• Keine Ergebnisse gefunden

Johann gottlob Von Quandt – Ein frühEr KunsthistoriKEr?

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 129-135)

J O H A N N G O T T LO B VO N Q U A N D T   – E I N F R Ü H E R K U N S T H I S T O R I K E R ? 254

Kunsthistoriker« genannt.4 bereits zu lebzeiten tauchte dieser begriff auf und noch zwei Jahrzehnte nach seinem tod hieß es, er sei der »nestor der Kunstwissenschaft« gewesen.5 in der tat wurde er noch bis zu beginn des 20. Jahrhunderts in den bekann-ten Konversationslexika als Kunsthistoriker aufgeführt, ehe die artikel über ihn nach und nach verschwanden.6

nachfolgend sei Quandt in die Geschichte der Kunstge-schichte eingeordnet. dies geschieht anhand einiger für die Konstituierung des faches wichtiger faktoren, die bei Quandt mehr oder weniger sichtbar werden. dazu gehören nach hen-rik Karge die verfestigung des begriffs »Kunstgeschichte«, Überblicksdarstellungen zwecks absteckung des Gegenstands-bereichs, die ablösung von der philosophischen ästhetik, die ausbildung einer diversifizierten Methodik und die Zuord-nung von Kunst zu epochenstilen, die etablierung der Kunst-geschichte als universitätsfach, die sich ausdifferenzierenden Publikationsmedien der Kunstgeschichte, schließlich die trans-formation der bildmedien, mit denen Kunst verbreitet wurde:

von der Zeichnung über die druckgraphik zur fotografie.7 nicht alle diese faktoren werden gleich tief behandelt, manche nur gestreift. vor allem aber wird gezeigt, wie Quandt teilweise völlig mit diesen entwicklungen einherging und manchmal da-gegen anlief. aus diesem Grund muss, lena bader folgend, für nachfolgende einordnung Quandts in der disziplingeschichte postuliert werden: »[die] vielzahl und vielfalt der Positionen zeigen deutlich, dass die Konturen dessen, was Kunstgeschichte im 19. Jahrhundert ist, sowohl methodisch als auch perso-nell, strukturell und selbst institutionell weder eindeutig noch selbstverständlich sind […]. eine großzügige Mehrstimmigkeit kennzeichnet jene Jahre; sie provoziert Methodenpluralismus, aus dem das fach vielfältige anstöße zur entwicklung kriti-scher instrumentarien schöpfen wird.«8

Zuerst ist grundsätzlich festzuhalten, dass Quandts name im Kontext der verfestigung des begriffs »Kunstgeschichte«

als disziplin bis ins frühe 20. Jahrhundert erwähnung fand. bei-spielhaft sei hier der knappe eintrag im Herder-lexikon von 1854/57 genannt: »Kunstgeschichte, nennt man vorzugsweise die Geschichte der entwickelung der bildenden Künste; einen solchen versuch über die alte Kunst haben wir von Plinius, der eigentliche schöpfer der alten K. aber ist Winkelmann. Was die neuere Kunst betrifft, so hatte man über einzelne theile derselben gute schriften (vasari, Waagen, Passavant, Quandt u. s. w.), doch erst Kugler (s. d.) lieferte die erste allgemeine K., schnaase eine Geschichte der bildenden Künste (1.–4. bd., düsseldorf 1843 bis 55), ein Künstlerlexikon nagler in 22 bdn.

(München 1835–53).«9 immerhin wird hier Quandt als verfas-ser kunsthistorischer studien zusammen mit dem berliner Gustav friedrich Waagen und dem frankfurter Johann david Passavant genannt, die heute unter anderen als frühe vertreter des faches in der ersten hälfte des 19. Jahrhunderts anerkannt sind.10 derselbe lexikoneintrag nennt mit franz Kugler und carl schnaase zwei urheber großer kunsthistorischer Über-blickswerke. diese waren für die etablierung des faches von eminenter Wichtigkeit.11 in der tat beabsichtigte Quandt selber zu beginn seiner Karriere als Kunstgelehrter, eine kunsthistori-sche Gesamtdarstellung europäikunsthistori-scher Kunst zu schreiben. auf seiner italienreise von 1819/20 wollte er »Materialien zu einer psychologisch genetischen Kunstgeschichte« sammeln.12 sein Opus magnum sollte ursache und Wirkung künstlerischer ent-wicklungen erklären, Zusammenhänge von Kunst und »Zeit-geist« erkennen lassen, durch die beschreibung der individuen die ganze Geschichte, »alles seÿn, Wirken u vorschreiten, einer in allen lebenden Weltseele, darstellen.«13 leider kam das Werk nie zur vollendung. ob entwürfe entstanden waren, lässt sich wegen des verschollenen nachlasses nicht sagen.

trotz dieses fehlenden kunsthistorischen hauptwerks las-sen sich in Quandts zahlreichen büchern, artikeln und rezen-sionen ansätze zu einer »allgemeinen Kunstgeschichte«

erken-4 Augsburger Allgemeine Zeitung, 23.6.1859, Nr. 174, S. 2843. S. a. Neue Würzburger Zeitung, 25.6.1859, Jg. 60, Nr. 174, [s. p.] und die Landshuter Zeitung, 26.6.1859, Jg. 11, Nr. 143, S. 576.

5 »Es lacht uns daraus, wie von Quandt, der berühmte Kunsthistoriker bemerkt, mehr eine Ironie auf die Herrlichkeit alles irdischen Glanzes und Glückes an, als daß uns die Schauer des Todes anwehten.« August Lewald, »Über Todtentänze«, in: Abendblatt zur Neuen Münchener Zeitung, 14.1.1857, Nr. 12, S. 46. »In einem höchst interessanten, kürzlich an die Oeffentlichkeit gelangten Essay des Nestors der deutschen Kunstwissenschaft, J. G. v. Quandt: ›Meine Berührungen mit Goethe‹

heißt es am Schlusse […].« Magazin für die Literatur des Auslandes, 16.7.1870, Jg. 39, Nr. 29, S. 426.

6 Zu den Lexikoneinträgen über Quandt siehe Kap. Forschungsstand und Quellen in der Einführung.

7 Karge 2009, [S. 1].

8 Bader 2013, S. 27.

9 Herders Conversations-Lexikon, hrsg. v. Bartholomae Herder, Freiburg i/Br: Herder’sche Verlagshandlung, 1854–1857, S. 673. In Jacob

Burck-hardts Eintrag zur »Kunstgeschichte« in der 9. Aufl. des Brockhaus’

Konversationslexikon von 1845 wird Quandt nicht erwähnt, hingegen in der 14. Auflage von 1892–1896: »In Deutschland nahmen diese Studien [der mittelalterlichen Baukunst – AR], die sich hier alsbald auch auf alt-deutsche Malerei erstreckten, die Brüder Boisserée, J. G. von Quandt, Franz Kugler, Ernst Förster, Heidelhoff u. a. auf […].« Brockhaus’ Konver-sationslexikon, 10. Bd. (16 Bde.), 14. Aufl., Leipzig/Berlin/Wien: Brock-haus, 1892–1896, S. 803. Weitere Hinweise auf Quandt in Artikeln wie

»Bildergalerie« und »Kunstgeschichte«; siehe 4. Auflage von Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart, Ausgabe von 1857.

10 Prange 2004, S. 124–129; Locher 2001, S. 187–190; Schröter 1990, S. 362–377; Kultermann 1966, S. 161–164.

11 Karge 2010 (1), S. 41–42; Karge 2010 (2), S. 86–104; Locher 2001, S. 209–

212, 244–254.

12 Brief von Quandt an Unbekannt vom 21.8.1819, in: SLUB, Mscr. Dresd.

App. 278, Nr. 163.

13 Zum Zeitgeist siehe Quandt 1847, S. 134–140.

nen.14 so erläuterte er seinen hörern an den Winterabenden der Jahre 1824/25 die künstlerischen entwicklungslinien, indem er seine umfassende Graphiksammlung präsentierte. der in der folge publizierte schmale band Entwurf zu einer Geschichte der Kupferstecherkunst und deren Wechselwirkungen mit anderen bildenden Künsten von 1826 ist in diesem sinn als Prolegomena zu der nie erschienenen großen Kunstgeschichte zu bezeich-nen. er selber schrieb im vorwort: »denn es haben sich wirklich die schätzbaren notizen über einzelne Kunstwerke und Künst-ler […] so gehäuft, daß sie unübersehbar zu werden beginnen, und es ein wahres bedürfniß wird, sie nach Grund und folge aneinander gereiht und zu einer Geschichte verarbeitet zu se-hen. Wenn fast schon jetzt der Materialien zu einem so großen baue zu viele sind, um von einem individuum verarbeitet wer-den zu können, so dürfte der Grundriß, nach welchem man das große Gebäude ausführen könnte, um so dringender nothwen-dig werden.«15 Quandt verstand seine arbeit also schon in den 1820er Jahren als teil einer Kunstgeschichte, deren aufgabe es sein sollte, das Wissen über die Geschichte der Kunst zu erweitern. franz Kugler, der als erster mit seinem Handbuch der Kunstgeschichte 1842 ein monumentales Überblickswerk veröffentlichte, bezog sich für seine ausführungen über die Geschichte des Kupferstichs auf Quandts Geschichte der Kup-ferstecherkunst.16 auch Quandts Übersetzung von luigi lanzis Geschichte der Malerei zwischen 1830 und 1833 bezeugt sein interesse an einer allgemeinen Kunstgeschichte, indem er der Publikation eine tabellarische Übersicht über die italienische Kunstgeschichte mit komplexen bezügen und farbigen hervor-hebungen beizulegen beabsichtigte.17 diese kam zwar nicht zur ausführung, zeigt aber, dass Quandt mit solchen ideen der ent-wicklung hin zu einer wissenschaftlichen Klassifizierung der

Kunst und ihrer Werke völlig entsprach und somit – wenigstens in den 1820er und frühen 1830er Jahren – auf der höhe der Zeit dachte.18

als anerkannter Kunstgelehrter der älteren Generation re-zensierte Quandt 1843 Kuglers wegweisendes Handbuch der Kunstgeschichte. darin zeigen sich deutliche unterschiede im denken des älteren und jüngeren forschers, die sich als generati-onelle differenzen entpuppen. bereits das vorwort widerstrebte dem alten Kunstkenner. Kugler wollte durch die beschreibung zahlreicher Kunstwerke deren eigenheiten neben ein ander-stellen und verstand diesen Zugang als denjenigen eines Prak-tikers.19 Quandt jedoch war nie an einer auflistung von einzel-wissen interessiert, sondern suchte diese durch einen großen Gedanken miteinander zu verbinden. dementsprechend kriti-sierte er: »das Werk geht von keiner obersten idee aus, noch führt es zu einer solchen am schlusse.«20 auf den weiteren sei-ten der rezension bemängelte er die oft ungenaue Wortwahl und beanstandete den geographischen aufbau des buches, der im Gegensatz zur chronologie einen ganzheitlichen ansatz verunmögliche.21 Quandt war mit Kuglers Werk überhaupt nicht zufrieden, wie ein brief an seinen verleger in halle zeigt:

»eine vervollständigung oder hie u da auch beschäftigung des einzelnen vorzunehmen, ist bei der ausdehnung des Werks u der beschränkung des gegebenen raumes einer lit[erarischen]:

Z[ei]t[ung]: unmöglich u schon die absicht es zuthun, würde so anmaaßend, wie das unternehmen des v[er]f[assers], der eine universelle Kunstgeschichte zu schreiben gedachte, da doch das studium einer Kunst, schon ein ganzes Menschenleben erfordert. ich habe in der anzeige mein urtheil nicht so scho-nungslos, wie im vertrauen zu ihnen, ausgesprochen, aber auch nicht verschwiegen wo meine Überzeugung, die ich aber eben

14 Zum Begriff der »allgemeinen Kunstgeschichte« siehe Karge 2010 (2), S. 88–89, 100–101; Locher 2010, S. 210–212.

15 Quandt 1826 (1), S. VIII: »Keineswegs wird behauptet, daß diese die alleinige Idee sey, nach welcher das Gebäude ausgeführt werden müßte; vielmehr müssen Plane entworfen werden, ehe ein großer Bau nur begonnen wird, und jede Idee kann ihr eigenes Gute haben, ja es wäre nicht einmal zu wünschen, daß nur einmal und von einem Standpuncte aus die Geschichte dieser Kunst construirt würde, indem vielseitigere und von Verschiedenen angestellte Betrachtung durch-aus vorteilhaft ist.«

16 Kugler 1842, S. 843–852, Anm. 1.

17 Brief von Quandt an Wilhelm Ambrosius Barth vom 14.1.1830, in:

SLUB, Mscr. Dresd. App. 1191, Nr. 575–576.

18 S. a. Schmidt-Burckhardt 2017, S. 15–19, 86–90; Schmidt-Burkhardt 2005, S. 65–81.

19 Kugler 1842, S. IX–XIV. S. a. Karge 2013, S. 5–7; Karge 2010 (1), S. 42;

Prange 2004, S. 145; Kultermann 1966, S. 168.

20 Quandt 1843 (3), Sp. 266. S. a. ebd., Sp. 257–258: »Schon dem Plane nach kann und soll man keine Vollständigkeit verlangen […]. Diese Ein-heit hätte aber nur in einer Idee erreicht werden können, deren Evolu-tion und Ausgeburt die Geschichte ist, und der Vf. wäre der Schöpfer einer Kunstphilosophie geworden, welche so aus der Kunstgeschichte

hervorgehen musste, wie die Naturphilosophie aus der Naturkunde.

Eine solche Idee […] habe ich nicht darin gefunden; wir werden also wol auch hier nur unter Ganzem so viel als Zusammenhang verste-hen und diesen Begriff wieder nur mit Aneinanderreihung erklären müssen.«

21 Kritik an der Wortwahl: »[…] Ideal und Stil kommen ebenfalls nicht selten in ihren schwankenden Bedeutungen vor.« Quandt 1843 (3), Sp. 267. Kritik am Aufbau: »Das erste Kapitel der eigentlichen Kunst-geschichte […], die Denkmäler des nordeuropäischen Alter thums als Zeugnisse für die ersten Entwickelungsmomente der Kunst, lässt den Plan vermuthen, dass an den Werken der Kunst, abgesehen von Raum und Zeit, die Grade geistiger Entwickelung dargelegt werden sollen.

Wenn wir nun aber in dieser Meinung an der Hand des Vf.’s von Stufe zu Stufe bis zu den Indiern hinangestiegen und auf dem Gipfel an-gelangt zu seyn glauben, stürzt er uns dann unerwartet jenseits der Höhe zu den Chinesen hinab.« Quandt sieht sich getäuscht, weil er eine chronologische Abfolge erwartete, welche die Entwicklung der Menschheit darlegen würde. Vom vierten Kapitel an habe er dann

»den schlichten geographischen Weg« eingeschlagen, der einen »Ent-wicklungsgang« nicht ermögliche. Ebd., Sp. 267–268. Vgl. Kugler 1842, S. 3, 96–128. S. a. Locher 2010, S. 77–78; Karge 2010 (2) S. 91–94.

J O H A N N G O T T LO B VO N Q U A N D T   – E I N F R Ü H E R K U N S T H I S T O R I K E R ? 256

so wenig für untrüglich ausgebe, in Widerspruch mit den be-hauptungen des verfassers steht. er will viel sagen, Welttheile u Jahrtausende in einen so kleinen raum zusammenquetschen und doch nicht alles bis zur unkenntlichkeit zerdrücken. Mühe habe ich nicht gespart u noch viele studien gemacht, obwohl mir die Gegenstände nicht fremd waren […].«22

Quandt verstand seine aufgabe als rezensent dahingehend, dass er aspekte des kritisierten Werks vertiefen, ergänzen oder allenfalls berichtigen wollte. Gleichzeitig widersprach ihm der Kuglersche anspruch, die gesamte Geschichte der Kunst aller Menschen in einem einzigen buch zusammenzufassen. Genau dies, glaubte er, wäre nicht zu verwirklichen. sein vernichten-des fazit lässt sich einem brief an Julius schnorr von carols-feld entnehmen: »[…] ein Weiserer als ich, hätte Kuglers buch in einen Winkel geschleudert, welches eines der wortreichsten u gedankenlosesten bücher ist, […], weil es ohne eigene Über-zeugung und urtheil vom verfasser zusammengelesen u das Gelesene, aber nicht auserlesene, niedergeschrieben wurde.«23 für Quandt war Kuglers Handbuch nur eine Kompilation von vorhandenem, aber nichts eigenständiges und neues.

bereits im Jahr danach veröffentlichte Quandt 1844 eine rezension zum zweiten großen Überblickswerk der frühen Kunstgeschichte. darin befasste er sich mit carl schnaases ers-tem band der Geschichte der bildenden Künste.24 der anspruch des Werks, das bis 1864 in sieben bänden erscheinen sollte, ließ ihn hoffen.25 anders als Kugler beabsichtigte schnaase, eine Kunstgeschichte zu schreiben, die einer alles vereinenden idee folgte.26 aus diesem Grund stellte er dem Werk ein einleiten-des Kapitel voran, in das aspekte der philosophischen ästhetik einflossen. auf diesem Gebiet fühlte sich Quandt zu hause. so kritisierte er zwar zahlreiche begriffliche Probleme der

knap-pen einführung, war aber grundsätzlich positiv eingestellt und schätzte die ausführungen zu sitten und charakter, religion und nation, Geographie und Geschichte, die der autor des mo-numentalen Werks in seine geographisch geordneten Kapitel einfließen ließ.27 er kam zum schluss: »Wenn der vf. uns auch nicht immer überzeugt, so geschieht es doch in den meisten fällen und man könnte sagen, dass seine aussprüche richtiger sind, als seine theoreme. das dankenswertheste eines solchen gedankenreichen buches ist, dass es anregt uns selbst über vie-les zu fragen und unsere eignen ansichten zu prüfen.«28

Quandt nahm sich auch des zweiten bandes an.29 in die-ser rezension wurde der ton zunehmend negativ und gipfelte in der ablehnung einer nebensächlichen aussage schnaases über Winckelmann: »schlimmer scheint mir noch das, was der vf. (s. 300 u. 301.) über Winckelmann ausspricht. er erklärt dessen urtheile für veraltet und ungültig und sagt spöttisch:

dass der begründer der Kunstgeschichte sich oft als dichter zeige u. s. w. […].«30 Was Quandt hier dermaßen erzürnte, war schnaases Kritik an einer charakteristischen eigenschaft Win-ckelmanns. dieser hatte durch seinen begeistert-subjektiven schreibstil die trockene Gelehrtensprache der Kunstkenner des 17. und frühen 18. Jahrhunderts überholt.31 schnaase veror-tete den so genannten begründer der Kunstgeschichte in sei-ner Zeit und hob umso mehr die errungenschaften der neuen Kunstgeschichte hervor. Quandt empfand dies als affront, so dass er die lektüre kurzerhand abbrach und die rezension in der hälfte des 533 seiten starken buches abrupt beendete:

»von hieraus lassen wir den vf. allein seinen Weg gehen und ziehn uns still zurück, denn ohne Poesie hat die Kunst und ihre Geschichte kein interesse für uns, sie würde, um mit Plato zu reden, ein bloßes nachbilden von nachbildern der urbilder

22 Brief vom 25.10.1842, in: Berlin, SMB, Zentralarchiv, Autographen-sammlung, Mappe 1133, Quandt, Johann Gottlob von, fol. 15r–16v.

23 Brief vom 21.1.1843, in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 222v.

24 Quandt 1844 (3), Sp. 689–694, 697–728. Der erste Band handelt von altorientalischer Kunst. S. a. Brief von Quandt an Unbekannt vom 28.1.1844, in: Berlin, SMB, Zentralarchiv, Autographensammlung, Map-pe 1133, Quandt, Johann Gottlob von, fol. 17r–v: »Sie erhalten hier die Recension über Schnaases Kunstgeschichte I. Theil, so gedrängt u so bald, als mir beides möglich war und doch weiß ich nicht, ob Ihnen die Abfassung und die Zeit nicht zu lang scheinen mögen. Ich habe es aber nicht kürzer machen können, denn ein Buch ist leichter geschrie-ben als gewissenhaft beurtheilt […].«

25 Quandt 1844 (3), Sp. 689 über das »Zueignungsschreiben als Vorrede«, in: Schnaase 1843, Bd. 1, S. IX.

26 Schnaase 1843, Bd. 1, S. IX: »Mir stand eine andere Aufgabe vor Augen.

Dass die Kunst einer jeden Zeit der Ausdruck der physischen und geis-tigen, sittlichen und intellectualen Eigenthümlichkeiten des Volkes sei […].« S. a. Kugler 1842, S. X–XI; Kultermann 1966, S. 173–174; Locher 2001, S. 238–240; Karge 2013, S. 9–10.

27 Zum Beispiel Quandt 1844 (3), Sp. 716 über Ägypten: »Der geschichtli-che Umriss, welgeschichtli-chen der Vf. gibt, ist mit so sigeschichtli-cherer Hand gezeichnet, dass die Epochen der ägyptischen Cultur deutlich, und in großen

Maßen gehalten, vor uns liegen.« Siehe Schnaase 1843, Bd. 1, S. 289–

333. S. a. Karge. 2010, S. 48; Karge 2010 (2), S. 94–96. Zur Kritik an den ästhetischen Kapiteln »Das Schöne und die Kunst« und »Die Idee des Kunstwerks« siehe Quandt 1844 (3), Sp. 689–694, 697–699. Schnaase 1843, Bd. 1, S. 3–36.

28 Quandt 1844 (3), Sp. 728.

29 Quandt 1844 (3), Sp. 1165–1184, 1189–1192. Darin ging es um griechische und römische Kunst. 1846 folgte die Rezension des dritten Bandes über altchristliche und muslimische Kunst. Quandt 1846 (3).

30 Quandt 1844 (3), Sp. 1192: »Aber noch Eines möchten wir dem Vf. ans Herz legen: – dass keiner die höchsten Meisterwerke ohne dichteri-sche Begeisterung verstehn und ein Kunstkenner werden kann. Der wahre Dichter ist der geborne Kunstkenner.« Vgl. Schnaase 1843, Bd. 2, S. 300–301, wenn auch ohne Spott: »Seit Winkelmanns Zeit hat sich unsere Kenntniss des Alter thums […] bedeutend erweitert und in gleichem Maaße das Kunstgefühl verändert […]. Der Begründer der Kunstgeschichte hat auch hier wieder, wie so oft, sich selbst als Dich-ter gezeigt, indem er mit seiner liebenswürdigen BegeisDich-terung dem Werke einen Gedanken unterlegte, der es so viel wie möglich zugäng-lich machte.«

31 Prange 2004, S. 35–36.

seyn, wenn sie nicht, wie viele andere Weise gesagt haben, eine stumme Poesie wäre.«32

in dieser emotionalen reaktion tritt das Generationen-problem zwischen dem älteren Quandt und den jüngeren schnaase und Kugler deutlich zu tage. die Poesie war gemäß Quandts Meinung für die Geschichtsschreibung besser geeig-net als eine auf Quellen basierte Methode. autoren wie Win-ckelmann waren hierin vorbildlich. die Poesie als eigenstän-diges erzeugnis menschlicher vernunft sollte die divergenten entwicklungen der Geschichte optimaler beschreiben können als historische dokumente. so bemerkte Quandt in bezug auf schnaases Widmung an franz Kugler: »in der an herrn dr.

und Professor franz Kugler gerichteten Zueignung, spricht der verf. die aufgabe aus, welche die Kunstgeschichte lösen soll. es ist diese aber eine fo[r]derung, welche nicht nur an die Geschichte, sondern überhaupt an alles vernünftige den-ken gemacht werden kann, dass der Geist, in allem was er be-trachtet, sich selbst in seiner entfaltung erkenne. es wäre ein eben so vergebliches bestreben die Welt aus einzelnheiten, aus sonnenstäubchen aufzubauen, als eine Kunstgeschichte, wel-che die des Menswel-chengeistes zugleich seyn soll, aus notizen zu stande zu bringen.«33

Quandt war sich des unterschiedes zwischen einer jünge-ren Generation von Kunsthistorikern, die vermehrt nach his-torisch-wissenschaftlichen Kriterien agierte, und der älteren durchaus bewusst. in einem kurzen aufsatz über das verhältnis von bildender Kunst und Kunstliteratur, Der Parallelismus zwi-schen ausübender Kunst und deren Literatur, schrieb er 1850:

»Man muss bewundern und verehren, was gelehrte Männer hinsichtlich der verbreitung der alter thumskunde und beson-ders deren mytho logischen theils, chronologie und nomen-clatur, gethan haben. ebenso ist von Kennern der neuern Kunst deren Geschichte überaus erweitert und berichtigt worden.

vergleicht man diese neusten Werke mit Winkelmanns und lessings archäolo gischen untersuchungen, mit Goethe’s ju-gendlicher begeisterung für den Münster in straßburg, den Pro-pyläen und seiner schilderung ruisdaelscher landschaft  […], oder mit heinse’s briefen aus düsseldorf, forsters ansichten vom nieder rhein, und selbst fernow’s römischen studien, so zeigt sich eine auffallende verschiedenheit der richtungen […].

Wenn diese letztgenannten schriften auf die im Kunstwerke

gleichsam latenten ideen gerichtet sind und deren entwicke-lung bezwecken, so zeigen die neueren untersuchungen über Kunstwerke mehr von einem eifer für das sammeln geschicht-licher nachrichten. dieser heißhunger nach notizen, diese scheu vor dem ein dringen und die lust am auslegen von Kunstwerken, wobei man mehr auf richtige benennung der Ge-genstände, welche vorgestellt wurden, als das anschauen der ideen, welche die vorgestellten Gegenstände umfassen, aus-ging, ist daran schuld […], wenn sich nun diese factische und historische richtung auch in der ausübenden Kunst zeigt. so ist es ein sichrer beweis, daß der materielle stoff jetzt ein über-wiegendes interesse hat, welches diese sphäre des Geistes ganz beherrscht.«34

es wird hier deutlich, dass sich Quandt zu der älteren Gene-ration zählte. er vertrat mit ihnen eine universalgeschichtliche richtung. Kunstgeschichte sollte die Geschichte der

es wird hier deutlich, dass sich Quandt zu der älteren Gene-ration zählte. er vertrat mit ihnen eine universalgeschichtliche richtung. Kunstgeschichte sollte die Geschichte der

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 129-135)