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5.1 Perspektiven der Kindergartenlehrpersonen

5.2.1 Erkenntnisse aus der videobasierten Unterrichtsbeobachtung

5.2.2.3 Sprachliche Förderung

Auf die Frage, wie die sprachliche Förderung in der Regel in ihrem Kindergarten erfolge, äusserten sich die zwanzig interviewten Kindergartenlehrpersonen zu den Formen der Sprachförderung, den verwendeten Lehrmitteln, den Methoden zur Erfassung des Sprachstands sowie zu Formen des Einbezugs der Eltern in die Sprachförderung. Nachfolgend werden die Aussagen zu diesen Themen dargelegt.

Formen der Sprachförderung

„Sprachliche Förderung ist ja auch Beziehungspflege, finde ich, dass ich mich mit dem Kind auseinander-setze vom ersten Moment an, wenn es kommt und mir ‚hallo‘ sagt. [...] Man begrüsst sich zuerst. […] Und sprachliche Förderung fliesst bei uns einfach tagtäglich in das Thema ein. Da kommen Verse hinzu, da kommen Lieder hinzu, da kommen Geschichten hinzu. Ich denke, das ist einfach Kindergartenalltag, dass wir da sprachlich sehr viel arbeiten. Aber eben auch die Plaudereien im Freispiel […]: ‚Wie geht es dir heu-te? Was hast du gestern gemacht? Was ist heute schon passiert, bevor du hier warst?‘ Das finde ich sehr wichtig“ (KGLP_11). Sprachförderung erfolgt gemäss der Mehrheit der Interviewten kontinuierlich, da sie eingebettet ist in den Kindergartenalltag. Dadurch ergeben sich unzählige Kommunikationsmöglichkeiten, sei dies bei der Begrüssung, im freien Spiel, beim Umsetzen von Handlungsanweisungen oder beim ge-meinsamen Erlernen von Kommunikationsregeln. Wie folgende Aussage exemplarisch zeigt, finden es ver-schiedene interviewte Kindergartenlehrpersonen wichtig, diese Gelegenheiten bewusst zu nutzen und ihnen viel Aufmerksamkeit zu schenken: „Ich glaube, Sprachförderung hat viel Platz oder braucht viel Raum und ist auch sehr wichtig. Und im Morgenerzählen, im Wochenenderzählen, einfach mutig zu sein, sich als sprechend und als zuhörend zu erfahren, Kommunikationsregeln zu verstehen und selber einzuhal-ten, das ist ja so elementar und täglich aktuell, also Sprachförderung ist sehr zentral. Der Umgang mit Sprache im Alltag wird intensiv gepflegt und ja, hat einen Riesenplatz“ (KGLP_19). Insgesamt gelingt Sprachförderung nach Ansicht der meisten Interviewten vor allem dann gut, „wenn irgendwie etwas Lust-volles dabei ist. […] Zum Beispiel, wenn ein grammatikalisches Element im Zentrum steht, wird das dann eingeübt mit Dialogen, Theater, kleinsten Theaterszenen. Über den Alltag; was dann eben so kommt […].

Diese Sachen werden dann auf der Lebenswelt der Kinder aufgebaut“ (KGLP_5).

In einigen Interviewaussagen kam zum Ausdruck, dass sich die Sprachförderung nicht immer einfach

ge-chen und daher grosse Schwierigkeiten haben, Anweisungen zu verstehen oder einer Geschichte zu fol-gen, fossilierte Sprachfehler – insbesondere bei Kindern, die Deutsch als Zweitsprache erwerben –, die fast nicht auszumerzen seien sowie Kinder, die immer wieder in ein Slang-Deutsch verfallen würden. Entspre-chend erachteten es mehrere der interviewten Kindergartenlehrpersonen als zentral, für die Sprachförde-rung zahlreiche Wiederholungs- und Übungsmöglichkeiten anzubieten. „Weil wir so viele DaZ-Kinder ha-ben, muss man viel halt auch immer wiederholen, wiederholen, wiederholen“ (KGLP_20). Weiter betonten verschiedene Interviewte, dass auch eine behutsame und dennoch stete Fehlerkorrektur wichtig sei. Eben-so stellten mehrere KindergartenlehrperEben-sonen den eigenen Umgang mit der Sprache in den Fokus. Eine Lehrperson äusserte sich exemplarisch wie folgt dazu: „Ich probiere, obwohl mir das nicht immer gelingt, immer wieder sorgfältig auf die Sprache zu achten. [...] dass dort die Aussprache wirklich auch richtig ist.

Dass, ja, die sprachlichen Inhalte auch verstanden werden. [...] und dadurch ist halt die Vorbildfunktion, sauber oder klar zu sprechen oder zu artikulieren glaube ich wichtig, sehr wichtig“ (KGLP_13).

In den Interviews zählten die Kindergartenlehrpersonen zahlreiche Formen der sprachlichen Förderung auf, die in ihrem Kindergarten zum Tragen kommen. Die nachfolgende Zusammenstellung gibt einen Überblick über die am häufigsten genannten Formen der Sprachförderung (vgl. Tabelle 20).

Tabelle 20: Häufig genannte Formen der Sprachförderung

Form Beschreibung

Reime, Verse und Sprüche

Das Erlernen und Aufsagen von Sprüchen, Versen und Reimen ist ein zentrales Element der Sprachförderung. Dabei können die Kinder teilweise auch selbst einfache Reime entwi-ckeln oder Verse und Worte rhythmisieren.

Lieder Lieder sind in den Kindergärten allgegenwärtig und werden auf verschiedene Weise zur Sprachförderung eingesetzt. Teilweise werden auch die Liedtexte sprachlich analysiert.

Geschichten erzählen

Das Erzählen von Bilderbüchern und Geschichten wird für die Sprachförderung als elemen-tar eingeschätzt. Dabei erhalten die Kinder regelmässig die Gelegenheit, Geschichten in diversen Formen nachzuerzählen oder auch nachzuspielen.

Erzählanlässe Als wichtige Form der Sprachförderung werden Erzählanlässe initiiert. Dabei werden die Kinder beispielsweise angeregt, über Alltags-, Wochenend- oder Ferienerlebnisse zu erzäh-len, Bilder zu beschreiben, mit Bildergeschichten zu arbeiten, sich im Klassenrat zu äussern, ein Lieblingsbuch oder einen Gegenstand zu präsentieren.

Sprachspiele Häufig werden spezifische Sprachspiele oder sonstige Spiele eingesetzt, um den sprachli-chen Austausch zu fördern, wobei die Möglichkeit, die Sprache spielerisch zu lernen oder üben zu können, als besonders wichtig respektive auch altersgerecht eingestuft wird.

Rollenspiele und Theater

Beliebte Methoden zur Sprachförderung sind Rollenspiele und Theater. Dabei werden Rol-lenspiele nicht immer angeleitet, sondern können von den Kindern im Kontext des freien Spiels auch eigenständig entwickelt werden.

Ergänzend zu den oben aufgeführten Massnahmen zur Sprachförderung, die im Rahmen der Interviews mehrheitlich von allen Kindergartenlehrpersonen genannt wurden, gab es Ausführungen zu weiteren For-men, die allerdings deutlich weniger häufig erwähnt wurden. Die nachfolgende Zusammenstellung gibt ei-nen Überblick über weitere Formen der Sprachförderung, die seltener genannt wurden (vgl. Tabelle 21).

Tabelle 21: Weniger häufig genannte Formen der Sprachförderung

Form Beschreibung

Zuhören und Nachsprechen

In verschiedenen Kindergärten besteht die Sprachförderung auch darin, dass die Kinder in diversen Settings genau hinhören müssen, so dass das phonologische Bewusstsein ge-schult werden kann. Die Kinder werden in diesem Zusammenhang beispielsweise aufge-fordert, Gehörtes nachzusprechen oder in Handlung umzusetzen.

Motorik und Sprache Einzelne Kindergartenlehrpersonen fördern die Sprache über rhythmisches Zeichnen oder Kneten von Begriffen, die mündlich erörtert werden sowie das Umsetzen von Sprache in Bewegungen oder das Klatschen von Silben und Wörtern.

Regelmässige Biblio-theksbesuche

Einige Kindergartenlehrpersonen erachteten den regelmässigen Bibliotheksbesuch als grundlegendes Element der Sprachförderung. Insbesondere streben sie an, dass Kinder den Zugang zu Büchern entdecken und lernen, sich mit diesen zu beschäftigen.

Standardsprache sprechen

Vor allem in Kindergärten mit einem hohen Anteil an DaZ-Kindern wird überwiegend die Standardsprache gesprochen. In den anderen Kindergärten wird bei bestimmten Gelegen-heiten (z. B. Lieder, Verse) oder zu bestimmten Zeiten (z. B. immer an einem bestimmten Nachmittag) die Standardsprache eingesetzt.

Weitere Formen der Sprachförderung

Vereinzelt werden Bilder, Anlautkarten, Bildkarten, Sprachförderkarten, Tafeln, Buchsta-bentabellen, Arbeitsblätter oder der Computer bzw. das iPad als Instrumente für die Sprachförderung eingesetzt.

Eingesetzte Lehrmittel

Drei Viertel der interviewten Kindergartenlehrpersonen gaben an, dass in ihrem Kindergarten – insbeson-dere im zweiten Kindergartenjahr – mindestens ein Sprachlehrmittel zum Einsatz kommt. Etwas mehr als die Hälfte der Interviewten berichtete davon, dass sie diese Sprachlehrmittel selber einsetzen. Die anderen sagten, dass die Lehrmittel in erster Linie von der DaZ-Lehrperson bzw. von der Logopädin verwendet werden. Beim Einsetzen der Lehrmittel greifen die Kindergartenlehrpersonen in der Regel auf bestimmte Kapitel, auf Sprachspiele oder ausgwählte Übungen zurück, die von ihnen teilweise auch adaptiert werden, wie folgendes Zitat exemplarisch verdeutlicht: „Ich nehme dann diese Übungen heraus, bei denen ich finde, dass sie sinnvoll sind. Ich versuche sie in den Unterricht einzubauen, passe sie aber oftmals an“ (KGLP_9).

Jene Kindergartenlehrpersonen, die angaben, keine Lehrmittel einzusetzen, begründeten dies vor allem damit, dass sie die bestehenden nicht als geeignet erachteten. Die nachfolgende Liste zeigt auf, welche Lehrmittel in den Interviews genannt wurden.

Lehrmittel, die zur Sprachförderung eingesetzt werden:

• Lezus – Von der Lauterfassung zur Schrift

• Hoppla

• Plauderhaus

• Wuppis Abenteuer-Reise

• Würzburger Trainingsprogramm

• Kasimir und Flora

• Mein Sprachschlüssel

• Sprachschatzkiste

Erfassung des Sprachstands

Beinahe ausnahmslos berichteten die interviewten Kindergartenlehrpersonen, dass der Sprachstand der Kinder erfasst werde. Mehrheitlich erfolgt dies durch die DaZ-Lehrperson mit dem Testinstrument „Sprach-gewandt“. Zudem erwähnten zahlreiche Kindergartenlehrpersonen die logopädischen Reihenuntersuchun-gen, die von der Logopädin durchgeführt werden. Parallel gab mehr als die Hälfte der Interviewten an, dass sie die Kinder regelmässig, und vor den Elterngesprächen teilweise verstärkt, beobachten würden. Die Be-obachtungen werden mehrheitlich mittels Notizen und vereinzelt mithilfe von (selbstentwickelten) Beobach-tungsbögen festgehalten. Eine interviewte Kindergartenlehrperson beschrieb dies exemplarisch wie folgt:

„Ja, ich habe einfach für mich einen Beobachtungsbogen, ob ein Kind auch reden will, ob es sich mitteilt, ob es bei Geschichten drauskommt, ob es jetzt zum Beispiel irgendwelche Erklärungen versteht, die ich gebe, und das dann auch ausführt, oder ob es schon einen gewissen Wortschatz hat“ (KGLP_1). Mehrere Kindergartenlehrpersonen teilten die Einschätzung, dass Beobachtungen im Kindergartenalltag ausreich-ten, um Auffälliges zu erkennen: „Wer vom Sprachverhalten auffällt, das weiss ich dann meist schon. Das sehe ich relativ gut“ (KGLP_7). Die Beobachtungen zum Sprachstand bilden laut Aussage der Befragten die Grundlage für den Austausch mit Fachlehrkräften: „Wir tauschen uns regelmässig aus und haben Sit-zungen. Sie schaut dann bestimmte Sachen wieder an oder ich sage einmal: ‚Du, könntest du nicht einmal ein Auge dort drauf werfen, mir ist das und das aufgefallen‘“ (KGLP_15). Wie folgende Aussage zeigt, kann dieser Austausch zudem entlastend wirken: „Also, wichtig ist, dass ich weiss, dass ich nicht alleine bin, dass die DaZ-Lehrperson da ist“ (KGLP_12).

Einbezug der Eltern bei der Sprachförderung

Der Einbezug der Eltern im Kontext der Sprachförderung erfolgt bei der Mehrheit der interviewten Kinder-gartenlehrpersonen in erster Linie durch Informationen am Elternabend, „ […] damit sie verstehen, was wir hier überhaupt machen. Das ist für viele ja dann auch neu“ (KGLP_10). Eine Kindergartenlehrperson be-schrieb es typischerweise wie folgt: „Wir unterstützen sie in dem Sinn, dass wir am Elternabend sehr klar auch inhaltlich arbeiten, den Eltern Beispiele zeigen in Form von Filmen, die wir von den Kindern machen.

Und dann klar sagen, um was es geht und was sie zu Hause auch anwenden können“ (KGLP_5). Beinahe alle interviewten Kindergartenpersonen schildern, dass sie den Eltern Hinweise geben würden, wie sie die sprachliche Entwicklung ihrer Kinder zu Hause fördern könnten.

Möglichkeiten zur Sprachförderung in der Familie:

• Den Kindern zu Hause Geschichten erzählen oder mit ihnen Bücher anschauen.

• Regelmässig gemeinsam mit den Kindern die Bibliothek besuchen.

• Zu Hause im alltäglichen Gespräch die Erstsprache der Kinder stärken.

• Die Eltern ermutigen, dass ihre Kinder soziale Kontakte mit Kindern mit guten Deutschkenntnissen ausbauen.

• Die Sprachkompetenz der älteren Geschwister nutzen.

• Bei guten Deutschkenntnissen zu Hause oft Deutsch mit den Kindern sprechen.

• Gemeinsam mit den Kindern mit Übungsmaterial arbeiten, kleine Aufgaben lösen oder Spiele ma-chen, welche die Logopädin oder die Kindergarten- bzw. die DaZ-Lehrperson den Kindern nach Hause mitgibt.

Mehrere Kindergartenlehrpersonen gaben an, dass Eltern in individuelle Gespräche sowie für spezifische Abklärungs- und Förderprozesse einbezogen werden, wie die nachfolgende Aussage verdeutlicht: „Sonst beziehen wir die Eltern in dem Sinne ein, dass wir, wenn Kinder Auffälligkeiten haben im logopädischen Bereich, dass wir dann dort zusammenarbeiten, die Eltern, die Logopädin und wir“ (KGLP_15). Demge-genüber sagte ein knappes Drittel, dass sie die Eltern nicht oder nur in geringem Masse in die sprachliche Förderung der Kinder einbezieht. Begründet wurde dies damit, dass ein Einbezug aufgrund der aktuellen Kindergartengruppe nicht zwingend notwendig sei.

Nicht immer empfinden die Kindergartenlehrpersonen den Einbezug der Eltern als einfach. Für verschiede-ne Interviewte ist er vor allem dann herausfordernd, wenn die Erstsprache der Eltern nicht Deutsch ist: „Ja, es ist noch schwierig, die Eltern einzubeziehen. Wir haben halt schon oft Eltern, die selbst eben auch nicht Deutsch können“ (KGLP_20). Ergänzend zu diesen Einschätzungen gaben zwei weitere Befragte an, dass die Eltern teilweise auch ihre Erstsprache nicht ausreichend beherrschten oder den Sinn der Sprachförde-rung zu wenig erkennen würden. Eine kleinere Gruppe von Kindergartenlehrpersonen betonte, dass sie Wert darauf lege, die Mehrsprachigkeit zu fördern. Dafür werden manchmal Eltern in den Unterricht einge-laden, damit diese beispielweise eine Geschichte in ihrer Erstsprache erzählen können.