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Lebensbaum (Janna Vanessa Speckmann)

4 Gesprächsführungstechniken und Beratungsansätze

5.5 Methodenbeispiele

5.5.7 Lebensbaum (Janna Vanessa Speckmann)

Kurzbeschreibung

Der Lebensbaum ist eine Kreativmethode, die sowohl als Aufgabe für Kleingruppen als auch für die Einzelberatung genutzt werden kann. Die Methode kann zur Refle-xion des bisherigen Lebensweges und zur Potenzialanalyse eingesetzt werden. Der Lebensbaum wird von dem bzw. der Rat-suchenden alleine oder mit Hilfestellung des oder der Beratenden, anhand leitender Fragen erstellt, und anschließend als Ge-sprächsgrundlage verwendet. Ziel dieser Übung ist es, den entstandenen Lebens-baum zu reflektieren und neue Wünsche zu formulieren.

Besonders gut eignet sich diese Metho-de, um mit dem oder der Ratsuchenden den eigenen Standpunkt zu verorten und sich Klarheit zu verschaffen, welche Ziele an-gestrebt werden. Darüber hinaus kann ge-meinsam reflektiert werden, was der oder die Ratsuchende bereits erreicht hat und

welche Ressourcen der Person zur Verfügung stehen. Durch das anschließen-de Beratungsgespräch können gemeinsam Ziele anschließen-definiert oanschließen-der neue Ressour-cen erschlossen werden. Wenn der Lebensbaum um neue Aspekte ergänzt wird, eignet er sich ebenfalls, um die Fortschritte des Beratungsprozesses zu visualisieren.

Bei dieser Methode wird mit Metaphern gearbeitet. Der Lebensbaum lässt sich in drei Zonen aufteilen, wobei die Wurzeln für die Energiequellen, der Stamm für die Energiespeicher oder die aktuelle Situation und die Krone für die individuellen Ausprägungen, Wünsche und Ziele stehen können.

Material: Phase/Funktion: Anliegen: Zeit:

Ablauf der Beratung

1. Vorbereitung: Es sollten leere Zeichenbögen und Stifte, Wachsmaler oder sonstige Zeichenutensilien bereitgestellt werden.

2. Methode einleiten: Haben Sie das Gefühl, dass die Methode zu dem oder der Ratsuchenden passt, können Sie ihm oder ihr den Vorschlag unterbrei-ten, sein bzw. ihr Leben in Form eines Lebensbaumes zu visualisieren. Da durch diese Methode eine Bestandsaufnahme der aktuellen Situation des oder der Ratsuchenden erstellt wird, eignet sich der Einsatz besonders zu Beginn des Beratungsprozesses. Sie kann aber auch an einem späteren Zeit-punkt eingesetzt werden.

3. Kernphase: Lässt sich der oder die Ratsuchende auf diese Methode ein, bietet sich zur Einleitung eine eher meditative Phase an. Bei dieser Phase stimmen Sie die Ratsuchenden auf die Methode ein, indem sie sich vorstellen sollen, wie die Entwicklung des bisherigen Lebens als Baum aussehen würde. Da diese Methode von Metaphern lebt, können Sie Fragen nutzen, die diesen Prozess anregen. Es bietet sich an, danach zu fragen, was dem oder der Ratsuchenden Halt und Energie gibt (Wurzeln), was ihnen dabei hilft, Aufgaben zu erledigen oder was ihnen Energie raubt. Aber auch Fragen nach individuellen Neigungen sowie die Frage, was sie in ihrem Leben ernten wollen (Baumkrone), regen an.

Im Kontext der Bildungsberatung bieten sich Fragen an, die einen Zu-sammenhang mit Abschlüssen, Bildung, Berufsausbildung, Weiterbildung und Qualifizierung aufweisen, um die Inhalte des Lebensbaumes thema-tisch einzugrenzen. Nach der meditativen Phase erstellt der oder die Rat-suchende den Lebensbaum in Einzelarbeit oder ggf. mit Ihrer Hilfestellung.

4. Abschluss und Transfer: Im Anschluss können Sie sich das Ergebnis von dem oder der Ratsuchenden vorstellen lassen und damit in den Entschei-dungsprozess einsteigen. Zu Beginn eignet sich die Frage, wie der oder die Ratsuchende seinen oder ihren Lebensbaum wahrnimmt. Anschließend können Sie den oder die Ratsuchende dazu anregen, neue Ressourcen und Energiequellen aufzudecken, Handlungsoptionen gegen Energieräuber zu erarbeiten oder Ziele und Wünsche zu formulieren. Aus den Zielen und Wünschen können im weiteren Beratungsprozess konkrete Handlungs-strategien entwickelt werden. Abschließend bietet es sich an, den bzw. die Ratsuchende zu fragen, wie er oder sie den ergänzten Lebensbaum wahr-nimmt.

Variante: Alternativ kann die Erstellung des Lebensbaumes dem oder der Ratsuchenden auch als Aufgabe für die nächste gemeinsame Sitzung mitge-geben werden. Der Vorteil dabei ist, dass der oder die Ratsuchende bei der Erstellung des Lebensbaumes nicht zeitlich unter Druck steht oder sich be-obachtet fühlt. Dabei bietet es sich an, nach der Vorstellung der Methode, ein

individuell erstelltes Handout auszugeben, in dem die Aufgabenstellung und die leitenden Fragen verschriftlicht sind. Aufkommende Fragen können in der darauffolgenden Sitzung besprochen werden, in der auch die gemeinsame Reflexion und der Transfer stattfinden. Möglich ist außerdem, statt die ratsu-chende Person selbst zeichnen zu lassen, mehrere Baumabbildungen (mind.

A4) zur Auswahl zu stellen. Die Ratsuchenden können dann die Abbildung beschriften. Die Methode eignet sich nicht nur für Einzelsettings, auch für Workshops zu den Themen Berufs- oder Studienwahl kann diese Methode in abgewandelter Form eingesetzt werden.

Kommentar zum Einsatz

Zielgruppe: Je nach Ausrichtung eignet sich diese Methode nahezu für jede Zielgruppe. Aufgrund der einfachen Metapher des Baumes kann diese Me-thode auch mit bildungsfernen Personen durchgeführt werden. Die MeMe-thode muss jedoch zu den Ratsuchenden passen. Diese sollten dem Zeichnen und Arbeiten mit Metaphern offen gegenüberstehen.

Anliegen: Die Methode lässt sich besonders gut einsetzen, um das bisherige Leben zu reflektieren, neue Ressourcen und Potenziale zu visualisieren und Ziele zu formulieren. Dies lässt sich sowohl auf den gesamten Lebensbereich ausdehnen, aber auch auf Themen der Bildungsberatung fokussieren.

Phase im Beratungsgespräch: Diese Methode eignet sich besonders, um zu Beginn des Beratungsprozesses den eigenen Standpunkt zu verorten und ein Bewusstsein über die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten zu schaffen. Durch das Erstellen des Lebensbaumes sind die Ratsuchenden bereits aktiv in den Beratungsprozess eingebunden, was sich positiv auf den weiteren Beratungs-verlauf auswirken kann. Die Methode kann aber auch zu Beginn und zum Ende einer Beratung eingesetzt werden. So entstehen zwei Lebensbäume, an denen besonders gut die Fortschritte und Erfolge des Beratungsprozesses nachvollzogen werden können.

Schwierigkeiten/Barrieren: Bei dieser Methode können vor allem durch das Zeichnen Barrieren ausgelöst werden. Hierbei ist es wichtig, den Ratsuchen-den die Angst zu nehmen und ihnen zu erläutern, dass es nicht um zeichne-risches Können geht, sondern darum, das bisherige und zukünftige Leben zu visualisieren. Darüber hinaus sollten Sie die Ratsuchenden darauf hinweisen, dass diese den Lebensbaum nach der Sitzung mit nach Hause nehmen dürfen.

Manchmal hilft es, mit dem oder der Ratsuchenden gemeinsam zu zeichnen.

Ebenso sollte kommuniziert sein, dass die Ratsuchenden nur das einzeichnen sollen, was für sie selbst Relevanz hat. Somit kann ausgeschlossen werden, dass Ratsuchende, die in ihrer Biographie schwierige Erfahrungen gemacht haben, sich, aufgrund der Befürchtung, diese Themen ansprechen zu müssen, gegen diese Methode sperren.

Zum Weiterlesen

Hölzle, Christina/Jansen, Irma (2009): Ressourcenorientierte Biografiearbeit:

Grundlagen – Zielgruppen – kreative Methoden. Wiesbaden, S. 33f.

Beratungsbeispiel

Beraterin [B]: Genau, einfach mal den Lebensbaum vorstellen.

Ratsuchende [R]: In den Wurzeln, also was sind meine Quellen, habe ich Familie und Freunde geschrieben, das haben wahrscheinlich alle geschrieben. Und dann, Aussicht auf einen Beruf natürlich und auch geistige Fitness, weil ich beispielsweise zwischen dem Bachelor und Master eine ziemlich lange Zeit hatte, in der ich gemerkt habe, dass mein Gehirn ein bisschen zerfällt. Ich habe mich schon so ein bisschen drauf gefreut, ich dachte, du musst mal wieder was lesen oder so irgendwie ist das schon so drin mit der Uni. In den Stamm habe ich meinen Nebenjob geschrieben, der macht mir nämlich ziemlich viel Spaß und motiviert mich eben auch, dass alles gut wird mit dem Studien-platz und dass man eben nachher auch einen guten Job findet. Dann Freizeitausgleich natürlich neben der Uni. Was man natürlich nicht vermeiden kann, sind Hausarbeiten, die mache ich nicht so gerne, aber gute Hausarbeitsthemen motivieren mich natürlich mehr, als welche die ich nicht so gerne mache. Ansonsten geht es mir um das Abhaken, dass ich das ein bisschen aus dem Kopf hab, dass ich das Gefühl habe, „gut, die habe ich weg“, und da muss ich schon manchmal drüber nachdenken.

In der Krone habe ich jetzt natürlich die Masterarbeit geschrieben. Klar, das ist natür-lich eine tolle Frucht vom Masterstudium. Dann berufnatür-liche Sicherheit, Zufriedenheit im Job und eben auch finanziell unabhängig zu sein. Das war es.

B: Also geht es dir, im Moment sehr gut, du schöpfst aus deinen Energiequellen und das reicht für dich und spornt dich an? Oder denkst du, dass du mehr Energie brau-chen könntest und dass es vielleicht noch nicht erschlossene Energiequellen gibt?

R: Ich brauche immer Energie! Ich glaube, jeder kann Motivation und Energiequellen gebrauchen, aber ich wüsste jetzt keine zusätzlichen, die mir jetzt Energie für mein Studium geben sollten. Letztendlich sehe ich das schon so, dass ich dafür eigenver-antwortlich bin und dass die beste Energiequelle meine Motivation sein sollte.

B: Und wenn du jetzt von einem langen Uni-Tag super gestresst nach Hause kommst, was machst du da, um irgendwie runter zu kommen?

R: Meistens gucke ich irgendeine Serie. Also eigentlich mache ich mir nur kurz was zu essen und schwing mich dann auf das Sofa und steh auch eigentlich nicht mehr auf, bis ich ins Bett gehe.

B: Ist das auch das, was dich runterbringt und auch ein bisschen festigt?

R: Ja.

[…]

B: Das ging ja schon gut. Was kannst du denn noch in deinem Lebensbaum zu der Fra-ge „was hab‘ ich schon erreicht“ ergänzen? Worauf bist du stolz, dass du es erreicht hast?

[…]

R: Also eigentlich natürlich auf meinen Bachelor. Wobei ich da eigentlich nicht so ge-merkt habe, dass ich da jetzt so mega stolz war, weil für mich irgendwie klar war, ich mach ja noch den Master und irgendwie war das jetzt für mich nicht der Studienab-schluss, sondern es war irgendwie nur so ein Zwischenzertifikat.

B: Aber, wenn du es dir bewusstmachst, ist das natürlich ein vollwertiger Abschluss.

Das ist schon eine Sache, auf die man auch stolz sein kann. Das könntest du ergän-zen, wenn du jetzt sagst, das ist etwas, was ich geerntet habe und wo ich auch drauf blicken kann und dich vielleicht auch nochmal motivieren kann, indem du denkst, das hab‘ ich schon mal geschafft, ich hab‘ schon einen Abschluss gemacht und dann schaff´ ich den zweiten auch.

R: Ja, das stimmt. Wenn ich jetzt auf das Studium gucke, ja natürlich. Was hat man sonst erreicht?

B: Welchen Nebenjob hast du?

R: Ich arbeite beim Personaldienstleister im Bewerbermanagement.

B: Und das ist dann auch die Richtung, in die du später gehen möchtest?

R: Ne, ich möchte in der Personalentwicklung arbeiten. Aber das macht einfach super Spaß so im Unternehmen, daher habe ich auch gemerkt, das ist total was für mich, im Unternehmen zu arbeiten. Volkshochschule oder so kommt für mich überhaupt nicht in Frage. Ja, da werde ich auch gut eingespannt, deswegen da.

B: Das kann ja auch eine Sache sein, auf die du stolz sein kannst, wo du sagen kannst, da hab‘ ich schon mal den ersten Schritt in das Berufsleben gemacht.

R: Ja, stimmt.