• Keine Ergebnisse gefunden

Ausgewählte Aspekte der Kindergartenpädagogik

In den nachfolgenden Abschnitten wird in gegebener Kürze auf die Unterrichtsgestaltung im Kindergarten eingegangen. Dabei werden diejenigen Themen fokussiert, welche für die analytische Arbeit dieser Studie besonders relevant sind. Es werden drei Ebenen der Unterrichtsgestaltung dargestellt und im Zusammen-hang damit Aspekte zur Gestaltung der Spiel- und Lernumgebung, des freien Spiels sowie der Rhythmisie-rung und IndividualisieRhythmisie-rung erläutert.

2.3.1 Unterrichtsgestaltung im Kindergarten

Im Kontext des vorliegenden Forschungsauftrags ist für die Beschreibung der Unterrichtsgestaltung im Kin-dergarten das von Wannack, Arnaldi und Schütz (2011) erarbeitete pädagogisch-didaktische Konzept lei-tend (vgl. Abbildung 3).

Abbildung 3: Pädagogisch-didaktisches Konzept zur Unterrichtsgestaltung (Quelle: in Anlehnung an Wannack, Arnaldi & Schütz, 2011, S. 8)

Im Zentrum stehen die Unterrichtssequenzen, die zwei Grundformen umfassen. Es sind dies geführte und offene Sequenzen. Sie weisen beide Spezifika hinsichtlich der Spiel- und Lerninhalte sowie der Unterrichts- und der Sozialformen auf. Geführte Sequenzen werden meist von der Kindergartenlehrperson direkt gelei-tet, sei es über darbietende Formen wie das Erzählen, erarbeitende Formen wie ein Unterrichtsgespräch oder das Zuteilen von Aufgaben an Gruppen oder einzelne Kinder. Offene Sequenzen zeichnen sich dadurch aus, dass von den Kindergartenlehrpersonen ein vielfältiges Spiel- und Lernangebot arrangiert wird und die Kinder ihre Aktivitäten weitgehend selbst bestimmen können, etwa in Form des freien Spiels.

Unterrichtsgestaltung

Regeln Prozeduren

Raumgestaltung Classroom Management

Rituale

Unterstützen

Beobachten Spiel- und Lernbegleitung Analysieren

Geführte Sequenzen Offene Sequenzen Spiel-, Lerninhalte

Sozialformen Unterrichtsformen

• themengebunden • themengebunden

• themenungebunden

• Darbietende Formen

• Erarbeitende Formen

• Entwickelnde Formen

• Freies Spiel

• Tages-, Wochenplan

• Werkstattarbeit

• Klasse

• Gruppen

• Einzeln

• Einzeln

• Gruppen Unterrichtssequenzen

gartenlehrpersonen begleitet. Diesem Aspekt wird Rechnung getragen, indem nebst der Ebene der Unter-richtssequenzen jene der Spiel- und Lernbegleitung eingeführt wird. Die Gestaltung von Unterrichtsse-quenzen sowie die Spiel- und Lernbegleitung sind eng mit der dritten Ebene – dem Classroom Manage-ment – verbunden. Dadurch wird auf die Bedeutung von Raumgestaltung, Regeln, Ritualen und Proze-duren verwiesen, wobei Letztere einerseits wiederkehrende Abläufe, sogenannte Routinen, und anderer-seits Übergänge zwischen geführten und offenen Sequenzen beinhalten.

Ein zentraler Aspekt der Kindergarten-Didaktik ist die Gestaltung der Spiel- und Lernumgebung. In ihrer An-lage ist sie eine Kombination von Raumgestaltung und dem Arrangement vielfältiger Spiel- und Lernange-bote (Walden & Borrelbach, 2014). Ausgangspunkt dafür sind die baulichen Gegebenheiten: Ein umge-nutztes Wohnhaus mit Räumen auf mehreren Etagen bietet andere Voraussetzungen für die Unterrichtsge-staltung als ein Gebäude, das spezifisch als Kindergarten gebaut wurde. Im jeweiligen baulichen Rahmen wird der Raum einerseits durch mobile Einrichtungsgegenstände wie Tische, Stühle im Kreis, Trennwände und fest installierte Einrichtungsgegenstände wie Korpus, Schränke oder Gestelle vorstrukturiert. In diese Raumstruktur werden die Spiel- und Lernangebote eingepasst (Wannack & Herger, 2014), die sowohl in geführten als auch in offenen Sequenzen genutzt werden. Insofern trägt die Spiel- und Lernumgebung der Anforderung Rechnung, dass insbesondere im Zusammenhang mit der Individualisierung fliessend zwi-schen Unterrichtsformen gewechselt werden kann und Spiel- sowie Lernmaterialien in einem definierten Rahmen frei zugänglich sind. Eine von der Kindergartenlehrperson klar strukturierte Spiel- und Lernumge-bung trägt ebenfalls dazu bei, dass sich die Kinder räumlich orientieren und das Spiel- und Lernangebot selbstständig nutzen können (ebd.).

Einen wesentlichen Anteil an der Spiel- und Lernumgebung haben die Spiel- und Lernangebote im Rahmen des freien Spiels, das den Kern der Kindergartenpädagogik ausmacht. Als Orientierungspunkte für ein aus-gewogenes und Lernangebot haben Wannack, Arnaldi und Schütz (2011) vier Dimensionen – Spiel-inhalte, Spielformen, Spielmaterial und Sozialform – mit unterschiedlichen Kategorien herausgearbeitet, die in Abbildung 4 mit ihren jeweils spezifischen Ausprägungen dargestellt sind. Die Spiel- und Lernangebote werden räumlich als Funktionsbereiche, die möglichst eindeutig erkennbar sind, arrangiert, beispielsweise als Bewegungs- oder Bauecke.

Abbildung 4: Dimensionen zur Gestaltung der Spiel- und Lernumgebung (Quelle: in Anlehnung an Wannack, Arnaldi

& Schütz, 2011, S. 8)

Freies Spiel

Spielmittel

Spielzeug

Spielmaterial

Funktionsspiel

Konstruktionsspiel Symbolspiel

Rollenspiel Regelspiel

Spielformen Überfachliche Kompetenzen

Fachbereiche Spielinhalte

Einzeln

Partner

Gruppe Sozialformen

Raumstruktur

Raumgestaltung

Die Spielinhalte für das freie Spiel wählen die Kindergartenlehrpersonen in Anlehnung an die Lehrplanvor-gaben sowie an das aktuelle Unterrichtsthema aus. Damit wird sichergestellt, dass verschiedene Fachbe-reiche berücksichtigt werden. Je nach Spielinhalt bietet sich eine bestimmte Spielform an. So deckt bei-spielsweise ein Funktionsbereich zum Thema Familie die Spielform Rollenspiel ab. Gleichzeitig ist zu ent-scheiden, welches Spielmaterial zur Verfügung gestellt wird. Während Spielmittel wie Schaumgummiwürfel und Tücher, aber auch Sand oder Holzstecken viele kreative Freiräume ermöglichen, geben Spielzeuge wie beispielsweise ein Kochherd engere Spielmöglichkeiten vor. Für jedes Spiel- und Lernangebot muss die Kindergartenlehrperson entscheiden, in welcher Sozialform die Kinder davon Gebrauch machen kön-nen, auch in Abstimmung mit der Grösse des Funktionsbereiches. Befindet sich etwa ein Bewegungsange-bot in der Garderobe oder draussen, eignet es sich eher für eine Gruppe von Kindern, während z. B. für den Funktionsbereich Kleine Welt in der Form eines Puppenhauses oder Bauernhofs eher Zweiergruppen sinnvoll sind.

Im Zusammenhang mit der Raumstruktur ist im Sinne der Raumgestaltung zu überlegen, wie das Ensem-ble der verschiedenen Funktionsbereiche im Kindergartenraum – und allenfalls auch im Aussenraum – ar-rangiert wird. Wenn beispielsweise Konstruktionsmaterialien gleichzeitig mit Symbolspielen angeboten werden, können damit vielfältigere Spiel-, Lern- und Kooperationsmöglichkeiten geschaffen werden.

Gleichzeitig kann ein Sofa, das ohne Abgrenzung direkt neben einem Konstruktionsangebot steht, nicht in jedem Fall als ein Rückzugsort genutzt werden und ist möglicherweise ein Auslöser für Konflikte. Des Wei-teren gilt es bei der Raumgestaltung zu berücksichtigen, dass die Wege zwischen den Funktionsbereichen, dem Sitzkreis und weiterem Mobiliar so angelegt sind, dass sich die Kinder nicht gegenseitig stören, wenn sie z. B. zusätzliches Spielmaterial hervornehmen.

Berücksichtig werden muss auch, welchen Einfluss fix installierte bzw. mobile Angebote auf das Spielver-halten der Kinder haben können: Ein fix installierter, räumlich verorteter Funktionsbereich zum Konstrukti-onsspiel ermöglicht beispielsweise, dass fertig gestellte Bauten in der Bauecke stehen bleiben können.

Demgegenüber müssen Konstruktionen, die mit demselben Material in der Garderobe entstehen (weil es ein mobiles Angebot ist), nach dem Spiel wieder aufgeräumt werden. Damit wird ein anschliessendes, wei-terführendes Spiel zu einem späteren Zeitpunkt unterbunden und eine intensivere, längerfristige Auseinan-dersetzung mit bestimmten Materialien erschwert.

2.3.2 Rhythmisierung und Strukturierung des Kindergartenunterrichts

Ein Spezifikum der Unterrichtsgestaltung im Kindergarten ist die zeitliche Strukturierung, die nicht der Logik von Schullektionen folgt, sondern vielmehr den Vormittag und seine Rhythmisierung sowie die feingliedrige Strukturierung einzelner Sequenzen fokussiert. Die Rhythmisierung hat einen sinnvollen Wechsel zwischen Phasen von Anspannung und Entspannung, Konzentration und Ausgelassenheit, Ruhe und Bewegung zum Ziel (vgl. Petillon & Valtin, 1999). Sie trägt unter anderem dazu bei, dass die Konzentrationsspanne der Kindergartenkinder, die in diesem Alter typischerweise eher kurz ist (Booth & Siegler, 2006), erhalten bleibt.

Für die Rhythmisierung und die Strukturierung stehen den Kindergartenlehrpersonen verschiedene didak-tisch-methodische Möglichkeiten zur Verfügung. Zum einen können sie den Kindergartenvormittag durch die Abfolge verschiedener Sequenzen – etwa offener und geführter Sequenzen – gestalten. Zum anderen haben sie die Möglichkeit, die geführten Sequenzen über unterschiedliche Unterrichtsformen zu rhythmisie-ren, indem sie beispielsweise zwischen dem Erzählen einer Geschichte und dem Unterrichtsgespräch wechseln oder auch die Sozialformen ändern (Wannack & Herger, 2014), wenn etwa ein Gruppenauftrag gegeben wird, nachdem die ganze Klasse eine Geschichte gehört hat.

Bei der Gestaltung von Unterrichtsabläufen spielen der Einbezug von Ritualen und das Entwickeln von Routinen eine wichtige Rolle. Häufig werden sie durch akustische Signale wie ein Gong, ein Lied oder ähn-liches angekündigt und eingeleitet. Routinen helfen bei der Organisation von wiederkehrenden Abläufen, beispielsweise beim Aufräumen des Spiel- und Lernangebots oder dem Verteilen der Znüni-Täschlein. Das Znüni-Ritual stellt eine gemeinschaftliche Aktivität sowie einen zeitlichen Orientierungspunkt im Ablauf des Morgens dar. Rituale und Routinen erleichtern reibungslose Wechsel zwischen und innerhalb der

Sequen-zen und gewähren den Kindern nicht nur ein Gefühl der Sicherheit und Orientierung, sondern stärken gleichzeitig das Gemeinschaftsgefühl.

2.3.3 Individualisierung

Individualisierung ist eine didaktische Möglichkeit, mit der Heterogenität in Klassen umzugehen. Dabei wird die altersbedingte Heterogenität insbesondere in jahrgangsgemischten Kindergartenklassen offensichtlich.

Individualisierung bezieht sich jedoch nicht nur auf diese, sondern berücksichtigt ebenfalls Leistungs- und Kompetenzunterschiede, die Interessen, Spiel- und Lernpräferenzen von Kindern sowie ihren Sprachhin-tergrund und ihr Geschlecht. Im Rahmen des individualisierten Unterrichts wird deshalb das Ziel einer op-timalen Passung von individuellen Bedürfnissen beziehungsweise Lernvoraussetzungen mit dem Spiel- und Lernangebot angestrebt (Helmke, 2013). Die Kindergartenlehrpersonen berücksichtigen die beschrie-benen, unterschiedlichen Lernvoraussetzungen der Kinder insbesondere über die Gestaltung vielfältiger Spiel- und Lernangebote.

Unterricht, der individualisiertes Lernen ermöglicht, trägt den unterschiedlichen Lernvoraussetzungen und Lernwegen der Kinder Rechnung, indem vielfältige Spiel- und Lernangebote gemacht werden. Helmke (ebd.) unterscheidet zwischen lehrpersonen- und kindzentrierten Formen der Individualisierung. Bei Erste-ren richtet die Lehrperson ihErste-ren Unterricht nach den individuellen Lernvoraussetzungen der Kinder, wäh-rend bei Letzteren ein Spiel- und Lernangebot bereitgestellt wird, das möglichst allen Kindern Anschluss-möglichkeiten bietet.

Sowohl für die lehrpersonen- als auch für die kindzentrierten Formen der Individualisierung ist es von Be-deutung, dass die Kindergartenlehrpersonen die Lernvoraussetzungen respektive das Lernpotenzial der Kinder einschätzen können, um damit – gemäss dem Konzept von Vygotsky (1978) – das Lernen in der

„Zone der nächsten Entwicklung“ (S. 84) anzuregen. Damit wird der Differenz zwischen der Fähigkeit des Kindes, Aufgaben eigenständig zu lösen (aktueller Entwicklungsstand) bzw. Aufgaben mithilfe von Erwach-senen oder kompetenteren Gleichaltrigen zu lösen (potenzielle Entwicklung), entsprochen. Vygotsky (ebd.) verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutung des Spiels.

Nicht nur in offenen Sequenzen bzw. in der Spiel- und Lernbegleitung bietet sich den Kindergartenlehrper-sonen die Gelegenheit, die Lernvoraussetzungen der Kinder auszuloten, sondern auch in geführten Se-quenzen, beispielsweise in Unterrichts- und Klassengesprächen, die im Sitzkreis stattfinden. Hier können einzelne Äusserungen im Hinblick auf den individuellen Lernstand interpretiert werden. In Unterrichts- und Klassengesprächen hat die Kindergartenlehrperson die Möglichkeit, adaptiv auf die aktuelle Situation der Kindergruppe einzugehen, indem sie zum Beispiel einen bestimmten Bereich vertieft, wenn sie einen Klä-rungsbedarf feststellt. Auch wenn damit die Kinder im Klassenverband angesprochen sind, liegt der Ein-schätzung der Situation die Kenntnis über den Lernstand der einzelnen Kinder zugrunde.