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Lebensrad/Lebensstern (Theresa Heimann)

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

5.5 Methodenbeispiele

5.5.10 Lebensrad/Lebensstern (Theresa Heimann)

Kurzbeschreibung

Das Lebensrad oder der „Lebensstern“ (Bamberger 2010: 110) dient als Me-thode der lösungsorientieren Beratung zur Visualisierung bei Unzufrieden-heit bezüglich unterschiedlicher Lebensbereiche des oder der Ratsuchenden.

Die Bezeichnung „Rad“ oder „Stern“ bezieht sich auf die gemeinsam erarbeite-te Zeichnung während der Durchführung der Methode. Die Zeichnung beserarbeite-teht aus einem großen Kreis, unterteilt in einzelne „Kuchenstücke“, die sich jeweils auf einen Lebensbereich des oder der Ratsuchenden beziehen (z.B. Familie, Beruf, Zeit für mich, Gesundheit, Beziehung, Freunde etc.). An die einzelnen Linien, die sich vom Mittelpunkt des Kreises bis zur Außenlinie ziehen, wird eine Skala im Wert von 1-10 eingetragen, welches die Zufriedenheitsskala zu dem jeweiligen Lebensbereich darstellt. Für diejenigen Bereiche, in denen der oder die Ratsuchende noch unzufrieden ist, erarbeiten der oder die Ratsu-chende und der oder die Beratende auf einem A4-Blatt Möglichkeiten, die zur Veränderung und zur Verbesserung der Zufriedenheit in diesem Bereich bei-tragen könnten.

Abb. 24: Mehrere Lebensbereiche mit jeweiligen Skalierungen im Lebensstern (eigene Darstellung)

Zunächst findet die Methode Verwendung in der Berufs- oder Studienbera-tung. Weitere Anliegen können ebenfalls die Beziehungssituation oder die persönliche Lebensqualität und Work-Life-Balance betreffen (vgl. Rauen, 2008: 153). Die Methode kann gut eingesetzt werden, wenn der bzw. die

Rat-suchende im Beratungsgespräch äußert, mit der eigenen Lebenssituation un-zufrieden zu sein und selbst nicht weiß, wie er oder sie etwas verändern und dadurch verbessern soll. Mit dem Lebensrad kann also eine Visualisierung der Problemlage und zum anderen ein strukturierter Lösungsweg gefunden werden. Der Beratungsprozess mit Hilfe des Lebensrads hat zum Ziel, vom Ist-Wert zum Soll-Ist-Wert einer oder mehrerer der Kategorien zu gelangen.

Material: Phase/Funktion: Anliegen: Zeit:

DinA3- oder Flipchartpapier

DinA4-Papier

Stifte

Mittelphase: Ziel- und

Lösungserarbeitung Lösungsfindung,

Verbesse-rung der Lebensqualität ab 45 Min.

Ablauf der Beratung

1. Vorbereitung: Auf das DIN-A3 Papier oder Flipchartpapier können Sie ei-nen großen Kreis zeichei-nen oder bereits vor der Beratung eine Kopie anfer-tigen.

2. Methode einleiten: Häufig ergibt sich im Beratungsgespräch eine Situa-tion, in welcher der bzw. die Ratsuchende seine bzw. ihre Unzufriedenheit bezüglich der jetzigen Lebenssituation äußert. Womöglich werden ver-schiedene Veränderungsmöglichkeiten aufgezählt, dennoch ergibt sich kei-ne handlungsorientierte Lösung für die Unzufriedenheit des Ratsuchenden, oder alle Bereiche sind so voneinander abhängig, dass der bzw. die Ratsu-chende keinen Anfang findet. In diesen Fällen können Sie dem oder der Rat-suchenden einen systematischen Überblick über ihre bzw. seine Situation anhand des Lebensrades vorschlagen.

3. Kernphase: Der bzw. die Ratsuchende berichtet bereits während des Bera-tungsgesprächs über Themen, die ihn bzw. sie unzufrieden machen und in denen er bzw. sie sich handlungsunfähig fühlt. Die Aussage „Sie haben jetzt schon einige Bereiche genannt, in denen Sie unzufrieden sind, welche Themen spielen in Ihrem Leben noch eine wichtige Rolle?“, eröffnet das Auflisten der unterschiedlichen Lebensthemen. Es ist hilfreich, die ratsuchende Person darauf hinzuweisen, dass verschiedene Lebensthemen mit ihren Vor- und Nachteilen benannt wurden und das Lebensrad/der Lebensstern nun dazu dienen soll, die Zufriedenheit in den unterschiedlichen Bereichen zu visua-lisieren. Daher sollten Sie den bzw. die Ratsuchenden bei Ihren Einzeich-nungen und der konkreten Benennung der Kategorien mit einbeziehen.

Gegebenenfalls fragen Sie beim Ratsuchenden nach, wie Sie das Lebensthe-ma als die für ihn geeignetste Kategorie im Lebensrad/Lebensstern benen-nen sollen.

Sobald alle Themen benannt wurden, kann der Prozess des Einzeich-nens der unterschiedlichen Lebensthemen an den Rand des Lebensrads beginnen. Hierbei sollte die Anzahl der Themen berücksichtigt werden, sodass gleich große Kuchenstücke im Lebensrad eingezeichnet werden können. Um das Lebensrad nicht zu komplex werden zu lassen, empfiehlt es sich, bis zu ca. acht Lebensbereiche zu nennen. Um die Vielfalt unter-schiedlicher Kategorien darstellen zu können, wurden in der Abbildung (s. Abb.  24) zwölf Lebensbereiche dargestellt.

Nachdem alle Themenbereiche vom Beratenden eingezeichnet wur-den, empfiehlt es sich, das Lebensrad/den Lebensstern und einen Stift an den oder die Ratsuchenden weiterzureichen. Nun kann der bzw. die Ratsu-chende über jeden Lebensbereich noch einmal kurz nachdenken und sich dann für einen Zufriedenheitswert anhand der Skala entscheiden. Dabei kann der bzw. die Ratsuchende laut erzählen, ist dazu aber nicht gezwun-gen. Die Reihenfolge, mit welchem Thema er bzw. sie als erstes beginnt, ist dabei nicht entscheidend.

4. Abschluss und Transfer: Nachdem das Lebensrad/der Lebensstern vom Ratsuchenden mit den jeweiligen Werten gekennzeichnet wurde, kann der bzw. die Beratende die einzelnen Punkte miteinander verbinden, sodass die graphische Darstellung eines Rads oder Sterns entsteht (vgl. Bamber-ger 2010: 111). Nun kann der bzw. die Beratende die ratsuchende Person zunächst fragen, was er oder sie beim Anblick des Lebensrads empfindet.

Um das Thema, welches dem bzw. der Ratsuchenden am meisten am Her-zen liegt, weiter bearbeiten zu können, kann z.B. gefragt werden „Gibt es einen bestimmten Punkt der besonders auffällig für Sie ist?“ oder „Welcher Punkt wäre der, an dem Sie am liebsten sofort etwas ändern würden?“. Wenn dieser Themenbereich feststeht, können auf dem DinA4-Blatt in einer Art Brainstorming Veränderungsmöglichkeiten gesammelt werden, um dem Zielwert der Zufriedenheit näher zu kommen. Nach dem Auflisten mehrerer Optionen, sollten diese mit dem bzw. der Ratsuchenden zusammen bewer-tet werden. Es sollte darauf geachbewer-tet werden, welche Optionen umsetzbar und welche eher weniger in die Praxis umzusetzen sind. Abschließend kann dadurch eine Handlungsoption festgelegt werden, welche als nächster Schritt vom Ratsuchenden wirklich durchgeführt werden kann.

Variante: Das Lebensrad/der Lebensstern könnte auch von den Ratsuchen-den selbst ausgefüllt werRatsuchen-den, sodass man ihm oder ihr Ratsuchen-den Vordruck für zu Hause mitgibt. Das Lebensrad/der Lebensstern kann auch, falls mehrere nied-rige Skalierungswerte vorgefunden werden, d.h. in vielen Bereichen eine hohe Unzufriedenheit herrscht, wiederverwendet werden. In darauffolgenden Sit-zungen können weitere Handlungsmöglichkeiten bezogen auf ein anderes Le-bensthema gesammelt werden und in einigem zeitlichen Abstand eine neue Linie in anderer Farbe zum Vergleich eingezeichnet werden. Am Ende der

Be-ratungsphase könnte die Methode noch einmal zur Visualisierung der positi-ven Entwicklung durchgeführt werden.

Die Methode kann ebenfalls mit Hilfe von Kreppband und Methodenkar-ten auf dem Boden durchgeführt werden, um einen Perspektivenwechsel beim Ratsuchenden anzuregen (vgl. Rauen, 2008: 154).

Kommentar zum Einsatz

Zielgruppe: Es gibt keine Einschränkungen bei der Auswahl der Zielgruppe.

Anliegen: Lösungsfindung, Verbesserung der Lebensqualität, „Standortbe-stimmung“.

Phase im Beratungsgespräch: Die Methode kann vor allem in der Mittelpha-se der Beratung durchgeführt werden. Der bzw. die Ratsuchende äußert Mittelpha-seine Unzufriedenheit bezüglich verschiedener Themen und findet selbst keine Lö-sungsansätze.

Schwierigkeiten/Barrieren: Dem bzw. der Rastsuchenden könnte zunächst das Festlegen der Lebensthemen und besonders das Zuordnen der Skalie-rungswerte schwerfallen. Speziell bei komplexen Themen wie der Kategorie

„Beziehung“, welche mehrere gute und schlechte Seiten haben kann, kann das Zuordnen eines Zahlenwertes Schwierigkeiten mit sich bringen. Das Lebens-rad/der Lebensstern ist daher eher als Momentaufnahme des emotionalen Zustandes des Ratsuchenden einzuschätzen.

Zum Weiterlesen

Bamberger, Günter G. (2010): Lösungsorientierte Beratung. Praxishandbuch.

Weinheim/Basel.

Rauen, Christopher (2008): Coaching-Tools I. Bonn.

Beratungsbeispiel

Beraterin [B]: Also was ich bisher schon weiß, ist, dass Sie sehr unzufrieden mit Ihrer jetzigen Lebenssituation sind. Erzählen Sie doch einfach mal, was in Ihrem Leben gera-de aus Ihrer Sicht wichtig ist.

Ratsuchende [R]: Also ja, ich arbeite zurzeit [...] und ich bin Verwaltungsfachangestell-te bei der Stadt. Ich hab’ ‘ne WeiVerwaltungsfachangestell-terbildung gemacht, zur Verwaltungsfachwirtin und ja, bin jetzt grad in ‘ne neue Abteilung gekommen.

B: Gut. Dann könnten wir Beruf ja schon als ein Thema aufnehmen.

[…]

B: Okay, dann haben wir jetzt insgesamt sechs Bereiche und das würde ich sagen reicht jetzt erst mal so, es sei denn, es gibt noch irgendetwas was Ihnen fehlt.

R: Ne, ich weiß nicht wie das ist mit Sachen, die man dann zur Entspannung macht,

B: Zeit für sich oder [...], Ich-Zeit könnten wir gerne auch mit reinnehmen.

R: Ja, würde ich auch so mit reinnehmen.

[…]

B: Also, wenn Sie Ihre Lebensthemen nun bewerten, ist immer spannend, wenn Sie irgendwie versuchen, laut dabei zu denken, aber das müssen Sie natürlich nicht.

Also Sie haben hier dann den einen Lebensbereich und sie können die Bereiche auch durcheinander bewerten, das ist dann jetzt auch erst mal Ihr Part, bevor es dann weitergeht.

R: Ja also, bei der Arbeit, da bin ich eigentlich froh, dass ich diese Weiterbildung ge-macht hab’ und jetzt auf ‘ne höhere Position gekommen bin. Ich hab’ nur in der letzten Zeit so oft den Bereich gewechselt und jetzt bin ich wieder die Neue und irgendwie ist meine Chefin auch richtig anstrengend, deswegen glaub ich würde ich eher sagen, ja vielleicht ‘ne vier auf der Skala oder so [markiert den Wert 4 auf der Skala].

R: Ja also die Ehe ist auch gut, aber irgendwie ist es halt sehr anstrengend, dass mein Mann immer so lange, so lange mit dem Studium braucht und meine Familie dann immer so ‘n Druck ausübt, weil die das halt nicht so nachvollziehen können, dass man so lange studiert und weil meine Eltern ja auch nicht studiert haben und das nicht nachvollziehen können und so warum man jetzt für den Master nochmal ge-nauso lange braucht wie für den Bachelor. Naja und das belastet mich schon, daher würde ich mal sagen so ‘ne sechs.

B: Okay ja.