurzbeschreibung

Ein Bodenanker ist die Repräsentation eines zeitlichen, örtlichen und/oder emotionalen Ereignisses, welches symbolisch an einer bestimmten Stelle am Boden platziert wird. Durch die Schilderungen eines Problems oder Sachlage des oder der Ratsuchenden, können bestimmte Bodenanker benannt und im Raum verteilt werden. Es besteht die Möglichkeit, die Stellen am Boden durch beschriftete Zettel zu kennzeichnen. Der bzw. die Ratsuchende soll sich dann auf den jeweiligen Bodenanker begeben und gedanklich in die Situation hin-einversetzen.

Diese Methode eignet sich besonders zur Problemklärung. Sie ist eine Beratungsmethode, die mit dem Körper arbeitet. Durch die Aktivierung des Körpers sieht der oder die Ratsuchende nicht nur seine bzw. ihre Hand-lungsoptionen, Lösungen, nächste Schritte etc., sondern kann diese auch

„nachfühlen“. Diese Methode kann gut eingesetzt werden, wenn der oder die Ratsuchende schon einige Handlungsoptionen reflektiert hat und überlegt, wie die nächsten Schritte aussehen können. Durch das Einnehmen der Bo-denanker und das innerliche Hineinbegeben in die bestimmten Situationen, können Hemmnisse abgebaut werden.

Material: Phase/Funktion/Anliegen: Zeit:

Zettel

Stifte

Freie Bodenfläche

Ressourcenaktivierung, Vorbereitung der Entscheidungsfindung

Klärung des Anliegens

ab 30 Min.

Ablauf der Beratung:

1. Vorbereitung: Für die Bodenanker können Sie Zettel und Stifte bereitlegen.

Falls nötig, ein wenig Platz im Raum schaffen.

2. Methode einleiten: Oft ergibt sich schon im Beratungsgespräch eine Situ-ation, in welcher der oder die Ratsuchende über eine Problemlage spricht und eventuell einige nächste Schritte benennt, ihm oder ihr aber noch nicht klar ist, was nun zu tun ist. In diesem Fall können Sie die Methode kurz vor-stellen und sich mit dem Ratsuchenden zusammen in den Raum begeben.

Der bzw. die Ratsuchende kann aber auch über verschiedene Handlungsop-tionen sprechen und einige Vor- und Nachteile benennen. Hier eignet sich die Methode auch gut, um ein Gespür für die verschiedenen Handlungsopti-onen zu bekommen. Wie fühlt es sich an, diese Option zu wählen?

3. Kernphase: Zuerst ist es wichtig, mit Hilfe des oder der Ratsuchenden das Problem oder eine Handlungsoption zu benennen. Diese wird dann auf ei-nen Zettel geschrieben und im Raum platziert. Der oder die Ratsuchende soll sich nun auf den Bodenanker stellen und sich in die Situation hineinfüh-len und schildern, wie es sich anfühlt, was er oder sie ändern, verbessern oder stärken möchte. Dabei ist es wichtig, zu ergründen, was dazu benötigt wird, um eine Situation zu verändern oder zu verbessern. Diese Begriffe können als weitere Bodenanker fungieren.

Mögliche Bodenanker können sein: (1) Problemzustand, (2) Zielbestimmung, (3) Muster des Gelingens, (4) Integration von Einwänden und (5) der nächste Schritt. Durch gezielte Fragen kann der Berater bzw. die Beraterin dem oder der Ratsuchenden dabei helfen, sich in die Situation hinein zu fühlen. Mit Hil-fe von bspw. systemischen Fragen, kann der Berater oder die Beraterin dem oder der Ratsuchenden dabei helfen, bestimmte Situationen zu klären und zu konkretisieren. Frage nach den Umständen: „Wodurch macht sich das Problem bemerkbar?“. Frage nach den Zielen und Wünschen: „Woran würden Sie Erfolg/

Misserfolg bemerken/festmachen?“; „Was ändert sich, wenn das Problem gelöst ist?“, sowie eine Erweiterung der Perspektive ermöglichen. Frage nach Intensi-tät und Bedeutung: „Welche Aspekt sind eher wichtig/eher unwichtig?“; „Wann ist das Problem stärker/schwächer/förderlich/hinderlich?“. Die Einnahme einer Au-ßenperspektive kann z.B. durch eine Frage eingeleitet werden, wie: „Wie würde X dieses Problem/diese Situation beschreiben?“. Zudem kann der Berater oder die Beraterin durch gezielte Fragen auch die Ressourcen des Ratsuchenden ins Gedächtnis rufen: „Was wurde bereits unternommen, um das Problem zu lösen?“;

„Wo kommt Energie für Lösungen her?“; „Wie wurde ein ähnliches Problem er-folgreich bewältigt?“; „Wer könnte am meisten zu einer Lösung beitragen und wie können Sie das erreichen?“. Diese Fragen eignen sich besonders, um den oder die Ratsuchenden zu unterstützen sich in die Situation hineinzuversetzen und gibt Denkanstöße (vgl. Girsberger, Andri 2012: 8ff.).

4. Abschluss und Transfer: Nachdem der oder die Ratsuchende sich auf jeden Bodenanker gestellt, sich in die Situation hineingefühlt hat und durch geziel-te Fragen durch die Situationen begleigeziel-tet wurde, können Sie sich gemein-sam mit dem oder der Ratsuchenden wieder setzen und die Bodenanker betrachten. Nun soll der bzw. die Ratsuchende erzählen, wie er oder sie sich auf den einzelnen Bodenankern gefühlt hat, was er bzw. sie gelernt hat und welche Lösung bzw. nächsten Schritte sich für ihn oder sie am besten oder am selbstverständlichsten angefühlt haben. Der oder die Ratsuchende kann nun zusammen mit dem Berater bzw. der Beraterin die nächsten Schritte benennen.

Abb. 14: Bodenankeraufb au und -bewegung mit beispielhaft er Laufrichtung (eigene Darstellung)

Variante: Sie können mit den Ratsuchenden auch erst die Bodenanker sam-meln, anfertigen, dann im Raum platzieren und anschließend den Ratsuchen-den auswählen lassen, welchen BoRatsuchen-denanker er oder sie einnehmen möchte.

Durch gezielte Fragen können Sie die ratsuchende Person dann durch die Situ-ationen begleiten. Wichtige Fragen können hier sein: „Welche Position möchten Sie einnehmen?“; „Wie geht es Ihnen in dieser Position?“; „Was erscheint Ihnen als nächstes wichtig?“. Auch Positionen, die der oder die Ratsuchende meidet, können ins Beratungsgespräch integriert werden, z.B. durch die Frage: „Wie müsste sich diese Position verändern, um sie einnehmen zu können?“.

Kommentar zum Einsatz

Anliegen: Die Methode eignet sich vor allem, um Probleme zu klären und Hemmnisse und Ängste bezüglich der Lösungsumsetzung abzubauen. Sie ist in der Mittelphase des Beratungsgesprächs zu verorten und zwar vor allem zur Ressourcenaktivierung. Allerdings kann sie auch in der ersten Phase, zur Klärung des Anliegens genutzt werden.

Dem oder der Ratsuchenden erleichtert die Verwendung von Bodenan-kern, die geankerte Situation von den anderen am Boden geankerten Situa-tionen abzugrenzen. Zudem ermöglicht die Methode dem Berater oder der Beraterin an der Körpersprache des Ratsuchenden, auf den einzelnen Bo-denankern, die stattfindende Veränderung abzulesen und gegebenenfalls zu unterstützen. Des Weiteren werden durch die Bewegung des Ratsuchenden, Prozesse in Gang gesetzt, die zu besseren Ergebnissen führen können, als wenn der Prozess „nur im Kopf“ durchlaufen wird, da wirklich schon „echte Schritte“ auf den Lösungsweg gegangen werden.

Schwierigkeiten/Barrieren: Mögliche Schwierigkeiten und Barrieren zur Anwendung dieser Methode kann der fehlende Platz im Beratungsraum sein oder dass der Beratungsraum von außen einsehbar ist. Dieser Schwierigkeit kann man begegnen, indem man die Bodenanker nicht auf den Boden legt, sondern auf einem Tisch ausbreitet und die Zettel oder Gegenstände als Stellvertreter auslegt. Der oder die Ratsuchende kann dann im weiteren Verlauf der Methodendurchführung die Bodenanker in die Hand nehmen und sich dann so gedanklich in die Situation begeben. Zudem gibt es Menschen, die nicht so im Kontakt mit ihrem Körper sind und Schwierigkeiten haben, sich in die einzelnen Situationen hineinzufühlen. Auch hier eignet sich dann die Alternative auf dem Tisch.

Außerdem sollte man darauf achten, dass der Berater oder die Berate-rin die ratsuchende Person nicht von einer Position auf die andere „schickt“, sondern dass die Ratsuchenden behutsam durch den Prozess geleitet werden.

Sonst können „Pseudo-Lösungen“ entstehen.

Zum Weiterlesen

Lindemann, Holger/ Rosenbohm, Christiane (2012): Die Metaphern-Schatzkiste.

Systemisch arbeiten mit Sprachbildern. Göttingen.

Girsberger, Andri (2012): Methodenhandbuch. System- und lösungsorientierter Interventionen. Trogen, S. 8–12. Online-Zugang unter: http://zaep.org/tl_

files/erlebniswelten/downloads/Methodenhandbuch_zaep.pdf (abgerufen am 28.10.2016).

Beratungsbeispiel

Eine Studentin ist unzufrieden mit ihrem Nebenjob. Die Arbeit und das Studium sind leider schwer vereinbar, da die Arbeitszeiten nicht flexibel eingeteilt werden können. Sie ist sich darüber unklar, ob sie den Nebenjob in der Jugendhilfeeinheit behalten möchte oder ob sie sich einen neuen Nebenjob suchen soll, der besser mit dem Studium vereinbar ist.

Berater [B]: Mhm. Okay. Also das eigentliche Problem, wie Sie es geschildert haben, ist dann, dass Sie sich sehr ausgelastet fühlen, da die Arbeitszeiten immer feststehen und Sie sich nicht auf das Eine, auf die Uni oder den Job konzentrieren können und beides zusammen ist gerade zu viel für Sie. Vom zeitlichen Faktor her oder auch vom Stressfaktor?

Ratsuchende [R]: Die zeitliche Komponente stresst mich, dass ich alles so super getak-tet haben muss, und ich finde einfach, manchmal brauche ich viel Zeit für die Uni Vor-bereitungen, um mich in sämtliche Themen einzuarbeiten und dann habe ich aber nur drei Stunden, dann muss ich schon wieder arbeiten und nach der Arbeit bin ich dann erschöpft und es fällt mir schwer, mich dann nochmal konzentriert an die Uni-Sachen zu setzen. Am nächsten Tag habe ich dann wieder Uni und finde dann auch keine Zeit,

mich in die Themen einzuarbeiten. Wenn ich mich wieder mit dem Thema beschäfti-gen kann, sind schon wieder mehrere Tage verstrichen und das stresst mich.

B: Sollen wir die Ausgangssituation als Unzufriedenheit mit dem Zeitmanagement be-nennen?

R: Ja, das klingt gut.

B: Ja, okay. Dann ist [... lange Pause ...] also ist das Problem zum einen das Zeitmanage-ment und zum anderen, dass Sie nicht ganz sicher sind, ob Sie jetzt lieber als Stu-dentische Hilfskraft arbeiten wollen oder diesen Nebenjob weitermachen wollen.

Ein Ziel wäre dann eine Entscheidungsfindung. Ja, [schreibt] die Entscheidungsfin-dung beim Job. Dann würde ich Ihnen vorschlagen, sich auf eine Position zu stellen, die Sie einnehmen möchten. Wie ich sehe, möchten Sie die Zielsituation einneh-men. Stellen Sie sich ruhig auf die Karte oder neben die Karte und betrachten Sie das mal aus dieser Situation. Sie haben jetzt den Job gefunden, wo Sie Ihr Studium noch gut mit unter einen Hut bekommen, wo Sie aber auch Erfahrungen sammeln, die Sie bereichern, vielleicht in dem Job in dem Sie schon arbeiten oder vielleicht in einem anderen Job. Was müsste dafür geschehen? Was könnte Ihnen dabei helfen, um diese Entscheidungsfindung zu ermöglichen?

R: Puuh. [… lange Pause ...] Also als ich angefangen habe … also als ich mich für diesen Job beworben hatte, haben sie gesagt, dass sie jemanden suchen, der langfristig da arbeiten möchte und ich glaub‘, dass es für mich ein bisschen schwierig ist, jetzt einfach nach etwas Neuem zu suchen. Ja, ich fühl mich da schon ein bisschen ver-antwortlich. Ich arbeite erst seit zwei Monaten dort und denke darüber nach, dass der Job doch nicht so gut passt in meine jetzige Situation. Und lasse die dann schon allein. Ich glaube, damit ich eine Entscheidung treffen kann, für oder gegen den Job, möchte ich gerne daran arbeiten, wie ich mich nicht mehr so verantwortlich für den Job und meine Kollegen fühle. Ich fühle mich dort so verpflichtet. Dabei ist es doch nur ein Nebenjob.

5.5.3 Tetralemma