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Stolpersteine (Julia Stübner und Christina Hölscher)

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

5.5 Methodenbeispiele

5.5.1 Stolpersteine (Julia Stübner und Christina Hölscher)

Julia Stübner und Christina Hölscher Kurzbeschreibung

Als Stolpersteine werden in dieser Methode Aspekte bezeichnet, die dem oder der Ratsuchenden bei der Problemlösung im Weg stehen. Diese werden auf Moderationskarten geschrieben. Aus den Stolpersteinen wird eine Mauer ge-baut, die im Laufe des Beratungsgespräches nach und nach abgebaut werden kann.

Diese Symbolmethode kann besonders gut eingesetzt werden, wenn es um ein sehr komplexes Problem geht, welches sich aus mehreren Teilaspek-ten oder Teilproblemen zusammensetzt.

Material: Phase/Funktion: Anliegen: Zeit:

• Rechteckige Moderationskarten

• Flipchartpapier

• Klebeband/

Pinnnadeln

Transparente Darstellung der eigenen Probleme Erarbeitung von kon- struktiven Lösungswegen

Problembewältigung zur Erreichung eines Ziels

ca. 40 Min.

Ablauf der Beratung

1. Vorbereitung: Zunächst sollten Moderationskarten bereitgelegt werden.

Diese stellen später beschriftet die Ziegelsteine der Mauer dar. Außerdem wird eine freie Wand und/oder eine Pinnwand benötigt.

2. Methode einleiten: Zunächst wird das Problem des oder der Ratsuchen-den auf ein Plakat/Flipchart geschrieben. Mit dem oder der RatsuchenRatsuchen-den werden nun die einzelnen Teilaspekte des Problems besprochen und auf die Stolpersteine geschrieben. Anschließend werden die Karten als Mauer an eine Pinnwand geheftet. Dabei soll deutlich werden, welche Aspekte mit-einander in Verbindung stehen und worauf die einzelnen Aspekte aufbauen.

3. Kernphase: Auf dieser Grundlage kann jetzt mit der Erarbeitung von Lö-sungsstrategien begonnen werden. Die Mauer kann dabei an verschiedenen Stellen eingerissen werden. Als erstes werden die Aspekte von den Ratsu-chenden benannt, auf die er oder sie einen Einfluss hat. Diese Aspekte wer-den aus der Mauer entfernt und an anderer Stelle angepinnt. Neben wer-den jeweiligen Stolperstein werden Lösungsideen notiert.

4. Abschluss und Transfer: Wurden alle Ideen genannt, wird ein Plan zur Realisierung aufgestellt. Dabei wird geklärt, welche Schritte bis wann und von wem gemacht werden sollen. Als letztes werden die übrig gebliebenen Stolpersteine aufgegriffen. Oft hat der oder die Ratsuchende nicht auf alle Steine Einfluss, deshalb können einige übrig bleiben, was jedoch durchaus sein darf. Wichtiger ist, dass sie im Beratungsgespräch thematisiert wer-den. Auch das Annehmen von Aspekten, die sich nicht verändern lassen, kann einen Teil von Lösung- und Entscheidungsprozessen darstellen.

Variante: Erfolgt die Beratung in mehreren Sitzungen, kann der Realisie-rungsplan als Inhalt für ein nächstes Gespräch dienen. Dabei kann darüber gesprochen werden, welche Maßnahmen bereits umgesetzt wurden und wo-für der oder die Ratsuchende weitere Lösungsansätze benötigt.

Kommentar zum Einsatz

Zielgruppe: Diese Beratungsmethode ist in der Bildungsberatung für fast alle Zielgruppen geeignet, da hier mit der Metapher des Stolpersteins gearbeitet wird, die in der Alltagssprache sehr bekannt ist und einen niedrigschwelligen Zugang bietet. Sie lässt sich sowohl für Einzelberatungen als auch in der Be-ratung mit mehreren Ratsuchenden, wie z.B. für Teams, anwenden. In solchen Fällen werden nicht die individuellen Stolpersteine betrachtet, sondern sol-che, die die erfolgreiche Teamarbeit behindern.

Phase im Beratungsgespräch: Die Stolperstein-Methode sollte allerdings eher in der zweiten Phase der Beratung, d.h. gegebenenfalls in der zweiten Be-ratungssitzung angewendet werden, wenn bereits eine Zielformulierung mit dem oder der Ratsuchenden stattgefunden hat. Die Methode eignet sich nicht, wenn Ratsuchende noch zwischen

verschie-denen Handlungsmöglichkeiten abwägen oder wenn nur eine Beratungssitzung erfol-gen kann. In diesem Fall reicht die Zeit für eine erfolgreiche Methodendurchführung möglicherweise nicht.

Abb. 13: Stolpersteine – Abbau der Mauer zu Lösungsansätzen (Fotos: Julia Stübner und Christina Hölscher)

Beratungsbeispiel

Beratende [B]: Hallo Herr H. Ich freue mich, dass Sie heute zu mir gekommen sind.

Möchten Sie kurz erläutern, warum Sie hier sind?

Ratsuchender [R]: Ja, mein Anliegen ist, dass ich nicht vorankomme mit meiner Mas-terarbeit. Ich finde einfach nicht die passende Zeit dafür, und das zieht sich jetzt schon eine Weile. Ich habe die Idee schon fertig und weiß eigentlich, worüber ich schreiben will. Aber es gibt so viele andere Dinge, die ich erledigen muss. Und dann ist da noch die Arbeit, mal mit Freunden unterwegs sein, Fußball, ich mach halt viel Sport. Ich find nicht die Zeit dafür, mich da groß dran zu setzen. Ich habe dann mal ‘ne Stunde Zeit, aber dann lohnt sich das nicht, sich da groß dran zu setzen. Bis man dann drin ist, muss ich schon wieder los zur Arbeit. Vor zwölf ist bei mir sowieso nichts los. Insofern bin ich da etwas überfordert.

B: Okay, ich hab‘ da gerade rausgehört, dass Sie überlegen, wie Sie das Zeitmanage-ment in den Griff bekommen, um Ihre Masterarbeit anzufangen. Könnte man das so festhalten?

R: Ja, ich mache halt zu viele Sachen. Dass ich ein schlechtes Zeitmanagement habe, würde ich nicht sagen. Es ist halt schwer, in meiner Position.

B: Okay, Sie haben zu viel Stress drum herum. Ich würde Ihnen eine Methode vorschla-gen, mit der wir die verschiedenen Zeitfaktoren, die Sie so in Anspruch nehmen, visualisieren und dann symbolisch abbauen können, damit Sie Ihr Ziel – also die Masterarbeit zu schreiben – gut erreichen können.

R: Okay, gerne.

B: Sie haben gesagt, Sie haben so viele andere Sachen zu tun. Können Sie das noch genauer formulieren?

R: Das sind so viele, dass ich mir ein paar Dinge aufgeschrieben habe. Zum Beispiel eben Sport. Zweimal die Woche gehe ich zum Fußballspiel, dreimal die Woche zum Schwimmen und ab und zu Laufen, wenn ich gerade die Zeit dazu finde. Allerdings nie vor zwölf, insofern ist das schon immer mein Ablauf. Am Wochenende bin ich fast immer im Stadion oder vorm Fernseher und gucke zu, wenn der HSV spielt.

Dann sind da noch die acht Stunden Arbeit, die ich pro Woche habe. Das ist auch gar nicht so leicht unterzubringen. Und schließlich sind da noch die Freunde da, mit denen ich was unternehmen muss; Networking betreiben und solche Sachen, die da anfallen.

B: Also halte ich jetzt einmal den Freizeitsport fest, den Sie selbst betreiben.

R: Ja.

[B. schreibt nach und nach alle Aktivitäten auf Karten]

R: Ja, vielleicht noch ein Punkt. Ich bin ja nicht von hier. Insofern kommt dann auch noch oft dazu, dass ich in die Heimat fahre. Durch das Pendeln gehen dann im Mo-nat meistens auch noch zwei bis drei Tage drauf.

B: Ich halte das mal als Pendeln fest. Sie sehen, die Mauer wird immer größer. Wenn Sie sich jetzt vorstellen, dass Sie hier unten stehen und oben befindet sich Ihr Ziel, dass Sie die Masterarbeit erfolgreich meistern können, müsste man hier ja jetzt ei-gentlich einen Durchbruch schaffen. Das möchte ich jetzt mit Ihnen machen. Für jedes Mauerstück, das wir abbauen, möchte ich mit Ihnen Lösungsschritte erarbei-ten, wie Sie erreichen können, dass Sie dadurch auch mehr Zeit bekommen. Ist das in Ordnung?

R: Ich bin gespannt, wie wir das tun.

B: Wenn Sie jetzt mal Ihr einfachstes Zeitproblem erfassen. Was würden Sie sagen, was man noch am einfachsten lösen könnte? Wo könnte man am einfachsten Zeit freischaufeln?

R: So schwer es mir fällt, aber wahrscheinlich könnte ich auf ein- bis zweimal die Wo-che Sport verzichten und hätte dann vier bis fünf Stunden mehr Zeit pro WoWo-che.

B: Okay, dann nehme ich diesen Stein und klebe ihn hier auf. Ihr Lösungsvorschlag wäre, weniger Sport in der Woche zu machen?

R: Effektiver aber weniger, ja.

B: Okay, Reduzierung kann man dann ja hinschreiben. Ein bis zwei Stunden hatten Sie ja vorhin gesagt ...

R: Weniger ...

B: … Die Sie dann reduzieren wollen. Wenn Sie sich jetzt nochmal die Mauer anschau-en. Gibt es dann ähnliche Reduzierungsmaßnahmen, die Ihnen spontan einfallen würden? Wie wäre es mit Ihrer Fanliebe zum Beispiel? [...]

B: Okay, dann halte ich das einfach mal so fest. Gut. Wie Sie hier sehen, es sind nur noch drei Bausteine über. Aber Sie haben schon sehr viele Zeitressourcen geschaf-fen, dadurch, dass Sie auch Kompromisse schließen können. Ich kann mir vorstellen, dass Sie da auch viel Zeit für Ihre Masterarbeit finden können, oder?

R: Wenn ich mir das so ansehe, hätte ich ja fast zwei Tage die Woche Zeit.

B: Was wären denn jetzt Ihre nächsten Schritte, wenn Sie das jetzt so betrachten? Was steht da jetzt als nächstes an?

5.5.2 Bodenanker