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Kompetenzstreitigkeiten: Quandts Rückzug aus der Galeriekommission

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 100-103)

in der Planungsphase für die einrichtung des neuen Museums war die Galeriekommission einbezogen worden. als sich abzu-zeichnen begann, wie die Gemälde präsentiert würden, zog sich Quandt zwar noch nicht aus der Kommission, jedoch von der gestaltenden Mitwirkung zurück.196 die Gründe hierfür wer-den in wer-den Quellen nicht restlos klar. einer scheint sich in der unterschiedlichen auffassung der hängung niedergeschlagen zu haben. Quandts boshafter Kommentar in der spanienreise sowie die Worte in der einleitung zu seinem Begleiter weisen in diese richtung: »unter solchen umständen [der inkonse-quenten hängung  – ar] ward dem beschauer nicht nur der Katalog als Wegweiser, sondern auch ein begleiter nöthig, der durch allgemeinere betrachtungen die vereinzelt aufgestellten Kunstwerke in verbindung bringt […].«197 Gerade weil der neue Galerierundgang seiner ansicht nach keine Kunstkennerschaft zu vermitteln vermochte, musste Quandt als erfahrener Kenner mit seinem büchlein einspringen.

ein anderer Grund waren die unklar verteilten Kompeten-zen von Kommission und direktor. dieser latent schwelende Konflikt zeigte sich bei veröffentlichung des neuen Galerieka-talogs von Julius hübner. in seinem Manuskript erwähnte er die Mitwirkung der Galeriekommission. dagegen wehrte sich direktor Julius schnorr von carolsfeld beim Minister mit der

begründung, bendemann sei nicht anwesend gewesen und Quandt aus Prinzip von anfang an jeglichen beratungen fern-geblieben.198 in der gedruckten fassung der hübner’schen ein-leitung zum Katalog von 1856 hieß es in der folge nur noch, die Galeriekommission sei bei den beschlüssen des direktors zur einrichtung der Galerie »mitwirkend« tätig gewesen.199

die Gründe für diese unstimmigkeiten lagen einige Jahre zurück. Mit dem antritt schnorrs als direktor der Gemälde-galerie im Jahr 1846 war das verhältnis zwischen direktor und Galeriekommission zur diskussion gestellt, aber nie geregelt worden. die Kommission schien dem direktor in vielerlei hin-sicht übergeordnet gewesen zu sein. ein unvollendetes und un-datiertes Konzept zur Geschichte der Galeriekommission von 1846/47 gibt aufschluss. es war wohl im Zuge der Kompetenz-diskussionen nach schnorrs antritt entstanden und beschrieb, dass nach der Gründung 1836 alle amtlichen instruktionen direkt an die Galeriekommission gegangen seien. anfänglich stand die Kommission nicht einmal unter dem vorsitz des di-rektors, sondern des akademieprofessors christian ferdinand hartmann. erst 1838 habe man die Galeriekommission als mit-wirkend und nicht leitend erklärt.200

die unübersichtliche situation reichte laut den Quellen in die Zeiten von schnorrs vorgänger Johann friedrich Matthäi zurück. hermann freiherr von friesen hatte Matthäi mit dem vorwurf einer bestechung des lithographen franz seraph hanfstaengl, der zahlreiche Meisterwerke der Gemäldegalerie lithographiert hatte, konfrontiert. Zudem hatte er ihm vorge-worfen, seine aufgaben als direktor der Gemäldegalerie nicht wahrnehmen zu können, weil er gleichzeitig ein Mandat als Pro-fessor der akademie innehatte. aus diesem Grund hatte friesen seine entlassung beantragt. diese war von lindenau abgelehnt worden, weil die inspektoren Johann august renner und carl heinrich Wilhelm schmidt ein fehlverhalten des direktors nicht bestätigen wollten. friesen hatte lindenau in der folge darauf hingewiesen, dass die Galeriekommission das

aufsichts-195 Man hat versucht, den großformatigen Bildern der Hauptsäle die zugehörigen Schulen möglichst in den anschließenden Kabinetten zuzuordnen; Kat. Dresden 1856, S. 65–66; Schäfer 1860, S. IX–X, 16–17.

S. a. Penzel 2007, S. 178–188; Savoy 2006, S. 539–549.

196 Schäfer 1860, S. 145: »Die Disposition der Gemälde geschah durch den derzeitigen Gallerie-Director Schnorr von Carolsfeld unter Mitwir-kung der Gallerie-Commission, zu der auch beim Beginn der Vorar-beiten Herr von Quandt, als Nestor, noch gehörte.«; s. a. Kat. Dresden 1856, S. 67; Schölzel 2012, S. 260–261.

197 Quandt 1856, S. 7–8. Zur Publikation des Begleiters s. a. Brief von Quandt an Friedrich Gottlieb Welcker vom 2.2.1856, in: Bonn, Uni-versitäts- und Landesbibliothek, Dezernat 5 / Abt. Handschriften und Rara, Autographensammlung, S 685 (NL Welcker), Brief 7.

198 Einträge Ende 1855/anfangs 1856, in: Schnorr 1897, Jg. 6, Nr. 3, S. 59;

Schnorr 1898, Jg. 7, Nr. 1, S. 74, 75.

199 Kat. Dresden 1856, S. 66–67.

200 »Der Galleriedirektor erscheint in dieser auch weiter bestehenden Galleriecommission dagegen in einer untergeordneten fast gedrück-ten Stellung. Alle Anordnungen erfolgen nicht an den Direktor son-dern an die Galleriecommission. Da jedoch in neuerer Zeit das Bedürf-nis einer gründlichen Abhülfe sich immer dringender fühlbar machte, so ist seit dem Anfang dieses Jahres (1838), ein schon vor mehrern Jahren vom Galleriedirector Matthäi gewünschtes Comité aus Kunst-kennern und Künstlern eingesetzt worden, unter dessen Mitwirkung die Angelegenheiten der Gallerie beraten und ausgeführt werden. In dem Concept wurde der vom Commissionsrat Nollain herrührende Ausdruck ›Mitwirkung‹ vom Staatsminister v. Lindenau durch ›Leitung u. Aufsicht‹ ersetzt, später jedoch wieder bestätigt.« Konzept zur Ge-schichte der Galeriekommission, undatiert [um 1846/47], in: HStADD, Akten der Generaldirektion der Königlichen Sammlungen, Cap. VIIa, Nr. 5, Jahresberichte 1837–1842 (Kriegsverlust). Abschrift in: HStADD, 13458 SKD, NL Posse, Nr. 30, Lage 10, fol. 8r–v.

recht in Galerie-angelegenheiten ausüben würde und somit dem direktor vorstand.201 im Konzept von 1846/47 hieß es dage-gen, die Kompetenzfrage sei damals ungeregelt geblieben.202 bis zu schnorrs antritt als direktor wurde die frage nicht geklärt.

Julius schnorr wiederum hätte am liebsten ohne Kommis-sion gearbeitet. er notierte im august 1855 in sein tagebuch, die Kommission könne aufgelöst werden. sie habe keine aufga-ben mehr, seit die restaurierungen durchgeführt seien und die einrichtung der Galerie von den Galeriebeamten »und zwar zunächst von mir ausgeht«.203 das schicksal der Galeriekom-mission wurde jedoch auf höherer ebene entschieden. das Mi-nisterium des Königlichen hauses, in dessen Kompetenzen die sammlungen lagen, erließ im oktober 1855 ein neues regulativ für die Galeriekommission.204 die entscheidungshoheit lag nun beim direktor. die Kommission sollte nur noch als beratende behörde des direktors tätig sein. Gutachten wurden auf ver-langen des Ministeriums oder des Galeriedirektors erstellt. der direktor hatte den vorsitz und damit die alleinige Kompetenz, die Kommission überhaupt zu berufen. die verhandlungsergeb-nisse wurden vom sitzungsleiter festgehalten, Protokolle nur dann erstellt, wenn dieser es für nötig hielt. Über beschlüsse wurde nicht abgestimmt. fand sich in den beratungen keine ein-heitliche Meinung, »so ist jede abweichende ansicht besonders zu motiviren«.205 Mit dem neuen regulativ beschränkte sich die Wirkkraft der Kommission auf technische, nicht aber organisa-torische fragen. ihre aufgabenbereiche waren wie zuvor Kon-servierung und restaurierung, Galeriehängungen, ankäufe und tauschgeschäfte, Zuschreibungsfragen und Kopierregeln.

es verwundert nicht, dass Quandt mit seinen hehren idea-len und hoffnungen, etwas ändern zu können, in dieser neuen

Galeriekommission nicht mehr Mitglied sein wollte. Mit her-mann von friesen war der neben ihm einzige Kunstkenner schon 1842 aus dem Gremium ausgetreten. 1855 reichte Quandt frustiert seinen rücktritt ein. im austrittsschreiben schrieb er:

»daß ich seit dem einzuge der Gemälde in das neue local kei-nen antheil an den versammlungen der commission genom-men habe, kommt daher, weil ich erkenne, wie vergeblich alles war, was ich für die Kunstschätze gethan, in dem der neue bau an einem orte steht, wo die Gemälde denselben nachtheilen u Gefahren ausgesetzt sind wie im alten Galeriegebäude. da es mir nicht gelungen andere davon zu überzeugen, daß in dres-den zum bau eines Museums die einzige passende stelle der Platz ist, wo sich die Pontonschuppen befinden [auf der stall-wiese], so habe ich meine gute absicht verfehlt u zu bereuen, daß die erbauung eines neuen Museums von mir beantragt wurde. ew. excellenz [eduard von Wietersheim] ersuche daher ganz ergebenst, mich von den obliegenheiten eines Mitglieds der Galerie-commission gnädigst zu dispensiren.«206 Quandt sah sich als zentrale figur des neubaus. das Projekt hatte mit dem standort am Zwinger jedoch eine Wendung genommen, die für ihn nicht zufriedenstellend war.

nach seinem austritt bestand die Kommission nur noch aus Künstlern: Julius hübner, eduard bendemann, carl Gottlieb Peschel und ernst rietschel.207 damit konnte direktor schnorr von carolsfeld die Gemäldegalerie machtvoll leiten. er hatte nur noch dem Ministerium rechenschaft abzulegen. Mit dem Begleiter durch die Gemälde-Säle endete ein Jahr später schließ-lich Quandts öffentschließ-lich wirksame tätigkeit in der Gemäldegale-rie nach mehr als vierzig Jahren.

201 Dokumente zum Fall vom März bis Juli 1837, in: HStADD, Akten der Generaldirektion der Königlichen Sammlungen, Cap. VII. Nr. 29, Acta die königl. Gemälde-Gallerie betr., 1836–1839 (Kriegsverlust).

Abschrift in: HStADD, 13458 SKD, NL Posse, Nr. 30, Lage 8, fol. 7v–8v:

Schreiben von Friesen vom 26.3.1837, Ablehnung Lindenaus vom 4.4.1837. S. a. eine Anweisung vom 29.4.1847 an Schnorr mit Hinwei-sen zum Ursprung der Galeriekommission, in: ebd., Nr. 38, Acta die königl. Gemälde-Gallerie betr., 1845–1851 (Kriegsverlust). Abschrift in:

HStADD, 13458 SKD, NL Posse, Nr. 30, Lage 3, fol. 5r–v; Schölzel 2012, S. 248–249.

202 »Bei unbefangener Prüfung dieser Geschichtserzählung ergiebt sich, daß auf das ungeregelt gebliebene Verhältnis des Galeriedirektors zu Galerie-Commission der moralische Einfluß der damals wider den Prof. Matthäi vorliegenden Denunciation von Wirkung gewesen sein dürfte. Da sich jedoch die gerügten Ordnungswidrigkeiten später nicht hinlänglich begründet erwiesen, um eine Entlassung oder auch nur Beschränkung der amtlichen Wirksamkeit desselben zu rechtfertigen, so ist man von der früher unstreitig gehegten Absicht denselben der Galerie-Commission nöthig unterzuordnen, wiederum abgegangen, wobei auf die eifrige Unterstützung, welche er bei dem verstorbenen Commissionsrath Nollain gefunden zu haben scheint, nicht ohne Einwirkung zu sein scheint.« Konzept zur Geschichte der Galeriekommission, undatiert [um 1846/47], in: HStADD, Akten der Generaldirektion der Königlichen Sammlungen, Cap. VIIa, Nr. 5,

Jahresberichte 1837–1842 (Kriegsverlust). Abschrift in: HStADD, 13458 SKD, NL Posse, Nr. 30, Lage 10, fol. 8v.

203 Schnorr 1897, Jg. 6, Nr. 3, S. 53.

204 Brief und Regulativ des Ministeriums des Königlichen Hauses, sig-niert von Minister Heinrich Anton von Zeschau an Julius Schnorr vom 19.10.1855, in: HStADD, SKD, 01/GG Altbestand Gemäldegalerie Dresden 1846–1944 (1968), Nr. 8, Bd. 1, fol. 49r–51v. Seit 1853 waren die Kunstsammlungen dem Ministerium des königlichen Hauses unter-geordnet; Heres 2005/06, S. 726. S. a. Schölzel 2012, S. 262–263.

205 Punkt VII. im Regulativ des Ministeriums des Königlichen Hauses vom 19.10.1855, in: HStADD, SKD, 01/GG Altbestand Gemäldegalerie Dresden 1846–1944 (1968), Nr. 8, Bd. 1, fol. 51r.

206 Brief von Quandt an Wietersheim vom 27.8.1855, in: HStADD, Akten der Generaldirektion der Königlichen Sammlungen, Cap. VII, Nr. 41, Acta die kgl. Gemälde-Gallerie betr., 1852–1856, fol. 59 (Kriegsverlust).

Abschrift in: HStADD, 13458 SKD, NL Posse, Nr. 30, Lage 3, fol. 13v. S. a.

Schölzel 2012, S. 262.

207 Brief des Ministeriums des Königlichen Hauses an Julius Schnorr vom 19.10.1855, in: HStADD, SKD, 01/GG Altbestand Gemäldegalerie Dresden 1846–1944 (1968), Nr. 8, Bd. 1, fol. 49r. S. a. ebd., Bd. 3, Acten, directorielle Aufzeichnungen über der Galerie-Commission gepfloge-ne Verhandlungen und gefaßte Beschlüsse enthaltend. 1855–1869. S. a.

Schölzel 2012, S. 262; Friesen 1880, S. 332.

102 Christian Daniel Rauch, Goethe-Büste für Johann Gottlob von Quandt, 1820–23, Marmor, H. 44 cm, mit Sockel: 57 cm, Leipzig, Museum der bilden-den Künste, Inv.-Nr. P 52

für die umsetzung seiner ideen mittels Kunstpräsentationen fand Johann Gottlob von Quandt im Privaten vielfältige Mög-lichkeiten. im öffentlichen rahmen stieß er auf größere Prob-leme, weil das feld der beteiligten und betroffenen wesentlich komplexer war. dennoch ging er in seinen bemühungen um ver-ständliche ausstellungen immer von den Kunstwerken aus, die er anhand einer durchdachten Präsentation einem interessierten Publikum zugänglich machen wollte. Gelegentlich griff er dabei auf Künstlerbiographien zurück, um besondere fähigkeiten und Überzeugungen zu erörtern. abschließend soll ein fallbeispiel diskutiert werden, das in seiner Grundidee Quandts anspruch an das ausstellen von Kunst zusammenfasst und sein streben nach einer synthese von Kunst, Künstler und Kultur aufzeigt.

dieses fallbeispiel verkörpert Johann Wolfgang von Goe-the. der Weimarer dichter blieb für Quandt sein ganzes leben lang vorbildlich. in Goethe zeigte sich dem Kunstkenner das bild des idealen Menschen, der von den Künsten in allen din-gen durchdrundin-gen war, ja selber zum Kunstwerk wurde. als sol-ches stand er Quandt in der Marmorbüste von christian daniel rauch vor augen (abb. 102). darum herum plante er in dres-den eine unausgeführte und eine umgesetzte inszenierung. auf seinem rittergut dittersbach errichtete er dem Künstler und seinem Werk den wohl ersten erinnerungsort deutschlands.

Quandts Goethe-inszenierungen zeugen von seiner hohen Meinung über den dichter und vermitteln ein abschließendes bild der bedeutenden rolle, welche Quandt den Künsten und Künstlern in der Gesellschaft zumaß.1

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 100-103)