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SPEZIELLE THEORETISCHE (VOR-)ÜBERLEUNGEN DER UNTERSU- UNTERSU-CHUNG

Die theoretischen Überlegungen dienten im quantitativen Forschungsstrang v. a. der Hypothesenbildung und im qualitativen Forschungsstrang als Vorwissen über den Unter-suchungsgegenstand. Sie bündeln unter anderem wichtige Aspekte der theoretischen Grundlagen und des Problemaufrisses der Untersuchung und bieten dadurch die Linse durch welche die Untersuchungsgruppe in der Datenanalyse betrachtet wurde. Im Folgen-den werFolgen-den die theoretischen Überlegungen mit Bezug zu Folgen-den Sozialisationsinstanzen (primär, sekundär, tertiär) und dem Subjekt vorgestellt.

6.1 Überlegungen zur Herkunftsfamilie/Herkunftsmilieu – primäre Sozialisationsinstanz Studien belegen, dass der Bildungsabschluss eines Kindes wesentlich mit dem Bildungs-stand der Eltern zusammenhängt (Autorengruppe Bildungsbericht 2008; 2010). Die Wahr-scheinlichkeit, dass ein Kind selbst einen hohen Bildungsabschluss erwirbt, steigt mit der Höhe des erreichten Bildungsabschlusses der Eltern. Dabei wird davon ausgegangen, dass die elterlichen Bildungserfahrungen an die Bildungserwartungen an ihre Kinder gekoppelt sind (Autorengruppe Bildungsbericht 2008, S. 211; Maaz, 2006). Demzufolge ist der Er-werb einer Hochschulreife stärker vom Bildungstand der Eltern abhängig als vom berufli-chen Status und Einkommen der Eltern (vgl. Autorengruppe Bildungsbereicht 2008, S.

211). In einigen Studien wird besonders auf den Bildungsstand des Vaters als bedeutenden Faktor für den Bildungsweg eines Kindes verwiesen (Isserstedt; u.a., 2007; 2010). Andere Studien kommen zu der umgekehrten Schlussfolgerung, dass der Bildungsstand der Mut-ter bedeutender für den Bildungsverlauf und den zukünftigen Bildungserwerb eines Kin-des ist als jener Kin-des Vaters, da dieser eher die Förderung und Entwicklung Kin-des KinKin-des be-günstigt (Goia, 2005, S. 101). Dabei wird vorausgesetzt, dass Mütter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und weniger berufstätig sind als Väter. Dies wird auch von einer Stu-die des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung unterstützt, in welcher zudem ein weiterer Bezug zu einem Migrationshintergrund und möglichen Bildungserfol-gen von Kindern dargestellt wird (Fertig, 2003). Der Bildungserfolg von Kindern ist die-ser Studie zufolge insbesondere auf einen hohen Bildungsstand der Mütter zurückzufüh-ren. Ein Migrationshintergrund stellt sich durch ein höheres Bildungsniveau der Eltern - insbesondere von Müttern - weniger als Hindernis dar, als bei Eltern mit Migrationshin-tergrund und einem geringeren Bildungsstand.Mit dem Blick auf die Mütter wird dem-nach davon ausgegangen, dass Mütter mit einem höheren Bildungsstand mehr Zeit mit der Erziehung der Kinder verbringen und diese gezielter fördern. So bestätigt auch Goia (2005) in ihrer Untersuchung, dass Kinder stärker in Freundschaftsnetzwerken integriert sind und dadurch wichtige Sozialkompetenzen für ihren Bildungsweg erwerben je höher der Bildungsstand der Mutter ist (Goia, 2005, S. 102, 119). Folglich fördert ein höherer Bildungsstand der Mutter mehr Möglichkeiten für Kinder, sich mit unterschiedlichen

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litäten auseinanderzusetzen und sich dadurch weiterzuentwickeln. So verweist auch Choi (2009) darauf, dass die bisherigen Rückschlüsse auf väterliche Berufs- und Bildungserfah-rungen unzureichend sind, um den Bildungserfolg von Kinder und Jugendlichen zu unter-suchen (Choi, 2009, S.87). Sie betont dabei, dass außerberufliche Erfahrungen beider El-ternteile und somit die sozialen Netzwerke mehr Berücksichtigung finden müssen als bis-her. Mit dieser Sichtweise wird nur indirekt dem Bildungsstand der einzelnen Elternteile eine Bedeutung für das Erreichen eines höheren Bildungswegs übertragen. Viel bedeuten-der erweist sich bedeuten-der Zugang zu anbedeuten-deren Netzwerken und folglich weiteren Sozialisations-instanzen, die auf die Entwicklung des Kindes wirken können. Es kann daher davon aus-gegangen werden, dass ein stark und gut ausgeprägtes soziales Netzwerk der Herkunfts-familie, eine bedeutendere Rolle als der Bildungsstand der Eltern für das Beschreiten eines erfolgreichen Bildungsweges der Untersuchungsgruppe hat bzw. für die Untersuchungs-gruppe hatte.

Der Bildungsstand von Geschwistern kann als Schutzfaktor im Sinne der Resilienz-modelle fungieren. Die sozialisatorische Bedeutung von Geschwistern in Bildungsprozes-sen und so für Bildungswege ist sehr wichtig (Grundmann, 1992). In der Untersuchung wurde daher angenommen, dass Geschwister durch ihren Bildungsstand den Risikofaktor

‚niedriger Bildungsstand der Eltern’ ausgleichen können und folglich eine kompensatori-sche Wirkung auf die Bildungsprozesse ihrer Geschwister haben (Maier, 2005, S. 34). Der Bildungsstand von Geschwistern wurde somit als bedeutenderer Faktor für das Beschrei-ten der erfolgreichen Bildungswege als jener der Eltern betrachtet. Dabei wurde besonders davon ausgegangen, dass ältere Geschwister die Rolle eines Schutzfaktors übernehmen, da sie als Vorbilder fungieren können, wenn sie bereits fortgeschrittener auf ihren Bildungs-wegen waren oder bereits selbst einen erfolgreichen Bildungsweg gegangen sind. Dement-sprechend wurde auch davon ausgegangen, dass ältere Geschwister Bildungsmöglichkei-ten besser erkannBildungsmöglichkei-ten und ihre jüngeren Geschwister dabei unterstützBildungsmöglichkei-ten, bestimmte ‚Feh-ler’ selbst nicht zu begehen. Nach Grundmann kommen besonders jüngere Geschwister in den Genuss dieses erfolgreichen Sozialisationseffekts (Grundmann, 1992).

Weitere Studien betonen, dass der berufliche Status der Eltern sowie die sozioökono-mische Lage einer Familie entscheidende Faktoren für das Beschreiten eines erfolgreichen Bildungsweges darstellen (Grundmann; u.a., 2006; Grundmann, 2006; Vester, 2006.;

Wustmann, 2004, 2009; Prenzel; u.a., 2004; Cortina; u.a., 2005; Raiser, 2007; Hradil, 2001). Eine Vollbeschäftigung beider Elternteile kann beispielsweise zu einem Zeitman-gel in der Kinderbetreuung führen, welcher sich direkt auf die Bildung ihrer Kinder aus-wirken kann (Köller, 2004, S. 168). Schließlich ist es nicht immer allen Eltern möglich im Zuge ihrer Berufstätigkeit und dem daraus resultierenden Zeitbudgets, ihren Kindern bei den Hausaufgaben zu helfen bzw. sie direkt nach der Schule zu betreuen. Die in Deutsch-land immer noch mehrheitlich etablierte Halbtagsschule erweist sich dabei als besonders

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unvorteilhaft, da sie auf eine Lern- und Hausaufgabenbetreuung am Nachmittag durch die Eltern setzt (Raiser, 2007, S. 135; Mannitz, 2002).

Das Halbtagsschulmodell fordert allerdings nicht nur einen zeitlichen Betreuungsauf-wand durch die Eltern, sondern setzt zugleich eine ausreichende Bildungsqualifikation der Betreuenden voraus. Dies bedeutet, dass Eltern nicht nur gefordert sind, ihre Kinder zu betreuen, sondern sie sind v. a. gefordert, eine bildungsspezifische Begleitung zum schuli-schen Bildungsauftrag zu stellen und ihre Kinder bei allen schulischuli-schen Fragen zu unter-stützen. Für Eltern aus bildungsfernen Arbeitermilieus erweist sich dies als außerordent-lich problematisch, da sie nur ein geringes Bildungsniveau vorweisen können. So sind sie durch ihr Bildungsniveau selbst oft nicht in der Lage, ihren Kindern die nötige bildungs-spezifische Begleitung zu geben, die von ihnen gefordert wird und müssen daher auf ande-re Lösungsmöglichkeiten zur Betande-reuung und Unterstützung ihande-rer Kinder zurückgande-reifen.

Diese Lösungsmöglichkeiten sind meist mit Kosten verbunden. Ein höheres Einkommen trotz einer bestehenden Bildungsferne der Herkunftsfamilie ermöglicht hier eine Gewähr-leistung elterlicher Betreuung und Unterstützung von Kindern auf ihren Bildungsweg (Raiser, 2007; S. 79; Hradil, 2001). So lassen sich durch ein höheres Einkommen bei-spielsweise Bildung unterstützende Maßnahmen durch Kinder wahrnehmen (z.B. private Nachhilfe), die von zuhause aus nicht zur Verfügung stehen.

Auf diese unterstützenden Maßnahmen können nicht alle Kinder und Jugendliche aus Arbeitermilieus zurückgreifen, da nicht allen Arbeiterfamilien angesichts ihrer finanziel-len Haushaltslage und somit ihres ökonomischen Kapitals die nötigen finanzielfinanziel-len Mittel zur Verfügung stehen (Bourdieu, 1983). Speziell Kinder und Jugendliche aus erwerbslo-sen Familien und Familien mit geringem Einkommen sind davon betroffen. Ein ergänzen-der Nachhilfeunterricht außerhalb des schulischen Rahmens erweist sich daher als Hürde auf den erfolgreichen Bildungswegen von Kindern und Jugendlichen bildungsferner und zugleich finanzschwacher Arbeiterfamilien. Die Möglichkeit der Nutzung privater Nach-hilfe kann als verstärkender Mechanismus der sozialen Benachteiligung und einem Out-sourcing jener, die sich keine zusätzliche schulische Unterstützung leisten können, gewer-tet werden. Der Zugang zu einer privaten Nachhilfe kann zudem als unterstützender Fak-tor für eine erfolgreiche ‚Kanalisierung’ von Bildungswegen und begünstigender FakFak-tor eines erfolgreichen Bildungsweges gewertet werden. Schließlich können Eltern mit einem größeren finanziellen Spielraum ihren Kindern durch professionelle Nachhilfe nicht nur bei ihren Hausaufgaben und schulbezogenen Anforderungen unterstützen, sondern auch eine Verbesserung des Notendurchschnitts ihrer Kinder für einen Zugang zum Gymnasi-um begünstigen. Gleichzeitig besitzen sie bei noch bestehenden Leistungsmängeln ihrer Kinder im Übergang von der Grundschule auf die Sekundarschulen und somit auf ein Gymnasium ein finanzstarkes Argument, dass schulische Leistungsbesserungen mithilfe von privater Nachhilfe unterstützen kann und so schwächere Leistungen im Übergang als weniger bedeutend für eine Zuweisungsentscheidung relativiert. Kindern aus

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schwachen und zudem bildungsfernen Haushalten fehlt dieses Argument. Sie müssen stattdessen entsprechende oder auch höhere Leistungen bringen, um eine Gymnasialemp-fehlung zu bekommen (Frohwieser; u.a., 2009; Ditton, 2007). Bei ihnen besteht schließ-lich eine geringere Gewährleistung schulischer Verbesserung durch Hilfestellungen aus dem Elternhaus bzw. privater Nachhilfe. Kinder aus solchen Arbeiterfamilien werden so oft trotz guter Leistungen daher aufgrund basisfehlender Unterstützungsleistungen und spekulierten zukünftigen Leistungseinbrüchen bevorzugt auf Realschulen oder Hauptschu-len empfohHauptschu-len, um dadurch bevorstehende Leistungsansprüche der SchuHauptschu-len auch einfor-dern zu können, ohne selbst weitere Hilfestellungen anbieten zu müssen (Solga; u.a., 2009). Provokativ kann gesagt werden, dass besonders Kinder aus finanzschwachen Haushalten weniger die Möglichkeit haben, sich eine Eintrittskarte ins Gymnasium zu kaufen, die Maut für einen erfolgreichen Bildungskanal aufzubringen! Die mögliche Nut-zung privater Nachhilfe unterstützt somit nicht nur die bewusste Trennung von leistungs-starken Kindern und leistungsschwächeren Kindern, sondern auch jene von Kindern aus finanzstärkeren und finanzschwachen (Arbeiter-) Haushalten.

Doch nicht nur direkte Unterstützungshilfen wie die private Nachhilfe zur Förderung und Begünstigung eines erfolgreichen Bildungsweges sind von der finanziellen Haushalts-lage des Elternhauses abhängig, sondern auch indirekte Hilfestellungen, die sich auf die informelle Bildung beziehen und dadurch Möglichkeitsräume zur weiteren Ausprägung von Handlungskompetenzen bieten. Nach Strehmel stehen Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen und finanzschwachen Haushalten weniger Lerngegenstände wie beispiels-weise Computer und Bücher zur Verfügung als Bessergestellten und/ oder Kindern und Jugendlichen aus höheren Bildungsmilieus (Strehmel, 2005, S. 230). Demnach haben sie weniger Zugang zu den heute gängigen und oft auch durch die Schulen als selbstverständ-lich angenommen Medien. Dies beeinträchtigt ihre Bildungschancen zusätzselbstverständ-lich. Darüber hinaus entfällt für diese Kinder und Jugendlichen oft auch die Teilnahme an kulturellen Ereignissen und Leben wie Theaterbesuche, Musikunterricht, etc. meist ganz (Becker;

u.a., 1999, S. 63). Dies bedeutet auch, dass ihnen weniger ein Zugang zu unterschiedli-chen sozialen Gruppen geboten wird. Ihnen stehen demnach auch weniger Möglichkeiten zur Verfügung soziales Kapital anzuhäufen. Dieser Umstand kann sich auf die Entwick-lung ihrer Sozialkompetenzen sowie kognitiven Leistungsfähigkeiten auswirken und sich in diesem Sinne negativ auf ihren Bildungsweg auswirken (Strehmel, 2005, S. 221). Der Zugang zu Aktivitäten mit Gleichaltrigen fördert schließlich die Entwicklung sozialer Handlungskompetenzen, in dem er ihnen einen weiteren Einblick ins gesellschaftliche Zusammenleben und Erfahrungshorizonte außerhalb der Herkunftsfamilie bietet. Dement-sprechend wurde ein Zusammenhang zwischen ökonomischen Kapital und der Anreiche-rung sozialen Kapitals, welches von großer Bedeutung für einen erfolgreichen Bildungs-weg ist, angenommen (Bourdieu, 1983; Anger, u.a. 2007, S. 4). Ein Mangel an finanziel-lem und somit ökonomischem Kapital kann als maßgebender Risikofaktor eines

erfolgrei-6. SPEZIELLE THEORETISCHE (VOR-)ÜBERLEUNGEN DER UNTERSUCHUNG

chen Bildungsweges angesehen werden (Bourdieu, 1983). Auch in dieser hier vorgelegten Untersuchung galt somit: Je mehr ökonomisches Kapital vorhanden ist, desto mehr Bil-dung und BilBil-dungsmöglichkeiten stehen theoretisch zur Verfügung – desto wahrscheinli-cher war das Beschreiten eines höheren Bildungsweges. Die finanzielle Lage der Her-kunftsfamilie stellte sich als ein fundamentales Ausgangskriterium für das Beschreiten eines höheren Bildungsweges dar. In der Untersuchung wurde der Aspekt der finanziell geförderten außerschulischen Bildung und Unterstützungsmöglichkeiten durch die Eltern berücksichtigt und auf ihren Zusammenhang zu den erfolgreich verlaufenen Bildungswe-gen hin untersucht.

In früheren Studien konnte die Bedeutung der familiären finanziellen Lage v. a. über den Bezug zu Bildungsentscheidungen anhand einer auf Kosten- und Nutzenrechnung basierende Werterwatungstheorie nachgewiesen werden (nach Esser, 1999 In Maaz, 2006, S. 52, 66; Boudon 1974). Diese besagt, dass besonders individuelle Bildungsentscheidun-gen nach dem Kosten-, Nutzenprinzip in Kombination mit Erfolgsaussichten bestimmt werden. Individuen entscheiden und handeln in diesem Sinne nach dem ihnen größten angebotenen, objektiven Nutzen (nach Esser 1999 In Maaz, 2006, S. 68). Durch geringe finanzielle Mittel ergibt sich so für Arbeiterfamilien nur ein geringer Anreiz für eine höhe-re Investition in Bildung, da ihnen neben dem ökonomischen Kapital zudem Erfahrungs-werte bezüglich der Erfolgsaussichten für solch eine Investition fehlen. Der Einsatz von höheren Finanzmitteln wie auch Zeit, als Bildungsinvestitionen zur Steigerung eines ‚un-bekannten Nutzens’, wirken teilweise unsinnig und zu abstrakt. Bildungserfolge wirken eher fragwürdig, da sie bislang nur wenig oder gar kaum den Erfahrungswerten entspre-chen (Autorengruppe Bildungsbericht, 2008, S. 211; Heimbach-Steins; u.a., 2003, S. 110).

Höhere Bildungsinvestitionen werden daher als Risiko behaftet empfunden, so dass Bil-dungsentscheidungen für höhere Bildungswege mit Vorsicht getroffen werden. Insbeson-dere bildungsferne Eltern neigen daher dazu, ihre Kinder weniger zu höheren Bildungs-wegen zu ermutigen und sie zu fördern (Köller, 2004, S. 199). Lösungsmöglichkeiten ge-gen eine solch geringe Risikobereitschaft bietet neben höheren Finanzmöglichkeiten und Bildungszugängen, eine Steigerung von Erfahrungswerten. Diese können Selbsterfahrun-gen sein oder durch andere, in Form von FremderfahrunSelbsterfahrun-gen vermittelt werden. Erfah-rungswerte können daher auch mit Informationen gleichgesetzt werden.

Die Steigerung von bildungsspezifischen (Fremd-) Erfahrungen kann sich demnach positiv auf die Entwicklung von Bildungsaspirationen und somit das Interesse für Bildung auswirken. Die Bildungsaspirationen sind Ausgangspunkt von Bildungsentscheidungen (Maaz, 2006; Heimbach-Steins; u.a., 2003; Boudon, 1974). Dies bedeutet, dass sich das Interesse für Bildung durch den Anreiz von Informationen ergibt. Ein neuer Reiz, weitere Informationen und Erfahrungen können Bedürfnisse und Interessen wecken. Je mehr In-formationen über höhere Bildungsmöglichkeiten und daraus resultierende Anschlussmög-lichkeiten bestehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, einen höheren Bildungsweg

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einzuschlagen. Bildungsentscheidungen für einen höheren Bildungsweg verlieren an risi-kohaftem Charakter. Fehlerhafte oder ungenügende Informationen hingegen können sich negativ auf Bildungsentscheidungen auswirken. Für gewöhnlich bilden die Basis für feh-lerhafte oder ungenügende Ausgangswerte die soziale Distanz zu höheren Bildungswegen und somit fehlende Erfahrungswerte wie auch eine gewisse Unwissenheit über tatsächli-che Finanzierungsmöglichkeiten höherer Bildungswege (Maaz, 2006, S. 188).

Bezogen auf die elterlichen Bildungsaspirationen ergeben sich durch ein größeres In-formationswissen über Bildungsmöglichkeiten und mögliche Bildungswege ein stärkeres Interesse an den Bildungswegen ihrer Kinder. Dieses stärkere Interesse resultiert in elterli-chen Bildungsentscheidungen über die Bildungswege ihrer Kinder. Sie entscheiden sich trotz mangelnder Selbsterfahrung eher für höhere Bildungswege und streben eher nach solchen für ihre Kinder. So ist es wichtig, dass besonders Eltern bildungsferner Milieus über die Möglichkeiten höherer Bildungswege umfassend aufgeklärt werden. Eine Aufklä-rung über Bildungsalternativen über den eigenen ErfahAufklä-rungsschatz hinaus kann die durch Eltern übertragenen Handlungsperspektiven und -alternativen von Kinder erhöhen (Hei-denreich, 2009, S. 29). Dementsprechend erweist sich besonders der Zugang zu Informati-onen über höhere Bildungswege bzw. die Aufklärung und Bereitstellung von Fremderfah-rungen über höhere Bildungswege als wichtiger Faktor für das Beschreiten erfolgreicher Bildungswege von Kindern und Jugendlichen bildungsferner Arbeitermilieus. Ein starkes Bildungsinteresse von Eltern kann zu einer höheren Unterstützungsleistung durch Eltern führen und Bildungsentscheidungen für einen höheren Bildungsweg auch bei bildungsfer-nen Gruppen begünstigen (Heidenreich, 2009, S. 29). In der Untersuchung wurde daher angenommen, dass die erfolgreichen Bildungswege junger Erwachsener aus bildungsfer-nen Arbeitermilieus weniger im Zusammenhang mit dem Bildungsniveau ihrer Eltern ste-hen als im Zusammenhang mit bildungsspezifiscste-hen Erfahrungswerten und so v. a. mit Fremderfahrungen außerhalb ihrer Herkunftsfamilie.

Mit Blick auf einen so genannten Immigrant Optimism ging die Untersuchung zudem davon aus, dass die Bildungsaspirationen von Eltern während der Schulzeit eingewander-ter Befrageingewander-ter höher ist als jener, die in Deutschland aufgewachsen und sozialisiert wurden (Menke, 2011). Den Eltern eingewanderter Befragter wurde dabei trotz geringem Informa-tionswissens über das deutsche Schul- und Bildungssystem, eine positiveren Betrachtung dessen und der Möglichkeiten für ihre Kinder unterstellt. Es wurde davon ausgegangen, dass sie diese vergleichweise weniger in ihrem Herkunftsland hatten. Gleichzeitig ging die Untersuchung davon aus, dass das Interesse der Eltern an der Schulbildung ihrer Kinder bei Migranteneltern mit einer längeren Aufenthaltsdauer in Deutschland schwächer ist als von eingewanderten Eltern.

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6.2 Überlegungen zu äußeren Milieus – sekundäre und tertiäre Sozialisationsinstanzen Die institutionellen Bildungseinrichtungen zählen zu den sekundären Sozialisationsinstan-zen. Dem Kindergartenbesuch wird eine erste sprachliche und sozialisatorische Allge-meinerziehung zugeschrieben, welche positiv auf die in der Schule folgenden Lernanfor-derungen wirken können und auf diesem Wege einen erfolgreichen Bildungsweg begüns-tigen können (Hurrelmann, 2006, S. 197). Der Zusammenhang der sprachlichen Erziehung durch Kindergärten und Leistungserfolgen ist v. a. für Kinder aus Migrantenfamilien er-kennbar (Solga; u.a., 2009). Nichtsdestotrotz profitieren auch Kinder aus bildungsfernen Herkunftsmilieus ohne Migrationshintergrund von der sprachlichen Förderung eines Kin-dergartenbesuchs. Schließlich wird auch ihnen ein mangelnder Wortschatz attestiert (Hol-ler-Zittlau, u.a., 2009). Migrantenkindern ermöglicht der Kindergartenbesuch insbesonde-re die Chance zum Erwerb der deutschen Sprache. Dies ist wichtig, da viele Kinder mit Migrationshintergrund im familiären Kontext zunächst nur die Herkunftssprache ihrer Eltern erlernen und aufgrund defizitärer Deutschsprachkenntnisse der Eltern auch nur er-lernen können. Sie sind daher darauf angewiesen, außerhalb des familiären Umfeldes die Möglichkeit zu erhalten, die deutsche Sprache zu erlernen. Besuchen diese Kinder daher einen Kindergarten, können ihre sprachlichen Fähigkeiten vor Schuleintritt fundiert und verbessert werden. Werden diese Kinder ohne einen Kindergartenbesuch eingeschult, be-steht oft das Problem, dass die Kinder in der Schule in den ersten Grundschuljahren kaum dem Unterricht folgen können, da sie zunächst Deutsch lernen müssen, bzw. ihr deutscher Wortschatz zu gering für einen Schulbesuch ist. Die Leistungen dieser Kinder sind daher oftmals zunächst auffallend schwach, so dass sie im Zuge der frühen schulischen Selekti-on eine Zuweisung in einen verkürzten Bildungskanal zu folgen droht (Solga; u.a., 2009).

Einem Kindergartenbesuch wird in diesem Sinne die Hoffnung entgegen getragen, die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes weiter auszubauen und diese für einen erfolgrei-chen Schulbesuch zu festigen. Zusätzlich trägt der Kindergartenbesuch die Hoffnung, Kinder in ihrem Sozialverhalten auf den Sozialisationsraum Schule vorzubereiten (Hur-relmann, 2006, S. 197). Ein Kindergartenbesuch kann als Empowerment, als Hilfestellung zur Ausprägung subjektbezogener Handlungs- und Bewältigungsfähigkeit betrachtet wer-den. Theoretisch betrachtet besteht somit ein positiver Zusammenhang zwischen einem Kindergartenbesuch und den schulischen Bildungsergebnissen von Kindern (Anger, u.a., 2007, S. 4). Es kann angenommen werden, dass die erfolgreichen Bildungswege in Ab-hängigkeit eines Kindergartenbesuchs stehen. In der Untersuchung wurde daher das Da-tenmaterial auf Zusammenhänge und Zusammenhangserklärungen bezüglich eines Kin-dergartenbesuchs und der erfolgreich verlaufenden Bildungswege untersucht. Innerhalb des Survey wurde der Zusammenhang zwischen den erfolgreichen Bildungswegen und einem Kindergartenbesuch überprüft. Innerhalb des Samples wurden qualitative Zusam-menhangserklärungen zwischen einem Kindergartenbesuch und einem erfolgreichen Bil-dungsweg zu erkennen versucht.

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In der Einführung in die Untersuchungsthematik wurde auf die Ablenkungsthese von Müller und Pollak (2004, 2007) verwiesen. Diese geht von einem starken Zusammenhang von Bildungswegen und Herkunftsmilieus aus, welcher sich durch eine schulische Kanali-sierung bestimmter Milieus in bestimmte Bildungswege äußert. Die Zuweisung auf eine bestimmte Schulform ist ein entscheidender Knackpunkt für den Verlauf eines erfolgrei-chen Bildungswegs. Dies bedeutet, dass Arbeiterkinder an höheren Schulformen, wie dem Gymnasium, höhere Kompetenzwerte erreichen können, als sie es auf unteren Schulfor-men tatsächlich erreichen (Brüsemeister, 2008, S. 83; AllSchulfor-mendinger; u.a., 2004, S. 205ff.).

Andere Studien wiederum verweisen darauf, dass nicht die Schulform ausschlaggebender Faktor für die Kompetenzentwicklung ist, sondern ein bestimmtes Lernmilieu. So lassen sich auch enorme Unterschiede in den Lernmilieus und daraufhin im Kompetenzerwerb von Schülern gleicher Schulformen wiederfinden. Die Differenz zwischen den schulischen Kompetenzen von Schülern gleicher Schulform kommen sogar stärker zum Ausdruck als zwischen den Schulformen (Opp; u.a., 2008, S. 229). Dementsprechend wird von einem Zusammenhang zwischen dem Lernmilieu einer Schule und den erfolgreichen Bildungs-wegen ausgegangen. Es stellte sich die Frage, welche Faktoren trotz potentiell negativ wirkender Lernmilieus dazu geführt haben, dass junge Erwachsene bildungsferner Arbei-termilieus einen erfolgreichen Bildungsweg eingeschlagen haben. Davon ausgehend wur-de vermutet, dass das Lernklima einer Schule als fördernder Faktor einen Zusammenhang zu den erfolgreichen Bildungswegen stellt. Das Lernklima wird dabei speziell unter den

Andere Studien wiederum verweisen darauf, dass nicht die Schulform ausschlaggebender Faktor für die Kompetenzentwicklung ist, sondern ein bestimmtes Lernmilieu. So lassen sich auch enorme Unterschiede in den Lernmilieus und daraufhin im Kompetenzerwerb von Schülern gleicher Schulformen wiederfinden. Die Differenz zwischen den schulischen Kompetenzen von Schülern gleicher Schulform kommen sogar stärker zum Ausdruck als zwischen den Schulformen (Opp; u.a., 2008, S. 229). Dementsprechend wird von einem Zusammenhang zwischen dem Lernmilieu einer Schule und den erfolgreichen Bildungs-wegen ausgegangen. Es stellte sich die Frage, welche Faktoren trotz potentiell negativ wirkender Lernmilieus dazu geführt haben, dass junge Erwachsene bildungsferner Arbei-termilieus einen erfolgreichen Bildungsweg eingeschlagen haben. Davon ausgehend wur-de vermutet, dass das Lernklima einer Schule als fördernder Faktor einen Zusammenhang zu den erfolgreichen Bildungswegen stellt. Das Lernklima wird dabei speziell unter den