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Biographiestudie (Kapitel 3)

I. Außenansichten: Determinanten des Erzieherinnenberufes Erzieherinnenberufes

1 Institutionskunde der Kindergartenpädagogik

1.2 Kindergartenpädagogik in der DDR (C.N.)

1.2.1 Staatliche Kindergartenpädagogik (C.N.)

Mit dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur wurden 1946 für die sow-jetisch besetzte Zone Richtlinien für den Kindergarten erlassen, die sich bildungspoli-tisch und pädagogisch auf die Tradition der sowjebildungspoli-tischen Siegermacht beriefen.23 In der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), vor der Gründung der DDR im Jahre 1949, wurde durch das Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schulen“, das am 12. Juni 1946 von den fünf Ländern24 der SBZ verabschiedet worden war, der Kindergarten als un-terste Stufe des Bildungswesens erklärt. Der alte Abgrenzungsgedanke25, Kindergarten dem Jugendhilfebereich zuzuordnen und die Schule dem Bildungssystem, stellte somit für die DDR kein Problem dar. Für die außerfamiliale Kinderbetreuung, die im Kinder-garten und Hort stattfand, war der administrative Bereich für schulische Bildung ver-antwortlich. Mit der Staatsgründung der DDR 1949 war das Ministerium für Volksbil-dung der DDR für den Kindergarten zuständig. Die damit schulvorbereitende Aufgabe des Kindergartens und die Kooperation zwischen Kindergarten und Unterstufe bezeich-nete Reyer als die vierte Verdichtungszone des Verhältnisses von Kindergarten und Schule (Reyer 2006: 212). Ausschließlich der Krippenbereich lag in der Verantwortung des Gesundheitssektors (Reyer 2006: 181; Rauschenbach/Beher/Knauer 1995: 151).

Die erste Stufe des sozialistischen Betreuungssystems war die Kinderkrippe, eine Ein-richtung für Säuglinge und Kleinkinder bis zum dritten Lebensjahr. Drei- bis sechsjäh-rige Kinder besuchten den Kindergarten. Mit dem sechsten Lebensjahr begann die Schulpflicht. Nach dem Unterricht verblieben viele Kinder in der Schule und besuchten den Hort. Das Angebot des Schülerhortes galt den Kindern im Alter von sechs bis zwölf Jahren.

23 Dazu: Reyer 2006: 182ff.

24 1952 sind die fünf Bundesländer aufgelöst und in 14 Bezirke eingeteilt worden.

25 Dazu: Reyer 2006: 181ff.

Das Angebot an Plätzen in pädagogischen Einrichtungen wuchs in der DDR kontinuier-lich. In der DDR hatte man bereits Mitte der 1950er Jahre mit dem Ausbau an Plätzen in Kindertageseinrichtungen begonnen. Der Hintergrund dafür war die Verfassung der DDR, in der das Recht auf Arbeit verankert war. Frauen sollten voll in das Erwerbsle-ben einbezogen werden. Es sollte jeder Mutter ein Betreuungsplatz für ihre Kinder ga-rantiert werden. Der Versorgungsgrad wuchs, standen 1960 für 46% aller Kindergarten-kinder Plätze in Einrichtungen zur Verfügung, waren es 1980 bereits 92% und 1990, dem letzten Jahr in dem die DDR als Staat existierte, gab es für 97% der Kinder im Al-ter von drei bis sechs Jahren einen Kindergartenplatz. Damit war die Voraussetzung dafür geschaffen worden, dass fast 90% aller erwerbsfähigen Frauen berufstätig sein konnten (Aden-Grossmann 2002: 286ff.).

In der DDR verbrachten die Mehrzahl der Kinder die meiste Zeit des Tages26 in päda-gogischen Einrichtungen wie Kinderkrippen, Kindergärten, Schulen, und Horten. Die pädagogischen Einrichtungen waren überwiegend in kommunaler bzw. staatlicher Trä-gerschaft. Einige der pädagogischen Einrichtungen waren in Trägerschaft staatlicher Betriebe, nur wenige Kindergärten und Horte waren in konfessioneller Trägerschaft. So waren im Jahr 1989 insgesamt 383 Kindergärten in konfessioneller und 11 592 in kommunaler und 1 477 Kindergärten in betrieblicher Trägerschaft (Statistisches Jahr-buch der DDR 1990).

Die DDR wurde zentralistisch regiert und das Bildungssystem einheitlich gestaltet. In der Verfassung der DDR wurde in den Artikeln 17 bis 25 das Bildungs- und Erzie-hungsverständnis beschrieben. In den Ausführungsgesetzen des Ministeriums für Volksbildung wurden die Erziehungs- und Bildungsziele konkretisiert. Maßgeblich war das „Gesetz über das einheitliche Bildungssystem“ (Bildungsgesetz 1981), das die ge-sellschaftlichen Erziehungsfaktoren, die Vorschulerziehung, die Schulbildung regelte und Zuständigkeiten für Bildung und Erziehung in den verschiedenen Bereichen der DDR festlegte. Das Ziel der Bildung in der DDR war es, „jedem Bürger eine kontinu-ierliche sozialistische Erziehung, Bildung und Weiterbildung“ (Verfassung der DDR 1974) zu gewährleisten. Die Vorgaben der Parteitage und die des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) waren maßgebend. Ausführendes Organ war das Ministerium für Volksbildung. Das für alle pädagogischen

Einrichtun-26 Beispielsweise besuchten 85% der Kinder ab dem 2. Lebensjahr bis zu 9 Stunden täglich die Krippe (Daigler 2008: 20).

gen verbindliche und einheitliche Erziehungsziel war zuerst im „Bildungs- und Erzie-hungsplan“, später im „Programm der Bildung und Erziehung“, festgeschrieben. Alle pädagogischen Einrichtungen sollten die Kinder zu „allseits gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten“ erziehen. Die Gemeinschaft und das Kollektiv hatten eine wichtige Funktion bei der Kindererziehung. „Gerade die gesellschaftlichen Erziehungseinrich-tungen wie Krippen und Kindergärten, in denen die Kinder von frühster Kindheit an im Kinderkollektiv leben und gemeinsam tätig sind, haben alle Möglichkeiten für eine Er-ziehung nach den Normen der sozialistischen Moral“ (Krecker 1971a: 382). Das quanti-tativ hervorragend ausgebaute Versorgungssystem der Kinderbetreuung war zugleich ein gesellschaftliches Erziehungsprogramm mit Vorbild- und Anleitungsfunktion. Somit waren die Erziehungsziele, die Didaktik und die Materialien für alle Stufen des Bil-dungssektors festgelegt.

Der Kindergarten hatte neben der Betreuung und der sozialistischen Grundbildung als weitere Aufgabe, die Kinder zur Schulreife zu führen. In der DDR war die Vorschuler-ziehung von hoher Wichtigkeit. 1952 wurden die altersheterogenen Familiengruppen aufgelöst und eine altersmäßige Binnendifferenzierung im Kindergarten angeordnet.

Die Kinder wurden in Altersgruppen zusammengefasst. Die drei bis vierjährigen Kinder besuchen eine Gruppe, die vier bis fünf jährigen und die fünf bis sechsjährigen. Die Gruppengröße sollte 18 Kinder umfassen. Altersgemischte Gruppen waren nur zulässig, wenn die Anzahl und das Alter der angemeldeten Kinder es erforderten, beispielsweise in kleineren Ortschaften. Das Ziel dieser Binnendifferenzierung war die Konzentration auf eine altersgerechte Bildung der Kinder im Kindergartenalter. Um die Bedeutung der vorschulischen Erziehung zu stärken, fand 1957 die „Zentrale Konferenz der Vorschul-erziehung“ statt. Es wurden u.a. Thesen formuliert zur Zusammenarbeit zwischen dem Kindergarten und der Schule. Im Fokus stand die Zusammenarbeit der Kindergärtnerin der ältesten Kindergartengruppe und der Unterstufenlehrerin27. 1959 wurde im „Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der DDR“ der Kindergarten als Stufe des Schulsystems bestätigt: „In Kindergärten und anderen Einrichtungen der vor-schulischen Erziehung sind die drei- bis sechsjährigen Kinder auf die Schule vorzube-reiten, an das sozialistische Leben heranzuführen und mit dem Schaffen der werktätigen Menschen bekannt zu machen. Die besondere Fürsorge gilt den Kindern berufstätiger Mütter“ (ebd.: 377). Der Kindergarten sollte einen Beitrag zum Aufbau der

sozialisti-27 Dazu: Krecker 1971a: 358ff.; Reyer 2006: 181ff.

schen Gesellschaft leisten und deshalb konnte die Erziehung nicht unpolitisch sein. Das Ministerium für Volksbildung gab 1961 den „Bildungs- und Erziehungsplan für den Kindergarten“ heraus, mit dem Titel: „Sozialistisch erziehen – allseitig bilden – auf die Schule vorbereiten“, dieser war für alle Kindergärten verbindlich (Sasse 2004: 118).

Mit den vom Staat verbindlich vorgeschriebenen zentralen Bildungsprogrammen wurde auf die Bildung im Kindergarten großen Einfluss genommen. Der Staat nahm für sich das Bildungsmonopol in Anspruch. Es sollte nur Kindergärten geben, die nach dem Bildungs- und Erziehungsplan arbeiteten. Im §10 der Kindergartenordnung von 1983 hieß es „Die sozialistische Erziehung der Kinder erfolgt auf der Grundlage des vom Ministerium für Volksbildung herausgegebenen Bildungs- und Erziehungsplanes sowie den dazu erlassenen inhaltlichen Orientierungen“ (Ministerium für Volksbildung 1985:

282). 1985 trat das letzte Regelwerk, der insgesamt fünf seit dem Bestehen der DDR, nämlich das „Programm zur Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten“ in Kraft, das bis zur politischen Wende Gültigkeit hatte. Die darin formulierten pädagogischen Zielsetzungen folgten weitestgehend ideologische Vorgaben. Kinder sollten u.a. „zur Liebe zu ihrem sozialistischen Vaterland“, „zur Liebe zur Arbeit“ erzogen werden. Es sollten „kontinuierlich Fertigkeiten zur gesunden Lebensweise“ herausgebildet werden (ebd.: 8). Diesen Zielformulierungen lag die Vorstellung zu Grunde, man könne durch Erziehung jedes Kind nach den gesellschaftspolitischen Zielen formen. Man ging davon aus, „daß die Erreichung eines Zieles durch die Verknüpfung von Didaktik, Methodik und Umwelteinflüssen in der pädagogischen Planung sicher gewährleistet werden kön-ne“ (Höltershinken/Hoffmann/Prüfer 1997: 39). Die Vorstellung, die damit verbunden ist, so Höltershinken: „(...) der Mensch sei ein zu formendes Rohmaterial“ (ebd.). Die-ses Menschenbild sah das Kind als defizitäres Wesen, gemessen an der Norm der Er-wachsenen.

Der Bildungs- und Erziehungsplan enthielt detaillierte inhaltliche und zeitliche Vorga-ben für Beschäftigungen im Kindergarten. „Die Bildungs- und ErziehungsaufgaVorga-ben in den Plänen der einzelnen Gruppen sind jeweils für den Zeitraum von September bis August festgelegt. (...) Um ein richtiges Verhältnis der Beschäftigung zu den anderen Organisationsformen und zur Erarbeitung des Inhalts zu wahren, erwies es sich als not-wendig, die Anzahl der Beschäftigungen für den Zeitraum von jeweils 14 Tagen wie folgt festzulegen“ (Ministerium für Volksbildung 1967b). Die Abbildung 1 zeigt die Beschäftigungseinheiten je nach Alter der Kinder innerhalb von 14 Tagen.

Abbildung 1: 14-Tagesplan der Beschäftigten im Kindergarten Jüngere Gruppe

Mittlere Gruppe

Ältere Gruppe Muttersprache

Turnen

Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben Bekanntmachen mit der Kinderliteratur

Bekanntmachen mit der Natur

Bekanntmachen mit Mengen, Vergleichen vom Län-gen, Breiten und Höhen

Malen, Zeichnen, Formen, Bauen und Basteln Musik

2 2 1 - 1 -

3 1

3 2 2 - 2 2

5 2

3 2 2 1 2 2

5 2 Quelle: Bildungs- und Erziehungsplan für den Kindergarten. Ministerium für Volksbil-dung 1967b: 9

Alle Kindergärten mussten nach dem gleichen, verbindlichen Programm für die Bil-dung- und Erziehung im Kindergarten arbeiten, d.h. die Kindergärten unterschieden sich grundsätzlich nicht. In Anlehnung an den Bildungs- und Erziehungsplan musste für jede Gruppe ein Tagesablaufplan ausgearbeitet werden, der sichtbar aushing. Alle Tä-tigkeiten waren zeitlich festgelegt. Die Leiterin der Einrichtung hatte die Einhaltung des Tagesplanes zu gewährleisten. So war sowohl der Inhalt als auch der Zeitplan der tägli-chen Arbeit im Kindergarten durch den Bildungs- und Erziehungsplan vorgeschrieben.

Abbildung 2: Tagesplan im Kindergarten der DDR (1989) - Ein Beispiel aus der Kinderkombination Eisenach

6.00 – 7.30 Ankunft der Kinder/Spiel 7.30 - 7.45 Körperpflege

7.45 - 8.00 Fröhlicher Tagesbeginn 8.00 - 8.20 Frühstück

8.20 - 8.30 Körperpflege

8.30 - 9.20 Beschäftigung je nach Gruppe: klein) 1x a15min, mittel) 2x a 15 min, groß) 2x a 20min

9.20 - 9.30 Aufräumen der Beschäftigungsmaterialien 9.30 - 11.00 Spiel/Aufenthalt im Freien

11.00 - 11.10 Aufräumen 11.10 - 11.30 Körperpflege 11.30 - 12.00 Mittagessen

12.00 - 12.30 Körperpflege/Vorbereitung Schlaf 12.30 - 14.00 Mittagsschlaf

14.00 - 14.30 Anziehen/Aufräumen der Betten/Körperpflege 14.30 - 15.00 Vesper

15.00 - 16.30 Spiel in der Gruppe/ angeleitetes Basteln 16.30 - 18.00 Spätdienst übernimmt die Kinder

Quelle: Aden-Grossmann 1992: 250)

Der Bildungsauftrag des Kindergartens als Teil der Volksbildung, also dem Schulwesen gleichgestellt, wurde sehr ernstgenommen. So waren die täglichen Beschäftigungen ein wichtiger Bestandteil des Kindergartentages. Die zu behandelnden Themen wurden wie der Stoffverteilungsplan in der Schule für Quartale vorgeschrieben festgelegt. Die Sachgebiete Muttersprache, Bekanntmachen mit der Natur, Bekanntmachen mit Men-gen, Vergleichen vom LänMen-gen, Breiten und Höhen als auch das Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben sollten vor allem die Schulfähigkeit der Kinder fördern.

Es wurde mit ähnlichen Methoden gearbeitet wie im Anfangsunterricht der Schule.

Das Spiel im Kindergarten wurde zum wichtigsten Erziehungsmittel erklärt. „Im in-haltsreichen Spiel sind der Charakter der Kinder, ihr Wille, ihr Gefühl, ihre kollektiven Beziehungen, ihre geistigen und sittlichen Kräfte sowie Interessen und Neigungen

aus-zubilden“ (Ministerium für Volksbildung 1985: 8). Das Rollenspiel galt demzufolge der Aneignung gesellschaftlicher Eigenschaften28. Das Kind in seiner Objektfunktion ist formbar. Es muss erzogen werden, dann wird es die gewünschten Verhaltensweisen ausprägen, und je früher damit begonnen wird, umso erfolgreicher wird das Ergebnis des Erziehungsprozesses.

Um diese Pädagogik umzusetzen, war neben dem sehr streng vorgegebenen Erzie-hungsprogramm ein festes Regime notwendig. Die Kindergärtnerin nahm dabei die

„führende Rolle“ wahr (Hartmann/Rahner 1997: 94).

1.2.1.1 Die Kindergärtnerin (C.N.)

Die Erziehungsberufe in der DDR hatten sowohl gesellschaftlich als auch politisch ei-nen sehr hohen Stellenwert. Der Beruf der Kindergärtnerin war ein Wunschberuf mit relativ hohem Sozialprestige und lebenslanger Perspektive. Eine Kindergärtnerin arbei-tete 43,75 Stunden in der Woche. Die direkte Arbeitszeit mit Kindern war kürzer, sie betrug 38 Stunden pro Woche. Die restliche Zeit war als Vorbereitungszeit und für El-terngespräche und Elternbesuche zu nutzen. Eine Kindergärtnerin, mit einer abgeschlos-senen pädagogischen Ausbildung, verdiente in einer Vollzeitbeschäftigung im Kinder-garten ca. 900 Mark (Rauschenbach/Beher/Knauer 1995: 159f.); das ist vergleichbar mit dem Einkommen einer Unterstufenlehrerin in der DDR.

Das Ziel der Tätigkeit einer Kindergärtnerin war, im Sinne gesellschaftlich relevanter Zielvorgaben, auf die Entwicklung des Kindes Einfluss zu nehmen (Neuner 1989: 23).

Die Aufgabe der Erzieherin war es demzufolge die Erziehung im Kindergarten als poli-tischen Auftrag zu begreifen29. Damit befand sich auch die Kindergärtnerin, ebenso wie das Kind, in einer Objektfunktion, bei der es um die Erfüllung des partei- und staatspo-litischen Auftrages ging. Der disziplinäre Charakter der Erziehung konnte aufgrund des geregelten Tagesablaufes (siehe Abb. 2) nicht aufgehoben werden.

Im Erziehungsprozess war die Kindergärtnerin die verantwortliche Akteurin. Sie war es, die den Prozess steuert, beeinflusst und führt (Musiol 1998: 35). „Ihr Vertrauen, ihre

28 Dazu: Musiol 1998: 43ff.; Rudolph 1992: 296ff.

29 Kindergärtnerinnen mussten regelmäßig an marxistisch-leninistischen Weiterbildungen teilnehmen.

Die Teilnahme an den Weiterbildungen der Erzieherinnen wurde von der Einrichtungsleiterin und den Fachberaterinnen kontrolliert. Welche Freiräume einer Kindergärtnerin bei der inhaltlichen Gestaltung der Arbeit hatte, war abhängig von der Leiterin der Einrichtung. Ob die Erzieherin die Möglichkeit hatte, ihre Arbeit unpolitisch zu gestalten, hing demzufolge ebenfalls von der Leiterin ab (Aden-Grossmann 2002: 271f.).

Liebe zu den Kindern, ihre Autorität, ihr Wissen und Können spielen im Leben der Kinder eine große Rolle und sind bedeutende Bedingungen für die erfolgreiche Arbeit in der Gruppe“ (Ministerium für Volksbildung 1967b: 7ff.).

Einerseits sollte sich die Planung und Gestaltung von Erziehungsprozessen primär an die Gesamtgruppe richten. Das einzelne Kind und dessen Bedürfnisse waren sekundär zu betrachten. Eine Kindergärtnerin sollte sich bei ihrer Arbeit an der kollektiven Norm ausrichten. Bezogen auf das Lernvermögen eines Kindes, gab es das Bild eines „Durch-schnittkindes“. Kindergärtnerinnen planten also ihre Arbeit für alle Kinder in gleicher Weise. Die einheitlich geltenden Vorgaben ließen kaum Abweichungen zu (Musiol 1998: 36).

Anderseits sollte eine Erzieherin dafür sorgen, dass sich jedes Kind gesund und allseitig entwickelte, dabei sollte eine Erzieherin die Entwicklungsunterschiede zwischen den Kindern und den Entwicklungsstand der Gruppe berücksichtigen (ebd.: 105).

Nach Musiol wurde Ende der 1980er Jahre die Kindergärtnerin in ihrer Individualität stärker in den Blick genommen, obwohl nach wie vor ihre Tätigkeiten im pädagogi-schen Prozess, z.B. die Struktur des Kindergartenalltages, durch staatliche Vorgaben festgelegt waren (ebd.: 37). Als maßgebende Faktoren für die Entwicklung des Kinder-kollektivs und des einzelnen Kindes benannte Kirchhöfer: die psychische Konstitution, das Temperament, die sprachliche Kompetenz, das didaktische Können, der Ideenreich-tum und die äußere Erscheinung einer Kindergärtnerin. Kirchhöfer fasste all diese Din-ge als „inneren Reichtum“ einer Kindergärtnerin zusammen. Innerhalb des pädagogi-schen Prozesses sei der „innere Reichtum“, so Kirchhöfer eine wichtige Erziehungsbe-dingung (Kirchhöfer 1988). Damit wurde, so Musiol, der Anspruch an die Professionali-tät einer Kindergärtnerin formuliert, gleichzeitig aber an den Vorgaben des Bildungs- und Erziehungsplanes und dessen Sicherung im pädagogischen Alltag festgehalten. Die damalige Diskussion um die Individualität einer Kindergärtnerin räumte ein, dass die Individualität einer Kindergärtnerin in den pädagogischen Prozess und für die Entwick-lung der Kinder etwas Einmaliges und Unverwechselbares einzubringen vermochte. In der Ausbildung zur Kindergärtnerin konnte eben diese Individualität kaum oder nur in einem geringen Maße entwickelt werden.

1.2.1.2 Die Ausbildung zur Kindergärtnerin (C.N.)

Die Ausbildung zur Kindergärtnerin hatte in der DDR den Status eines (Fachschul-) Studiums. Die Zulassung zum Fachschulstudium unterlag der staatlichen Bildungspla-nung. Die Bildungsplanung war abhängig von der demographischen Entwicklung und deren Bedarfsermittlung30. Die Voraussetzung für die Ausbildung zur Kindergärtnerin war der Abschluss der zehnten Klasse an einer Polytechnischen Oberschule. Die Aus-bildung zur Kindergärtnerin dauerte drei Jahre31 und war eine vollzeitschulische Be-rufsausbildung an einer Pädagogischen Fachschule (Rauschenbach/Beher/Knauer 1995:

153). Diese Ausbildung war nach heutigem Verständnis keine akademische Ausbil-dung. Die Auszubildenden wurden als Studentinnen bezeichnet und die Ausbildungsab-schnitte wurden in Semester unterteilt, damit wurde der Ausbildung gewissermaßen ein wissenschaftlicher Status verliehen (ebd.).

Die Ausbildung gliederte sich in drei Gruppen von Lehrgebieten. Die allgemeinen Grundlagen umfassten die Fächer Marxismus/Leninismus und Russisch. Sie nahmen 16 Prozent der Gesamtstundenzahl der Ausbildung in Anspruch. Zum Lehrgebiet „Speziel-le Grundlagen“ gehörten u.a. Pädagogik, Psychologie und Sprecherziehung. Dieses Lehrgebiet umfasste 28 Prozent der Gesamtstunden. Die restlichen 56 Prozent waren dem „Fachrichtungsspezifischen Lehrgebiet“ mit den Fächern: Deutsche Sprache, Lite-ratur, Musikerziehung, Instrumentalunterricht, Kunsterziehung und deren Methodiken sowie den Methodiken des Bekanntmachens mit dem gesellschaftlichen Leben, der Na-tur u.a., vorbehalten. Der praktische Anteil betrug ca. ein Drittel der Ausbildung und war die Ausbildungsdauer integriert.

30 In der DDR wurde für Berufsgruppen in allen Betrieben, Kombinaten und Räten der Bedarf an Absol-ventinnen im Planungszeitraum ermitteltet. Die Zahlen wurden über die Fachministerien an die zuständi-gen Ministerien geleitet.

Die Fachschulen leiteten genauso die Zahlen der voraussichtlichen Absolventinnen an das Ministerium für Hoch- und Fachschulwesen. Aus den beiden Zahlengruppen wurde die Absolventinnenbilanz, ent-sprechend den Fachrichtungen, gebildet. Durch die staatliche Bedarfsermittlung und Lenkung gab es eine Arbeitsplatzgarantie für alle Absolventinnen (Waterkamp 1987: 274).

31 Die Ausbildungsdauer zur staatlichen Kindergärtnerin wurde Anfang der 1970er Jahre von zwei auf drei Jahre angehoben (Kroll 1998: 310).

Abbildung 3: Stundentafel für Kindergärtnerinnen in der DDR von 1980

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Allgemeine Grundlagen

480 (=16%)

Grundlagen des Marxismus-Leninismus

308 3 3 3 3 4 4

Russisch 172 3 3 2 2 - -

Spezielle Grundlagen

852 (=28%)

Pädagogik 318 4 4 3 3 3 3

Psychologie 254 - 3 3 3 4 4

Gesundheitserziehung, Ana-tomie und Physiologie

226 4 3 2 2 2 -

Sprecherziehung 36 1 1 - - - -

Technik der Arbeit mit audi-ovisuellen Unterrichtsmitteln

18 1 - - - - -

Fachrichtungs-spezifische Lehr-gebiete

1748 (=56%)

Deutsche Sprache und Me-thodik

175 3 2 2 1 2 -

Literatur und Methodik 173 2 3 1 2 2 - Musikerziehung und

Metho-dik

196 2 2 2 2 2 3

Instrumentalunterricht 86 1 1 1 1 1 - Kunsterziehung und

Metho-dik

224 3 3 2 2 2 2

Körpererziehung und Metho-dik

308 3 3 3 3 4 4

Methodiken des Bekanntma-chens mit:

- dem gesellschaftlichen Leben

100 - - 2 2 2 -

- der Natur 136 2 2 2 2 - -

- ausgewählten math.

Begriffen und Relationen

100 - 2 2 2 - -

Studientag in der pädagogi-schen Praxis

250 - - 5 5 5 -

Summe 100% 3080 32 35 35 35 33 20

Institut für Fachschulwesen der DDR In: Rauschenbach/Beher/Knauer 1995:154

Mit dem Abschluss der Ausbildung war die fachgebundene Hochschulreife verbunden.

Es bestand für einige delegierte Frauen die Möglichkeit mit der fachgebundenen Hoch-schulreife, ein zweijähriges Aufbaustudium zur Diplom-Pädagogin zu absolvieren. Als Diplom-Pädagogin bildeten die Frauen dann selber Kindergärtnerinnen an Fachschulen aus. Ob und wer den Aufbaustudiengang besuchen durfte, legte das Zentralinstitut für Weiterbildung in Ludwigsfelde fest (Waterkamp 1987: 389ff.).