• Keine Ergebnisse gefunden

Strukturwandel in der türkischen Volkswirtschaft

In den letzten zehn Jahren hat die türkische Wirtschaft einen eindrucksvol- len Transformationsprozeß vollzogen, wobei die Industrie als der dynami- sehe Sektor hervorgetreten und die Entwicklung von Handel und Investi- tionen auf eine nach außen orientierte Wirtschaftspolitik hingedeutet hat.

Die türkische Wirtschaft verzeichnet auch seit den 50er Jahren eine kontinuierliche Expansion, die erhebliche Schwerpunktverlagerungen in den Produktions- und Handelsstrukturen mit sich brachte. Diese konti- nuierliche Expansion wurde lediglich durch die Jahre der Stagnation (1979-1980) unterbrochen. Das Gesamtergebnis hat somit der Leistungs- fähigkeit der türkischen Wirtschaft starke Beachtung eingetragen. Es gibt nur wenige Länder, die innerhalb so kurzer Zeit eine solche strukturelle Veränderung vollzogen haben.

Generell entwickelte sich der Industriesektor schneller als andere Sek- toren, so daß auf ihn ein immer größerer A nteil des Bruttoinlandsprodukts (BIP), der Exporte und der Erwerbstätigen in der Türkei entfielen. Dieser bereits in der Vergangenheit klar erkennbare Trend setzte sich auch 1981-91 fort: während der A nteil der Landwirtschaft am BIP 1981 22 % be- trug, sank er 1991 auf 17%, während der A nteil des Industriesektors im selben Zeitraum von 26 % auf 33 % stieg.

Dieselbe Struktur spiegelt sich in der Entwicklung des Außenhandels und insbesondere der Exporte wider, und zwar stieg der A nteil der Indu- strieerzeugnisse von 48% (1981) auf 80% (1991) der Gesamtexporte, während im gleichen Zeitraum der A nteil der Agrarexporte von 47% auf 16% zurückging. Parallel zu dieser Entwicklung stieg der A nteil des Ex- ports am BIP von 5,2% (1980) auf 17% (1991). Generell erhöhten sich in diesem Zeitraum die Gesamtexporte jährlich um durchschnittlich etwa 20

%.

Die Zahl der Beschäftigten in der Landwirtschaft ging entsprechend dem langjährigen Trend von 61 % (1980) auf 48% (1990) der Gesamtzahl der Beschäftigten zurück, wobei allerdings zugegeben werden muß, daß diese Zahl immer noch sehr hoch ist.

Kurzum: Die Türkei hat den Weg einer auslandsorientierten Entwick- lung mit Erfolg beschritten, wobei sich das exportinduzierte Wachstum be- sonders auf die Industrieproduktion konzentriert hat. Vor etwa 25 Jahren hatten drei A rtik e l (Baumwolle, Tabak und Obst) einen 70%igen A nteil am türkischen Gesamtexport. Heute exportiert die Türkei dagegen weit- weit über 3000 A rtikel.

Prof. Dr

;

Ismét Ergiin

Seit 1980 findet in der Türkei ein Liberalisierungsprozeß statt. In diesem Rahmen wurden folgende Schritte unternommen:

- Der Import wurde voll liberalisiert.

- Die Kontrollen von Preisen und Kapitalbewegungen wurden abgebaut bzw. aufgehoben.

- Es wird versucht die Staatsunternehmen umzustrukturieren und zu pri- vatisieren. (Privatisierungsarbeiten kommen allerdings sehr langsam voran).

- Die Exporte wurden durch flexible Wechselkurse und umfangreiche Anreizsysteme gefördert, wobei allerdings diese Anreizsysteme (wie z. B. Steuerrückvergütung, präferenzielle Exportkredite und dgl.) in den letzten fünf Jahren weitgehend abgeschafft wurden.

- Es wurden für die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik mit den EG- Ländern große Anstrengungen unternommen.

Dieser Liberalisierungsplan der Türkei ist allerdings nach Ansicht der EG nicht ausreichend: zwar wurden die Zölle abgebaut, dafür aber ver- schiedene Abgaben eingeführt, von denen die Fondsabgaben die größte Bedeutung haben. Sie wurden kurzfristig festgelegt und dienen als Instru- mente der handelspolitischen Feinsteuerung, die einerseits einheimische Produzenten unter Konkurrenzdruck setzen, andererseits auch import- substituierende Produktion weiterhin ermöglichen sollen.

Über die allgemeine Produktionsrate in der Türkei liegt eine neue Un- tersuchung vor, die noch nicht veröffentlicht worden ist (von Prof. Dr.

S.Togan, Bilkent Universität in Ankara).

Danach ist die allgemeine Protektionsrate der Türkei von 65,2 % ( 1983) auf 29,91 % (1991) gesunken. Die Subventionierung der Ausfuhr wurde ebenfalls im gleichen Zeitraum von 36,5% auf 15,9% abgebaut. Diese Zahlen deuten auf einen wichtigen Schritt auf dem Weg zur wirtschaftli- chen Liberalisierung der Türkei hin.

Auslandsinvestitionen nehmen-trotzweltweiterStagnation undden Er- eignissen im Ostblock - rasch zu, allerdings nach wie vor unter dem erwarte- ten Niveau. Es hat sich in den letzten Jahren bei rund 500 Mio. D ollar pro Jahr stabilisiert. Das Auslandskapital verteilt sich hauptsächlich auf den In- dustriesektor (Nahrungsmittel, chemische Produkte und Elektronik) und den Dienstleistungssektor ( Bankwesen, Fremdenverkehr und Handel).

Die Wirtschaft wird nach dem Wachstumseinbruch 1991 im laufenden Jahr mit einem Wachstum des Bruttosozialprodukts um 5-6 % rechnen. Im vergangenen Jahr war die Wachstumsrate infolge hoher Zinsen, hoher Lohnzuwächse und pessimistischer Einschätzungen der Geschäftsent- wicklung nur 0,3%.

Anfang dieses Jahres stellte die neue Regierung ihre Wirtschaftspolitik vor. Das Programm enthält die bekannten Zielvorstellungen der Markt- wirtschaften:

- dauerhafte Senkung der Inflationsrate,

- Ankurbelung der Wirtschaft und damit die Senkung der Arbeitslosig- keit,

- gerechte Einkommensverteilung,

- Privatisierung der Staatsbetriebe und damit Ausbau der M arktw irt- schaft,

- stärkere Integration mit der Weltwirtschaft.

Im einzelnen sieht das Wirtschaftsprogramm vor:

Die Staatsunternehmen sollen unter der Aufsicht einer staatlichen Pri- vatisierungsagentur in eine autonome Holding eingebracht werden (aus- genommen: Post, Bahn, Elektrizität und staatliches Monopol). Die Hol- ding soll weitgehend finanziell selbständig und frei von politischem Einfluß sein. Sie soll entscheiden, welche Staatsunternehmen umgehend, welche nach einem gestaffelten Zeitplan und welche erst nach ihrer Sanie- rung verkauft werden könnten. Die Staatsunternehmen waren bekannt- lieh nach der Gründung der Türkischen Republik aufgrund mangelnder Privatinitiative aus der Not geboren worden. Im Laufe der Jahre sind

aller-« »

dings diese Betriebe wegen chronischer Uberbeschäftigung, ausbleiben- der Modernisierung und schlechtem Management eine große Last der tür- kischen Wirtschaft geworden. Heute machen ihre Verluste mehr als die Hälfte des Budgetdefizits aus.

Das Steuersystem soll effektiver und gerechter gestaltet und die Steuer- hinterziehung beseitigt werden. Ein wichtiges Ziel ist es auch, das Steuer- aufkommen zu erhöhen. Außerdem soll der Mindestlohnsatz von der

Besteuerung ausgenommen werden.

Der Export wird bei den Produzenten gefördert. Die Inputpreise (v. A.

Energie) sollen sich dem gegenwärtigen Niveau der Weltmarktpreise an- passen.

Ausländische Investitionen werden weiterhin gefördert. Durch Zinsver- billigungen sollen die Investitionen besonders in den Klein- und Mittelbe- trieben und in bestimmten Regionen gefördert werden.

Der Finanzsektor wird ausgebaut. Kapitalmärkte werden modernisiert, neue Instrumente wie z. B. Investmentfonds, Immobilienfonds werden zu- gelassen. Die Publizitätspflicht der Banken wird verstärkt.

Gegen diese geplanten Maßnahmen muß allerdings gesagt werden, daß dieses Wirtschaftspaket keine konkreten Angaben enthält, wie z. B. die In- vestitionen attraktiv gemacht oder wie die Steuereinkommen erhöht wer- den könnten. Die gesteckten Ziele lassen sich als eine A rt ״ Wunschliste“

betrachten. In Bezug auf diese Ziele ist auch bis heute kein entscheidender Durchbruch eingetreten.

Seit Anfang der 80er Jahre ist in der Türkei eine rasche Steigerung der Infrastrukturinvestitionen zu beobachten. Heute sind etwa 60% aller An- lageninvestitionen solche Investitionen. Bis vor etwa zehn Jahren litt die

Strukturw andel in der türkischen Volkswirtschaft 195

Industrialisierung ständig unter Engpässen bei der Infrastruktur, vor allem im Energiesektor, bei Kommunikation und Verkehr. Das verschlechterte die Produktivität des privaten Kapitals. Dieser Engpaß mußte auf jeden Fall beseitigt werden. Ohne ausreichende Infrastrukturausstattung ist kein Wirtschaftswachstum zu erwarten.

Es gibt derzeit in der Türkei zwei große Infrastrukturprojekte: das Süd- ostanatolien-Projekt, kurz G AP genannt, und der Ausbau der Verkehrs- infrastruktur.

Das G AP ist bis heute das größte Energie- und Bewässerungsprojekt der Türkei. Das Projekt besteht aus Staudämmen auf Euphrat und Tigris, Kraftwerken, Bewässerungsanlagen und natürlich auch aus komple- mentären Faktoren wie z.B. Landwirtschaft, Industrie, Erziehung, Ver- kehr, Wohnungsbau in der Region. Es ist also ein integriertes Projekt.

Die GAP-Region umfaßt 6 Provinzhauptstädte und ist knapp 73000 qkm groß. Diese Fläche macht etwa 9% der Türkei, 30% von

Groß-« •

britannien oder 87% von Österreich aus und ist etwa 2,5 mal größer als Holland und mehr als 3 mal größer als Belgien. Das Projekt soll zu Beginn des zweiten Jahrtausends die Steppen des nordwestlichen Mesopotamien in einen blühenden Garten verwandeln. Es ist geplant, bis zum Jahr 2020 das Projekt zu vollenden.

Die Wasserkraft der Türkei von einem geschätzten Potential von 100 Mrd. kWh ist derzeit zu 20% ausgeschöpft. Deshalb besitzen Energie- projekte in der Wirtschaftsplanung der Regierung allerhöchsten Vorrang.

Die Türkei erzeugt derzeit über 50 Mrd. kWh Strom. Vor 10 Jahren er- zeugte sie etwa 20 Mrd. kWh, was etwa 60% des heimischen Bedarfs aus- machte. Die sich in der Vergangenheit wiederholenden Stromausfälle min- derten empfindlich die Leistungskraft der Wirtschaft. Heute ist die Türkei in der Lage, Energie zu exportieren.

Die wahrscheinlichen volkswirtschaftlichen Auswirkungen des GAP- Projekts lassen sich wie folgt zusammenfassen:

- Zunächst wird eine sozio-ökonomische Explosion erwartet. Die Land- flucht wird gestoppt. Somit wird eine der ältesten Kulturlandschaften der Welt wieder zum Leben erwachen.

- Das Projekt wird der Landwirtschaft und der Industrie in der Region A uftrieb geben und auf diese Weise den Lebensstandard erhöhen. Das wird sicher auch zur Beseitigung des regionalen Ungleichgewichts in der Türkei beitragen.

- In etwa 15 Jahren werden 2 Mio. Hektar Halbwüste bewässert. Dadurch wird sich die landwirtschaftliche Produktion verdoppeln.

Die wirtschaftliche Entwicklung bringt auch eine Zunahme der Güter- transporte und Außenhandelsströme mit sich. Aus diesem Grund müssen die Verkehrsinfrastruktur und das Fernmeldewesen des Landes ausgebaut werden.

Die türkische Verkehrsinfrastruktur ist unzureichend. Um die Ver- kehrsströme mittel- und langfristig flüssig halten zu können, bedarf es weitsichtiger und rechtzeitiger Verkehrsplanung. Die türkische Regierung hat deshalb ein Verkehrsprogramm verabschiedet, um schon heute auf der Basis des jetzt zur Verfügung stehenden Verkehrsnetzes den Bedarf der nächsten zehn Jahre zu ermitteln, Quantität und Qualität des in Zukunft benötigten Verkehrsnetzes zu planen, Prioritäten zu setzen und die Finan- zierungsmöglichkeiten auszuloten.

Zu den Schwerpunkten des Programms gehören:

- Strukturverbesserung im Bereich des Verkehrs, - Förderung des kombinierten Verkehrs,

- Ausbau der Verkehrsinfrastruktur,

- optimale Ausnutzung der bestehenden Kapazitäten,

- Schaffung neuer Kapazitäten, die auf die künftige Entwicklung des Gü- terverkehrs gerichtet sind,

- Verbesserung der wirtschaftlichen und finanziellen Basis der Verkehrs- unternehmen,

- Erhöhung der Verkehrssicherheit.

Es ist vorgesehen, in den folgenden zehn Jahren etwa 10 Mrd. Dollar für den Verkehr auszugeben. Die steigende Nachfrage nach Transportleistun- gen erfordert in jedem Jahr erhebliche Investitionen. Das wichtigste Pro- blem bei der Durchführung der Verkehrsinvestitionen ist die Finanzie- rung. Diese Investitionen erfordern schon für relativ kurze Strecken einen außerordentlichen Kapitaleinsatz. Die sonst im Handel und Gewerbe übli- che Selbstfinanzierungsquelle scheidet angesichts des großen Ausmaßes der Investitionen aus. Die türkische Regierung hat eine neue Finanzie- rungsmethode eingeführt: Es wurden eine Reihe von Eigenfinanzierungs- fonds außerhalb des Staatshaushalts geschaffen, um von bürokratischen Verzögerungen und anderen klassischen Beschränkungen unabhängig zu sein. Die Einkünfte setzen sich aus einem Teil der Steuereinnahmen von staatlichen Monopolgütern, Mineralölprodukten und einigen Luxusim- porten zusammen. Eine andere Finanzierungsmethode ist das sog. ״

Bau-• Bau-•

träger-Ubergabe“ -Modell für große Infrastrukturprojekte.

A ll diese Entwicklungen zeigen, daß die türkische Wirtschaft einen erheblichen Schritt weitergelangt ist. Auch die künftige wirtschaftliche Entwicklung kann trotz weltweiter Wirtschaftskrise zuversichtlich be- trachtet werden. Die Türkei ist jetzt ein wichtiger Wirtschaftspartner ge- worden:

- Türkische Firmen investieren überall im Ausland, auch in der BRD.

- Türkische Bauunternehmen bekommen weltweit Aufträge.

- Reformen im Rechts- und Justizwesen werden bald ein Gesetz. Hinder- nisse für die weitere Entwicklung der Demokratie werden beseitigt.

- Somit ist die Türkei für viele Entwicklungsländer ein Vorbild, sowohl in

Strukturw andel in der türkischen Volkswirtschaft 197

Bezug auf die Demokratie westlicher Prägung als auch auf dem Weg zur freien Marktwirtschaft.

M it dieser Schilderung der insgesamt positiven Entwicklung der Wirt- schaft ist allerdings nicht gesagt, daß es in der Türkei jetzt keine Probleme gibt; im Gegenteil, es sind noch wichtige Fragen zu lösen.

Die allgemeine Inflationserwartung konnte bis heute nicht überwunden werden. Die neue Regierung hatte als Inflationsrate für 1992 42 % geplant.

Es stellt sich jetzt aber heraus, daß diese Zahl bis zum Jahresende minde- stens 55 % betragen hat. Diese chronische Inflation und der damit verbun- dene Kaufkraftschwund sind die größten Hürden der türkischen Wirt- schaft und wohl der Hauptgrund für die verhältnismäßig geringen Industrie-Investitionen.

Der Abbau des Handelsdefizits konnte nicht realisiert werden. Trotz steigender Steuereinnahmen bleibt das Budgetdefizit hoch und der Staat beansprucht den Kapitalmarkt übermässig, was die Kreditzinsen in die Höhe treibt und dadurch die privaten Investitionen einschränkt. Gegen- wärtig übersteigt z. B. der A nteil der öffentlichen Zinsausgaben im Staats- haushalt den der Investitionsausgaben. Die öffentliche Verschuldung hat

1992 eine Größenordnung von 125 des BSPerreicht.

Aufgrund der erhöhten Infrastruktur-Investitionen sind auch Auslands- schulden rasch gestiegen. So beträgt die Gesamtverschuldung heute etwa 45 Mrd. Dollar, wovon etwa 20% kurzfristige Schulden sind. Für die Aus- landsschulden zahlt die Türkei jährlich etwa 2 Mrd. Dollar Zinsen. Aller- dings erfüllt die Türkei ihren Schuldendienst korrekt.

Das chronische Problem der Staatsunternehmen ist ebenfalls ungelöst.

Sie belasten den Staatshaushalt erheblich. Nach Schätzungen gehen gut 50% des Haushaltsdefizitsauf ihre Kosten. Nur 305 von diesen Betrieben- aufgrund ihrer Monopolstellung - werden als gewinnbringend angesehen.

Der Rest läßt sich als riesiges staatliches Beschäftigungsprogramm inter- pretieren. Z ur Zeit finden dort etwa 6000(H) Personen ihre Beschäftigung, deren Kosten für die Türkei inzwischen allerdings untragbar geworden sind.

Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Inflation, die struk- turbedingte Arbeitslosigkeit, die hohe Verschuldung, das Defizit des Staatshaushaltes und daschronische Problem der Staatsbetriebe die derzeit wichtigsten Probleme sind, die die türkische Wirtschaft zu bewältigen hat.

Als Gesamtergebnis können also folgende Punkte festgehalten werden.

1. Die türkische Wirtschaft hat sich erholt. Ein Strukturwandel ist unver- kennbar. Die Furcht vor fremden Konkurrenten scheint langsam zu schwinden. Die Türkei ist inzwischen in der Lage ihren Handelspartnern

Handelskredite zu gewähren.

2. Als erstes müssen allerdings die Inflation unter Kontrolle gebracht und die Inflationsrate dauerhaft gesenkt werden. Sonst wird es nicht

mög-lieh sein, die innere und äußere Stabilität herzustellen. Grundvorausset- zung ist dafür, daß im öffentlichen Sektor das Gleichgewicht zwischen Ein- nahmen und Ausgaben hergestellt wird. Deshalb muß die gesamte Orga- nisation des Staates gestrafft, die Privatisierung der Staatsbetriebe beschleunigt und an den Spielregeln der Marktwirtschaft festgehalten wer- den.

3. Die türkische Regierung hat bekanntlich im A p ril 1987 einen Bei- trittsantrag zur EG gestellt. Damit soll die von A tatürk in den zwanziger Jahren eingeleitete Orientierung an Europa durch die Vollmitgliedschaft vollendet und in einen noch stabileren Rahmen gebracht werden. Das ist eine Staatspolitik in derTürkei.

4. Die Türkei betrachtet allerdings eine Mitgliedschaft in der EG nicht als Selbstzweck, sondern als M ittel auf dem Weg zum Westen, zur Demo- kratie und zur Marktwirtschaft.

• •

5. Es ist wichtig zu beachten, daß die Anstrengungen der Türkei (Uber- gang zur freien Marktwirtschaft, Demokratisierungsprozeß, Reformen im Rechts- und Justizwesen) völlig unabhängig von der Mitgliedschaft der Türkei in der Gemeinschaft sind. Unabhängig davon, ob die Türkei Voll- mitglied wird oder nicht, werden diese Prozesse vollendet. Die Türkei unternimmt diese Schritte nicht, weil sie gegenüber der EG sympathischer erscheinen will, sondern sie akzeptiert diese als eine unabdingbare Voraus- setzung eines Kulturstaates, einer Kulturgesellschaft. Die Türkei w ill mit einer Kulturwelt Zusammenleben, zusammen atmen, sich integrieren und ihre Werte teilen.

6. Die Türkei hat in den letzten Jahren den Versuch unternommen, die außenwirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen Sowjetrepubliken zu intensivieren und auszubauen. Das bedeutet jedoch keine Alternative zu Westeuropa oder etwa zu den arabischen Staaten, sondern ist eine natürliche Fortsetzung der Linie, die die Türkei seit 1980 beschreitet, näm- lieh der Weg einer auslandsorientierten Wirtschaftspolitik.

7. Die BRD ist sowohl auf der Einfuhr- als auch auf der Ausfuhrseite der wichtigste Handelspartner der Türkei. Ihr A nteil am türkischen Außen- handelsvolumen beträgt je nach der konjunkturellen Lage 15-20%. A u f der anderen Seite hat sich die Türkei 1990 in die Reihe der 20 wichtigsten

Handelspartner Deutschlands hochgearbeitet: bei der deutschen Einfuhr auf Platz 19. bei der Ausfuhr auf Platz 16. Im übrigen wurden die deutsch- türkischen Wirtschaftsbeziehungen von dem vorläufigen Stopp für Liefe- rungen von Rüstungsmaterial nicht beeinträchtigt. Zwischen deutschen und türkischen Unternehmen gibt es außerdem eine Kooperation bei der Erschließung des Marktes in den südlichen Republiken der GUS, im ara- bisch-persischen Raum und im gesamten Schwarzmeergebiet. Die Bezie- hungen zwischen der Türkei und der BRD sollen also ausgebaut, intensi- viert und die Mißverständnisse auf alle Fälle beseitigt werden.

Strukturw andel in der türkischen Volkswirtschaft 199

Ergiin, Ismét: ״ Aktuelle Wirtschaftslage d e r Türkei und Zukunftsperspektiven“ in:

Werner G um pel (Hrsg.): Die Türkei und die E G (Südosteuropa Aktuell, Band 3), München 1988, S. 37-45

Ergiin, Ismét: ״ Z u r Wirtschaftslage der Türkei - Entwicklungen und Ergebnisse“ in:

Südosteuropa-Mitteilungen, Heft 3/1986, S. 10-19

G um pel, Werner: ״ Die Außenwirtschaftsbeziehungen der Türkei und die E G “ in: Süd- osteuropa-M itteilungen, Jg. 31/1991, S. 201-208

Kramer, H einz: ״ Türkei - Mit alten Kräften auf neuen Wegen“ in: Vierteljahres Berich- te, Probleme d e r internationalen Zusam m enarbeit, Nr. 128, Bonn 1992, S. 163-176 S t a t e Pl a n n i n g O r g a n i z a t i o n - T he South-Eastern Anatolia Project, A nkara 1989 T ü r k e i - L ä n d e r a n a l y s e n der F A Z G m b H Informationsdienste, April 1992

Literaturverzeichnis