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Ästhetik der Anschauung

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 39-45)

doch selbst wenn Quandts argumentation philosophisch ge-sehen nicht aufgeht, stellt sich die frage nach ihrer Qualität.

Worin könnte sie, entgegen aller Widersprüche zu den lehr-sätzen der philosophischen ästhetik in der ersten hälfte des 19. Jahrhunderts, liegen, da doch festgestellt werden kann, dass er die wichtigen autoren seiner Zeit gelesen und interpretiert hat?

seine genuin eigene errungenschaft ist der versuch einer theoretisierung von Kunstbetrachtung durch die philosophi-sche ästhetik. Quandt argumentiert aus der sinnlichen an-schauung heraus, die intellektuelles Wahrnehmen erst zur folge hat. entgegen den frühromantischen Philosophen, für die der begriff der anschauung allgemein als ein intellektueller akt der existenzerfahrung eine wichtige rolle spielt und Kunstanschau-ung speziell als bewusste oder unbewusste existenzerfahrKunstanschau-ung angesehen wird, benützt ihn Quandt zuallererst im sinn von be-trachtung mit den augen – eben an-schauen.143 damit ist die aus-gangslage jedoch eine völlig unterschiedliche. anschauung voll-zieht sich bei den Philosophen als akt des selbstbewusstseins.

Kunstanschauung ist hierfür mögliches Mittel. Während das selbstbewusstsein des denkenden Menschen am anfang steht, beginnt Quandt mit dem Kunstwerk. erst dessen betrachtung

137 Kant 1790 [2009], S. 547.

138 Vischer 1837, S. 78: »Sodann ist die Hauptsache, daß sich der weiche Affect des Leidens nie bis dahin verirre, daß man in diesem Zerfließen der Empfindung gar keine Willenskraft mehr unterscheiden könnte.

In diesem lezteren Fall wird die Kunst niedrig und gemein, und ist nichts, als eine an unserem Thränensack arbeitende Pumpe.«

139 Grave 2015, S. 105.

140 Quandt 1830 (1), S. 146–159.

141 Prange 2004, S. 48–52, 60–64. S. a. Dietzsch 2016, S. 41–54.

142 Brief von Quandt an Schnorr vom 4.1.1830, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 166v.

143 Anschauung im Wortgebrauch der frühromantischen Philosophie bedeutete ein intellektuelles Anschauen des eigenen Seins. »Um eine Anschauung handelt es sich […], denn nur sie kann einerseits für die Unmittelbarkeit unserer Vertrautheit, andererseits aber für die im cogito sum besiegelte Existenz-Erfahrung aufkommen.« Es geht nicht um eine sinnliche Anschauung, sondern um eine intellektuelle.

Quandt wiederum verbindet sinnliche Anschauung mit intellektu-ellem Wahrnehmen. Zitat nach Funk 1989, S. 155. S. a. Dietzsch 2016, S. 49.

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und die dabei ausgelösten Gefühle, damit einhergehend die ver-nünftige erkenntnis des Geschmacksurteils als ein intellektuel-les Wohlgefallen führen zu einer existenziellen erfahrung. erst hier lässt sich Quandts anschauung an die bedeutungen von selbstbewusstsein schelling’scher trans zendental-Philosophie anschließen.144 dies subsumiert sich in seiner eigenwilligen auf-wertung des begriffs des rührenden als selbsterkenntnis des betrachters angesichts des schmerzes des dargestellten. die emotionale selbsterkenntnis geschieht erst im Prozess der an-schauung, sie ist nicht schon selbsterkenntnis an sich.145

das Problem von Quandts ästhetik ist sein credo des re-alen Kunstwerks, das von anfang an vor augen steht. es ist in philosophischer sicht gewissermaßen das brett vor dem Kopf, das seine theorie mit den ästhetischen abhandlungen seiner Zeit, in denen (Kunst-) anschauung rein philosophisch gedacht wird, unvereinbar macht. diese unvereinbarkeit darf jedoch nicht mit unverständnis verwechselt werden, denn Quandt hatte, wenn auch keinen universitären, so doch Privatunterricht beim außerordentlichen Philosophieprofessor Karl friedrich richter in leipzig genossen. die philosophische Grundbildung diente ihm dazu, seine eigene Meinung theoretisch zu unter-mauern. so versuchte er die sinnliche anschauung von Kunst mit der ästhetik zu vereinbaren. die essenz von Quandts äs-thetik liegt daher vor allem in seinem anliegen, zwischen theo-rie und Praxis zu vermitteln.

um die unterschiede zu den ästhetikern seiner Zeit er-klärbar machen zu können, bedarf es eines blicks auf Quandts argumentative Methodik. einen erklärungsansatz kann ein vergleich seines intellektuellen Wohlgefallens und dessen dar-stellung im Gefühlskreis mit Goethes Farbenlehre und dem berühmten farbkreis bieten (abb. 73–74). eine beschreibung der methodischen Gemeinsamkeiten beginnt beim vokabular.

Goethe spricht in bezug auf den farbkreis von nuancen und Mischungen der farben, Quandt von Mischungen der Gefühle.

dass hier Quandt eine von Goethe inspirierte benennung ver-folgt, vermögen seine erläuterungen über die erscheinungs-form der ästhetischen Kategorien in der Malerei zu bestärken.

es sei »farbenharmonie«, die beim anblick von Malerei zur er-regung des verstandes führe. in diesem Kontext verarbeitete er

explizit Goethes Farbenlehre, und zwar spezifisch Goethes ver-weis auf sich gegenseitig fordernde farben.146

Wenn auch kein direkter Zusammenhang zwischen Goe-thes farbkreis und Quandts Gefühlskreis feststellbar ist, sind die beiden Kreise gleichsam als ergebnisse ähnlicher Metho-dik miteinander vergleichbar: Goethes errungenschaft war das aufbrechen der Polarität der farben durch die ergänzung der Komplementärfarben im farbkreis. Zudem fügte er seinen phy-sikalischen erkenntnissen eine sittliche dimension hinzu, in-dem er den einzelnen farben die temperamente zuordnete. so wie die farben sich mischen können, fließen die temperamente und Menschentypen ineinander über.147 dieses verbindende Prinzip mochte für Quandts Überlegungen inspirierend wir-ken. so sind es nicht die klassischen Kriterien der Komposition oder Zeichnung, die beim betrachter Gefühle auslösen. es ist das Kolorit. die vom Maler zusammengemischten farben lösen bestimmte Gefühle aus, die Quandt mit seinen ästhetischen Ka-tegorien beschreiben wollte. Genau wie die farben können sie sich vermischen.148

Wie Goethes psychologische interpretationen letztlich physikalischen experimenten nicht standhalten konnten und kaum naturwissenschaftlichen, sondern vor allem kulturge-schichtlichen Mehrwert boten, so scheiterte Quandts ver-such einer vereinbarung ästhetischer theorie und praktischer Kunstbetrachtung. immanuel Kant hatte den deutschen idea-listen zwar mit seiner these der »ästhetischen idee« den Weg für eine neue ästhetik geebnet und postuliert, nicht jeder ver-nunftbegriff vermöge die Gedanken der einbildungskraft aus-zudrücken. auch Quandt versuchte mit schelling, solger und anderen hier anzuknüpfen.149 doch während jene Kants these philosophisch weiterführten, versuchte dieser eine aus der Pra-xis der Kunstbetrachtung heraus gedachte definition, die eben gerade die begrifflich nicht ausdrückbare »ästhetische idee« zu bezeichnen versuchte. dadurch musste er komplexe philoso-phische begriffe vereinfachend behandeln.

Quandts intention beim verfassen seiner Briefe aus Ita-lien könnte es also gewesen sein, die philosophischen begriffe in eine gehobene umgangssprache überführen zu wollen. ver-schiedene stellen erhärten diese vermutung. so umschreibt

144 Quandt 1840 (3), Sp. 397–398. Der Begriff der Anschauung ist ausge-sprochen vielschichtig und schwer definierbar. Siehe Dietzsch 2016, S. 47–54; Waltraud Naumann-Beyer, »Anschauung«, in: ÄGB 2010, Bd. 1, S. 238–240; Prange 2004, S. 79.

145 Quandt 1830 (1), S. 109–111. Ausführlich über das Rührende im 8. Brief, S. 107–113. Vgl. Grave 2015, S. 103–105.

146 Quandt 1830 (1), S. 328; Goethe 1810, §50–60, S. 19–26.

147 Zur sittlichen Dimension der Farben siehe Goethe 1810, §758–832, S. 287–311; über das Kolorit, ebd., §871–899, S. 322–330. S. a. Gage 2001, S. 204–205.

148 Quandt 1830 (1), S. 123. Der Vergleich mit Hegel wäre hier spannend:

»Eine […] Hauptsache ist die Farbe. Sie macht die Malerei zur Malerei.

Zeichnung, Erfindung ist wesentlich, notwendig, doch die Farbe ist erst die Lebendigkeit, kein bloßes Kolorieren, sondern zugleich be-zeichnender Ausdruck.« Hegel 1823 [2003], S. 258.

149 Kant 1790 [2009], §49, S. 664: »Unter einer ästhetischen Idee aber verstehe ich diejenige Vorstellung der Einbildungskraft, die viel zu denken veranlaßt, ohne daß ihr doch irgend ein bestimmter Gedan-ke, d. i. Begriff, adäquat sein kann, die folglich keine Sprache völlig erreicht und verständlich machen kann.« S. a. Dietzsch 2016, S. 41–54;

Waltraud Naumann-Beyer, »Anschauung«, in: ÄGB 2010, Bd. 1, S. 227–

228; Frank 1989, S. 102–103.

er das Gefühl des erhabenen mehrfach als »erhebung des Gemüths« oder spricht in beispielen von einem erhebenden berg, Wasserfall, farbton.150 viel mehr als eine morphologische verwandtschaft zwischen »erhebend« und »erhaben« besteht jedoch nicht, da »erhaben« spezifisch philosophisch ist und

»erhebend« eher mit feierlicher freude umschrieben werden muss. dass genau diese ungenauigkeiten in den begriffen zu einer unvereinbarkeit mit der philosophischen ästhetik seiner Zeit führte, hat auch ein rezensent der Briefe aus Italien festge-stellt: »aber die begriffserklärung von ›schön‹ soll auf alles pas-sen, was unsere sprache möglicher Weise als schön bezeichnen kann. […] offenbar fehlt ein Wort in der definition des v[er]

f[asser]s. er meint das Kunstschöne allein.«151

doch genau diese vereinfachenden begriffe und umschrei-bungen haben einen didaktischen charakter. selbst die brief-form seiner ästhetik und die zahlreichen erläuternden beispiele und eingewobenen Geschichten deuten in diese richtung.

Quandts schriften sind womöglich eine art theoretisches

Ma-nifest des Galeriegesprächs. in diesen Gesprächen verwende-ten die Kunstfreunde dilettierend die begriffe der Philosophen.

Quandts Briefe sollten in der art eines lehrbuchs Kunstfreunde zu einem wohlüberlegten Gebrauch ästhetischen vokabu-lars führen. Max schasler ordnete ihn in seiner Kritischen Ge-schichte der Aesthetik von 1872 dementsprechend denjenigen ästhetischen schriftstellern zu, »welche theils die aesthetik un-ter dem Gesichtspunkt der historischen Kunstforschung und als einleitung zu dieser behandeln, theils in populärer Weise als gebildete leute für gebildete leute ästhetische betrachtungen anstellen.«152 Quandts Kunstfreunde konnten damit an ästheti-schen fragen teilhaben, ohne in die elitären bereiche philoso-phischer Komplexität vorstoßen zu müssen.153 Quandt selber deutete dies vierzehn Jahre später in seinen Vorträgen über Äs-thetik an: »diejenigen, für welche diese briefe geschrieben wa-ren, [waren] die Kunst=freunde und lieb haber […].«154

somit bleiben hinter Quandt als philosophischem ästhe-ten gewisse fragezeichen stehen, denn die Materie blieb trotz

150 Quandt 1830 (1), S. 82, 96.

151 JALZ 1830, Jg. 26, Nr. 90, Sp. 235.

152 Schasler 1872, S. 872.

153 Zum Galeriegespräch siehe Herding 1991, S. 261: »Mit der Wendung gegen Biographie, Inventar und Kritik agitieren [die Kunstfreunde]

gegen verstandesmäßige Kälte im Umgang mit Kunstwerken und setzen dagegen die herausfordernde Subjektivität ihres Gefühls.« S. a.

Weddigen 2008, S. 150–151.

154 Quandt 1844 (1), S. 131: »Diejenigen, für welche diese Briefe geschrie-ben waren, die Kunst=Freunde und Liebhaber, fanden, daß durch den Ernst das Vergnügen an der Kunst geschmälert würde, weshalb denn ein vielgelesenes Literaturblatt [die JALZ 1830, Jg. 26, Nr. 90, Sp. 233–

240] gegen meine Aesthetik und für eine andere, die zu gleicher Zeit erschienen war, sich aussprach, in welcher das für schön erklärt wur-de, was man zu sehen verlange.«

73 Johann Gottlob von Quandt, »Das intellectuelle Wohlgefallen«, in:

Ders., Briefe aus Italien über das Geheimnisvolle der Schönheit und die Kunst, Gotha 1830, S. 124

74 Johann Wolfgang von Goethe, Farbenkreis zur Symbolisierung des

»menschlichen Geistes- und Seelenlebens«, 1809, Feder in Schwarz, aquarelliert, auf Karton, 116 × 78 mm, Frankfurt a/M, Freies Deutsches Hochstift / Frankfurter Goethe-Museum, Inv.-Nr. III-14047

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rhetorischer einschübe trocken. sein rezensent stellte fest:

»eine reihe von glänzenden, aber unzusammenhängenden Kunstforderungen, belehrungen und urtheilen wird im besten falle alles seyn, was wir als ausbeute aus dieser gedankenrei-chen arbeit mit hinwegnehmen.«155 irgendwie scheint Quandts ästhetik schon zu seiner Zeit als etwas unausgegoren wahrge-nommen worden zu sein. doch gerechter wird man ihm eher, wenn man ihn als rezipient der ästhetischen strömungen darstellt, und nicht als Philosoph, der er nicht war. Man sollte ihn als vermittler zwischen der philosophischen ästhetik und der Kunstkennerschaft darstellen. besagter rezensent veror-tete Quandts Briefe dementsprechend, auch wenn seine Kri-tik nega tiv war: »hiermit haben wir jedoch nicht die absicht, den besonderen charakter dieses buches anzugreifen, das in mehr als einer beziehung dem erwin [Vier Gespräche über das Schöne und die Kunst von Karl Wilhelm ferdinand solger] und allem, was sonst an geschmackvollen Kunstphilosophieen un-ter uns erschienen ist, an die seite gesetzt zu werden verdient;

es soll vielmehr nur unsere Meinung von der ertraglosigkeit al-ler reinen Kunstspeculation andeuten. die Periode der systeme ist für deutschland vorüber. […] die Philosophie, oder was sich dafür ausgiebt, ist allzu sehr Gemeingut der deutschen gewor-den, als dass bey irgend einem neuen lehrgebäude in den abs-tracten Wissenschaften noch auf einen bemerkbaren erfolg zu rechnen wäre […]. in der Kunstphilosophie aber ist es entschie-den der eklektische sinn, welcher dem Genius unserer Zeit ent-spricht.«156

der rezensent zeigt deutlich das Problem von Quandt als autor ästhetischer schriften an: er war mit seinen ästhetischen Gedanken zu spät dran. die großen diskussionen im umkreis der frühromantiker und deutschen idealisten hatten anfang des Jahrhunderts stattgefunden. solgers Erwin, mit dem er verglichen wird, war 1815 erschienen. schlegels, schellings und hegels wegweisende vorlesungen über Kunst lagen viele Jahre zurück und waren längst publiziert.157 Quandts ästhetische schriften wie die Briefe aus Italien oder die Vorträge über Äs-thetik müssten daher mit ganz anderen latten gemessen wer-den: nicht mit den Messlatten einer philosophischen ästhetik, sondern mit denjenigen einer rezeptionstheorie.

dennoch ist Quandts bemühen, zwischen philosophischer ästhetik und Kunstbetrachtung zu vermitteln, nachvollziehbar.

der dritte saal seiner Privatsammlung mit den landschaftsbil-dern rohdens, friedrichs, richters, catels und steinkopfs war

der versuch einer anschaulichen Präsentation ästhetischer Ge-dankengänge (vgl. abb. 71). anhand der seit vielen Jahrzehnten in den Gemäldesammlungen äußerst beliebten Pendanthän-gung, die zu künstlerischen, formalen, kunsttopographischen oder ikonographischen vergleichen zwischen bildern führen konnte, war hier eine bild gewordene ästhetik ausgestellt.158 die Pendants vermittelten Quandts sicht der ästhetischen Katego-rien. die durch die Kunstwerke ausgelösten empfindungen der betrachter sollten so vergleichbar gemacht werden.

entgegen leander büsings annahme, dass es Quandt »kei-nesfalls um die Gegenüberstellung hintergründiger ideen gele-gen war«, kann ihm eine ausgeprägt ästhetische und kunstthe-oretisch unterfütterte hängung attestiert werden.159 die von Grave und busch vermutete, polare Gegenüberstellung von rohden und friedrich im sinne der Gegensätze des schönen und erhabenen greift ebenfalls zu kurz. denn die beiden bilder waren weder in der frühzeit ihrer Präsentation noch später nach dem bipolaren Gegensatz des schönen und erhabenen präsentiert. vielmehr wurden sie nun mit Gemälden ergänzt, die das tragische und rührende darstellen sollten. der samm-ler entpuppt sich damit vielleicht nicht als ästhet auf der höhe des philosophischen diskurses, doch als engagierter rezipient der philosophischen, ästhetischen und kunsttheoretischen strömungen seiner Zeit. als solcher hatte er die Praxis vor au-gen und wollte die Kunstbetrachtung anreau-gen.

Quandt betonte, dass das ordnen seiner sammlungen für ihn der ästhetik naheliege. Kunst sammeln, ordnen und aus-stellen stand also in einem engen Zusammenhang mit dem phi-losophischen nachdenken über Kunst. dies entsprach seiner

»vorliebe, in jedem Kunstwerke die idee und in der Kunstge-schichte den entwickelungsgang des Menschengeistes zu er-kennen […]«.160 das fortschreiten der vernunft in der Mensch-heitsgeschichte sollte durch die sinnreiche Präsentation von Kunst sichtbar werden. die Kenntnis der Kunstgeschichte würde die Gesellschaft nämlich zu »wahrer cultur« führen.161 Mit der öffnung seines hauses für Künstler und Kunstfreunde hatte Quandts sammlung eine bildende funktion. in bezug auf seine Kupferstichsammlung meinte der Kunstfreund: »[…]  es war für mich nicht etwa, diese blätter mein zu nennen, das größte vergnügen, wie dies bei raritätenkrämern der fall ist, sondern auch anderen durch betrachtung derselben einen Ge-nuss zu bereiten; wie denn jede gemeinschaftliche freude eine vielfältigere und größere ist, als die einsam egoistische. der

be-155 JALZ 1830, Jg. 26, Nr. 90, Sp. 233–234.

156 JALZ 1830, Jg. 26, Nr. 90, S. 234.

157 Frank 1989, S. 231–247: 14. Solger gilt selber bereits als »Spätling der romantischen Ästhetik«. Schasler 1872, S. 872 verortet Quandt als verspäteten Schelling-Anhänger.

158 Grave 2001, S. 93–95; s. a. Busch 2003, S. 146: »Pendants können auch

zur Demonstration unterschiedlicher kunsttheoretischer Positionen benutzt werden […].«

159 Büsing 2011, S. 231–232.

160 Kat. Quandt 1853, S. 2.

161 Quandt 1826 (1), S. 299–304.

sitzer von Kunstschätzen hat noch immer vor anderen den vor-zug, der verwahrer eines Gemeinguts zu seyn, denn ein solches sind Kunstwerke in der that.«162

Wo konnte er dieses »Gemeingut« außerhalb seines pri-vaten rahmens besser fördern, als in den großen königlichen Kunstsammlungen, die mit der reorganisation des sächsischen staates zu beginn der 1830er Jahre für die allgemeinheit nach

und nach einfacher zugänglich wurden? ein erstes engagement bot sich ihm in der Zusammenführung von Kunstkammer und rüstkammer zwischen 1832 und 1834 zum historischen Mu-seum. diese neue dauerausstellung konzipierte er selber. hier konnte er seine hehren Ziele und ansprüche, wie sie im Kontext seiner privaten sammlung verfolgt werden konnten, in einem öffentlichen Zusammenhang anwenden.

162 Kat. Quandt 1853, S. 1.

75 Das Königliche Historische Museum in Dresden, Eingangsbereich zum nordwestlichen Eckpavillon des Zwingers, um 1870 (Foto: Hermann Hettner, Der Zwinger in Dresden, Leipzig 1874, Tafel X)

Mit dem austritt aus dem Kunstverein begann im leben Jo-hann Gottlob von Quandts eine neue öffentliche institution eine bedeutende rolle einzunehmen: das Museum. Während er im Kunstverein seine ansichten bei aufträgen und ankäu-fen eingebracht hatte, bot sich ihm nun die Möglichkeit, durch ausstellungen seine Überzeugungen zu vermitteln. im Gegen-satz zu den sehr individuellen Möglichkeiten der Präsentation in seiner eigenen sammlung war dieses tätigkeitsfeld gewis-sen räumlichen und sammlungshistorischen bedingungen un-terworfen. Zudem musste er mit verschiedenen Personen zu-sammenarbeiten: einerseits war er den verantwortlichen des Ministeriums rechenschaft schuldig, andererseits traf er auf Mitarbeiter in den königlichen sammlungen, mit denen er sich arrangieren musste. Wie der wohlhabende Privatmann mit sei-nen weitreichenden ideen und die bedingtheiten einer öffent-lichen institution aufeinandertrafen, ist thema der nachfolgen-den Kapitel über das historische Museum und die königliche Gemäldegalerie.

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