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Gelehrter Protagonist einer jungen Disziplin

Im Dokument Kunst ausstEllEn (Seite 135-139)

Quandts schriften und briefe zeigen, dass sich der dresdener Kunstgelehrte trotz fragezeichen vor allem in bezug auf seine Methodik den grundlegenden aspekten, die für die Konstitu-ierung des faches Kunstgeschichte wichtig waren, gut zuord-nen lässt: seine Zeitgenossen rechneten ihn, bezogen auf die bezeichnung der Kunstgeschichte als disziplin, dazu. seine rezensionen der kunsthistorischen Publikationen rumohrs, Kuglers, schnaases und anderer verweisen auf seine hohe an-erkennung als Kunstgelehrter, der die neuen Werke der Kunst-geschichte zu beurteilen wusste. seine zahlreichen bücher und artikel zu kunsthistorischen themen, Künstlern und Kunst-werken verdeutlichen, dass er die zeitgenössischen diskussi-onen wahrnahm und rezipierte. darüberhinaus sind bei ihm ansätze zu einer »allgemeinen Kunstgeschichte« zu erkennen, auch wenn er kein Überblickswerk geschrieben hat.48 Wie carl friedrich von rumohr stritt er für ein »anschauliches denken«, das bestrebungen in der Geschichte der Kunst nicht als forma-lisierte »Künstlersprache«, sondern nach dem vorbild der na-tur zu erklären beabsichtigte.49 Wie Gustav friedrich Waagen in berlin verfolgte er mit seinen hängungen in der dresdener Gemäldegalerie eine »sichtbare Geschichte der Kunst«, welche die aktuellsten diskussionen um chronologische und kunstto-pographische hängungen aufgriff.50 Gerade hier, aber auch in seiner Konzeptarbeit für das historische Museum in dresden, zeigt sich eine frühe Professionalisierung in den Museen, wo mit Quandt nicht ein Künstler, sondern ein Gelehrter die fe-derführung innehatte.51 abschließend seien daher noch einige faktoren erläutert, die für Quandts biographie sehr typisch, für eine bleibende anerkennung als früher Kunsthistoriker wohl aber abträglich waren.

Quandt war ein Kunstkenner mit unsystematischer bil-dung. sie war von Privatlehrern und selbststudium geprägt, jedoch nie an einer universität vertieft worden. adele scho-penhauer formulierte diese eigenschaft recht offen: »[…] wir fühlen beide [adele und arthur schopenhauer – ar] das Pein-liche einer ganz unvollkommen gebliebenen ausbildung und richtung seines Wesens, es ist etwas ganz ungeordnetes, Wil-des in seiner Phantasie wie in seinem ganzen leben.«52 ähn-licher Meinung waren noch andere. 1826 unterschrieben in rom die Künstler catel, Koch, riepenhausen, rohden, thor-valdsen, reinhart und veit die streitschrift Betrachtungen und Meynungen über die jezt in Deutschland herrschende Kunst-schreiberei, von Künstlern in Rom von 1826, die der architekt adolf Weissenburg verfasst hatte. egozentrismus und unwis-senheit, ja »lüsternheit nach dem richteramt« wurde den Kunstschriftstellern darin vorgeworfen. Mit fehlerfreier spra-che, aber dürftiger bildung glaubten sie den Künstlern vorga-ben machen zu dürfen. dass Kunstschriftsteller wie Quandt hier angesprochen waren, ist deutlich: »Werfen wir noch ei-nen kurzen blik auf die bildung der heutigen Kunstschreiber, so geht aus ihren arbeiten genugsam hervor, daß sie größten-theils aus leuten bestehen, welche sich eine kurze Zeit in ita-lien aufgehalten, (wir kennen diese herren meist persönlich, und wissen sehr gut, wie viel sie auf der Geisteswage wiegen,) oder die in ihrer vaterstadt Gelegenheit haben, einigen um-gang mit Künstlern zu unterhalten, in keinem fach aber, weder in der Kunst, noch in der Wissenschaft etwas tüchtiges selbst-ständiges geleistet haben.«53 bezeichnenderweise richtete sich der aufsatz nicht gegen autoren der Kunstgeschichte oder ar-chäologie, die »ohnedis mehr dem Gebiete der Wissenschaft an[gehören]«, sondern gegen Kunstliebhaber und deren be-urteilung des künstlerischen Wertes von Kunstobjekten.54 in

48 Zum Begriff der »allgemeinen Kunstgeschichte« siehe Karge 2010 (2), S. 88–89, 100–101; Locher 2010, S. 210–212.

49 Prange 2004, S. 111–118. S. a. Locher 2001, S. 227–233.

50 Prange 2004, S. 129–137.

51 Bis 1882 mit Karl Woermann ein erster Kunsthistoriker anstelle eines Künstlers die Direktion der Dresdener Gemäldegalerie übernahm, sollte es indes noch Jahrzehnte dauern. Zur Professionalisierung der Museen siehe Weddigen 2008, S. 54–65; Kat. Frankfurt 1994, S. 29–34.

52 Zitiert nach Kat. Leipzig 1997, S. 17.

53 AZ 1826, Beilagen Nr. 119–121, S. 473–482, hier S. 477. Die Künstler hatten Quandt eine Rezension der Dresdener Akademieausstellung von 1825 zugeschrieben. Brief von Schnorr an Quandt vom 2.11.1826, in: München, Bayerische Staatsbibliothek, Autograph Schnorr von Carolsfeld, Julius; Schnorr 1886, S. 519–520. Quandt reagierte nicht auf das Pamphlet und nahm nur in einer Antwort an Schnorr Stellung:

»Dabey fällt mir eben ein, daß d[ie] Künstler in Rom uns verbothen haben über Kunstgegenstände zu sprechen u da nun das Sprechen nichts anders ist als laut oder schriftlich zu denken, so ist also das Denken darüber auch verbothen. In der allgemeinen Zeitung haben sich diese Herren mit eigner Machtherrlichkeit zu ihren eignen

Rich-tern nur eingesetzt. Ich möchte aber wohl wissen ob Koch u Catel von einander Belehrung, Satz, Urtheil annehmen möchten oder Rohden u Reinhardt? Ferner ob das Urtheil dieser Künstler über einander, nicht vielleicht noch einseitiger ausfallen möchte, als das eines Mannes, dessen Geist die Richtung gewonnen hat, das auf Begriffe u Ideen zurückzuführen, was die Kunst in Anschauungen und anschaulich zusammenfasst. Ferner sollten diese Künstler doch nicht vergessen, was sie den Schriften des Fernow, Wackenröder, Tiek, Spät [Balthasar Speth – AR] u Schorn schuldig sind, denn ohne diese u ohne dass Phi-losophen u Dichter die Welt durch ihre Werke zum Genuß der Kunst vorbereiteten, hätten diese Künstler schwerlich Eingang gefunden, da durch die Wissenschaft der Kunst die Lantze gebrochen wird.« Unda-tierter Brief an Schnorr [März/August 1826], in: SLUB, Mscr. Dresd. n Inv. 15, Bd. 31, fol. 132r. S. a. Noack 1907, S. 214.

54 AZ 1826, Beilage Nr. 119, S. 473. 1833 erschien eine ähnliche Schrift von Reinhart: »Drei Schreiben aus Rom gegen Kunstschreiberei in Deutschland«, Dessau 1833; Stolzenburg 2012, S. 84; Kat. Hamburg/

München 2012, Kat. Nr. 245, S. 354. S. a. Prange 2004, S. 28–29.

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der tat war Quandt nie an einer bildungsinstitution als Wis-senschaftler tätig oder unterrichtete an einer höheren schule Kunstgeschichte  – ausgenommen eine interimistische vorle-sung über ästhetik an der dresdener Kunstakademie im Jahr 1843.55 seine privat betriebene bildung und forschung war der fortdauernden Wertschätzung seiner arbeit sicherlich abträg-lich.

ein weiterer faktor, der zu einem vergessen von Quandts kunsthistorischen errungenschaften geführt haben könnte, lag wohl in seiner auf finanziellem reichtum begründeten un-abhängigkeit. der Kauf des rittergutes in dittersbach 1830 ist dafür bezeichnend. hier konnte er sich in kleinem rahmen mit land und leuten, Kultur und arbeit beschäftigen. Über die einrichtung des landschaftsparks hinaus lag sein fokus auf der ökonomischen und sozialen entwicklung des landgutes.

dies erforderte viel Zeit, die ihm für eine regelmäßige arbeit als Kunstgelehrter fehlte. Quandts unabhängigkeit ermöglichte es ihm, nur das zu tun, was ihn interessierte. dies führte zu einer gewissen verzettelung, was er selber feststellte: »[…] literari-sche arbeiten forderten Zeit und fleiß u dabei wollte ich auch das leben genießen, bauen, reisen, meine Güter verwalten u außerdem noch meine Pflichten gegen die academie erfüllen.

durch diese zersplitterte thätigkeit habe ich mehr unterlaßen als gethan.«56 Quandt konnte es sich leisten, Kunstgelehrter zu sein, ohne einem einkommen nachgehen zu müssen. dadurch musste er nie ein amt übernehmen oder einen beruf ausüben und konnte sich in den dresdener Museen oder in der Kunst-akademie zeitlich begrenzt engagieren. so entging ihm aber auch die Möglichkeit, eine institution kraft seines amtes und seiner arbeit nachhaltig zu prägen.

Quandt zählt dennoch zu einer Generation von Kunstge-lehrten, die für die junge disziplin fruchtbar gewirkt haben. er gehörte zu den umsichtigen Mäzenen der nazarener in rom und verhalf ihnen und nahestehenden Künstlern in sachsen zu einer Plattform. er glaubte an die Wirkmacht der Kunst und vor allem der historienmalerei in der Gesellschaft und förderte sie nach Kräften im sächsischen Kunstverein. er schrieb als an-erkannter Kenner über altdeutsche Kunst und machte sie so bekannt. im Königlichen altertumsverein lenkte er den blick auf die regionale Kunstgeschichte des Mittelalters und schob Maßnahmen zur erhaltung sächsischer Kunstwerke an. seine eigene Kunstsammlung präsentierte er einem breiten Publikum noch zu Zeiten, als die öffentlichen Museen dresdens selten zugänglich waren. seine mehr als dreitausend blätter zählende Graphik- und Zeichnungssammlung dienten ihm zum studium und zur erläuterung der europäischen Kunstgeschichte. seine Gemälde präsentierte er gelehrt und kenntnisreich. als Mit-glied der Galeriekommission setzte er sich für die erhaltung der Königlichen Gemäldesammlung ein, kämpfte an vorderster front für einen neuen Museumsbau und organisierte einen für die besucher der Gemäldegalerie anschaulichen und nachvoll-ziehbaren rundgang durch die Museumssäle. schließlich war er einer der ersten, der mit der bemalung des belvedere in ditters-bach Goethe ein denkmal setzte. Mit diesem verehrte er weni-ger den Weimarer dichter als die Kunst, deren Werke für ihn die Geschichte der menschlichen vernunft darstellte. Zu seiner eigenen ehre prangte bereits im Jahr seines todes ein relief-tondo von ernst rietschel an der fassade der Kunstakademie (abb. 128) – als denkmal für einen gebildeten kunstbeflissenen Menschen, für Johann Gottlob von Quandt.57

55 Als Vertretung für den verstorbenen Heinrich Hase, bevor dessen Nachfolger sein Amt antrat. Brief von Quandt an Friedrich Gottlieb Welcker, 20.5.1850, in: Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek, De-zernat 5 / Abt. Handschriften und Rara, Autographensammlung, S 685 (NL Welcker), Brief 3. S. a. Quandt 1844 (1).

56 Brief von Quandt an Unbekannt vom 4.3.1843, in: Berlin, SMB,

Zentral-archiv, Autographensammlung, Mappe 1133, Quandt, Johann Gottlob von, fol. 19r–20r. Der Brief steht im Kontext einer Anfrage für Beiträge in der Jenaischen Literaturzeitung, für die er zwanzig Jahre zuvor ge-schrieben, lange aber nichts mehr publiziert hatte.

57 Wilmowsky 2017, WVZ 185.2, S. 767–768.

128 Ernst Rietschel, Johann Gottlob von Quandt, 1859, Bronze, Dm: 63,5 T: 8 cm, Dresden, SKD, Skulpturensammlung, Inv.-Nr. ZV 3193

129 Verse von Johann Gottlob von Quandt zu den Porträts von Friedrich Gießmann (s. Abb. 6, 31), 30.7.1829, Feder in Braun, 158 × 187/8 mm, München, Privatbesitz

Abkürzungen ÄGB

Ästhetische Grundbegriffe. Historisches Wörterbuch in sieben Bänden. Studien-ausgabe, hrsg. v. Karlheinz Barck et al., Stuttgart/Weimar: c, 2010.

AZ

Allgemeine Zeitung, Augsburg/Stuttgart/

Tübingen: J. G. Cotta, 1798–1925.

FA

Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche.

Frankfurter Ausgabe, hrsg. Friedmar Apel et al., 40 Bde., Frankfurt a/M: Deutscher Klassi-ker Verlag, 1987–1999.

GSA

Goethe- und Schiller-Archiv, Klassik Stiftung Weimar.

gta Archiv / ETH Zürich

Archiv des Instituts für Theorie und Ge-schichte der Architektur, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich. ge-gründet von Johann Wolfgang von Goethe und Christian Gottlob Voigt, Jena/Leipzig:

Literaturzeitung und Kurfürstlich-Sächsische Zeitungsexpedition, 1804–1841 [Internetres-source: Jena, Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena, Projekt journals@

UrMEL, zs.thulb.uni-jena.de, letzter Zugriff:

17.9.2018].

KB

Kunst-Blatt. Beilage zum Morgenblatt für gebildete Stände, hrsg. v. Ludwig Schorn, Stuttgart: Cotta, 1816–1849.

MA

Johann Wolfgang von Goethe, Sämtliche Werke nach Epochen seines Schaffens.

Münchner Ausgabe, hrsg. v. Karl Richter in Zusammenarbeit mit Herbert G. Göpfert, Norbert Miller, Gerhard Sauder und Edith Zehm, 21 Bde. [33 Teilbände], München/Wien:

Carl Hanser, 1985–1998.

MdbK

Museum der bildenden Künste, Leipzig, Archiv.

MKL

Metzler Kunsthistoriker Lexikon. 210 Porträts deutschsprachiger Autoren aus vier Jahr-hunderten, 2. Aufl. [Erstausgabe: 1999], hrsg.

v. Peter Betthausen et al., Stuttgart/Weimar:

J. B. Metzler, 2007.

NL Nachlass.

PrAdK

Preußische Akademie der Künste, Histori-sches Archiv der Akademie der Künste, Berlin.

RK

Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek, Jena, Handschriftenabteilung.

Quandt-Autographen in Archiven und Bibliotheken Der schriftliche Nachlass von Quandt und seiner Familie gilt als verschollen (siehe Kap.

Einführung. Forschungsstand und Quellen).

Nachfolgend werden alle Signaturen konsultier-ter Autographen bis auf Dossierstufe (Mappe, Schachtel, Kapsel, etc.) oder Dokumentenstufe nachgewiesen. Es handelt sich dabei vorwie-gend um Archivverweise auf Autographen von Quandt. Einige Bestände enthalten auch Briefe anderer Korrespondenten an Quandt oder solche, die ihn erwähnen. Ebenfalls hier aufge-führt ist die edierte Korrespondenz zwischen Quandt und Goethe. Diese Zusammenstellung entspricht dem aktuellen Stand der Recherchen und ist nicht abschließend.

Briefeditionen

»Von den herrlichsten Kunstwerken umgeben…«.

Der Briefwechsel zwischen Johann

Wolf-gang von Goethe und Johann Gottlob von Quandt, hrsg. v. Walter Schmitz und Jochen Strobel, Dresden: Thelem Universitätsverlag, 2001.

Hermann Uhde-Bernays, Goethe, Johann Gottlob von Quandt und der Sächsische Kunstverein. Mit bisher ungedruckten Brie-fen des Dichters, Stuttgart: Verlag der J. G.

Cotta’schen Buchhandlung, 1878.

Archive und Bibliotheken

Altenburg, Thüringisches Staatsarchiv (ThSA) Familienarchiv Lindenau, Nr. 13

Familienarchiv Lindenau, Nr. 15 Berlin, Preußische Akademie der Künste

(PrAdK), Historisches Archiv Pers. BK 401 Quandt

118 Gutachten über wissenschaftliche und Kunstgegenstände

136 Ernennung von ordentlichen, außer-ordentlichen und Ehrenmitgliedern 212a Kunstausstellungen Berlin, Staatsbibliothek,

Handschriftenabteilung

Sammlung Adam, NL 141/72, Quandt, Johann Gottlob v.

Sammlung Darmstaedter, Sign. 2b 1821 (8), Ebert, Friedrich Adolf

Sammlung Darmstaedter, Sign. 2i 1826 (3), Quandt, Johann Gottlob von

Sammlung Härtel, Quandt, (Johann) Gottlob Nachlass Sayn-Wittgenstein, K. 7, Quandt, Johann Gottlob von

Berlin, Staatliche Museen Berlin (SMB), Zentral archiv, Autographensammlung Mappe 940/2

Mappe 1133, Quandt, Johann Gottlob von Nachlass Rauch XI.3. Briefe von: Böttiger, 1822–1832

Nachlass Johann Gottfried Schadow, NL Sw 182 Bonn, Universitäts- und Landesbibliothek

Dezernat 5 / Abt. Handschriften und Rara, Autographensammlung

Kiste 86

S 685 (Nachlass Welcker)

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