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Krisenherde in Südosteuropa - Weltinnenpolitik und Gewaltmonopol?

I.

Der Krieg in Jugoslawien begann zu einem Zeitpunkt, als Europa und die Welt nach dem Ende des Ost-West-Gegensatzes auf eine Epoche des Frie- dens und der internationalen Zusammenarbeit hofften. Inzwischen hat sich herausgestellt, daß das Verschwinden dieses großen Konfliktes über Jahrzehnte verdeckte kleinere Konflikte an die Oberfläche brachte.

Sollte es in absehbarer Zukunft zu einem Abklingen des Bosnien-Her- zegowina-Krieges kommen, so sind die nächsten Streitpunkte bereits vor- programmiert. Sie bestehen in folgenden geographischen Bereichen und unter möglicher Beteiligung der jeweils angegebenen Staaten:

- Kosovo (Serbien, Albanien),

- Mazedonien (Griechenland, Bulgarien, Serbien), albanische Minder- heit in Mazedonien (Mazedonien, Albanien, Serbien),

- ungarische Minderheiten in der Vojvodina (Serbien, Ungarn), Transsyl- vanien (Rumänien, Ungarn) und der Slowakei, Donau-Staudamm Gab- cikovo in der Slowakei (Ungarn),

- Moldova (Rumänien, Ukraine, Rußland),

- tüi kische Minderheit in Bulgarien (Türkei, Bulgarien), - Türkei/Griechenland mit den Unterfällen

-Z y p e rn

- muslimische Bevölkerung in Thrazien.

Die Entwicklungen im früheren Jugoslawien lassen es angezeigt erschei- nen, schon jetzt eine Vorabanalyse der potentiellen Konfliktsituationen und ihrer Auswirkungen vorzunehmen. Hierzu gehört einmal die Feststei- lung, auf welcher Basis latente Konfliktherde die Schwelle zum

Gewalt-* Die A u to ren danken Dr. Wolfgang H öpken, Georg-Eckert-Institut, Braunschweig, für die Erlaubnis zur Verwendung von E lem enten aus einem am 6. O k to b e r 1992 vor dem Arbeitskreis I d er F. D. P.־Bundestagsfraktion gehaltenen Vortrag zum T h em a ,.Krisenherde in Südosteuropa“ .

Ulrich Irmer, M dB

ausbruch überschreiten können. Die Kombination folgender Faktoren w irkt offenbar besonders streitfördernd:

a) zerfallender, ehedem kommunistischer Mehrvölkerstaat,

b) daraus entstehende, sich nach ethnisch-sprachlichen (und/oder religio- sen) Merkmalen definierende ״ reine“ Staatsgebilde mit automatischer Abgrenzung gegenüber dem jeweils Andersartigen außerhalb und in- nerhalb der Grenzen (Minderheiten),

c) Nachbarschaftssituationen, in denen hierdurch Konflikte manifest wer- den - umso eher, je instabiler die andere Seite selbst ist.

Damit ist Südosteuropa z. Zt. das Konfliktgebiet par excellence, hat es doch die Verfallsfolgen nicht nur Jugoslawiens, sondern auch z.T. der So- wjetunion und neuerdings der ČSFR zu tragen - und dies in einem insge- samt politisch und wirtschaftlich wenig stabilen Umfeld.

In zweiter Linie ergibt sich die Frage, in welcher Form die Vereinten Na- tionen und/oder europäische Gremien wie die KSZE, die NATO , die EG /W EU sowie eventuelle Friedensbemühungen aus dem Kreise der GUS-Staaten zur Problemlösung oder -entschärfung beitragen können.

II.

Oberstes Gebot ist in jedem Falle die präventive Konfliktverhinderung.

Bis vor nicht allzu langer Zeit ging man davon aus, daß nach dem Wegfall des Ost-West-Gegensatzes der Weg frei sei,

- um durch eine Ausgestaltung und Verfeinerung der Instrumente kollek- tiver Sicherheit vorzugsweise von U NO und KSZE immer mehr Kon- flikte zu verhüten oder

- sie hilfsweise, wie im Falle des Irak/Kuwaits, mit einem ״sauberen“ Ein- g riff zu beenden.

Am Beispiel Jugoslawiens erweist sich jedoch, daß die bisher vorhande- nen und die meisten neu entwickelten Instrumente Europas und der Welt- gemeinschaft unter bestimmten Bedingungen fast wirkungslos sind:

- Das Verhalten der bestimmenden Kräfte im ehemaligen Jugoslawien ist nicht westlich-rational und zukunftsorientiert. Das zeitweise leidlich funktionierende Nebeneinander der Völker, Sprachen und Religio- nen wurde unterlagert von jahrhundertelang angestauten kollektiven

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Emotionen, Unterlegenheits- und kompensierenden Uberlegenheits- gefühlen. Die politischen Führer haben sich diese aus Überzeugung oder Opportunismus zunutze gemacht und sie in Form nationaler Fana- tismen gebündelt; dies geschah, - wenn auch in unterschiedlicher Stärke - in allen Republiken.

- Von m ultikulturellem ״ Zusammen“ -Leben konnte in Jugoslawien nur ausnahmsweise und insoweit die Rede sein, als sich neben einer stets

72 Ulrich In n e r u n d A lexander M ühlen

ambivalenten Friedfertigkeit der Menschen eine relativ kleine Schicht von Personen mit Auslandsbezug, Toleranz und fortschrittlichem Den- ken etablierte. Diese übten in der Zeit nach Titos Ableben mit dem Zu- tagetreten des Wirtschaftsverfalls und der Schuldigen-Suche einen im- mer geringeren Einfluß aus. Wie vielversprechend die Ansätze des Zusammenlebens verschiedener Gruppen, zugleich aber auch wie um- stritten und wenig belastbar Modelle der m ultikulturellen Gesellschaft sein können, wird im übrigen zur Zeit in Deutschland sichtbar.

- Was blieb, war das Erbe jahrhundertelanger osmanischer und austro- hungarischer Fremdherrschaft, der Schein-Demokratien und Dikta- turen der 20er und 30er Jahre, des Nazi- und Ustascha-, aber auch Tschetnik- und Tito-Terrors im und nach dem 2. Weltkrieg und des Zu- schüttens aller Probleme unter 40 Jahren Tito-Kommunismus.

Damit fehlte es einerseits an der elementaren Voraussetzung für ratio- nales, auch am wohlverstandenen eigenen Interesse orientiertes Verhalten.

Wer die Forderung nach ״ Ruhm und Raum“ für sein Volk über seine Zu- kunft in einer modernen Wirtschafts- und Wertegemeinschaft setzt, dem ist mit Vernunft ebensowenig wie mit maßvollem Druck von außen beizu- kommen.

Andererseits bestand kein internationaler Konsens über das Ob und die Form eines massiveren Eingreifens; zudem fehlte es nach Auffassung gera- de von Militärexperten im Gegensatz zu Kuwait an den Mindestanforde- rungen für eine unter vertretbarem Risiko durchführbare, hinreichend er- folgversprechende Aktion.

Daher konnte die Weltgemeinschaft nur versuchen, den schlimmsten Exzessen entgegenzuwirken, humanitäre einschl. Flüchtlings-Hilfe zu bringen und dabei bis an die Grenzen des - auch militärisch - Vertretbaren zu gehen. Die im Rahmen eines KSZE-Auftrags an die Europäische Ge- meinschaft handelnden EG-Beobachter sowie die UNO-Blauhelme ha- ben zur Entschärfung von Teilkonflikten beigetragen und mehr als weithin bekannt Leben gerettet.

Immer konsequenter durchgeführte Embargomaßnahmen vor allem ge- gen den Haupt-Kriegführenden Serbien sollen zum Austrocknen der Kampfhandlungen beitragen. Es ist allerdings zu befürchten, daß ein ״ Er- folg“ von Friedensverhandlungen erst dann eintritt, wenn die wesentlichen Ziele der Aggressoren erreicht und hinreichend gesichert sind.

Demgegenüber muß die Staatengemeinschaft mit aller Konsequenz auf ihrem Verdikt über gewaltsame Grenzverschiebungen und ethnische Säu- berungen beharren: ein Aggressor muß wissen, daß er bis zur vollen Wie- dergutmachung durch die zivilisierte Welt geächtet wird.

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Für die anderen genannten Konfliktherde läßt sich wenig Gutes in dem Maße prognostizieren, wie die Ausgangslage derjenigen des bisherigen Ju- goslawienkonflikts entspricht oder nahekommt:

1. A u f den Fall Kosovo treffen alle Bedingungen des Bürgerkriegs im früheren Jugoslawien mit der erschwerenden Besonderheit zu, daß es sich nach serbischer A uffassung um eigenes Kerngebiet handelt. M it einer wie immer gearteten Vereinbarkeit der widersprüchlichen Standpunkte ist kaum zu rechnen. Dies gilt nicht zuletzt auch für den z. Zt. realitätsfernen Wunsch der Kosovo-Albaner nach voller staatlicher Souveränität. Diesen sind sie bereit, ״ bis zum letzten Blutstropfen“ durchzufechten. A u f Ver- nunftargumente etwa der A rt, man könne sich vorerst mit einer Wieder- herstellung der Autonomie begnügen - schon das lehnt Serbien allerdings ab - und auf eine historisch günstigere Stunde warten, reagieren sie mit

«

Unverständnis. Es wird massiven Uberzeugungsdrucks und einiger Phan- tasie bedürfen, um das Schlimmste zu verhüten. Von Seiten der Kosovo- Albaner ist zumindest eine ״ Intifada“ -Situation zu befürchten. Bei einer Eskalation kann es zu einem direkten Eingreifen des benachbarten Alba- nien kommen.

2. Auch die von der Ausgangslage her vergleichbare Situation in der Voj’vodina verschlechtert sich mit jedem Tag. Nur die größere Besonnen- heit der Ungarn beiderseits der Grenze stellt eine einstweilige Garantie gegen einen offenen K onflikt dar.

3. Mazedonien gilt weiterhin als eines der Pulverfässer im zerfallenden Jugoslawien. Nachdem Serbien sich im Gefolge der Ereignisse mit der Auflösung des Föderalstaates abgefunden hat und zur Zeit keine ethnisch oder historisch begründeten Ansprüche erhebt, ist es Griechenland, das hier mit seiner Anerkennungs-Blockade durch Hochspielen der Namens- frage destabilisierend w irkt. Bulgarien, das am ehesten historische An- sprüche geltend machen könnte, verhält sich demgegenüber als ausglei- ehender Faktor. Die albanische Minderheit in Mazedonien spielt insofern eine Schlüsselrolle, als sie von einem internationalen K onflikt um die Kosovo-Albaner mitbetroffen werden könnte.

Zu 1.-3. Als M ittel der vorbeugenden Diplomatie hat die KSZE in den Kosovo und in die Vojvodina Langzeit-Missionen entsandt, die mit Zu- Stimmung Belgrads dafür sorgen sollen, daß aus der Anhäufung der bis- herigen Zwischenfälle kein offener K onflikt wird. Eine ähnliche KSZE- Gruppe soll in Mazedonien auch wirtschaftliche H ilfe vermitteln. Weitere KSZE-Missionen sollen die Nachbarländer bei der Einhaltung des Embar- gos unterstützen.

4. Die Republik Moldova fällt hier nur geographisch aus dem Rahmen.

Dafür weist sie neben dem früheren Jugoslawien den zweiten ethnischen III.

K on flikt in Südosteuropa auf, der bereits zu kriegsähnlichen Auseinander- Setzungen geführt hat. Die Re-Moldauisierung nach Erlangung der Unab- hängigkeit von der Sowjetunion sowie die von den ״ rumänischen Ver- wandten“ zeitweise massiv ermutigten Vereinigungsbestrebungen haben die nicht-rumänischen Bevölkerungsteile (Russen, Ukrainer, Gagausen) mobilisiert. Besonderer Sprengsatz liegt in der sog. Dnjestr-Republik, die sich mit H ilfe russischer Extremisten und M ilitärkräfte als quasi-selbstän- diges Gebilde etabliert hat. Ähnlich wie in Bosnien-Herzegowina wird auch hier unter Verlust von Menschenleben das Prinzip des ״ethnisch rei- nen“ Staates ad absurdum geführt. Das Schlimmste wird z. Zt. durch die deeskalierende Haltung Moskaus verhütet - solange dort gemäßigte Kräf- te an der Macht sin d ...

5. Infolge des Auseinanderfallens der ČSFR und der Etablierung einer ethnisch definierten Slowakei gerät die ungarische Minderheit dort unter Druck. Konfliktpotential liegt vor allem in dem umstrittenen Projekt des D onau-Staudam m s Gabčikovo. Der Streit dürfte unterhalb der Schwelle der offenen Auseinandersetzung bleiben, solange nicht auch in Ungarn na- tionalistische Kräfte die Oberhand gewinnen.

IV.

Im Gegensatz zu den Krisen im ehemaligen Jugoslawien, in den Randzo- nen der früheren Sowjetunion und neuerdings in der Slowakei lassen sich die außenpolitischen Konflikte, an denen schwerpunktmäßig die Türkei, Ungarn und Bulgarien beteiligt sind, unter Kontrolle halten - wenn und so- lange diese Staaten selbst stabil sind.

1. Am gefährdetsten dürfte die Lage der ungarischen Minderheit in Transsylvanien sein, die sich nach kurzer Besserung im Anschluß an den Umsturz in Rumänien eher verschlechtert hat. Auch hier zeigt sich, daß ein instabiler Partner, in diesem Falle Rumänien, ein beträchtliches Risikopo- tential darstellt. Viel hängtauch hier von der Besonnenheit Ungarns ab.

2. In Sachen türkischer Minderheit in Bulgarien ist z. Zt. Ruhe eingetre- ten - eine direkte Folge der Beteiligung zweier im wesentlichen stabiler Staaten.

3. Die schon traditionellen Spannungen zwischen der Türkei und Grie- chenland, insbesondere in Bezug auf den Z ypern -K o nflikt und die musli- mische Bevölkerung in Thrazien, haben viel von ihrer Bedrohlichkeit ver- loren. Dies ist ganz eindeutig auf die stabilisierende Wirkung der N A TO und anderer europäischer Gremien zurückzuführen, in die beide Staaten - neben der U NO - eingebunden sind oder bei denen die Türkei, wie bei EG und W EU, eine Mitgliedschaft konkret anstrebt.

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Als Fazit läßt sich ziehen:

- Die Entstehung neuer, vorwiegend auf ethnisch-sprachlichen (und/oder religiösen) Merkmalen beruhender Staaten aus der Konkursmasse der kommunistischen Mehrvölkergebilde stellt einen erheblichen Destabi- lisierungsfaktor in Südosteuropa (und anderswo) dar. Einiges spricht dafür, daß die Geschehnisse im früheren Jugoslawien erst der Anfang dieser Entwicklung sind.

- Wo es noch nicht zu spät ist, sollte das Fortbestehen von Staaten mit bis- her leidlich funktionierendem Zusammenleben multi-ethnischer Kom- ponenten unterstützt werden - jedenfalls, soweit nicht offensichtliche historische Gründe dagegensprechen. Nicht ״ ein Staat pro V olk“ , son- dern zukunftsweisende Autonomie- und Minderheitenschutz-Regelun- gen sollten die Basis für Lösungen sein. Statt Grenzen zu vertiefen und neu zu ziehen gilt es, langfristig Grenzen zu überwinden. Die anfängli- che Jugoslawien-Politik der EG-Staaten war insoweit völlig richtig; ihr Scheitern ist als historisches Unglück, nicht als Versagen zu werten.

- Nur eine möglichst baldige Stabilisierung der neuen Staaten u nd ihres Umfeldes in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht bietet eine Min- destgewähr für die Kontrolle des fortbestehenden Konfliktpotentials.

Massive Wirtschafts-, Infrastruktur- und Demokratiehilfe - jeweils als Hilfe zur Selbsthilfe - ist angebracht. Dies schließt mittel- bis langfristig die Einbindung in geeigneter Form in die europäischen und weltweiten Organisationen kollektiver wirtschaftlicher und sicherheitspolitischer Zusammenarbeit ein.

- Es muß alles daran gesetzt werden, die intellektuellen und gesellschaftli- chen Eliten dieser Staaten - und dann immer breitere Bevölkerungs- schichten - mit westlich-pluralistischem Denken und Toleranz jenseits der ausschließlichen Loyalität zur jeweiligen ethnisch/religiösen Grup- pe vertraut zu machen. Selbst in Jugoslawien gab es hierfür mehr als nur Ansätze; diese sind durch die Entwicklung vorerst zugeschüttet worden.

- In der Zwischenzeit sind die Vereinten Nationen und/oder europäische Gremien gefordert, von außen her das Schlimmste zu verhüten. Die Rolle der KSZE ist einstweilen diejenige der vorbeugenden Diplomatie, auch in der Feststellung von Menschenrechtsverletzungen sowie in der politischen Absicherung von Maßnahmen zur Krisenbewältigung. Die Ergebnisse werden, wenn die Lage sich wie in Jugoslawien überstürzt, den Forderungen einer gegen Kriege und Gewalttaten zunehmend sen- sibilisierten Öffentlichkeit nicht entsprechen. H ier stellt sich die An- schlußfrage nach dem Gewaltmonopol für friedensherstellende A ktio

-V.

IV.

Fraglich ist, ob und ggfls. unter wessen M andal daher im äußersten Fall in Südosteuropa militärische Zw angsm aßnahm en angewandt werden kön- nen - immer vorausgesetzt, sie wären im Sinne der Verhältnismäßigkeit der M itte l einsetzbar und erfolgversprechend.

1. Von bestimmter Seite wird geltend gemacht, die W EU , möglicherwei- se auch die N ATO , sollten die Befugnis erhalten, aus eigenem Recht, also unabhängig von UNO-Beschlüssen, in internationale Konflikte außerhalb des jeweiligen Bündnisgebietes, also u. a. in Südosteuropa, militärisch ein- zugreifen.

Dem ist folgendes entgegenzuhalten: wer nicht will, daß jeder auf der Welt sein vermeintliches Recht und seine eigenen Interessen gegenüber anderen auch gewaltsam durchsetzen kann, muß eine Instanz befürwor- ten, die ein doppeltes Monopol hat:

- einmal den Friedensstörer zu identifizieren und zu verurteilen-eine A rt richterlicher Funktion,

- zum anderen ihm mit den geeigneten M itteln, äußerstenfalls auch mit militärischer Gewalt, entgegenzutreten, um Frieden und Sicherheit wie- derherzustellen - eine A rt polizeilicher Funktion.

M it der U N O steht eine derartige Instanz im Prinzip zur Verfügung, wenn sie auch noch ausbaufähig und ausbaubedürftig ist. M it der Beile- gung regionaler Konflikte können, abgeleitet von der UNO , Gremien wie die KSZE als regionale Unterorganisationen (״ Abmachungen“ ) betraut werden.

Ausgeschlossen muß werden, daß Einzelstaaten oder Verteidigungs- bündnisse (abgesehen von den Fällen der Abwehr gegen sie gerichteter Angriffe) aus eigener Kompetenz entscheiden, wann, wo, unter welchen Voraussetzungen und wie zur Beilegung von Konflikten gehandelt wird.

Dies entspräche nämlich nicht den Erfordernissen einer auf das internatio- naie Recht gegründeten Weltordnung, sondern erinnerte fatal an klassi- sehe Großmachtpolitik, die sich nicht am Recht, sondern allein an den eige- nen Interessen orientiert; sie ist zur (Wieder-) Herstellung von Frieden und Sicherheit auf der Basis allgemeiner A k z e p ta n z im höchsten Maße unge- eignet.

2. N A TO und W EU , letztere auch als Kernzelle einer gemeinsamen europäischen Verteidigung, dienen nach ihren Statuten rein defensiven Zwecken. Sie haben nicht die Aufgabe, sich aus eigener Befugnis in Kon- flikte jenseits der Bündnisverpflichtungen einzumischen. Jede politische Zielsetzung, die hierüber hinausweist, würde in gefährliches Fahrwasser führen, ließe sich doch ein solches Mandat nicht auf diese Organisationen beschränken. Andere Bündnisse würden sich eine entsprechende Rolle zulegen.

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Zum Beispiel ließen sich die Verfolgung nationaler und kollektiver Son- derinteressen, etwa der Franzosen im Tschad, der Briten auf den Falk- lands/Malvinas, der USA in Grenada und Panama, des ehemaligen War- schauer Paktes in der ČSSR, der Sowjetunion in Afghanistan etc. mit dem Schein internationaler Rechtswahrung ausstatten - partikulares ״ Völker- recht“ und passende Doktrinen sind schnell bei der Hand.

Die Folge wäre erneut, daß jeder - mehr oder weniger offen - nach sei- nem Gutdünken, nach eigenen, nicht mehr durch allgemeingültige Rechts- normen gefilterten Interessen vorgehen würde, ein Zustand, den wir durch die neue Handlungsfähigkeit der U NO nach Wegfall des Ost-West-Kon- fliktes im Prinzip überwunden glaubten.

3. N ATO und W EU können jedoch unter folgenden Voraussetzungen eingesetzt werden: ihre Mitgliedstaaten müssen beschließen, mit Hilfe die- ser Instrumente eine von der U NO (und vielleicht auch von der KSZE) be- schlossene Maßnahme durchzuführen. Wichtiger Unterschied ist, daß die handelnden Organisationen dann nicht aus eigenem Recht, sondern sozu- sagen als Su bu niem eh m er das ausführen, was der Mandatgeber als Träger des ״ polizeilichen“ Gewaltmonopols beschlossen hat. Dies mag letztlich auch für GUS-Friedenstruppen gelten, sei es, daß es zu ihrer bisher nur auf dem Papier vorgesehenen Aufstellung kommt, sei es, daß sie (wie im Falle Tadschikistan geschehen) ad hoc aus einzelnen Staaten benannt werden.

VII.

Umstritten ist, ob und in welchem Umfang ein solches G ewaltm onopol aus der Charta der U NO hergeleitet werden kann. Dabei steht fest, daß die Charta in ihrem Kap. V II, insbesondere A r t.43, den Regelfall einer inter- national auftretenden Friedensbedrohung durch ein rechtlich ausgestalte- tes Verfahren erfassen wollte. Dessen Einzelheiten bestehen u.a. in dem Abschluß von Sonderabkommen und der Einsetzung eines Generalstabs- ausschusses (A rt. 47). Zu einer Umsetzung dieser Bestimmungen ist es je- doch nie gekommen.

1. Bei der Golfkriegsaktion behalf sich der UN-Sicherheitsrat (SR), in- dem er seiner Resolution 678 die in A rt. 24 und im Kap. V II niedergelegte

״ Befugnis und Pflicht“ zur ״ Wiederherstellung des Weltfriedens“ (A rt. 51, letzter Satz) als Ermächtigung zur Gewaltanwendung gegen einen Frie- densstörer zugrundelegte. Z u r Begründung werden auch die Bestimmun- gen der A rt. 42 und 48 UN-Charta herangezogen:

A rt. 42:

״ Ist d e r Sicherheitsrat der Auffassung, daß die in Art. 41 vorgesehenen M aßnahmen (u n te r Ausschluß von Waffengewalt) unzulänglich sein würden oder sich als unzulänglich erwiesen haben, so kann er mit Luft-, See- oder Landstreitkräften die

zur W ahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen M aßnahm en durchführen. Sie können D em onstrationen, Blockaden und sonstige Einsätze der Luft-, See- oder Landstreitkräfte von Mitglie- dern der Vereinten N ationen einschließen.'‘

A rt. 48:

״ Die M aßnahm en, die für die Durchführung der Beschlüsse des Sicherheitsrates zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlich sind, wer- den je nach dem Ermessen des Sicherheitsrates von allen oder von einigen Mitglie- dern d er Vereinten Nationen getroffen.

Diese Beschlüsse werden von den Mitgliedern der Vereinten Nationen unmittelbar sowie durch M aßnahm en in den geeigneten internationalen Einrichtungen durchge- führt, deren Mitglieder sie sind."

Damit war eine Legalbegründung für militärische Maßnahmen gefunden worden, die zwar mit SR-Mandat, jedoch ohne die in Kap. V II vorgesehe- ne ״ Durchführung in eigener Regie der U N O " stattfanden.

2. Es kann auf Grund der Erfahrungen der voraufgegangenen Weltkon*

flikte durchaus unterstellt werden, daß die Verfasser der Charta ein M ono- p ol der U N O bei der Bekämpfung weltweiter Konflikte intendierten; bei seiner Ausgestaltung und Umsetzung ergaben sich jedoch folgende drei

Einschränkungen:

a) die nicht erfolgte Implementierung der o.g. Bestimm ungen des Kap. VII bezügl.Abschluß von Sonderabkommen und Einsetzung eines Gene- ralstabsausschusses (s. oben);

b) die Möglichkeit der ״ M onopol-D elegierung“ a u f regionale A bm achun- gen nach Art. 52/53 der Charta:

A r t.52:

1)״ ) Diese C harta schließt das Bestehen regionaler A bm achungen od er Einrichtun- gen zur Behandlung derjenigen die Wahrung des Weltfriedens oder der internationa- len Sicherheit betreffenden Angelegenheiten nicht aus, bei denen M aßnahm en re- gionaler A rt angebracht sind; Voraussetzung hierfür ist, daß diese A bm achungen oder Einrichtungen und ihr Wirken mit den Zielen und G rundsätzen der Vereinten Nationen vereinbar sind.

(2) Mitglieder der Vereinten Nationen, die solche A bm achungen treffen oder sol- che Einrichtungen schaffen, werden sich nach besten Kräften bem ühen, durch Inan-

(2) Mitglieder der Vereinten Nationen, die solche A bm achungen treffen oder sol- che Einrichtungen schaffen, werden sich nach besten Kräften bem ühen, durch Inan-