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5 Die Sicht der Benutzer - Benutzerinterviews und Onlineumfrage

5.2 Die Interviews

5.2.3 Struktur der Fragen und Antwortkategorien Struktur der Fragen

Für das Leitfadengespräch (s. Anhang, Gesprächsleitfaden) wurde eine Mischung aus offenen und geschlossenen Fragen entwickelt, die einerseits für die Auswertung die Vergleichbarkeit der Daten gewährleisten sollte, andererseits genügend Raum bot, um bisher nicht bedachte Aspekte sowie detaillierte Aussagen zu den erfragten Sach-verhalten aufnehmen zu können. Die Bewertung der momentanen Erschließungsleistung wurde anhand von vorgelegten Beispielen und geschlossenen Fragen erkundet.

Offene Fragen ohne Kategorisierung der Antworten kamen besonders da zum Einsatz, wo nach Begründungen für eine vorgenommene Bewertung gefragt wurde (Bsp.:„Sie stehen dem Sachverhalt nicht uneingeschränkt positiv gegenüber. Was würden Sie sich anders wünschen?“). Außerdem waren die Leitfadengespräche flexibel konzipiert, so dass Aussagen am Rande des vorgesehenen Spektrums jederzeit aufgenommen werden und ggf. zu neuen Themenkreisen führen konnten. Von der Fragenabfolge wurde abgewichen, wenn der Befragte unbewusst vorgriff oder zu einem späteren Zeitpunkt auf eine vorher gestellte Frage in anderem Zusammenhang zurückkam. Das war häufig der Fall.

Bei der Frageformulierung wurde besonders darauf geachtet, dass die Fragen einfach formuliert waren. Auch wenn eine relativ homogene Gruppe (Studierende oder Wissen-schaftler) befragt wurde, deren Vertrautheit mit der Untersuchungsmaterie zumindest auf einem Grundlevel vorausgesetzt werden konnte, sollten die Fragen frei bleiben von zu speziellem Fachvokabular. Weiter sollten die Fragen möglichst kurz und neutral formuliert sein. Suggestivfragen wurden vermieden.479

Antwortkategorien

Bei den geschlossenen Fragen kamen verschiedene Antwortvorgaben und -möglichkeiten zur Anwendung. In den meisten Fällen wurde zur optischen Unterstützung und Erleichterung der Einstufung eine Rating-Skala angeboten, da die Befragung darauf zielte, von den Befragten Bewertungen zu erhalten. Die Einstufung auf der Ratingskala, die den Probanden gezeigt wurde, erfolgte nicht immer im Gesprächsverlauf, sondern wurde z.T. auch anhand der Umschriften später vorgenommen.

479 Zur Frageformulierung vgl. Atteslander (2006), S. 146 und Mayer (2008), S. 90.

5.2.4 Dramaturgie

Die intensive und zeitaufwändige Befragung setzte bei den Befragten eine hohe Bereit-schaft zur Mitarbeit voraus. Alle Befragten waren Benutzer des Deutschen Exilarchivs 1933-1945, die zum Zeitpunkt der Befragung aktiv die Bestände des Archivs nutzten.

Bei der Dramaturgie der Befragung war besonders darauf zu achten, dass die Befragung für den Benutzer möglichst interessant, der Ablauf logisch und abwechslungsreich war.

Die Interviews sollten die Befragten weder durch ihre Länge überfordern, noch sollten die Interviewten „überfragt“ werden , d.h. zu Themen Auskunft geben müssen, die ihnen fern liegen.480 Im Folgenden wird der geplante Gesprächsverlauf dargestellt.

Begonnen wurde mit einer Eisbrecher-Frage nach der Benutzungshäufigkeit (Frage 1), die von jedem Befragten ohne weiteres beantwortet werden konnte. Im weiteren Verlauf der Befragung waren die Fragen zu Frageblöcken gruppiert. Anschließend an die Eisbrecher-Frage wurden in drei Fragen (Fragen 2 - 4) grundsätzliche Aussagen, die als Gegensatzpaare gruppiert waren, vorgelesen und vorgelegt. Vom Befragten wurde hier die Entscheidung zur Zustimmung oder Ablehnung erbeten. Die Platzierung dieser drei Fragen wurde in der Konzeptionsphase mehrfach verändert. Zunächst schien es proble-matisch, diese Fragen an den Beginn der Befragung zu stellen, da eine Auswirkung auf die Beantwortung der sich anschließenden Fragen zu erwarten war. Am Ende der Befragung platziert, musste der Block auf die Befragten wie eine Kontrollfrage wirken.

Die Entscheidung, den Frageblock am Anfang zu belassen, war darin begründet, dass den Befragten die Situation im Bereich der Nachlasserschließung generell transparent gemacht wurde. Sie wurden über den Hintergrund der Befragung und damit auch über bestehende Rückstände bei der Nachlasserschließung aufgeklärt. Vor diesem Hintergrund schien die Einordnung der allgemeinen Statements und die Ausstrahlung auf folgende Fragen unproblematisch.481

In dem aus 16 Fragen (plus Nachfragen) bestehenden zweiten Frageblock (Fragen 5 – 20) waren die Interviewten aufgefordert, vorgelegte Erschließungsdaten zu beurteilen.

Die Fragen zu den Erschließungsdaten wurden nah an den Anfang der Befragung gestellt, weil die Beurteilung der Erschließungsdaten von den Befragten ein hohes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit forderte und weil das primäre Erkenntnisinteresse der Befragung auf der Auswertung dieser Aussagen lag.

Eingeleitet von zwei Fragen (und einer Nachfrage) zu den Recherchegewohnheiten der Befragten, lag der Schwerpunkt des dritten Blocks, der insgesamt 16 Fragen (plus

480 Berekoven (2006), S. 101.

481 S. auch Kapitel 5.3.6.1.

fragen, Fragen 21 - 36) umfasste, auf der Bewertung der Darstellung und Auswert-barkeit der Erschließungsdaten im Archivalienopac der Deutschen Nationalbibliothek.

Bei der Fragebogendramaturgie wurden mögliche psychologische Effekte der Fragen-positionierung bedacht, z.B. der „Halo-Effekt“482, d.h. das Ausstrahlen einer Frage auf eine andere, sowie das Phänomen der sozialen Erwünschtheit. Das Risiko einer Ergebnis-beeinflussung durch diese Faktoren schien bei der vorliegenden Befragung jedoch gering, da sich die Fragen überwiegend nicht auf Merkmale bezogen, für die ein sozial erwünschtes Verhalten beschrieben werden kann. Eine Antwortverschiebung war aber z.B. im Bereich der Fragen nach der Recherchekompetenz zu vermuten. Die Kenntnis von Rechercheinstrumenten könnte als Teilbasis wissenschaftlicher Arbeit beurteilt und ausreichende Kompetenz in diesem Bereich somit zu einem „Ort sozialer Erwünschtheit“483 werden. Eine Nachfrage nach Nennung der Recherchetools sollte dies einschränken. Die Platzierung der Frage nach der Relevanz von Detailangaben wurde in der Interviewplanung mehrfach verändert. Es war zu befürchten, dass allein die Darstellung dieser möglichen Detailinformation bei den Befragten Ansprüche an die Erschließung weckt, die aktiv nicht benannt worden wären. Es wurde auch erwägt, die Frage nach der Relevanz von Detailinformationen nicht zu stellen, sondern nur nach der Akzeptanz einer pauschalen Erschließung zu fragen. Da aber für ausgewählte Bestände oder besonders wichtige Teilbestände eine Detailerschließung weiterhin notwendig ist, wurde die Frage belassen, jedoch erst nach den Fragen zur Akzeptanz einer pauschalen Erschließung platziert.

Neben bereits implementierten Funktionalitäten wurde auch die Bewertung zukünftiger Möglichkeiten – z.B. die Einrichtung eines Kommentarfelds - erfragt, um eine Ein-schätzung zu erhalten, ob auch für den Bereich der Literaturarchive gilt, dass „der Nutzer im Zeitalter des Web 2.0 […] immer mehr zum Mit-Produzenten“ wird, zum „Teil von Informationssystemen, die sich immer mehr zu Kommunikationssystemen ent-wickeln“.484 Auch die Akzeptanz einer Verlinkung mit der Internetenzyklopädie Wikipedia, mit der die Deutsche Nationalbibliothek in ihrem Portal485 auf der Ebene der Personennamendatei bereits begonnen hat, war Gegenstand der Interviews.486

Persönliche Angaben, Nutzungskompetenzen, Nutzungskontext u.a. wurden am Ende des Interviews (Fragen 37 – 44) erfragt.

482 Vgl. Diekmann (2007), S. 464.

483 Ebenda, S. 447.

484 Hapke (2007), S. 137.

485 https://portal.d-nb.de/.

486 Ein Beispiel für die Verlinkung ist der PND-Satz zu Thomas Mann unter http://d-nb.info/gnd/118577166.

Zum Kooperationsprojekt s. Danowski (2007).

5.2.4.1 Das Interview als soziale Situation487

Besonders im Face-to-face-Interview ist zu berücksichtigen, dass die gesamte Befra-gungssituation Einfluss auf den Verlauf eines Interviews haben kann. Der Befragungsort sowie die interviewende Person können Einfluss- bzw. Verzerrungsfaktoren darstellen. In der vorliegenden Untersuchung wurden alle Interviews unter gleichen Bedingungen geführt. Die Umgebung war stets dieselbe, alle Befragungen wurden im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 durchgeführt. Das Archiv als Befragungsort wurde in diesem Zusammenhang nicht als Verzerrungsfaktor gesehen, von dem eine Beeinflussung der Befragten zu befürchten war, da die Befragung nicht die Bewertung des Archivs, d.h. den Service, das Personal usw. zum Gegenstand hatte, sondern mit den Erschließungsdaten die Beurteilung eines abgegrenzten Bereichs erfragte.

Die Interviewerin war den Befragten als verantwortliche Mitarbeiterin für den Bereich der Archivaliensammlung des Deutschen Exilarchivs 1933-1945 bekannt. Diese Personal-union wurde aus den oben benannten Gründen jedoch als unbedenklich angesehen. Zu Beginn der Interviews wurde von der Interviewerin deutlich gemacht, dass die Interviews im Rahmen einer Dissertation geführt werden. Auch wurde darauf hingewiesen, dass die Deutsche Nationalbibliothek über die Durchführung der Interviews informiert und daran interessiert ist, Ergebnisse ggf. in die Praxis der Nachlasserschließung und die Darstellung der Erschließungsdaten im Portal der Deutschen Nationalbibliothek einfließen zu lassen. Den Befragten wurde versichert, dass ihre Antworten für die Auswertung anonymisiert werden und eine spätere Zuordnung zu persönlichen Daten ausgeschlossen ist.

5.2.4.2 Beeinflussung oder Basis – Die Einführung

Vor Beginn des Interviews wurde den Befragten der Hintergrund der wissenschaftlichen Untersuchung erklärt. Da Qualitätsurteile von den Komponenten Qualitätserwartung und Qualitätserlebnis488 bestimmt werden, schien es erforderlich, den Befragten die Rahmenbedingungen zu erläutern, damit eine realistische Qualitätserwartung angenommen werden konnte. Den Benutzern wurde erklärt, dass ein Ungleichgewicht zwischen erschlossenen und unerschlossenen Beständen besteht und es Ziel der Befragung ist, herauszufinden, ob die Nachlasserschließung beschleunigt werden kann.

Als unzulässige Beeinflussung der Benutzer wurde diese Information nicht gewertet, denn das Interesse der Befragung war praxisorientiert, das Ziel lag darin, zu einer realistischen Einschätzung zu gelangen. Es interessierte herauszufinden, welche

487 Atteslander (2006), S. 104.

488 Vgl. Mühlenkamp (2004), S. 25.

mationen die Benutzer tatsächlich nutzen und daher für wichtig befinden und welche nicht.

5.2.4.3 Interviewverhalten

Als Interviewverhalten wurde die Methode des gelockerten neutralen Interviews489 ange-strebt, um einerseits die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten und anderer-seits eine Gesprächssituation zu schaffen, in der die Interviewerin im definierten Rahmen flexibel reagieren konnte. Neutral sollten die Interviews auch in der Hinsicht gestaltet sein, als eigene Einstellungen der Interviewerin ebenso wenig zum Ausdruck gebracht werden sollten wie Bewertungen der Aussagen der Interviewten, um eine Beeinflussung der Probanden zu vermeiden.

5.2.4.4 Durchführungs- und Auswertungsmethode Durchführungsmethode

Alle Interviews wurden im Einvernehmen mit den Befragten auf ein Diktiergerät auf-gezeichnet. Zusätzlich wurden während der Befragung Notizen von der Interviewerin erstellt. Bei vorgegebenen Antwortkategorien wurde im Leitfaden entweder gemeinsam mit den Befragten entsprechend angekreuzt oder die Einstufung wurde anhand der Um-schrift später vorgenommen. Bei der Beobachtung des Rechercheverhaltens wurden Rechercheabläufe, Sucheinstellungen und -eingaben notiert. Die Beispiele zu den Erschließungsdaten wurden den Befragten auf einem Bildschirm gezeigt.

Auswertungsmethode

Die Auswertung der Interviews erfolgte anhand von Umschriften. Zunächst wurden alle Interviews transkribiert. Die Dauer der Interviews variierte zwischen 50 und 90 Minuten.

Anhand der Transkriptionen wurden alle Interviews auf Antworten auf die gestellten Fragen durchgesehen. Mehrfach fanden sich Antworten zu Fragen an anderer Stelle, weil der Befragte ein Thema bereits in anderem Zusammenhang aufgegriffen oder später noch eine Ergänzung zu einer vorher gestellten Frage angemerkt hatte. Um sicherzustellen, dass alle relevanten Äußerungen berücksichtigt wurden, war es notwendig, alle Transkriptionen zweimal, in getrennten Durchgängen, durchzusehen.

Anhand von bei dieser Durchsicht erstellten Markierungen wurde die Zuordnung der Benutzerantworten zu einem Kategorienschema vorgenommen. Den Themenkomplexen

489 Vgl. Atteslander (2006), S. 128.

des Leitfadens folgend, wurden zunächst alle Antworten zu den Einzelfragen zusammengestellt. Im Anschluss daran erfolgte eine weitere Verdichtung. Relevante Aussagen konnten so Themenkomplexen zugeordnet werden.

Parallel wurden alle Interviews auch auf eine innere Logik überprüft, da bereits bei der Durchsicht der Eindruck entstanden war, dass sich manche Aussagen innerhalb eines Interviews widersprachen. Auch dies wurde schriftlich notiert. An diese Vorarbeiten schloss sich die eigentliche Auswertung an.490