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Biographiestudie (Kapitel 3)

I. Außenansichten: Determinanten des Erzieherinnenberufes Erzieherinnenberufes

1 Institutionskunde der Kindergartenpädagogik

1.2 Kindergartenpädagogik in der DDR (C.N.)

1.2.2 Konfessionelle Kindergärten in der DDR (C.N.)

1.2.2.2 Die Ausbildung (C.N.)

Die Ausbildung zur Kinderdiakonin fand an den sogenannten „Seminaren für kirchli-chen Dienst“ statt. In den Jahren von 1951 bis 1957 wurden fünf dieser Seminare35 ge-gründet, um dem Personalbedarf der evangelischen Einrichtungen zu entsprechen. Die Ausbildung zur Kinderdiakonin sollte in erster Linie zur pädagogischen Arbeit in evan-gelischen Kindergärten befähigen und umfasste darüber hinaus auch die Befähigung zur Arbeit mit Kindern bis zum zehnten Lebensjahr sowie die Befähigung zur Arbeit mit Menschen mit Behinderung (Ruppin 2008: 54). Das Hauptziel der Ausbildung stellte nach Kruse die „Qualifizierung pädagogischer Mitarbeiter für den Verkündigungsdienst im gemeindlichen Kindergarten“ (Kruse 1994b: 26) dar. Die Ausbildung war in der DDR staatlich nicht anerkannt, d.h. Absolventinnen der Seminare für kirchlichen Dienst konnten nicht als Erzieherin in staatlichen Kindergärten arbeiten.

Um im Seminar für kirchlichen Dienst aufgenommen zu werden, wurden Aufnahmever-fahren durchgeführt. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze war ge-ringer als die Anzahl der Bewerbungen (Ruppin 2008: 56). Nach Ruppin waren für die Aufnahme im Seminar ein pfarramtliches Zeugnis der Heimatgemeinde der Bewerberin und eine schriftliche Begründung des Berufswunsches mit ausführlichem Lebenslauf ausschlaggebend (ebd.: 67). Im Gemeindegutachten, das der Ortspfarrer einer Bewerbe-rin ausstellte, stand vor allem das Engagement der BewerbeBewerbe-rin in der Kirchengemeinde, die aktive Beteiligung am Gottesdienst oder der „Jungen Gemeinde“ im Mittelpunkt.

Allen Seminaren war ein Internat angegliedert, in dem die Seminaristinnen wohnen mussten, um die gewünschte Verbindung zwischen Lernen und Leben und die damit verbundene Persönlichkeitsentwicklung realisieren zu können. Die Gemeinschaft der Seminaristinnen wurde durch gemeinsames Wohnen, die gemeinsame Einnahme der Mahlzeiten und gemeinsame Freizeitaktivitäten unterstützt. Der sogenannten Hausmut-ter des InHausmut-ternates kam bei der Gemeinschaftsförderung sowie bei der Begleitung und Unterstützung der einzelnen Seminaristinnen, die im Alter von 16 Jahren in das nar kamen, eine Schlüsselfunktion zu (ebd.: 55f.). Ab 1983 gab es einen für alle

Semi-35 In Wolmirstedt, Greifswald, Berlin-Weißensee, Bad Lausick, Dessau und Eisenach gab es Seminare für den kirchlichen Dienst. Das Seminar für Kinder-und Gemeindediakonie in Dessau wurde 1984 geschlos-sen.

nare für kirchlichen Dienst verbindlichen Rahmenlehrplan36, der Inhalte und Dauer der Ausbildung regelte. Bis 1983 variierten sowohl Ausbildungsinhalte als auch Ausbil-dungsdauer der jeweiligen Seminare. Das Lehrpersonal in den Seminaren wurde häufig aus Absolventinnen der Seminare gewonnen, die sehr gute Leistungen in der Ausbil-dung hatten und nach einigen Jahren Berufserfahrung eine Weiterqualifizierung in der Diakonischen Akademie Berlin oder die Jugendleiterausbildung der Caritas besuchten.

Grundsätzlich war eine Verankerung im christlichen Glauben und das damit einherge-hende christliche Menschenbild Voraussetzung für eine Lehrtätigkeit in den Seminaren für kirchlichen Dienst (ebd.: 57).

Die Zahl der Seminaristinnen, die jährlich pro Seminar ausgebildet wurden, lag durch-schnittlich zwischen zehn und zwölf Teilnehmerinnen. Diese geringe Kursstärke sollte die partnerschaftliche und familienähnliche Atmosphäre in den Seminaren für kirchli-chen Dienst begünstigen.

Inhaltlich sollten Kinderdiakoninnen Verkündigungsdienste des Glaubens an das Evan-gelium leisten. Dabei sollten sie mit ihrer Person und ihrer täglichen Arbeit dazu beitra-gen, den Kindern und Eltern das Evangelium als Lebenshilfe und Orientierung erfahrbar zu machen (Waßermann 1994: 57). Im Rahmenlehrplan wurde der Persönlichkeitsent-wicklung der Seminaristinnen einen hohen Stellenwert eingeräumt, so dass Haltungen, wie Toleranz, Flexibilität, Kreativität und Bereitschaft zur Kooperation, in der Ausbil-dung entwickelt werden sollten. Hierbei sollte eine partnerschaftliche Umgangsweise der Seminaristinnen untereinander und zwischen Dozent/Innen und Seminaristinnen gelebt werden (Kruse 1994: 146).

Die Ausbildung zur Kinderdiakonin umfasste vier Jahre. Davon waren die ersten drei Jahre der theoretischen Ausbildung gewidmet und beinhalteten Praktika verschiedener Länge. Das vierte Ausbildungsjahr umfasste das Anerkennungsjahr, das in einem evan-gelischen Kindergarten unter Anleitung einer Mentorin abgeleistet wurde. In Anlehnung an Ruppin werden die Schwerpunkte der einzelnen Ausbildungsjahre dargestellt:

1. Jahr:

- Förderung der persönlichen Kompetenzen der Seminaristinnen,

- Erfahrung von Gemeinschaft und anstoßen von Selbstfindungsprozessen,

36 Ruppin stellt fest, dass dem Rahmenlehrplan nach der staatlichen Wiedervereinigung entscheidende Bedeutung zukam. Auf Grundlage dieses Rahmenlehrplanes wurde die staatliche Anerkennung der Ab-solventinnen der Seminare für kirchlichen Dienst vollzogen (Ruppin 2008: 62).

- zentral ist im ersten Jahr die Rolle der Hausmutter als Bezugsperson

- dreimonatiges Praktikum in einem evangelischen Kindergarten, das im Un-terricht vorbereitet wird und in dem kleine Aufgaben übernommen werden 2. Jahr:

- Sachkenntnisse werden komplex und themenübergreifend vermittelt

- die Fächer Hygiene, Naturkunde und Gesundheitslehre werden als Komplex unterrichtet

- Durchführung von zwei bis drei Projekten - zwei sechswöchige Praktika

3. Jahr:

- theoretische Kenntnisse werden weiter systematisiert - Anleitung zur selbstständigen Arbeit

- Bearbeitung von Projekten aus den Bereichen Eltern, Familie, Mitarbeiter und Gemeinde

- drei Monate Praktikum 4. Jahr:

- Anerkennungsjahr, eigenverantwortliche Tätigkeit in einem evangelischen Kindergarten unter Begleitung einer Mentorin

- Erprobung und Reflexion der eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse und deren in-dividuelle Bedeutung für die berufliche Tätigkeit

Ein starker Praxisbezug war durch die gesamte Ausbildungsdauer gegeben, da die Se-minaristinnen auch neben den Praktika regelmäßig in evangelischen Kindergärten hos-pitierten (Ruppin 2008: 61).

Das Seminar für kirchlichen Dienst in Eisenach hatte einen Fächerkatalog, der sich in vier große Bereiche gliederte und in jedem Bereich gab es verschiedene Fächer. Die in den Bereichen zu unterrichtenden Stunden sind dem Rahmenplan für Kinderdiakonin-nen entnommen und dem Fächerkatalog des Eisenacher Seminars zugeordnet. Obwohl im Rahmenplan das Fach Marxismus aufgeführt wird, ist es im Eisenacher Fächerkata-log nicht zu finden. Ruppin führt aus, dass es sich in ihrer empirischen Untersuchung bestätigt habe, dass in der Praxis das Fach Marxismus am Seminar in Eisenach nicht unterrichtet wurde (ebd.: 66). Die Tabelle verdeutlicht die Anteile der jeweiligen Berei-che am Stundenvolumen der Ausbildung in Eisenach.

Abbildung 4: Fächerkatalog der Ausbildung zur Kinderdiakonin im Seminar für kirchlichen Dienst

Stunden

1. Biblisch-theologischer Bereich 504

Kirchlicher Unterricht (Dogmatik/Glaubenslehre)

Gespräch mit der Bibel (Neues Testament/Altes Testament) Kirchengeschichte

Christ in der Gesellschaft

2. Psychologisch-pädagogischer Bereich 840

Psychologie Pädagogik

Geschichte der Pädagogik Vorschulkatechetik (Theorie)

Didaktik/Methodik Dienstkunde (Theorie)

Rechtskunde 20

Gesundheitslehre 30

Kinder- und Jugendliteratur Naturkunde

Deutsch 40

3. Praxis des evangelischen Kindergartens 420 Didaktik/Methodik Dienstkunde (Praxis)

Vorschulkatechetik Praxiswochen

4. Musischer Bereich 504

Musiktheorie und Praxis (Flöte und Klavier) außerdem Chor als Pflichtveranstaltung

Zeichnen Werken

Textiles Gestalten

Quelle: (ebd.: 64f.) 1.2.2.3 Die Erzieherin im kirchlichen Dienst (katholisch) (C.N.)

Den 142 katholischen Kindergärten standen im Jahr 1989 13 113 staatliche Kindergär-ten gegenüber. Die katholischen KindergärKindergär-ten verteilKindergär-ten sich auf die Diözesen und Ju-risdiktionsbezirke: Erfurt/Meinigen (68 Kindergärten), Magdeburg (19 Kindergärten), Berlin (Ost) (24 Kindergärten), Dresden/Meißen (13 Kindergärten), Görlitz (9 Kinder-gärten) und Schwerin (10 KinderKinder-gärten). Fast die Hälfte der katholischen Kindergärten befanden sich in der DDR im Jurisdiktionsbezirk der Diözesancaritas Erfurt/Meinigen, das entspricht in etwa dem heutigen Thüringen. Der Grund dafür liegt in der Region des

dort gelegenen katholischen Eichsfeldes. Hier gab es in den Dörfern fast ausschließlich katholische Kindergärten (Hartmann/Rahner 1997: 90).

Obwohl der Staat eigene Kindergärten baute und der Besuch kostenfrei war, blieben die katholischen Einrichtungen in der DDR bestehen. Da es für Kindergärten in kirchlicher Trägerschaft keine Legitimation gab (vgl. Abschnitt 1.1.2), konnte die Begründung für Kindergärten in katholischer Trägerschaft nur aus dem Selbstverständnis der katholi-schen Kirche abgeleitet werden. In der Präambel der Kindergartenordnung der Diöze-sancaritas Erfurt vom 15.9.1986 heißt es: „Der katholische Kindergarten nimmt als Ein-richtung der Kirche an deren umfassendem Sendungsauftrag teil. Er ist eine wichtige und einmalige Bildungseinrichtung einer Pfarrgemeinde für ihre Vorschulkinder. Hier wird Kindern von drei Jahren bis zum Beginn der Schulpflicht – ihrem Alter entspre-chend und eingebettet in die Gestaltung eines ganzen Tages – religiöses Leben grundge-legt und christliches Glaubensgut verkündigt“ (Kroll 1998: 197). Der katholische Kin-dergarten in der DDR wurde als ein Teil der Dreidimensionalität der Kirche, nämlich der Diakonia-Liturgia-Martyria37 verstanden.

In den Anfängen der DDR, 1949, wurden 131 von 142 Kindergärten katholischen Kin-dergärten von Ordensschwestern geleitet und 11 KinKin-dergärten von sogenannten „Laien-Kindergärtnerinnen“. Im Laufe der Zeit kehrte sich das Verhältnis um, so waren es 1987 34 Ordensschwestern und 108 Erzieherinnen (ebd.: 223).

Analog zu den staatlichen Kindergärten waren auch in katholischen Kindergärten Kin-der und Erzieherinnen zwischen acht und zehn Stunden am Tag über drei Jahre zusam-men. Die Erlebnisdichte zwischen Kindergärtnerin und Kind war über diesen Zeitraum hoch. Kinder sollten hier Glaube als Lebensgemeinschaft und Lebenswirklichkeit erfah-ren. Daher war es von besonderer Bedeutung, dass den Kindergärtnerinnen der Zusam-menhang zwischen Glaube und Erziehung bewusst war – ebenso wie ihre Rolle als Identifikationsmodell (ebd.: 202).

Im katholischen Kindergarten wurde die Schwierigkeit zwischen dem Leben im Sozia-lismus und dem Leben im Katholizismus sichtbar. So wurde beispielsweise bei der Fra-ge nach den besonderen Aufgaben eines katholischen Kindergartens diskutiert, ob bei der Gestaltung der pädagogischen Arbeit die katholischen Feiertage vernachlässigt und die gesamte Umwelt des Kindes, das bedeutete auch die Feiertage der DDR

berücksich-37 Diakonia = Dienst am Nächsten; Liturgia = Verkündigung; Martyria = Glaubenszeugnis.

tigt werden sollten (ebd.: 203ff.). Den Unsicherheiten in der pädagogischen Arbeit soll-te die vom Deutschen Caritasverband, Zentralssoll-telle Berlin (Ost), eingerichsoll-tesoll-te „Arbeits-gruppe Kindergartenplanung“ durch die Erstellung von Arbeitsmaterialien entgegen wirken (ebd.: 205). In dieser Arbeitsgruppe, der alle für den Kindergarten verantwortli-chen Referentinnen aus den Diözesen und den Jurisdiktionsbezirken und Vertreterinnen der Kindergartenleiterinnen sowie Vertreterinnen der Ausbildungsstätten angehörten, wurde für die Arbeit in katholischen Kindergärten ein Rahmenplan erarbeitet. Die Erar-beitung fand mit der Unterstützung von Fachreferent/Innen aus der Bundesrepublik Deutschland statt. Zu diesem Rahmenplan wurden von Mitte bis Ende der 1980er Jahre

„Arbeitshilfen für den katholischen Kindergarten“ entwickelt. Sie enthielten Aspekte katholischer Kindergartenarbeit wie Raumgestaltung, Altersmischung, verschiedene pädagogische Ansätze und Konzeptionen, Teamarbeit, Elternarbeit, Freispiel und Be-obachtung. Die Ergebnisse der Arbeitsgruppe flossen sowohl in das Ausbildungskon-zept der Kindergärtnerinnen als auch in die Weiterbildungen ein. Aufgrund der nicht zur Verfügung stehenden Literatur wurde eine Materialsammlung für die Arbeit im Kinder-garten zusammengestellt. Diese Materialsammlung wurde im Auftrag der Kirche ge-druckt und stand mit dem Vermerk: „Nur für den innerkirchlichen Dienstgebrauch“

allen katholischen Kindergärten zur Verfügung. Die Materialsammlung enthielt metho-dische und didaktische Anregungen (ebd.: 363; Hartmann/Rahner 1997: 95f.).