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Biographiestudie (Kapitel 3)

I. Außenansichten: Determinanten des Erzieherinnenberufes Erzieherinnenberufes

1 Institutionskunde der Kindergartenpädagogik

1.4 Kindergartenpädagogik im Aufbruch (M.S.)

1.4.3 Bildungsdebatte (M.S.)

Die Qualität pädagogischer Strukturen, Strukturqualität, bezieht sich auf situations-unabhängige, zeitlich stabile Rahmenbedingungen, wie den materiellen Rahmen und die personellen Ressourcen, unter denen eine Kindertagesstätte arbeitet. Dazu gehören Kri-terien der Strukturqualität z.B.: „die Gruppengröße, die Ausbildung und die berufliche Erfahrung des pädagogischen Personals, der Raum wie auch andere Ausstattungsmerk-male, die den Kindern in der Einrichtung zur Verfügung stehen“ (ebd.). Einzelne Berei-che der Strukturqualität sind dadurch gekennzeichnet, dass sie durch politisBerei-che Maß-nahmen, wie z.B. KMK-Richtlinien für die Erzieherinnenausbildung, Raumbedarf pro Kind oder der Erzieherinnen-Kind-Schlüssel, bestimmt werden (Tietze 2004: 408).

Die Qualität pädagogischer Orientierungen, Orientierungsqualität, thematisiert das

„mentale Klima“ (Tietze 1998: 67) und stellt die kind- und erziehungsbezogenen Vor-stellungen, die professionellen Leitbilder, Werte, Normen und Überzeugungen der Er-zieherinnen dar (ebd.). In der Konzeption einer Kindertageseinrichtung werden profes-sionelle Orientierungen spezifiziert und bilden eine Verständigungsgrundlage für das Team nach innen sowie für die Eltern und die Öffentlichkeit nach außen.

Ebenso wie die Strukturqualität bildet die Orientierungsqualität ein zeitlich relativ stabi-les und überdauerndes Konstrukt, das auch Rahmenbedingungen für das direkte päda-gogische Handeln darstellt und somit die Prozessqualität beeinflusst. Seit dem Jahr 2004 ist die Qualitätssicherung von Kindertageseinrichtungen in §22a SGB VIII gesetz-lich verankert. Die Trägerorganisation wird aufgefordert, „die Qualität der Förderung in ihren Einrichtungen durch geeignete Maßnahmen“ (§22a SGB VIII) sicher zu stellen.

die ihre Bildung selbst aktivieren und forcieren. Auch Liegle, der hierfür den Begriff der Autopoiesis gebraucht, bedient sich eines Bildungsbegriffs der „Aneignung von Welt“ zur Orientierung (Liegle 2003: 25f.). Dem Kind Anregungen zu geben, ist die ausschließliche Einwirkungsmöglichkeit des Erziehenden auf den zu Erziehenden.

Deutlich wird, dass dieses Bildungsverständnis Bildungsziele oder separate Fördermaß-nahmen ausschließt (König 2009: 40). Schäfer, der seinen Bildungsbegriff auf die Grundlage von Piagets konstruktivistischer Entwicklungspsychologie stellt und von

„Selbstbildung“ spricht, betont wie Laewen, Andres und Liegle die Eigenständigkeit des kindlichen Bildungsprozesses. Hierbei wird das Kind als eigenständiger Erforscher der Welt betrachtet, das sich Fragen und Hypothesen aus eigenen Erfahrungen ausdenkt und Antworten sucht. Dabei lernt ein Kind die sozialen und kulturellen Instrumentarien zu nutzen, die das Umfeld zu Verfügung stellt (Schäfer 2006: 43).

Den Ansätzen ist gemeinsam, dass die eigenen Vorstellungen von der Welt durch die subjektiven Erfahrungen eines Menschen zustande kommen und so die Entwicklung des Individuums bestimmen. Allerdings bleibt die Rolle der Erziehenden in diesen Ansät-zen unklar (König 2009: 40.).

Fthenakis stellt einen sozialkonstruktivistischen Bildungsbegriff auf, wenn er anders als die genannten Autoren der sozialen Umwelt eines Kindes eine besondere Rolle zu-schreibt. Kindliche Entwicklung vollzieht sich in einem Wechselwirkungsprozess zwi-schen Bezugspersonen und Kind. Demnach sind die Interaktions- und Ko-Konstruktionsprozesse mit erwachsenen Bezugspersonen und Peers für die Entwicklung des Subjekts von maßgeblicher Bedeutung. Dieses Verständnis von Bildung schreibt den Erziehenden eine Rolle für den Entwicklungsprozess des Kindes zu (ebd.).

Gemeinsam ist allen Bildungstheorien eine Orientierung am kompetenten Kind, das sich aktiv mit seiner physischen und sozialen Umwelt auseinandersetzt und so als „Ak-teur seiner Entwicklung“ (ebd.: 41) gilt.

Durch die UN-Kinderrechtskonvention ist festgelegt, dass Kinder ein Recht auf Bildung haben. Die Persönlichkeit, die Begabung sowie die geistigen und körperlichen Fähigkei-ten des Kindes sollen durch Bildung des Kindes voll zur Entfaltung kommen. Dieses Recht wird bereits mit der Geburt des Kindes wirksam (Art. 28 und 29 UN-Kinderrechtskonvention).

Die Umsetzung des Bildungsauftrags wurde jedoch in Deutschland eher vernachlässigt (Fthenakis 2003b: 7). Erst im Jahr 2004 haben die Jugendministerkonferenz (JMK) und

die Kultusministerkonferenz (KMK) der Bundesrepublik Deutschland einen Beschluss66 gefasst, der einen gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kinderta-geseinrichtungen festlegt. Die zuständigen Minister aller Bundesländer haben sich erst-mals auf Grundsätze der Bildungsarbeit in Kindertageseinrichtungen verständigt. Mit der Einführung des Bildungsauftrages für Kindertageseinrichtungen ist notwendig eine bestimmte Sichtweise auf Bildung verbunden. Die Bildungsdebatte hat ein konsensfähi-ges Verständnis von Bildung hervorgebracht. Bildung im Kindergarten ist demnach als Prozess zu verstehen, an dem sich Kinder und Erzieherinnen aktiv beteiligen. In ge-meinsamer Interaktion, im sozialen Dialog und im konstruktiven Prozess findet Bildung als Sinnkonstruktion statt. Bildung und Entwicklung bedingen einander.

Jedes Bundesland entwickelte auf der Basis des Beschlusses der KMK- und JMK-Konferenz einen Bildungsplan. Die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer konkre-tisierten und erweiterten die auf Bundesebene festgelegten Grundsätze. Bildungspläne werden als Orientierungsrahmen verstanden, „auf deren Grundlage die Tageseinrich-tungen unter Berücksichtigung der lokalen Gegebenheiten träger- oder einrichtungsspe-zifische Konzeptionen erstellen. Sie enthalten keinen umfassend geregelten Ablauf der pädagogischen Arbeit, belassen einen großen pädagogischen Freiraum und setzen auf die Berücksichtigung individueller Unterschiede und spielerischer, erkundender Lern-formen“ (KMK 2004: 2).

Kindertageseinrichtungen werden als ein wichtiger Teil des öffentlichen Bildungswe-sens verstanden. In den Bildungsplänen werden der zugrunde gelegte Bildungsbegriff und der eigenständige Bildungsauftrag der Kindertageseinrichtungen beschrieben. Zu diesem Zweck werden Bereiche benannt, die den Bildungsauftrag konkretisieren. Die Bildungspläne sollen eine Orientierung für Fachkräfte, Eltern und Lehrkräfte sein. Die einzelnen Länder bestimmen ein Altersspektrum der Kinder, für das die Pläne gelten.

Alle Bundesländer haben sich auf eine allgemeine Beschreibung der Ziele im Hinblick auf Bildung im Elementarbereich geeinigt. Sie verzichten auf eine Abgrenzung der Be-griffe „Bildung“ und „Erziehung“. Beides wird als ein „einheitliches, zeitlich sich er-streckendes Geschehen im sozialen Kontext betrachtet. Es umfasst die Aktivitäten eines

66 Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.06.2004 „Gemeinsamen Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtun-gen“ (KMK 2004).

Kindes zur Weltaneignung ebenso wie den Umstand, dass diese grundsätzlich in kon-kreten sozialen Situationen erfolgen“ (ebd.: 3).

Die gesetzliche Grundlage zur Ausführung des Bildungsauftrages der einzelnen Bun-desländer ist neben dem §22 SGB VIII auf Bundesebene die jeweilige Landesgesetzge-bung. In der Zeit von 2003 bis 200667 haben alle 16 Bundesländer Bildungspläne erar-beitet. Bayern hatte als erstes Bundesland einen Bildungsplan vorgelegt68. Thüringen hat im September 2006 als letztes Bundesland die Erprobungsfassung des „Thüringer Bildungsplans für Kinder bis 10 Jahre“ veröffentlicht. Nach einjähriger Erprobung trat er im Jahr 2008 verbindlich in Kraft.

Grundsätzlich lassen sich Bildungspläne der ersten Generation und Bildungspläne der zweiten Generation unterscheiden. Bei den Bildungsplänen der ersten Generation ging es um die Konkretisierung des Bildungs- und Erziehungsauftrages von Kindertagesein-richtungen, mit dem Ziel, eine höhere Bildungsqualität zu erreichen und bisher vernach-lässigte Bildungsbereiche, z.B. mathematisch-naturwissenschaftliche und technische Bildung, Sprachförderung, zu beleben. Bei den Bildungsplänen der zweiten Generation wurde eine größere Altersspanne, z.B. null bis zehn Jahre in Thüringen und Hessen, und die in diesem Zeitraum bedeutsamen Übergänge beachtet. In ihnen wurde der Fokus nicht mehr nur auf die Kindertageseinrichtungen gerichtet, sondern es wurden alle Lernorte berücksichtigt, z.B. Familie, Kindertagespflege, Schule, Medien, Peergroup usw.. An dieser Stelle lässt sich eine Verdichtungszone im Verhältnis von Kindergarten und Grundschule aufzeigen. Diese sechste Verdichtungszone ist in ihrem Prozess noch unabgeschlossen und findet u.a. in den aktuellen Debatten der Qualität und Bildung ihren Niederschlag (Reyer 2006: 212).

Die Bildungspläne der Länder haben ähnliche Inhalte, unterscheiden sich aber in ande-rer Hinsicht erheblich. So sind sie in einigen Bundesländern verbindliche Arbeitsgrund-lage, in anderen haben sie Empfehlungscharakter; die Altersspanne reicht in manchen Ländern bis zum Schuleintritt, in anderen bis zum zehnten Lebensjahr. Damit ist eine

67 Beginn der Erprobungsphase in den Bundesländern: Baden-Württemberg: 2005, Bayern: 2003, Berlin:

2003, Brandenburg: 2003, Bremen: 2004, Hamburg: 2005, Hessen: 2005, Mecklenburg-Vorpommern:

2004, Niedersachsen: 2003, Nordrhein-Westfalen: 2003, Rheinland-Pfalz: 2003, Saarland: 2004, Sach-sen: 2004, Sachsen-Anhalt: 2004, Schleswig-Holstein: 2004, Thüringen: 2006 (www.bildungsserver.de).

Ausführliche Informationen zu den einzelnen Bildungsplänen unter www.bildungsserver.de. Weitere nennenswerte Informationsportale zu den Bildungsplänen sind: www. thueringer-bildungsplan.de, www.slfs.sachsen.de/lja, www.sms.sachsen.de und www.kita-bildungsserver.de.

68 Er wurde im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen am Staatsinstitut für Frühpädagogik (IFP) entwickelt.

Differenzierung im Geltungsbereich folgerichtig. Unbesehen dieser Unterschiede gibt es inhaltliche Parallelen der Bildungspläne. Zunächst wird meist auf den gesellschaftlichen Rahmen eingegangen, es werden Leitgedanken formuliert und das zugrundeliegende Bild vom Kind nachgezeichnet. Danach werden die von den Kindern zu erwerbenden Kompetenzen bzw. Bildungs- und Erziehungsziele beschrieben. Im zentralen Teil wer-den verschiewer-dene Bildungsbereiche bzw. Lern- und Erfahrungsfelder aufgeführt, z.B.

mathematische, naturwissenschaftliche, technische, kulturelle, musische, ästhetische, sprachliche, mediale, gesundheitliche, emotionale, religiöse und soziale Bildung. Hier werden didaktische und methodische Hinweise gegeben. In allen Bildungsplänen wird auf Themen wie demokratische Teilhabe/ Partizipation, Integration, Bedeutung von Beobachtung und Dokumentation, Zusammenarbeit mit Eltern und Übergänge, insbe-sondere vom Kindergarten in die Schule, eingegangen. In allen Bildungsplänen sind Aussagen zu Anforderungen an die Fachkräfte, zur Qualitätsentwicklung und -sicherung, zur Selbst- und Fremdevaluation sowie zu den Aufgaben des Trägers zu fin-den (Textor 2008).