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Ein Denkmal des idealen Menschenlebens

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 123-129)

der »Goetheaner« Quandt hatte mit seinem denkmal für Goethe mehr als die erinnerung an den großen Weimarer dichter zum Ziel gehabt. Goethe war für ihn vorbild, um den blick auf das leben der Menschen und das menschliche Wirken zu wenden. damit ist das belvedere weniger ort des Goethe-Gedenkens als vielmehr denkmal des idealen Menschenlebens.

Goethe steht am anfang von Quandts inszenierung. vom dich-ter ausgehend führt der Gedankengang weidich-ter und zeugt von

ei-ner Komplexität, die nicht einfach als epigonenhafte verehrung des großen Weimarers bezeichnet werden kann.

Quandt war sich dennoch des denkmalcharakters sei-nes freskensaals bewusst: »das unternehmen Göthen da-durch [da-durch die fresken im belvedere in dittersbach  – ar]

ein denkmal zu errichten, darf sich wohl dem in Weimar zur seite stellen.«121 bescheiden stellt Quandt sein dittersbacher türmchen neben die Goethe-Galerie im Westflügel des Wei-marer schlosses, deren ausgestaltung unter der leitung von ludwig schorn nach Plänen von schinkel 1841 in vollem Gang war (abb. 118).122 doch in diesem fall hätte Quandt sein Projekt durchaus etwas mehr in den vordergrund rücken dürfen. Der Erlkönig, Der König in Thule und Der Fischer der Goethegale-rie, die bernhard neher ende 1841 vollendet hatte, weisen bei al-len unterschieden einige Überein stimmungen in Komposition, haltung und ausdruck der figuren mit denjenigen von Peschel in dittersbach auf. sicherlich übernehmen die darstellungen nach den drei balladen in der Goethegalerie keine hauptrolle, überfassen sie doch jeweils in kleineren bildfeldern die monu-mentalen hauptszenen. dennoch erscheint es gerade in diesen nebenszenen nachvollziehbar, dass neher angesichts der auf-tragsgröße inspirationsquellen zuließ, um auf verwandte bild-findungen zu kommen. so ist es beim Erlkönig vor allem die fi-gurengruppe des reiters mit dem Kind und dem erlkönig, die miteinander verwandt sind. auch der ausdruck des gehetzten Pferdes und der weisende arm des schwebenden Geistes äh-neln Peschels interpretation (abb. 119–120).123 beim König in Thule sind es architektur und figurengruppe im rechten bild-vordergrund, die auf Peschels fresko referieren, wenn auch das darstellungsmoment ein anderes ist (abb. 121–122). ebenso of-fenbart sich im Fischer die weitgehend gleich komponierte fi-gurengruppe (abb. 123–124). besonders frappant zeigt sich die Kongruenz bei der figur des Jünglings: seine sehnsüchtige re-aktion auf die nixe wirkt genau gleich wie diejenige des fischers auf schönhöhe.

Quandt ließ zwischen 1839 und 1841 bei anton Krüger alle fresken außer dem Märchen in Kupfer stechen und versandte diese unter anderem auch nach Weimar.124 da neher ab 1841 in leipzig tätig und dadurch nicht mehr häufig im Weimarer schloss anwesend war, um am umfassenden bildprogramm zu arbeiten, könnte er die stiche als ideenvorlage benutzt haben.125

121 Brief an Gustav Schüler vom 28.7.1841, Karlsruhe, Badische Landesbib-liothek, Autographen, K 703, [fol. 1v].

122 Kunst-Blatt 1841, Nr. 99, S. 412. Die Goethe-Galerie ist eines der vier Dichterzimmer für Schiller, Wieland, Herder und Goethe. Schorn berichtete im Kunst-Blatt der Jahrgänge 1836–1842 regelmäßig vom Projekt. Das Schiller-Zimmer wurde ab 1835 als erstes ausgeführt; s. a.

Hecht 2012, S. 13–30; Bertsch 2011, S. 255–261; Hecht 2000, S. 36–115.

123 S. a. Hecht 2000, S. 45, 91.

124 Brief von Quandt an Schnorr vom 17.2.1839, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 205r; Brief von Quandt an Louise Seidler vom 30.7.1841, in: Schmitz/Strobel 2001, S. 196. S. a. Kunst-Blatt 1839, Nr. 29, S. 115 und ebd. 1841, Nr. 68, S. 288.

125 Im Dezember 1841 waren der Fischer und der König in Thule vollen-det; siehe Kunst-Blatt 1841, Nr. 99, S. 412. Im Kunst-Blatt 1842, Nr. 72, S. 288 wird erwähnt, dass Neher an den Balladen arbeite. S. a. Bertsch 2011, S. 261.

117 Ernst Rietschel, Nymphe, 1836/37, Gips, ehemals Dresden, Rietschel-Museum, Verbleib unbekannt

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Zudem kann eine persönliche bekanntschaft anhand eines brie-fes von Quandt an neher nachgewiesen werden. neher war am 29. oktober 1841 in dresden und Quandt arrangierte ein tref-fen mit dem staatsminister von lindenau.126 die ausmalung der Weimarer dichterzimmer war zu diesem Zeitpunkt hoch-aktuell, so dass ein austausch über die frage zwischen neher und Quandt angenommen werden darf. neher wird Quandt in seinem offenen haus in dresden besucht haben und man hat mindestens die Kupferstiche oder die vorzeichnungen von Peschel zusammen diskutiert. dass neher ins wenig weit ent-fernte dittersbach gereist ist, erscheint als wahrscheinlich.

Möglicherweise hatte Quandts idee eines konsequenten bildprogramms schon Jahre zuvor vorbildlich gewirkt. immer-hin war schorn 1835 von Quandt selbst darüber unterrichtet worden – im Jahr des Planungsbeginns für ein Goethe-Zimmer in Weimar.127 hier hatte schinkel zwar noch versucht, dem

raum ein einheitliches Programm zu geben, doch in einem dichterzimmer, das zur verehrung gedacht war, mussten vor allem zahlreiche referenzen zu möglichst vielen Werken gege-ben werden.128 Quandts bilderzyklus als sinnbild für das Men-schenleben und die schöpferische Kraft des Menschen in allen Zeiten war in diesem sinn zielgerichteter und nicht allein auf die verehrung Goethes ausgerichtet. er wollte damit die Gesell-schaft bilden und glaubte durch die Gattung des freskos hierbei einen ersten schritt getan zu haben. er hoffte, dass er vorbild-haft für die staatlichen akteure wirken würde. seiner Meinung nach waren sie verpflichtet, aufträge an Künstler zu vergeben, um mit öffentlichen Kunstwerken die volksbildung zu fördern.

als König friedrich august ii. den freskensaal in dittersbach sah, sagte er zu Quandt, es sei gut, dass jemand den anfang macht habe, al fresco malen zu lassen. Quandt habe darauf ge-antwortet: »und noch besser ist es ew Maj:, wenn es nicht beÿm

126 Brief von Quandt an Neher vom 29.10.1841, in: SLUB, Mscr. Dresd., App. 204, Nr. 97tm.

127 Zudem war Schorn im September 1839 bei Quandt auf Schönhöhe:

»[…] Tiek [sic!], Carus, Quandt, Hrn. Min. v. Lindenau suchte ich in ihren Wohnungen auf. Den Sonntag verbrachte ich in Dittersbach zu, es war das herrlichste Wetter und ich erfreute mich recht an den schönen Parkanlagen, auch die Fresken gefielen mir im Ganzen sehr wohl […].« Brief von Schorn an Johann Georg Keil vom 10.10.1839,

in: SLUB, Mscr. Dresd. D.410, I, (Sammlung »Briefe an Familie Keil«), Nr. 143, vollständig abgedruckt in: Wentzlaff-Eggebert 2009, S. 312–314.

128 Hecht 2012, S. 29–30. Anstelle von Schinkels antikisierendem Ent-wurf des Bildprogramms entstand ein historistisches. Mit Prellers vaterländischen Prospekten im Conseil-Saal bestand eine Verbindung der Goethe-Galerie mit den anderen Dichterzimmern für Schiller, Wieland und Herder. Das Dichtergedächtnis war damit national kon-notiert. Zum Programm s. Hecht 2012, S. 15–17; Hecht 2000, S. 42–47.

118 Goethegalerie, Weimar, Residenzschloss, Westflügel, 1. Obergeschoss, Raum 14.3

119 Bernhard Neher, Der Erlkönig, 1841, Fresko, Weimar, Residenzschloss, Westflügel, 1. Obergeschoss, Raum 14.3. Goethegalerie

120 Ferdinand Anton Krüger nach Carl Gottlieb Peschel, Der Erlkönig, um 1839, Stahlstich und Radierung, 296 × 410 mm (Blatt), Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlungen, Inv.-Nr. KGr/04017

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121 Bernhard Neher, Der König in Thule, 1841, Fresko, Weimar, Residenz-schloss, Westflügel, 1. Obergeschoss, Raum 14.3. Goethegalerie

122 Ferdinand Anton Krüger nach Carl Gottlieb Peschel, Der König in Thule, um 1839, Stahlstich und Radierung, 221 × 174 mm (Blatt), Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlungen, Inv.-Nr. KGr/05132

123 Bernhard Neher, Der Fischer, 1841, Fresko, Weimar, Residenzschloss, Westflügel, 1. Obergeschoss, Raum 14.3. Goethegalerie

124 Ferdinand Anton Krüger nach Carl Gottlieb Peschel, Der Fischer (Ausschnitt), um 1839, Stahlstich und Radierung, 334 × 483 mm (Blatt), Weimar, Klassik Stiftung Weimar, Graphische Sammlungen, Inv.-Nr. KGr 03562

anfang bleibt.«129 nach der berufung eduard bendemanns nach dresden im Jahr 1837, um im schloss fresken mythologischen, historischen und allegorischen inhaltes zu malen, war Quandt hocherfreut: »ein helles Morgenroth geht an unserm himmel auf […].«130

sein eigenes bildungsprogramm mit Goethe als vorbild vor augen entfernte sich mit der später eingebetteten darstellung des Märchens von einer konzisen schlüssigkeit. dass es mit dem dittersbacher rittergut trotz öffentlichen anspruchs halt doch

ein Privatprojekt blieb, war Quandt bewusst – auch wenn es in den elitären Kreisen sachsens durchaus seine Wirkung zeigte.

die flankierenden figuren links und rechts des Märchens schei-nen mit ihren schriftbändern denn auch die Grenzen des komple-xen bildprogramms zu kommentieren (abb. 125–126). so heißt es einmal mit leiser ironie: »Märchen, noch so wunderbar, dichter-künste machen’s wahr.«131 die Pendant-figur brachte es schließ-lich auf den Punkt: »Warum erklärst du’s nicht und läßt sie gehn?

Geht’s mich denn an, wenn sie mich nicht verstehn? Goethe.«132 125 Carl Gottlieb Peschel, Figur mit Inschrift »Warum erklärst du’s nicht

und läßt sie gehn? Geht’s mich denn an, wenn sie mich nicht verstehn?

Goethe«, 1836–38, Fresko, Maße unklar, Dittersbach, Schönhöhe, Belvede re, Südwand

126 Carl Gottlieb Peschel, Figur mit Inschrift »Märchen, noch so wun-derbar, Dichterkünste machen’s wahr«, 1836–38, Fresko, Maße unklar, Dittersbach, Schönhöhe, Belvedere, Südwand

129 Brief von Quandt an Schnorr vom 3./6.1.1837, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 197r. Quandt 1826 (1), S. 288–289. S. a. Schmitz 2008, S. 174; Schmitz/Strobel 2001, S. LI.

130 Brief von Quandt an Winkler vom 5.10.1837, in: SLUB, Mscr. Dresd.

App. 204, Nr. 98e.

131 Goethe 1827–1842, Bd. 1, S. 174.

132 Zitat gemäß der Inschrift. Goethe 1827–1842, Bd. 3, S. 234. Die Verse hatten für Quandts Goethe-Verständnis eine tiefere Bedeutung. So

schrieb er 1846 am Ende seiner Frankreichreise vor dem Geburtshaus des Dichters in Frankfurt, man müsse Goethe lieben, um ihn zu verste-hen, und die Goethe-Kommentatoren sollten sich doch an ebendiese zwei Verse erinnern: »Da uns hiermit Alles gesagt zu sein scheint, was sich über die größte Erscheinung unsers Zeitalters sagen läßt, so will ich weiter keine Worte verlieren, mich in meinen ungarischen Pelz einhüllen und nicht eher entpuppen, als bis ich wieder in meinem von Bergen umschirmten Hause angelangt bin.« Quandt 1846 (2), S. 389.

127 Carl Wilhelm Overbeck nach Eduard Bendemann, Bildnis Johann Gottlob von Quandt, 1850, Kupferstich, Maße unklar, Dresden, SKD, Kupferstichka-binett, Inv.-Nr. A 1897-309

als Johann Gottlob von Quandt 1859 starb, erschienen zahl-reiche nachrufe in deutschen, ja selbst französischen und bel-gischen Zeitungen und Zeitschriften.1 hervorgehoben wur-den seine fundierten Kenntnisse der Kunst, die förderung der Künstler, seine einsichten über das schöne, sein lebenslanges engagement für die Künste und seine internationale bekannt-heit als Kenner und Kunstfreund (abb. 127): »am 19. Juni starb in dittersbach der bekannte forscher und Kenner der Kunst […].

in allen seinen Werken offenbaren sich gründliche Kenntnisse, feiner Geschmack und geläuterter sinn für das schöne. seinen persönlichen Werth bezeugen die vielen freundschaftlichen verhältnisse, die für die ganze dauer seines lebens leute aus allen ständen, namentlich auch unsere berühmtesten Künstler mit ihm unterhielten. als er starb, nahm er das bewußtsein mit sich weg, das Wesen der Kunst in ihren tiefen erkannt, sie auf geistreiche Weise studiert und ihre Pflege in der Gegenwart in sehr erheblichem Maße gefördert zu haben.«2

Quandt und die Konstituierung der

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