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Lösungs- und Ressourcenorientierte

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

4.4 Lösungs- und Ressourcenorientierte

Anne Schlüter

Fragen schaffen Wirklichkeit

„Was möchtest Du erreichen?“. Diese einfache Frage ist nicht immer leicht zu beantworten. „Welche Ideen fallen Dir dazu ein?“. Dazu lässt sich vielleicht eher etwas sagen. Aber die Frage zu beantworten: „Woran genau wirst Du merken, dass Du Dein Ziel erreicht hast?“, braucht eine Vorstellungskraft, die Klarheit in der Zielsetzung voraussetzt. Um Lösungen zu finden und Schrit-te zu überlegen, wie man zum Ziel kommen kann, ist nicht allein der Einsatz von Visualisierungsübungen sinnvoll, sondern als zentrale Kompetenz auch eine ausdifferenzierte Fragetechnik. Dabei ist zwischen hilfreichen und we-nig hilfreichen Fragen zu unterscheiden. Zu den hilfreichen Fragen gehören offene und hypothetische Fragen, die mit WAS, WO, WIE oder WER beginnen.

Hypothetische Fragen sind offene Fragen, die die Zukunft voraussehen, indem sie Entwürfe formulieren. Sie ermöglichen eine Aussprache über erstrebens-werte Ziele, aber auch die Chance, sich über Ängste auszusprechen. Wichtig für diese Art der Gesprächsführung ist zum einen das zielorientierte Fragen, zum anderen sind Wunderfragen und Ausnahmefragen charakteristisch für das Vorgehen. Der oder die Ratsuchende gibt Antworten und ist daher der-jenige oder dieder-jenige, der oder die seine bzw. ihre Lösungen selbst erarbei-tet. Beratende steuern das Gespräch also durch Fragen und lassen erzählen und reflektieren. Folglich lässt sich formulieren: Es sind allein die mobilisier-ten Ressourcen des oder der Ratsuchenden, die eine Entwicklung Schritt für Schritt möglich machen.

Ressourcen für Lösungen schöpfen

Ressourcen sind aus der Perspektive der Psychologie und Pädagogik Mittel, die zur Verfügung stehen, eine bestimmte Aufgabe oder Anforderung zu be-wältigen. Unterscheiden lassen sich interne und externe Ressourcen. Interne Ressourcen sind beispielsweise das kognitive individuelle Überzeugungssys-tem, das Gefühl der Selbstwirksamkeit und das Vertrauen in die eigene Stär-ke. Äußere Ressourcen sind u.a. soziale Bezüge wie Familie, Nachbarschaft, Freundeskreis, Netzwerke, materielle Güter wie Einkommen und kulturelle Mittel wie Ausbildung und Bildung. Ressourcen werden als Kraft- und Ener-giequellen gesehen, um Lösungen für Herausforderungen vorzubereiten. Res-sourcen lassen sich auch als Kompetenzen verstehen (vgl. Nußbeck 2006: 77).

Ressourcen bzw. Kompetenzen sind für das Selbstmanagement wichtig, für die individuelle Entwicklung und werden für den Einsatz am Arbeitsplatz und auch für die Lernkultur in einer Organisation erwartet. Die verschie-denen Kompetenzdiskussionen verweisen darauf, dass Kompetenzen nicht unbedingt sichtbar sind. Sie sind zu entwickeln bzw. zu zeigen. Das heißt, Kompetenz wird häufig als Disposition für etwas verstanden, denn erst im Handeln wird sie sichtbar (Performanz). Ressourcen sind außerdem nicht immer zugänglich. Wenn das Selbstvertrauen fehlt, wenn Bildungsbarrieren existieren oder wenn Stress besteht, können die eigenen Ressourcen nicht leicht aktiviert werden. Wenn außerdem nicht gewusst wird, welche inneren und äußeren Ressourcen für die Anforderungen notwendig sind und welche inneren Ressourcen in der Person selbst prinzipiell vorhanden sind, kann es zu Gefühlen kommen, sich widrigen Umständen ausgeliefert zu sehen. Prob-leme können dann entstehen, wenn jemand sich mit den Anforderungen bzw.

der Materie nicht auseinandersetzen mag. Das heißt im Alltag existiert häufig ein Missverhältnis zwischen Können und Nutzen. Nußbeck formuliert zu den Folgen:

„Wenn notwendige Ressourcen fehlen, vorhandene verloren gehen oder ihr Ver-lust befürchtet wird, werden Menschen anfällig für psychische Probleme,

verletz-lich, krank und erleben Stress. Dies gilt auch, wenn Ressourcen eingesetzt werden und der erhoffte Gewinn ausbleibt oder Ressourceneinsatz und erzielter Gewinn in einem Missverhältnis stehen.“ (Nußbeck 2006: 79)

Das Konzept der Lösungsorientierten Beratung besteht darin, diejenigen Res-sourcen zu mobilisieren, die dabei helfen können, „die als gegeben erlebten Lebensumstände aktiv und konstruktiv zu beeinflussen“ (Bürgi/Eberhart 2006: 175). Beratung bedeutet nach diesem Konzept, Hilfe oder Unterstüt-zung bei der Erweiterung oder gezielten NutUnterstüt-zung von vorhandenen Ressour-cen (vgl. Nestmann 2004, zit. nach Nußbeck 2006: 79) zu geben. Denn wir gehen davon aus, dass, wenn Menschen sich im Gleichgewicht befinden, sie leicht lernen und ihre prinzipiell vorhandenen Fähigkeiten zu Kompetenzen entwickeln können.

Die Grundgedanken, wie von Fittkau festgehalten (Fittkau 2003: 146–8), gehen dahin, eine lösungsorientierte Haltung zu erreichen, die passende Lö-sungen findet. Dafür braucht der bzw. die Ratsuchende einen Glauben an die eigene Lösungskompetenz. Manchmal muss der Berater oder die Beraterin dafür eine Einladung und manchmal Erlaubnis aussprechen, die inneren Such-bewegungen in eine spezifische Richtung zu lenken, auch mutig zu werden für die nächsten Schritte. Lösung meint Los-Lösung von etwas, wo hingegen der Begriff Ziel auf einen Zustand verweist, der erreicht werden soll. Zukunftsper-spektiven sind zu erarbeiten und Übergänge zu gestalten. Die zu entwickelnde Vision kann es erfordern, sich über Zieldiskrepanzen klar zu werden, mehrere Szenarien durchzuspielen oder auch unrealistische Ziele zu verwerfen (vgl.

Bürgi/Eberhart 2006: 188ff.).

Selbstwirksamkeit für Wachstumsprozesse bestätigen

Eine Haltung zu erreichen, die davon ausgeht, dass prinzipiell Fähigkeiten vor-handen sind, die lediglich zu aktivieren und zu ordnen sind, ist eine Haltung, die nicht defizitorientiert ist, sondern die Entwicklung des Potenzials betont.

Eine Ressourcenorientierung könnte nach Kossack eine Strategie sein, um das Vorgehen aus dem defizitbehafteten Lernberatungsbegriff zu lösen (vgl.

Kossack 2006: 180ff.). Er diskutiert, welches Subjektmodell bei der Lernbera-tung unterstellt wird. Der Knoten, der immer wieder auftaucht, ist demnach die Annahme der Präsenz der Subjekte. Seine Kritik heißt, dass der Berater oder die Beraterin in seiner oder ihrer Funktion eine Außensteuerung über-nimmt, wodurch das Selbststeuerungsprinzip des oder der Ratsuchenden un-terlaufen werde. Theoretisch würde zwar eine Symmetrie gefordert, aber es werde immer wieder eine Asymmetrie hergestellt (vgl. Kossack 2006: 184).

Von Ressourcenorientierung ließe sich nur sprechen – so Kossack –, wenn spezifische Lernberatungspraktiken zum Zuge kommen, die die Ressourcen des pädagogischen Objekts entwickeln helfen (vgl. a.a.O.: 185). Seine Vorstel-lungen werden erfüllt, wenn man sich das Verständnis des Ressourcen- und

Lösungsorientierten Ansatzes anschaut. Denn das zentrale Verständnis des Lösungsberaters bzw. der Lösungsberaterin ist nach Klaus Grawe:

„Entwickler von Möglichkeitssinn, Aktivierer von Ressourcen, Ermutiger für den ersten Schritt, Bewunderer von Autonomie, Unterstützer von Selbstwirksamkeit zu sein.“ (Bamberger 2010: 339)

Und Grawe schlussfolgert, dass man den Lösungsorientierten Berater bzw. die Lösungsorientierte Beraterin plakativ auch als „Förderer des Lustgewinns“

bezeichnen kann (ebd.). Dies lässt sich konkret dadurch realisieren, dass die Beratenden auf die Grundbedürfnisse des Ratsuchenden eingehen, die aus Orientierung und Kontrolle, Zugehörigkeit und Bindung, Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz sowie Lustgewinn bzw. Unlustvermeidung bestehen.

Die komplementären Verhaltensweisen der Beratenden bestehen dann aus:

Hausaufgaben vereinbaren, Komplimente machen, Ressourcen fokussieren und Lösungen konzipieren (ebd.).

Eindeutig ist auch bei diesem Ansatz: Die wertschätzende Beziehung zwi-schen Beratenden und Ratsuchenden ist das wichtigste Mittel für Ressourcen-aktivierung. Wenn jemand sich akzeptiert fühlt, setzt dies Energien frei, die zum Lernen befähigen und zum Handeln ermutigen. Die Suche nach Positi-vem kann sich in Komplimenten ausdrücken. Das heißt, durch Anerkennung der vorhandenen Stärken wird der ganze Mensch in den Blick genommen und nicht allein der Teil, der gerade nicht funktioniert. Der oder die Ratsuchen-de soll sich als jemand sehen können, Ratsuchen-der oRatsuchen-der die Ratsuchen-den größten Teil seines oder ihres Lebens managt und auch seine oder ihre Fähigkeiten mit in das Gespräch einbringen darf (vgl. Bamberger 2010: 170f.).

Umsetzung im Gespräch: Lösungen finden und Ressourcen mobilisieren Die auf Wertschätzung und Anerkennung der funktionierenden Ressourcen basierende Gesprächsführung lebt von einer lösungsorientierten Haltung der Beraterin bzw. des Beraters, die in der Lage sind, ein ebensolches Klima zu erzeugen. Mut zu entwickeln für konkrete Schritte, braucht Überlegungen, die z.B. über „Positives Sprechen“ und hypothetische Fragen angeleitet werden können.

Positives Sprechen ist bezogen auf individuell erreichbare Ziele. Es for-muliert wünschenswertes Verhalten und forfor-muliert daher fortlaufend eine Beschreibung von wünschenswerten Zielen. Die Aufmerksamkeit wird auf die Zukunft gelegt. Einwände werden ernst genommen, damit weiterhin nach Möglichkeiten gesucht werden kann. Das Mutmachen durch den Berater oder die Beraterin muss dazu führen, dass ein innerer Dialog bei dem Ratsuchenden entsteht. Der Berater oder die Beraterin als „Initiator von vorausseilendem Veränderungsoptimismus“ nutzt Worte als Bausteine, mit denen Ratsuchen-de eine Wirklichkeit konstruieren können, die für sie eine Annäherung an

ihre Ziele bedeuten. Dabei geht es darum, dass, statt großer Entwürfe, kleine Schritte geplant werden, die erreichbar erscheinen.

Der Leitfaden für einen ressourcenaktivierenden Beratungsansatz unter-scheidet fünf Phasen. Ihnen sind zielführende Fragen zugeordnet (ausführlich dazu: vgl. Fittkau 2003: 147f.). Es folgen beispielhafte Fragen, um die Art und Richtung der Fragen nachvollziehbar zu machen.

Phasen Zielführende Fragen

1. Definieren eines erwünschten Zielzustands „Angenommen, es passiert ein Wunder, Sie wachen auf und Ihre Probleme sind gelöst.

Woran merken Sie, dass das Wunder gesche-hen ist?“ (Zielvision bzw. Wunderfrage) 2. Fokussierung bisher erfolgreicher

Lösungsstrategien „Wann in Ihrem Leben gab es eine Situati-on, wo Sie Ihrem Zielzustand schon einmal deutlich näher waren als heute?“ (Ausnah-mefrage)

3. Bewerten bisheriger Fortschritte „Ich finde, dass Sie es nicht leicht haben. Wie gelingt es Ihnen, all das hinzukriegen, was Sie machen?“ (Copingfrage)

4. Erarbeitung nächster Schritte „Welches innere Bild kann Sie dabei unterstüt-zen, einen Schritt in die gewünschte Richtung zu gehen? Auf welcher Stufe sind Sie gera-de?“ (Ressourcenfrage und Skalierungsfrage) 5. Erreichte Teilziele markieren „Es ist sehr beeindruckend, was Sie schon

hingekriegt haben und stabilisieren“ (Kompli-mente machen)

Abb. 10: Leitfaden für die ressourcen- und lösungsorientierte Beratung (eigene Darstellung)

Dieser Leitfaden, der an dieser Stelle sehr kurz vorgestellt wird, kann nur eine erste Idee zum Vorgehen geben. Günter G. Bamberger hat zur Lösungsorien-tierten Beratung ein Praxishandbuch vorgelegt, das in mehreren Auflagen er-schienen ist und an dieser Stelle kaum zusammenfassend dargestellt werden kann. An dem Ansatz und Vorgehen Interessierte sollten sich daher ausführli-cher über sein Werk informieren.

4.5 Zusammenfassung: Gesprächsführungstechniken