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In Szene gesetzt: Goethe in Dittersbach

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 111-115)

die bedeutende rolle von Goethe als vorbild lässt sich in ei-nem freskenprojekt zu ehren des dichters weiterverfolgen.

auf seinem rittergut in dittersbach, das er 1830 gekauft hatte, plante Quandt den bau eines belvedere auf dem benachbarten hügel schönhöhe. Gottfried sempers vorgänger, der Professor für baukunst in dresden Joseph thürmer, führte es 1831–33 im rundbogenstil aus (abb. 106). die Goethe-fresken malte carl Gottlieb Peschel in den Jahren 1836–38 (vgl. abb. 111–116). nach thürmers tod 1833 entwarf semper die dekorative architek-turmalerei, die Peschels fresken begleitete.60

der Kauf des rittergutes fiel noch in die letzten lebens-jahre Goethes. dieser nahm regen anteil daran. er bat ihn um ansichten der Gegend, damit er Quandt »von Zeit zu Zeit in Gedanken besuchen« könne.61 der dittersbacher Gutsbesitzer war überglücklich über diese anfrage und gab zwei aquarelle in auftrag (vgl. abb. 8–9).62 als er die veduten von dittersbach im dezember 1831 schließlich abschicken konnte, war er höchst unzufrieden mit deren Gestaltung. er sah seinen anspruch nicht erfüllt, demgemäß der landschaftsmaler das

naturerleb-nis darstellen solle.63 Goethe reagierte in einer art, welche die unterschiede in den Kunstansichten der beiden Kenner zeigt:

»ew: hochwohlgeboren von den herrlichsten Kunstwerken umgeben, […] fühlen sich freylich zu den höchsten forderungen berechtigt, indessen wir andern uns schon mit dem begnügen, was ein wackerer Künstler geleistet hat.«64 dem dichter gefie-len die ansichten in ihrer »sorgfalt, Klarheit und reinlichkeit«

sehr gut. einen Monat vor seinem tod bat er Quandt noch um

59 Quandt bat Rauch persönlich um eine Marmorsäule. Der Bildhauer schlug ihm den »vaterländischen« Granit vor. Brief von Quandt an Rauch vom 22.1.1824, in: Berlin, SMB, Zentralarchiv, Nachlass Rauch XI.3. Briefe von: Böttiger, 1822–1832, fol. 30r–32r. Brief von Rauch an Quandt vom 25.3.1824, in: Dresden, SLUB, Mscr. Dresd. App. 70.

60 Da das Schloss Dittersbach und dessen Park- und Landschaftsgestal-tung mehrfach Diskussion in der wissenschaftlichen Literatur war, sollen hier nur spezifische Fragestellungen zur Inszenierung Goethes zum Ausdruck kommen. Eine kunsthistorische Einordnung von Bauten und Fresken werden nur da vorgenommen, wo es aufgrund der Argu-mentation nötig wird. Weiterführende Literatur: Bertsch 2011, S. 260–

261; Tausch 2010, S. 89–97; Winzeler 2007, S. 192–193; Laudel 2003, Kat.

Nr. 23, S. 178–179; Heinrich 2002, S. 43–56; Maaz 2002, S. 73–92; Glaser 2002, S. 70–72; Vogel 1999, S. 192–195; Magirius 1994, S. 483; Maaz 1987 (1), S. 44–66; Maaz 1987 (2), S. 30–42; Maaz 1986, S. 19–28; Bemmann 1925, S. 25–34; Seidemann 1860, S. 166–168; Raczyński 1836–1841, Bd. 3, S. 220. Quandt veröffentlichte seine Reden zur Grundsteinlegung und

Einweihung des Belvedere; Quandt 1840 (1), S. 3–11; Quandt 1838 (1), S. 253.

61 Brief an Quandt vom 10.10.1831, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 141.

62 Er beschrieb die Gegend schon einmal schriftlich im Brief an Goethe vom 6.11.1831, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 142–146.

63 Brief an Goethe vom 8.12.1831, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 150. Zudem bemerkte er schalkhaft, er könnte dem Künstler einen Prozess anhän-gen, weil dieser ihn als derart »traurige Gestalt« zu Pferd dargestellt habe. Brief an Goethe vom 11.12.1831, in: ebd., S. 151.

64 Brief an Quandt vom 18.12.1831, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 152.

Quandt hatte diese Meinungsdifferenz erkannt, als er in Meine Be-rührungen mit Goethe schrieb, »daß das […] eine verdiente Zurecht-weisung meiner transcendenten Kunstansichten sein sollte.« Quandt 2001 [1870], S. 239. Die Differenzen in der Landschaftsmalerei wurden wenige Monate zuvor offensichtlich, als Goethe die Aufnahme von Landschaften Friedrich Prellers d. Ä. durch den Sächsischen Kunstver-ein wünschte. Ebd., S. XXXII, 125, 130, 135–136, 313–314.

106 Joseph Thürmer, Belvedere, 1831–1833, Dittersbach, Schönhöhe

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die Zusendung von versteinerungen, sollten sich welche im elbsandstein von schönhöhe finden. er ergötzte Quandt mit der aussage, er spuke wohl in dittersbach herum, so oft sei er in Gedanken dort am spazieren.65

dieses letzte lebenszeichen des Weimarer dichters fiel in die Zeit der ausgestaltung des rittergutes und des turm-schlösschens. der Zeitpunkt von Goethes tod lässt daher ver-muten, dass Quandt dem dichter ein ehrendenkmal setzen wollte. diese in der forschung mehrfach diskutierte sichtweise wird hier einer neubeurteilung unterzogen.66

Goethe selbst hatte 1804 einen kurzen text zur denkmal-frage geschrieben, der 1833 in der Ausgabe letzter Hand erschien:

»das beste Monument des Menschen aber ist der Mensch. eine gute büste in Marmor ist mehr werth als alles architektonische, was man jemanden zu ehren und andenken aufstellen kann.«67 Goethe wollte mit dem denkmal die erinnerung an einen Men-schen garantieren. Quandt als Kenner von Goethes schriften wird sich besonders mit dem ersten teil der aussage identifi-ziert haben: dass der Mensch selbst das beste denkmal sei.

eine Goethe-büste, wie er sie im dresdener stadthaus prä-sentiert hatte, befand sich zwar nie im turm auf schönhöhe.68 dahingegen besaß er in seinem dittersbacher herrenhaus eine version von rauchs statuette Goethe im Hausrock (abb. 107) in biskuitporzellan. darüber schrieb er: »einstweilen steht Göthe hier in dittersbach in Porzellan vor mir u gewiß ist noch nie in diesem stoffe eine edlere Gestalt gesehen worden, in welchem man sonst nur, dem Göthe ganz entgegengesetzte Wesen, schä-fer, schäferinnen u Pagoden formte. dieser stoff ist dadurch zu ehren gekommen, daß die vollständigste Menschennatur da-rinn abgebildet worden ist.«69 in dieser aussage zeigt sich wie auch in der inszenierung von rauchs büste in dresden die

zwei-65 Brief vom 27.2.1832, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 159 und Brief von Quandt an den Weimarer Bibliothekar Johann Georg Keil vom 7.3.1832, in: SLUB, Mscr. Dresd. App. 393, Nr. 2g: »Ich würde nicht über diese Er-scheinung erschrecken, da er mir sie als noch beÿ seinem Leben sich ereignend, u als ein Lebens u Liebeszeichen ankündigt.« Quandt hatte dem Brief vom 6.11.1831 eine Versteinerung beigelegt und ihn darauf aufmerksam gemacht, dass ihn vor allem Vulkanisten besuchten. Er wusste, dass Goethe den Neptunisten anhing, weswegen diese Stelle auch die implizite Darstellung seiner eigenen Meinung darstellt. Diese Meinungsdifferenz in geognostischen Fragen griff er in seiner Schrift Meine Berührungen mit Goethe noch einmal auf. Es handelt sich hierbei um ein kleines Beispiel, welches zeigt, dass sich Quandts Ver-ehrung nicht in epigonenhafter Angleichung seiner Vorstellungen an diejenigen des Dichters ausdrückte; Schmitz/Strobel 2001, S. 145–146, 239–240, 317, 319. Zur geologischen Beschaffenheit der Gegend siehe Palm 2008, S. 72–76.

66 Das Turmschlösschen als Goethe-Denkmal und -Tempel bei: Schmitz/

Strobel 2001, S. XL–XLI; Maaz 2002, S. 90–91; 1987a, S. 65; Maaz 1987 (2), S. 30–42; Bemmann 1925, S. 40.

67 Goethe 1827–1842, Bd. 44, S. 39–40. Zu dieser Schrift siehe auch Selb-mann 1988, S. 46–47.

68 Ein Gipsabguss nach Rauchs erster Goethe-Büste, die heute im

Fres-kensaal auf Schönhöhe steht, wurde vom Freundeskreis des Goethe-Nationalmuseums in Weimar dem Quandt-Verein bei Einweihung der restaurierten Wandbilder im Jahr 2001 übergeben. Bildhauerische Arbeiten sind in der historischen Einrichtung keine belegt. Siehe die Abbildung in: Luzens 2002, S. 76.

69 Brief von Quandt an Johann Georg Keil vom 7.3.1832, in: SLUB, Mscr.

Dresd. App. 393, Nr. 2g. Es handelt sich um eine Kopie nach Christian Daniel Rauch, Goethe im Hausrock, 1829, Biskuit, hergestellt in der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen; siehe Luzens 2002, S. 124.

Quandt schrieb in einem Brief an Goethe vom 29.4.1829, er habe einen Abguss einer Statue von Rauch erhalten; Schmitz/Strobel 2001, S. 56. Bei der Vorlage handelt es sich um die erste Fassung von Goethe im Hausrock, 1828–29, Gips, H. 34 cm, heute Berlin, SMB, Skulpturengalerie, Inv.-Nr. RM 5000/51. Siehe die Briefe von Rauch an Goethe vom 1./11.2.1829, in: Goethe/Rauch 2011, S. 92, 95; Simson 1996, S. 266–68, Kat. Nr. 164. S. a. Kunst-Blatt, 1829, Nr. 73, S. 289–290: »So hat man […] den Menschen und den Dichter, in einem Zustande, wo er selbst König ist im Reiche seiner Ideen und Träume [vor sich].« Laut dem Artikel hat Rauch die Statuette einzelnen Freunden als Gipsab-guss geschenkt. Sie wurde in der Folge in Bronze, Gips, Elfenbein und Biskuit verbreitet und ist noch heute erhältlich. S. a. Quandt 1850 (2), S. 61–62.

107 Unbekannt nach Christian Daniel Rauch, Goethe im Hausrock, um 1830, Porzellan, H. 29,8 cm, Meißen, Porzellan-Stiftung

seitige rolle, die Goethe bei Quandt spielte. einerseits war er seine Quelle der inspiration und musste ihm überall vor augen stehen. andererseits betont Quandt auch hier die vollständig-keit des Menschen Goethe, die über die Person des Weimarers hinausweist. selbst das unwürdige Material, also die gebrannte erde, wird durch den Menschen Goethe veredelt. im umkehr-schluss enthüllt sich eine weitere bedeutungsebene: Porzellan werde, so Quandt, normalerweise für die darstellung ländlicher figuren benutzt. damit passte sie perfekt nach dittersbach, wo sich Quandt umfassend für die landbevölkerung einsetzte.

das Kernthema des Menschen und seines lebens, das Quandt auf Goethe bezogen immer wieder erwähnte, spielte auch beim bau des turmschlösschens auf schönhöhe eine wichtige rolle. Zum fest der Grundsteinlegung am 12. septem-ber 1831 blickte Quandt in die ferne Zukunft, in der das bau-werk an nichts mehr erinnern würde.70 die Geschichte eines je-den Gebäudes sei an das schicksal des Menschen geknüpft. im angesicht des baus würden »Kinder spielen, Mädchen blühn, Jünglinge das leben proben, Männer schaffen, frau’n vollbrin-gen, und Greise unter enkeln sich der Jugend erinnern, und das leben wird sich im Kreislauf wiederholen […].« der turm war symbol des werdenden und vergehenden daseins. der Mensch errichte sich in jeder Zeit Gebäude, die wieder zugrunde gingen.

damit thematisierte Quandt Werden und vergehen der natur und des schaffenden Menschen: »aus dem schoos der vergan-genheit entspringe die heitre Gegenwart, die wieder Mutter der Zukunft wird, und so steht die große Weltuhr und der Puls-schlag nimmer still.«

Zwei Jahre später stand man vor dem vollendeten Gebäude und Quandt sprach wieder zu seiner festgemeinde.71 Gebaut war das türmchen aus Quadern eines steinbruchs der schön-höhe, im vordergrund sichtbar auf dem Gemälde des belvedere (abb. 108). der Mensch hatte den natürlichen felsenmassen sinnvolle form gegeben. die kleine burg stehe für die lebenden Menschen, die sie errichtet haben, ja für die Menschheit selbst:

»[…] alle Menschen vereint der Gedanke: ›Menschheit‹, der in

unbeschränkter, unendlich wechselnder Mannigfaltigkeit durch alle einzelne daseyn hat […].«

der rundbogenstil, in welchem das belvedere erbaut war, sollte sicherheit und Würde ausstrahlen. in seiner mittelalter-lichen art erinnerte es an das »Gepräge des ernstes der vor-zeit«.72 schon christian hirschfeld hatte 1782 in seiner Theorie der Gartenkunst für schroffe berggärten gotische festungen ge-fordert, weil das rohe an die vorzeit erinnere und der Wildnis der natur angepasst sei. die abbildung eines mittelalterlichen turms war wohl auch vorbild für Quandts bergschlösschen (abb. 109).73 das vermittelte bild eines standhaften Mittelalters verdeutlichte aber auch den Wunsch nach sicherheit, die durch die turbulenzen der revolutionären unruhen und politischen umbrüche in dresden von 1830/31 erschüttert worden war.74 Quandt hatte denn auch Goethe gegenüber erklärt, er habe den bau deswegen errichtet, weil ihn »Gegenwärtiges und Zukünf-tiges« beschäftigte, weil ihm das vertrauen in die Zukunft über schlimme Zeiten hinweghalf und weil es in diesen turbulenten Zeiten ratsam sei, die bevölkerung mit arbeit zu beschäftigen.75

diese Zeit der historischen umbrüche, Goethe als bild des idealmenschen und der bau des belvedere als symbol für die Kontinuität der menschlichen existenz bündeln sich in einem erstaunlichen akt bei der Grundsteinlegung von 1831. Quandt vergrub in einer aushöhlung des Grundsteins zusammen mit anderen Gegenständen einen brief von Goethe, den er am 18. september 1830 erhalten hatte. nach den dresdener un-ruhen hatte der dichter ihn gefragt, ob er und seine besitztü-mer unangetastet geblieben seien und ihm seine »aufrichtige besorgniß« mitgeteilt.76 Quandt antwortete mit einer langen schilderung der ereignisse und ließ durchblicken, dass er ver-ständnis für die gesellschaftlichen verbesserungsbedürfnisse hatte.77 in erinnerung an die politischen veränderungen, die er durchaus befürwortet hatte, beauftragte er einige Jahre später ernst rietschel mit der ausführung einer Konstitutionssäule zu ehren der sächsischen verfassung und einer büste für König anton, unter dessen regierung sie durchgesetzt worden war.78

70 Paraphrase und Zitate in: Quandt 1840 (1), S. 3–4.

71 Paraphrase und Zitate in: Quandt 1840 (1), S. 9–11.

72 Quandt, »Schönhöhe«, in: Friesen 1838, S. 253; Quandt 1834(2), [nicht paginiert]. S. a. Briefe an Schnorr vom 12.9.1831, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 181r–182v und Schorn am 12.11.1835, in: Weimar, GSA, Nr. 85/24,11, [fol. 3r].

73 Hirschfeld 1782, Bd. 4, S. 33–35.

74 Gross 2005/06, S. 530–538. Dies lässt sich auch in der Rede zur Grund-steinlegung nachvollziehen.

75 Brief vom 6.11.1831, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 144–145.

76 Der Brief ist in einem Entwurf erhalten in: Schmitz/Strobel 2001, S. 102.

77 Brief vom 26.9.1830, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 103–106. Er war vor allem über die Gewalteskapaden irritiert und wünschte eigentlich, dass die »erwachte Intelligenz«, unter die er sich selber wohl auch zählte, Verbesserungen durchführen würde. Durch nahen Kontakt zu

seiner Dittersbacher Landbevölkerung schien er die Ereignisse im Griff behalten zu haben und betonte sein »Gefühl für die wichtigsten Ange-legenheiten des Vaterlandes«. In den Berührungen analysierte er das Vorgehen aus der Distanz und ordnete es klar in die Unsicherheiten der Zeit ein. Dabei war er sich nicht mehr sicher, ob er »diese Reliquie der Gegenwart« hätte entziehen sollen. Quandt 2001 [1870], S. 242.

78 Büste und Säule entstanden 1840, wobei die Büste eine verkleinerte Umsetzung einer Festarchitektur Sempers und Rietschels zu Ehren des achtzigsten Geburtstages von König Anton 1835 war. Sie konnte trotz vielseitigem Wunsch in der Stadt nicht als Denkmal umgesetzt werden. Büste und Säule sind nicht im Original erhalten, wurden aber auf Veranlassung des Quandt-Vereins Dittersbach 2007 frei nach anderen Vorlagen rekonstruiert. Die Inschrift auf dem Sockel der Büste lautete: »Nicht um die Krone, Dein Volk zu beglücken wurdest Du König.« Wilmowsky 2017, WVZ 41.1, S. 287–289 und WVZ 42.2,

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bernhard Maaz legte den vergrabenen brief als Zeichen ei-ner vergötternden verehrung Goethes aus.79 diese sichtweise muss relativiert werden. Quandt empfand den brief als eine urkunde einer Person, die aus reiner Menschlichkeit anteil nahm am schicksal des einzelnen und des vaterlandes. diese anteilnahme wollte er für die Zukunft bewahren, indem er sie in einem Glaszylinder in der erde versenkte.80 noch neun Jahre später wiederholte er ein ähnliches ritual. bei der Grundstein-legung des Gutshauses von rossendorf – ein dorf, das zum rit-tergut gehörte – vergrub er im frühjahr 1840 dreißig Medaillen von bekannten toten und noch lebenden Zeitgenossen. ei-nige Münzen erhoffte er sich durch die vermittlung von Julius schnorr von carolsfeld zu beschaffen und orderte bei ihm sol-che von schnorr selbst, des Weiteren ehrenzeisol-chen des Malers Peter cornelius, des dichters friedrich rückert, des Philologen friedrich Wilhelm von thiersch, der Komponisten ludwig van beethoven und Wolfgang amadeus Mozart und des

Philoso-phen friedrich Wilhelm Joseph schelling. diese illustren Perso-nen waren vorbilder und nicht verehrte – analog zu Goethe in dittersbach. selbstironisch spöttelte Quandt, er würde eine un-terirdische Walhalla einrichten – ein tempel deutscher vorbil-der also – und für schelling habe es leivorbil-der nicht mehr gereicht.81 von reliquienhafter verehrung kann bei Quandts kleinem ri-tual also gar nicht die rede sein. so diente auch der im Grund-stein versenkte brief Goethes vielmehr dem fokus auf dessen empathie. exemplarisch vom dichter vorgelebt, wurde diese zur tugend. die Menschlichkeit Goethes stand in Quandts verständnis für die Kontinuität der Menschheit und war daher nachahmenswert für alle, denn: »ein Jeder [ist] ergänzung der Menschheit […] und die kommenden Geschlechter fortsetzung eines gesammten lebens […], das unendlich seyn muß.«82 damit entsprach selbst Goethes tod im april 1832 der Grundidee des natürlichen lebenszyklus.83

S. 291; Palm 2008, S. 49–51; Krause/Harnisch 2009, S. 34–51. Wenn Quandt auch für politische Veränderungen war, wundert es nicht, dass der geadelte Bürger gerade dem alten König Anton ein Denkmal errichtete. Auf öffentlichen Druck hin musste der konservative König in der Phase der revolutionären Unruhen 1830 seinen Neffen Friedrich August zum Mitregenten küren. Die sächsische Verfassung gehörte schließlich zu den konservativeren in Deutschland. Hahn/Berding 2010, S. 430–433; Gross 2001, S. 203–204.

79 Maaz 2002, S. 77; Maaz 1987 (1), S. 47.

80 Quandt 2001 [1870], S. 242.

81 Briefe von Quandt an Schnorr vom 16.3. und 26.4.1840, in: SLUB, Mscr.

Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 208r–212r.

82 Quandt 1840 (1), S. 10.

83 Brief an Seidler vom 1.4.1832, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 165: »Nun ist er auch gestorben, wie es die Natur in ihrer Grundidee fordert.«

108 Johann Gottfried Pulian oder Otto Wagner, Schöne Höhe bei Dit-tersbach, um 1845, Öl auf Leinwand, 74,6 × 66,7 cm, Dresden, Städtische Galerie, Inv.-Nr. 1980/k 304

109 Christian Hirschfeld, Mittelalterlicher Turm in einem Berggarten, in:

Hirschfeld 1782, Bd. 4, S. 34

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