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der Telekommunikation und Post in Südosteuropa

Einleitung

Die vergangenen Jahre und insbesondere das Jahr 1989 waren geprägt von tiefgreifenden Veränderungen des gesamten gesellschaftlichen, wirt- schaftlichen und politischen Lebens in den mittel-, ost- und südosteuropäi- sehen Ländern. Die Teilung des europäischen Kontinents in zwei poli- tische Blöcke ist aufgehoben; der alte Kontinent rückt wieder näher zusammen. Die Lebensverhältnisse der Menschen in Ost und West sind al- lerdings noch sehr unterschiedlich und es wird noch vieler Anstrengungen bedürfen, diese K lu ft zu überwinden.

Die Kommunikation hat mit dazu beigetragen, daß die geistige Abschir- mung der Menschen in M ittel-, Ost- und Südosteuropa durchbrochen wur- de. Auch beim Umgestaltungsprozeß von Wirtschaft und Gesellschaft kommt der Kommunikation eine besondere Rolle zu. Die Erfahrungen in den Industrieländern zeigen, daß die Kommunikation - und insbesondere die Telekommunikation - eine wesentliche Rolle bei der Entwicklung ei- ner modernen Marktwirtschaft spielt. Denn die Kommunikation ist eine der notwendigen Voraussetzungen für jegliche A rt von Wirtschaftstätig- keit - sei es im gewerblichen oder im industriell-produktiven Bereich. Die Entwicklung in den neuen Bundesländern hat dies drastisch bestätigt. Der Mangel an Kommunikationsmöglichkeiten hat die wirtschaftliche Ent- wicklung dort insbesondere am Anfang stark beeinträchtigt. Dies gilt auch für M ittel-. Ost und Südeuropa; eine ausreichende Kommunikationsinfra- struktur ist auch dort die Voraussetzung für die wirtschaftliche Gesundung und gesellschaftliche Stabilisierung.

Rahmenbedingungen

Staatswirtschaft und staatlicher Dirigismus haben sich als untaugliches Wirtschaftssystem erwiesen; dies zeigen mit großer Deutlichkeit die ge- genwärtigen weltweiten Veränderungen. Und es gibt keinen Grund zu glauben, daß diese Erfahrungen nicht auch für den Telekommunikations- und Postbereich gelten. Auch hier muß das Prinzip der Marktwirtschaft implementiert werden: Staatliche Eingriffe sollten nur dann

vorgenom-men werden, wenn der Bedarf der Konsuvorgenom-menten durch den M arkt nicht bestmöglich befriedigt wird. Die staatliche Aufgabe muß sich auf die Regulierung konzentrieren und sich auf diese beschränken. Dementspre- chend stellen unabhängige Telekommunikationsunternehmen und Staat- liehe Regulierungsbehörden mittlerweile den typischen ordnungspoliti- sehen Rahmen in den wichtigsten Industrieländern dar.

Eine vor kurzem abgeschlossene Studie hat gezeigt, daß dieser Weg zu- mindest für die Telekommunikation richtig ist. Anhand empirischer Be- funde wurde u. a. folgendes nachgewiesen:

- Länder, die den Telekommunikationsbereich marktwirtschaftlich orga- nisiert haben, verfügen mit großer statistischer Wahrscheinlichkeit über ein höheres Niveau der Telekommunikationsinfrastruktur als Länder, in denen dies nicht der Fall ist.

- Wenn in einem Land der marktbeherrschende Anbieter von Telekom- munikationsdienstleistungen

• operationell und organisatorisch vom Staat getrennt ist,

• sich zu einem großen Teil in Privateigentum befindet,

• und von einer Regulierungsbehörde beaufsichtigt und preisreguliert wird,

dann ist das Niveau der Telekommunikationsinfrastruktur mit großer sta- tistischer Wahrscheinlichkeit höher als ein einem Land, in dem diese Be- dingungen nicht erfüllt sind.

Die mittel-, ost- und südosteuropäischen Länder sind grundsätzlich be- reit, diesen Weg zu gehen und mehrere Länder haben diesen Weg bereits eingeschlagen.

Kommunikation in Südosteuropa

Die südosteuropäischen Länder starten dabei von einer schlechten Aus- gangsposition. Der Kommunikationsbereich ist in einem desolaten Zu- stand. Die Telekommunikationsnetze sind technisch veraltet und schlecht ausgebaut; der Postverkehr ist generell zu schwerfällig. Dafür sind nicht nur wirtschaftliche Fehlsteuerungen der letzten Jahrzehnte verantwort- lieh, sondern auch ideologische Gründe, nach denen die Kommunikation zwischen den Menschen möglichst in kontrollierte Bahnen gelenkt oder sogar weitgehend unterbunden werden sollte.

Das Telefonnetz ist das Rückgrat der Telekommunikation. Es ermög- licht nicht nur das Telefonieren; bei ausreichender technischer Qualität des Netzes können auch Telefaxe übermittelt und Daten übertragen werden.

Der Ausbaustand des Telefonnetzes ist aber auch ein Indikator für den Entwicklungsstand einer Volkswirtschaft. Untersuchungen haben gezeigt, daß die Wirtschaftsleistung ausgedrückt durch das Bruttosozialprodukt

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Die Veränderungen a u f dem Gebiet der Telekom m unikation u n d Post 169

sehr eng mit der Telefondichte eines Landes verknüpft ist. Der nationale Wohlstand steigt mit wachsender Telefondichte. Die Länder mit einer ho- hen Telefondichte - z. B. Schweden, Kanada, Dänemark und die Schweiz - liegen auch beim Bruttosozialprodukt je Einwohner vorn. In Westeuropa gibt es rund 45 Telefonanschlüsse je 100 Einwohner. In Südosteuropa ist die Telefondichte durchweg deutlich geringer - sie liegt bei weniger als 20 Telefonanschlüssen pro 100 Einwohner - und die Qualität der Netze läßt im allgemeinen sehr zu wünschen übrig.

In Ungarn stehen die Zeichen insgesamt günstig: die politischen und wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen gelten als stabil; in allen W irt- ,Schaftsbereichen wird in beträchtlichem Umfang investiert. Ungarn hat zwar - wie alle Länder der Region - eine niedrige Telefondichte, jedoch ein im allgemeinen recht gut gepflegtes und erhaltenes Telefonnetz. In den letzten Jahren sind bereits nennenswerte Fortschritte gemacht worden, insbesondere durch die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen. Das ungarische Parlament hat im Sommer 1992 ein neues Postgesetz verab- schiedet. Ein neues Telekommunikationsgesetz wird derzeit im Parlament beraten. Durch Trennung der hoheitlichen und unternehmerischen Aufga- ben sind die Voraussetzungen für mehr wettbewerbliche Strukturen ge- schaffen worden. Das ungarische Ministerium für Verkehr, Nachrichten und Wasserwesen hat bereits Lizenzen für den Aufbau und den Betrieb einzelner Telekommunikationsnetze, insbesondere im Mobilfunkbereich, vergeben. Die Vergabe weiterer Lizenzen ist in Vorbereitung. M it der Neu- Ordnung des Telekommunikationsbereichs wird Ungarn den Weg für aus- ländische Investitionen öffnen.

In Rumänien verläuft die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in einer Weise, die für westliche Investoren nicht gerade ermutigend wirkt. Rumä- nien sollte deshalb auf seinem Weg zur Marktwirtschaft und Demokratie bestärkt werden. Im Telekommunikationsbereich hat Rumänien einen vergleichsweise hohen Nachholbedarf. Die Telefondichte liegt deutlich unter dem Durchschnitt der Region und die Qualität des Netzes ist recht niedrig. Der Ausbau zu einer modernen Telekommunikationsinfrastruk- tur erfordert entsprechend hohe Investitionen. Die institutionelle Reform hat zwar bereits zu einer Trennung der hoheitlichen und regulatorischen Aufgaben von den unternehmerischen Aufgaben geführt. Die Ansätze für eine Telekommunikationspolitik, die die notwendigen Investitionen ins

Land leiten könnte, sind aber bisher eher zögerlich.

Die Bereitschaft Bulgariens sich dem Westen zu öffnen war bisher ins- gesamt nicht sehr groß. Das Engagement westlicher Unternehmen war dementsprechend gering; dies gilt auch für den Bereich Telekommunika- tion. Bulgarien hat zwar eine im Vergleich zu den anderen südosteuropäi- sehen Ländern überdurchschnittlich hohe Telefondichte; die Netzqualität ist jedoch eher schlecht. Bei konsequenter Fortsetzung der bereits einge­

leiteten Reform der Telekommunikationspolitik sind aber durchaus Fort- schritte bei der Entwicklung der Telekommunikation zu erwarten.

Albanien ist in jeder Hinsicht auf die Unterstützung durch westliche Länder angewiesen. Albanien weist mit Abstand die geringste Telefon- dichte in Südosteuropa auf. Die Netzqualität ist in einem ebenso schlechten Zustand. Es ist noch sehr viel Entwicklungs- und Aufbauarbeit zu leisten.

Für das ehemalige Jugoslawien ist davon auszugehen, daß in den Regio- nen, in denen Krieg herrscht oder geherrscht hat, die Telekommunika- tionsnetze weitgehend zerstört worden sind. Der Erhalt bzw. die Pflege der Netze ist unter den gegenwärtigen Umständen kaum oder überhaupt nicht möglich. Als einziges Land in dieser Region hat Slowenien eine relativ gut erhaltene Telekommunikationsinfrastruktur und damit gute Vorausset- zungen für einen wirtschaftlichen Neubeginn.

Annäherung an Westeuropa

Diese Fakten wirken zwar sehr ernüchternd, doch sollte deshalb in der Bereitschaft und dem Bestreben nicht nachgelassen werden, die Länder Südosteuropas näher an Westeuropa heranzuführen. Die Länder Südost- europas suchen diesen Kontakt.

Die Bundesregierung hat 1992 ein Sonderprogramm für die Länder M it- tel-, Ost- und Südosteuropas (einschließlich der Staaten der GUS) aufge- legt. Ziel dieses Programmes ist es, die Länder dieser Region beim Aufbau von Demokratie und sozialer Marktwirtschaft zu beraten.

Beziehungen zwischen Deutschland und den Ländern Südosteuropas im Bereich Telekommunikation und Post

Für den Bereich Telekommunikation und Post heißt dies, die Länder die- ser Region darin zu unterstützen, neue ordnungspolitische Strukturen zu planen und zu verwirklichen. Dies betrifft u.a. die Anpassung oder die Neufassung von Gesetzen für Telekommunikation und Post. Denn diese bilden die Grundlage und setzen den Rahmen für den effizienten Aufbau verbesserter oder neuer Infrastrukturen und Dienste.

Der Bundesminister für Post und Telekommunikation und seine nach- geordneten Behörden pflegen zu diesem Zweck bereits seit einigen Jahren enge Beziehungen zu den Ländern M ittel-, Ost- und Südosteuropas. Dies gilt sowohl für die Arbeitsebene als auch für die Leitungsebene des M ini- steriums.

Neben diesen bilateralen Beziehungen wurde im Juli 1992 in Bonn erst- mals eine Konferenz mit den Ministern für Post und Telekommunikation

aus M ittel-, Ost- und Südosteuropa durchgeführt. Das Interesse galt dabei zunächst dem gegenseitigen Kennenlernen und dem Austausch von Infor- mationen, um die Lage dieser Länder im Bereich der Kommunikation bes- ser zu verstehen.

Im Rahmen der Konferenz wurde auch ein interessantes Projekt vorge- stellt, zu dem sich die Postverwaltungen aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Ungarn und der Tschechoslowakei zusammengefunden haben. Gegen- stand dieses Projekts mit dem Namen STEPS (System Concept for Trans- national Central European Postal Services) ist es, ein harmonisiertes, län- derübergreifendes Konzept zur Modernisierung des Postwesens in diesem Raum zu erarbeiten und zu realisieren. An diesem Projekt, das bei einer er- folgreichen Durchführung der dringend nötigen Verbesserung der posta- lischen Infrastruktur den Weg ebnet, ist vor allem der multilaterale An- satz bestechend. Bundesminister Dr. Schwarz-Schilling hat deshalb noch während der Konferenz erklärt, daß die Bundesregierung die Ausarbei- tung des Konzepts fördern wird.

Die weiteren Diskussionen führten zu einer abschließenden Erklärung mit folgenden grundsätzlichen Aussagen:

• Eine leistungsfähige Post- und Telekommunikationsinfrastruktur ist zu- sammen mit der Verkehrsinfrastruktur Grundlage für den Erfolg aller Maßnahmen zur Förderung von Demokratie und für den Ausbau т о - derner Wirtschafts- und Verwaltungsstrukturen.

• Die Telekommunikation ist ein wichtiger Bestandteil für den Entwick- lungsprozeß zur Marktwirtschaft und für die grenzüberschreitende Zu- sammenarbeit.

• Der Kommunikationssektor wird aber in den Entwicklungsprogram- men oft zugunsten anderer Bereiche vernachlässigt. Dadurch wird die Wirtschaftsentwicklung wegen fehlender Post- und Telekommunika- tionsverbindungen behindert und gebremst.

Die Minister betonten außerdem die Bedeutung folgender Orientierun- gen:

• Investitionen im Kommunikationsbereich müssen wegen ihrer An- schubwirkung für die gesamte Wirtschaftsentwicklung eine hohe Prio- rität erhalten; sie müssen kontinuierlich und möglichst unabhängig von staatlichen Eingriffen erfolgen. Dies kann am ehesten erreicht werden, wenn eine Trennung vom Staatshaushalt vorgenommen wird.

• Für den gesamten Kontinent wäre die Harmonisierung der technischen Merkmale der Telekommunikationssysteme und -netze von großem Vorteil; dies sollte bei deren Konzipierung angestrebt werden.

• Post und Telekommunikationsdienste können sich in einer wettbe- werbsorientierten Umgebung am besten entwickeln. Die staatliche Ein- Wirkung sollte sich darauf beschränken, eine einheitliche Infrastruktur und entsprechende Regulierungen sicherzustellen.

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• Die Trennung der staatlichen, regulierenden Verantwortung von den unternehmerischen, betrieblichen Aufgaben begünstigt den Abbau bürokratischer Hemmnisse und stimuliert die Wettbewerbs- und Lei- stungsfähigkeit im Post- und Telekommunikationssektor. Als zweck- mäßigste Lösung bietet sich die Übertragung aller betrieblichen Aufga- ben auf möglichst unabhängige Unternehmen an.

• Länder, die ihre Post- und Telekommunikationsstrukturen bereits refor- miert haben, können mit ihren Erfahrungen dazu beitragen, den Über- gang zu mehr Wettbewerb zu erleichtern und zu beschleunigen. Von der angebotenen Vermittlung des ״ Know-hows“ sollte reichlich Gebrauch gemacht werden.

An der Konferenz nahmen auch hochrangige Vertreter deutscher Un- ternehmen der Kommunikationsbranche und deutscher Großbanken teil, um Kontakte zu knüpfen oder zu pflegen. Dabei stellten die Delegationen aus M ittel-, Ost- und Südosteuropa fest, daß die Unternehmen der Deut- sehen Bundespost und die deutsche Industrie kompetente Partner für den Aufbau und die Modernisierung der Infrastrukturen in ihren Ländern sind. Die Bewältigung der Probleme in den neuen Bundesländern und der dort m it großem Erfolg eingeleitete Infrastrukturaufbau sind ein gutes Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit der deutschen Unternehmen.

Bei der Konferenz wurden deshalb auch eine ganze Reihe von Vereinba- rungen zwischen deutschen Unternehmen und Partnern aus dem mittel-, ost- und südosteuropäischen Raum getroffen.

Schluß

M it den ersten Besuchen von Bundesminister Schwarz-Schilling und sei- nen Staatssekretären in den Ländern Südosteuropas in den vergangenen Jahren und der Postministerkonferenz ist ein Anfang gemacht worden.

Weitere Kontakte werden folgen; die Beziehungen werden vertieft wer- den. Der langfristige Prozeß der Annäherung zwischen Südosteuropa und dem industriell entwickelten Europa ist eingeleitet. Leitmotiv hierbei soll- te ein Wort des großen Europäers Jean Monnet sein, der einmal sagte:

״ Die Kooperation zwischen den Nationen, so bedeutend sie auch sein mag, löst nichts. Was es zu suchen gilt, ist eine Vereinigung der Interessen der eu- ropäischen V ölker und nicht einfach die Aufrechterhaltung des Gleichge- wichts dieser Interessen.“

Die Südosteuropa-Gesellschaft und ihr Präsident Dr. Walter Altham- mer leisten einen wichtigen Beitrag im Sinne dieses Leitmotivs. Ich wün- sehe Herrn Dr. Altham m er weiterhin viel Erfolg bei der Ausführung seines Amtes.

172 Wilhelm Rawe

Botschafter Dr. Stoyan Stalev

Botschaft der Republik Bulgarien, Bonn

Das Deutsche Recht und die Umgestaltung