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1.1 Was sind erfolgreiche Bildungswege?

In der vorliegenden Untersuchung wurde der Erwerb einer Hochschulzugangsberechti-gung als Maß für einen erfolgreichen Bildungsweg festgelegt. Dabei wurden neben dem Allgemeinen Abitur, welches über den direkten Weg durch den Besuch eines Gymnasi-ums in Anschluss an die Grundschule bzw. Orientierungsstufen der 5. und 6. Klasse er-worben wurde, weitere erfolgreiche Bildungswege, die zu einem gleichwertigen Bildungs-abschluss führen und zum Studium berechtigen, in den Blick genommen (indirekt erfolg-reiche Bildungswege).

Abb. 1

Indirekt erfolgreiche Bildungsumwege sind für die zu untersuchende Gruppe junger Er-wachsener häufiger als direkt verlaufende Bildungswege, die zum Abitur führen (Choi, 2009). Das Studium, wie auch ein Studienabschluss wurden als höchstes Maß eines er-folgreich beschrittenen Bildungswegs betrachtet. Die Untersuchung richtete so zum einen ihren Blick auf direkt erfolgreich verlaufende Bildungswege, die von der Grundschule über ein Gymnasium - dem so genannten ‚Königsweg’ - zum Allgemeinen Abitur und einem Studium führten (Frohwieser; u.a., 2009, S. 69; Teichler, u.a., 2004, S. 66). Zum anderen wurden unterschiedliche Bildungswege in den Blick genommen, die teilweise durch (langjährige) Unterbrechungen oder Schulwechsel zu einer Studienberechtigung und zum Übergang in ein Studium führten. Zu diesen zählen Bildungsverläufe des ‚Zwei-ten Bildungsweges’ (Frohwieser; u.a., 2009, S. 16, 97), die den Erwerb eines Allgemeinen oder fachgebundenen Abiturs über ein Abendgymnasium oder Kolleg berücksichtigen,

erfolgreiche Bildungswege

direkter Bildungsweg

Indirekter Bildungsumweg

1. ERFOLGREICHE BILDUNGSWEGE

wie auch jene, die über ein berufliches Gymnasium den Erwerb eines Abiturs ermöglicht haben. Darüber hinaus wurden auch Bildungsverläufe des ‚Dritten Bildungsweges’ be-rücksichtigt. Das Studieren ohne Abitur, welches durch die Anrechnung einer Ausbildung und Berufserfahrung, wie auch über ein Zulassungsverfahren zu einer Hochschulzugangs-berechtigung führt (Frohwieser; u.a., 2009, S. 16, 98; Teichler, u.a., 2004). Diese Form der Studienberechtigung kann als nicht-schulische Form des Zugangs bezeichnet werden.

1.2 Die unterschiedlichen Zugangswege zur Hochschulzugangsberechtigung

Die unterschiedlichen Zugangswege zur Hochschulzugangsberechtigungen unterscheiden sich nicht nur in der Art des Zugangs zu einem Studium, sondern in ihrer Möglichkeit der Studienaufnahme an einer Universität oder einer Fachhochschule; das heißt in ihrer unter-schiedlichen Anerkennung der Studienberechtigung. So besteht ein Unterschied zwischen einem Allgemeinen und einem fachgebundenen Abitur. Ein fachgebundenes Abitur be-rechtigt für gewöhnlich nur in Ausnahmefällen für ein Studium an einer Universität. Das Allgemeine Abitur hingegen berechtigt in Abhängigkeit von extern bestehenden weiteren Zugangsbeschränkungen (z.B. Numerus Clausus) zu einer Studienaufnahme auf Universi-täten und Fachhochschulen. Der konkretere Unterschied der beiden Abiturabschlüsse be-steht im Grunde in der Anerkennung einer zweiten Fremdsprache. Diese Anerkennung erfolgt entweder durch den schulischen Erwerb einer zweiten Fremdsprache (mindestens 2 Jahre) neben der ersten Fremdsprache, die auf allen Schulformen angeboten wird, oder einer Fremdsprachenprüfung, beispielsweise bei Migranten durch die Anerkennung der Muttersprache als Fremdsprache im Rahmen einer Prüfung. Es ist anzumerken, dass nicht auf allen weiterführenden Schulen der Sekundarstufe II, die zu einer Hochschulzugangs-berechtigung führen, die Möglichkeit des Erwerbs einer zweiten Fremdsprache angeboten wird. Demnach besteht eine wichtige Besonderheit der Zugangswege auch in ihren struk-turellen Begebenheiten und somit in ihrem Angebot einer weiteren Fremdsprache.

Die strukturellen Begebenheiten der unterschiedlichen Bildungswege in Deutschland sind historisch betrachtet der Ausgangspunkt unterschiedlicher Hochschulzugangsberech-tigungen und Zugangsvoraussetzungen und so auch der Etablierung weiterer Hochschul-formen neben der universitären. Die Fachhochschulen wurden zu Beginn der 1970er Jahre eingeführt und dienen als zweites Standbein des deutschen Hochschulsystems. Der Zu-gang zu einer Fachhochschule wurde damals über den Abschluss einer Fachoberschule und die Fachhochschulreife ermöglicht (Teichler; u.a., 2004, S. 65). Die damalige Intenti-on war es, den Studienzugang auch PersIntenti-onengruppen zu ermöglichen, die nicht über den so genannten ‚Königsweg’ das Allgemeine Abitur erreichen konnten. Heutzutage nehmen Fachhochschulen einen wichtigen Teil der Hochschulbildung ein. Als eher praxisorientier-te Hochschulen erhalpraxisorientier-ten sie speziell in praxisorientier-technischen und ingeneurwissenschaftlichen Fach-richtungen hohe Anerkennung.

1. ERFOLGREICHE BILDUNGSWEGE

1.2.1 Zugang über den ‚Zweiten Bildungsweg’

Der so genannte ‚Zweite Bildungsweg’ ermöglicht den Erwerb eines Allgemeinen und eines fachgebundenen Abiturs. Das fachgebundene Abitur überwiegt dabei allerdings.

Aufgrund des notwendigen Erwerbs einer zweiten Fremdsprache als Besonderheit des Allgemeinen Abiturs wird dieser oft aus unterschiedlichen Gründen vernachlässigt und nur ein fachgebundenes Abitur erworben. Die Studienberechtigung über den ‚Zweiten Bildungsweg’ wird für gewöhnlich durch den Besuch eines Abendgymnasium oder Be-rufskollegs erworben (Frohwieser; u.a., 2009, S. 16, 97). In der vorliegenden Untersu-chung wurde jedoch auch der Erwerb eines Abiturs über ein berufliches Gymnasium da-zugezählt, da dieses als aufbauende Schulform keinen direkten Bildungsweg zum Abitur stellt und auch erst nach einer schulischen Pause begangen werden kann. Zum anderen lassen sich nicht in allen Bundesländern berufliche Gymnasien finden (Maaz, 2006; Köl-ler; u.a. 2004; Cortina; u.a., 2005).

Die Aufgabe der beruflichen Gymnasien, der Abendgymnasien und Berufskollegs ist es Jugendliche und junge Erwachsene mit einer anerkannten Mittleren Reife den Erwerb eines gleichwertigen Allgemeinen Abiturs, bzw. fachgebundenen Abiturs zu ermöglichen.

Dies bedarf unter anderen auch einer Angleichung bisherigem schulischen Wissen. Diese Anforderungen stellen die Schulen angesichts der unterschiedlichen Möglichkeiten des Erwerbs der Mittleren Reife immer wieder vor große Herausforderungen. So ist es je nach Schülerschaft und Interesse an dem Erwerb eines Allgemeinen Abiturs erforderlich, weite-re Fweite-remdsprachenkurse anzubieten. Darüber hinaus stellen besonders die beruflichen Gymnasien und Berufskollegs eine erste berufliche Spezialisierung; das heißt, neben dem Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung, bietet der Besuch eines beruflichen Gymna-siums oder eines Berufskollegs erste berufliche Kenntnisse einer Fachrichtung – im Falle von Berufskollegs oft auch die Möglichkeit des gleichzeitigen Erwerbs einer anerkannten schulischen Ausbildung im Hinblick auf ein bestimmtes Berufsbild.

In Baden-Württemberg wird fast ein Drittel der allgemeinen Hochschulreife an einem beruflichen Gymnasium erworben (Maaz, 2006, S. 101, 108.; Köller; u.a. 2004). Die be-ruflichen Gymnasien in Baden-Württemberg haben entscheidend dazu beigetragen, dass der Anteil der Abiturienten im Vergleich zu anderen Bundesländern über dem Durch-schnitt liegt (28,5 % zu 26,7%) (Köller; u.a. 2004, S. 114ff.; Maaz, 2006, S. 101). Dies liegt unter anderem an ihrer Ausrichtung, welche unterschiedliche Begabungen und Wis-sensstände ihrer Schüler/innen aufzufangen vermögen und soweit wie möglich, dem All-gemeinen Abitur der klassischen Gymnasien anzugleichen (Maaz, 2006, S. 101ff.). Ziel-gruppe der beruflichen Gymnasien ist speziell ein eher gymnasialfernes Klientel (Köller, u.a., 2004, S. 155; Maaz, 2006, S. 144). So lassen sich an beruflichen Gymnasien ver-mehrt jene Schüler und Schülerinnen finden, die an allgemein bildenden Gymnasien un-terrepräsentiert sind (Köller; u.a. 2004, S. 199; Maaz, 2006, S. 157). Das sind insbesonde-re Schüler und Schülerinnen, deinsbesonde-ren Eltern einen niedrigen Schulabschluss oder gar keinen

1. ERFOLGREICHE BILDUNGSWEGE

Abschluss vorweisen können und sich den Arbeitmilieus zuordnen lassen (Maaz, 2006, S.

142). Zudem lassen sich auf beruflichen Gymnasien verstärkt Schüler und Schülerinnen mit einem Migrationshintergrund finden als auf allgemein bildenden Gymnasien (Maaz, 2006, S. 141). Es ist anzumerken, dass sich das durch berufliche Gymnasien rekrutierte so genannte gymnasialferne Klientel somit überwiegend aus sozial Benachteiligten zusam-mensetzt (Köller; u.a. 2004, S. 199). Es handelt sich um eine Gruppe der ‚Privilegierten unter den Nichtprivilegierten’ (vgl. Maaz, 2006, S. 157), um ‚eine positiv selegierte Gruppe bezogen auf deren Schulnoten und sozioökonomische Stellung der Eltern’ (vgl.

Köller; u.a.2004, S. 199). Demnach handelt es sich nicht um beliebige Jugendliche aus Arbeitermilieus, sondern um jene bestimmter Fraktionen des Arbeitermilieus. Vester (2006) geht dabei insbesondere von einer Personengruppe der Arbeitermilieus aus, die ihrer familiären Vorgeschichte nach höhere Kompetenztraditionen verfolgen und be-stimmte Statusaspirationen an ihre Kinder weitergeben (Vester, 2006, S. 27). Für das Klientel der beruflichen Gymnasien sind per Erlass der Kultusminister Konferenz (KMK) von 1983 85% der zur Verfügung stehenden Plätze zu reservieren. Der Rest kann an wechselnde Schüler und Schülerinnen allgemein bildender Gymnasien vergeben werden (Köller; u.a. 2004, S. 94). Berufliche Gymnasien richten demnach insbesondere ihren Fo-kus auf die Steigerung höherer Abiturientenzahlen von Jugendlichen aus vermeidlich bil-dungsbenachteiligten Bevölkerungsgruppen.

1.2.2 Zugang über den ‚Dritten Bildungsweg’

Zu den Absolventen des ‚Dritten Bildungswegs’ werden jene gezählt, die einen Zugang zur Hochschule über eine Begabtenprüfung und Eignungsprüfung erworben haben oder für einen Studiengang als beruflich Qualifizierte keine formale Studienberechtigung benö-tigen (Autorengruppe Bildungsberichterstattung, 2010, S. 120). Die Hochschulzugangsbe-rechtigung über den Dritten Bildungsweg ermöglicht einen Zugang zu Studiengängen an Fachhochschulen und an Universitäten (Freitag, 2009, S. 4). Zugang zu einem Universi-tätsstudium über den Dritten Bildungsweg erhalten Berufsqualifizierte mit einer Auf-stiegsfortbildung (z.B. Meisterprüfung). Eine fachgebundene Hochschulzugangsberechti-gung erhalten jene mit einer anerkannten Berufsausbildung, die in einem zum angestrebten Studiengang affinen Bereich eine mindestens dreijährige fachlich affine Berufspraxis nachweisen können und ein Eignungsfeststellungsverfahren erfolgreich durchlaufen ha-ben (Freitag, 2009, S. 3). Voraussetzung für einen Zugang über eine Eignungsprüfung ist hier in der Regel eine mindestens zweijährig absolvierte Berufsausbildung mit anschlie-ßender dreijähriger Berufserfahrung. An Kunst- und Musikhochschulen ist der Zugang für Studieninteressierte ohne Reifezeugnis über eine Begabtenprüfung möglich. Darüber hin-aus ist in Baden-Württemberg Studieninteressierten mit beruflicher Qualifizierung wie Meisterprüfung oder gleichwertiger beruflicher Fortbildungen ein Hochschulzugang mög-lich.

1. ERFOLGREICHE BILDUNGSWEGE

Die Zahl derjenigen, die über den Dritten Bildungsweg ein Studium aufnehmen, bzw.

zum Studium zugelassen werden, ist sehr gering (Teichler; u.a., 2004, S. 65) und stagnier-te in den letzstagnier-ten Jahren bei ca. 1% bundesweit (Autorengruppe Bildungsberichstagnier-terstattung 2010, S. 118; Frohwieser; u.a., 2009, S. 98). In Baden-Württemberg liegt der Wert sogar bei kaum einem halben Prozentpunkt (0,46% Freitag, 2009, S. 9). Die bislang schlechten Zahlen in allen Bundesländern lassen sich unter anderem durch den bisherigen Regel-dschungel erklären. Wie Teichler und Wolter (2004) in ihrem Artikel Zugangswege und Studienangebote für nicht-traditionelle Studierende mit Bezug auf die Kultusministerkon-ferenz (KMK) verweisen, gab es alleine 2002 über 30 verschiedene Regelungen und Zu-lassungsverfahren für den Eintritt in ein Studium bundesweit (Teichler; u.a., 2004, S. 67).7 Es ist somit erfreulich wahrzunehmen, dass sich im Frühjahr 2009 ‚die Länder auf einheit-liche Hochschulzugangsregelungen für beruflich qualifizierte Bewerberinnen und Bewer-ber ohne HochschulzugangsBewer-berechtigung (HZB)’einigen konnten (vgl. Freitag, 2009, S.

1). Dies geschah auf der Grundlage des Kulturministerkonferenzbeschlusses zur Umset-zung einheitlicher Regelungen im Hochschulzugang für Studieninteressierte ohne Hoch-schulzugangsberechtigung, so dass die vereinbarte Einigung in Länderrecht übergehen konnte (Freitag, 2009, S. 4). Vorangegangen war unter anderem ein Beschluss der Mit-gliederversammlung der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) vom November 2008, in welchem die Neuordnung des Hochschulzugangs für beruflich Qualifizierte zur Förderung der Chancengleichheit, zur Ausgleichsförderung des Qualifikationsbedarfs und der – nachfrage und somit dem Abbau unnötiger Barrieren im Bildungssystem festgelegt wurde.

Bislang war der Hochschulzugang allein durch die einzelnen Bundesländer geregelt. Ein Zugang zum Studium wurde daher vorher schon in unterschiedlichen Facetten auch ohne Abitur jedoch mit beruflicher Qualifikation in den einzelnen Bundesländern auf unter-schiedliche Weise ermöglicht. Trotz der neuen Beschlüsse sind die Länder weiterhin be-rechtigt ihre Länderregelungen zu erweitern und zu beschränken (Freitag, 2009, S. 3). In Baden-Württemberg können so bestimmte Berufsgruppen wie beispielsweise Erzie-her/innen seit langem die Eignungsprüfung für eine Zugangsberechtigung für ein berufs-nahes Studienfach absolvieren. Durch die einheitlichen Regelungen besteht nun Hoffnung, dass es zu einer Steigerung der Studierendenzahlen des Dritten Bildungsweges kommt.

Repräsentative Untersuchungen hierzu liegen noch nicht vor (Freitag, 2009, S. 5).

7 Personen bzw. Studenten mit einem nicht traditionell erworbenen Abitur werden als ‚non-traditional stu-dents’ bezeichnet. Die Bezeichnung ist jedoch nicht international einheitlich und vergleichbar. In Deutsch-land beispielsweise werden auch Arbeiterkinder als nicht-traditionelle Studierende bezeichnet, da sie oft die ersten in ihrer Familie sind, die den akademischen Weg einschlagen. Aber auch unterschiedliche Bildungs-systeme können die Begriffsbezeichnung in ihrer Trefflichkeit verzerren. So kann der Begriff strukturell

1. ERFOLGREICHE BILDUNGSWEGE