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Ostdeutschland

2 Berufsidentität als Gegenstand der Analyse des institutionellen Übergangs von der Kindertagesstätte zur Grundschule

2.4 Feinanalyse in zwei Fallstudien

2.4.2 Fallstudie I in X-Stadt (C.N.)

2.4.2.1 Kooperationsstruktur: Kooperationstandem (C.N.)

Zweifellos stellt das Auswerten mit der Grounded Theory hohe Ansprüche an die Krea-tivität des Forschenden; zwar gibt es methodische Vorgaben und Leitlinien, doch ist es nicht rezeptartig erlernbar und schwer schematisch darstellbar (Böhm 2000: 484). Es ist kein deduktives, hypothesenprüfendes Verfahren; vielmehr muss die Haltung, mit der sich die Forschenden dem Material nähern, bewusst offen sein. Welche Aspekte sich hinsichtlich der Fragestellung als zentral erweisen, stellt sich erst im Forschungsprozess heraus und ist stark von der „theoretischen Sensibilität“ der Forschenden abhängig. Die-se speist sich beispielsweiDie-se aus der Literaturkenntnis, aus den beruflichen und persön-lichen Erfahrungen des Forschenden und natürlich gerade auch aus seinen Forschungs-erfahrungen. Die „theoretische Sensibilität“ entwickelt sich in der Wechselwirkung der gerade genannten Bedingungen und insbesondere mit dem Anwachsen der Erfahrungen aus dem analytischen Prozess des Forschens weiter (Strauss/Corbin 1996: 25ff.).

Eine Theorie im Sinne der Grounded Theory entsteht also während des Forschungspro-zesses. „In Untersuchungen mit der Grounded Theory möchten Sie, [die Forscher (d.

Verf.)] Phänomene im Licht eines theoretischen Rahmens erklären, der erst im For-schungsverlauf selbst entsteht“ (ebd.: 32).

Zur Unterstützung der Auswertung wurde die Datenauswertungssoftware MAXQDA (Version 11) verwandt. Diese Software half, bei der Datenfülle den Überblick zu behal-ten und die Verwaltung der kodierbehal-ten und mit Memos versehenen Interviews zu struktu-rieren und dadurch relevante Kategorien zur Theoriebildung zu dokumentieren.

Nachfolgend werden die zentralen Ergebnisse unserer Transitionsstudie dargelegt.

den Kindergarten. In gemeinsamen Beratungen des Trägers und der Einrichtungsleite-rinnen von Kindergarten und Grundschule wurde die Übergangsgestaltung neu konzi-piert. Die Besonderheit dieser Zusammenarbeit besteht seitdem darin, dass das letzte Kindergartenjahr im Gebäude der Grundschule stattfindet. Die Vorschulgruppe86 des Kindergartens gehört zum Kindergarten und ist konzeptionell an diesen gebunden.

Für die Kinder der Vorschulgruppe sind primär die Erzieherinnen des Kindergartens verantwortlich, sie wechseln im Rotationsprinzip mit den Vorschulkindern in die Räu-me der Grundschule. Hierbei wird angestrebt, dass die Kinder von ihrer bisherigen Be-zugserzieherin begleitet werden. Zudem hat der Träger eigens für dieses Kooperations-tandem eine Koordinatorin eingestellt, die dem Kindergarten zugehörig ist (siehe Ab-bildung 36). Sie ist als Erzieherin in der Vorschulgruppe tätig und soll die Zusammen-arbeit zwischen Kindertagesstätte und Grundschule koordinieren. In den schulfreien Zeiten sind auch die Hortnerinnen der Schule für die Kinder der Vorschulgruppe mit-verantwortlich.

Abbildung 36: Organigramm des Institutionentandems in X-Stadt

86 Die Begriffe „Vorschulgruppe“, „Vorschule“ und „Vorschulkind“ werden von den Erzieherinnen, Leh-rerinnen und Eltern der untersuchten Kooperationseinrichtungen verwendet. Diese Kategorien sind weder Bestanteil des Thüringer Bildungsplanes noch des Thüringer Schulgesetzes. In der vorliegenden Disserta-tionsschrift werden diese Bezeichnungen der Akteure übernommen; sie dienen der Orientierung und Übersichtlichkeit.

Für die Organisation und die inhaltliche Ausgestaltung der vorschulischen Angebote87 der Kinder – „Basaltraining“, „Früh-Englisch“ und Training zum phonologischen Be-wusstsein „Hören, Lauschen, Lernen“ – ist die Schulleiterin der Grundschule zuständig.

Um in der Vorschulgruppe das „vorschulische Lernen“ durchführen zu können, teilt sie den Grundschullehrerinnen einzelne Unterrichtsstunden zu. Es handelt sich hierbei nicht zwingend um die zukünftige Klassenlehrerin der Kinder. Die Lehrerinnen der Grund-schule sind in diesen Unterrichtsstunden für die Angebote des „vorschulischen Lernens“

zuständig. Darüber hinaus erhalten die Erzieherinnen des Kindergartens, die für die Vorschulgruppe verantwortlich sind, von der Schulleiterin Arbeitsblätter, die sie für die Vorschulbildung der Kinder nutzen. Die aus circa 25 Kindern bestehende Vorschul-gruppe wird für die Lerneinheiten mit den Grundschullehrerinnen in KleinVorschul-gruppen mit circa acht Kindern unterteilt.

Die Kinder der Vorschulgruppe haben einen an die strukturellen Bedingungen der Grundschule angepassten Tagesablauf. Das Mittagessen findet aus schulorganisatori-schen Gründen gemeinsam mit den Schulkindern statt. Diese Notwendigkeit soll dazu dienen, die Kinder der Vorschulgruppe an die Bedingungen zu gewöhnen, die sie als Erstklässler erwarten.

Einmal im Monat findet in der Grundschule eine sogenannte „Kindergartenrunde“ statt, an der die Kindergartenleiterin, die Grundschulleiterin, der Träger und die Übergangs-koordinatorin teilnehmen. Diese regelmäßig stattfindende Sitzung dient der Abstim-mung beider Institutionen. Die für die Vorschulgruppe verantwortliche Erzieherin oder die in dieser Gruppe agierenden Lehrerinnen nehmen an den Sitzungen bei Bedarf teil.

Die Kinder der Vorschulgruppe haben in Schnupperstunden in den Schulklassen, in gemeinsamen Pausen, im Hort und durch die Patenschaften zu den Schulkindern Kon-takt. Die Patenschaften werden von der Schule initiiert, indem sich die Schulkinder der vierten Klasse ein Patenkind in der Vorschulgruppe wählen. Die Paten unterstützen ihr

87 (1) Basaltraining dient der sensorischen Stimulation sowie der Ausbildung schulrelevanter Grundfähig-keiten.

(2) Früh-Englisch soll den Fremdspracherwerb in der Schule vorbereiten.

(3) Das Training zum phonologischen Bewusstsein „Hören-Lauschen-Lernen“ gehört zu den Würzburger Trainingsprogrammen und soll Kindern in sechs inhaltlich aufeinander aufbauenden Übungseinheiten durch akustische Diskrimination bzw. Abstraktion sprachlicher Segmente, wie Silben, Wörter und Reime die Lautstruktur gesprochenen Sprache vermitteln.

Alle drei vorschulischen Programme sind mit Bildern, Bewegungs- und Singspielen gestaltet.

Patenkind aus der Vorschulgruppe dabei, sich im Schulgebäude und auf dem Schulge-lände zu orientieren.

Die Vorschulkinder besuchen die Kindertagesstätte regelmäßig. Einmal wöchentlich nutzen sie die in den Räumen des Kindergartens befindliche Sauna. Am „Saunatag“

bleiben die Kinder im Kindergartengebäude. Bei der Gestaltung von Festen und Feiern ist die Vorschulgruppe an den Kindergarten angebunden.

In der Vorschulgruppe wird die bisherige Bildungsdokumentation für jedes Kind in Form eines Portfolios aus der bisherigen Kindergartenzeit bis zum Ende des Vorschul-jahres fortgeführt und dann an die Kinder übergeben. Eine Nutzung oder Weiterführung durch die Lehrerinnen der Grundschule findet nicht statt.

Die Vorschulgruppe kann alle Räume der Schule und die Turnhalle nutzen, wenn sie nicht von Schulkindern benötigt bzw. belegt sind. Es finden auch gemeinsame Projekte und Feste der Vorschul- und Schulkinder statt.

Nachfolgend werden die Perspektiven der an der Kooperation beteiligten Akteure – Erzieherinnen, Grundschullehrerinnen, Eltern und Kinder – dargestellt.

Alle Interviewpartnerinnen und Interviewpartner wurden über das Forschungsinteresse informiert. Wir erklärten, dass untersucht wird, wie Übergänge von der Kindertagesstät-te zur Grundschule in Thüringen gestalKindertagesstät-tet werden und wir auf die besondere Zusam-menarbeit des Kindergartens und der Grundschule in X-Stadt aufmerksam geworden sind. Nachdem diese Erklärung vollzogen war, baten wir die Interviewpartnerinnen und Interviewpartner, uns zu erzählen und zu beschreiben, wie der Übergang vom Kinder-garten zur Grundschule in X-Stadt gestaltet wird.