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8. DIE QUALITATIVEN ERGEBNISSE

8.2 Risiko-/Schutzfaktor: Soziales Milieu

8.2 Risiko-/Schutzfaktor: Soziales Milieu

Die sozialen Milieus der Untersuchungsgruppe wurden in der qualitativen Untersuchung wie bereits in der quantitativen Untersuchung mit Blick auf den beruflichen Status der Eltern, der finanziellen Lage der Herkunftsfamilien während der Schulzeit der Intervie-wees und im Hinblick auf ein Studium erfasst und in Bezug auf die erfolgreich verlaufe-nen Bildungswege betrachtet. Darüber hinaus wurde in der qualitativen Untersuchung zusätzlich die Erwerbstätigkeit der Interviewees selbst sowie die finanzielle Unterstützung durch ein (Schüler-) Stipendium während ihrer Schulzeit mitberücksichtigt.

In der quantitativen Untersuchung kann kein Zusammenhang zwischen dem berufli-chen Status bzw. Berufstätigkeit beider Elternteile während der Kinder- und Jugendzeit und den erfolgreichen Bildungswegen der Befragten festgestellt werden. Der qualitative Blick zeigt hierzu ein differenzierteres Bild. Die Berufstätigkeit der Eltern bzw. ihr beruf-licher Status zeigt sich als bedeutender Faktor für die schulische Betreuung und die Unter-stützungsmöglichkeiten der Eltern auf den erfolgreichen Bildungswegen der Untersu-chungsgruppe. Es zeigt sich, dass sich eine Berufstätigkeit der Eltern während der Schul-zeit ungünstig auf die schulische und auch allgemeine Betreuung von Kindern und Ju-gendlichen der Untersuchungsgruppe auswirken kann wie auch ausgewirkt hat. Besonders im Zusammenspiel mit dem in Deutschland noch üblichen Halbtagsschulmodell stellt sich die eine Berufstätigkeit der Eltern als Risikofaktor eines erfolgreichen Bildungsweges dar, da es Bildung fördernde Zeit ohne zusätzliche Betreuungsangebote und – möglichkeiten unzureichend begünstigt werden. Arbeitslosigkeit und die Aufnahme einer neuen Tätigkeit zeigen sich im Hinblick auf den Bildungsverlauf erfolgreicher Bildungswege als Risiko-faktoren. So stellte sich v.a. ein notwendiger Schulwechsel durch die Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle, die einen Umzug erforderte, durch unterschiedliche und flexible Bil-dungsanforderungen an Schulen, in Kombination mit unterschiedlichen schulischen Lern-milieus und Lernklimas als Risikofaktor erfolgreicher Bildungswege dar.

In Bezug auf den beruflichen Status der Eltern ist v.a. auffallend, dass besonders Müt-ter mit einem bildungsfernen und islamischen HinMüt-tergrund nicht berufstätig waren. In Be-zug auf den Bildungsverlauf zeigt sich dieser Umstand jedoch als nicht bedeutend.

Schließlich zeigte sich in allen Fällen in welchen die Mütter nicht berufstätig waren, dass sie aufgrund ihres Bildungsstands und deutschen Sprachkenntnissen auch nicht in der La-ge La-gewesen wären die Interviewees bei ihren Schulausgaben zu unterstützen. Darüber hin-aus erweist sich als auffallend, dass speziell die Väter Interviewees islamischen Hinter-grunds als Hauptverdiener eine zeitlang als Selbständige in der Lebensmittel- und Kosme-tikbrache tätig waren. Nur in Banafshes Fall trifft dies auf ihre Mutter zu. Sie gilt als Al-leinerziehende und somit Hauptverdienerin ihrer Familie. Die Selbständigkeit der Eltern lässt sich v.a. durch einen erschwerten Zugang zum Arbeitsmarkt aufgrund der eigenen Bildungs- und Migrationsbiografie erklären. Folglich stellte die Selbständigkeit oftmals vorübergehend die einzige Möglichkeit zur Erwerbsarbeit. Im Vergleich zu den anderen

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Interviewees ist besonders bei jenen Interviewees deren hauptverdienender Elternteil eine zeitlang selbständig tätig war, ein gewisse bildungsorientierte Strebsamkeit zu erkennen.

Davon ausgehend ist anzunehmen, dass eine berufliche Selbständigkeit der Eltern bzw.

eines Elternteils bedingt durch die Umstände die zu dieser führten sowie welche mit dieser verbunden sind, einen Schutzfaktor auf den erfolgreichen Bildungswegen stellte. Es kann angenommen werden, dass die prekäre Beschäftigungslage des familiären Hauptverdie-ners eine Grundlage der Bildungsmotivation betroffener Interviewees stellte und eine selbständige Handlungsweise förderte. Auf den Aspekt der Bildungsmotivation wird in Kapitel 8.4 näher eingegangen.

Der qualitative Blick auf die finanzielle Lage der Herkunftsfamilien und daraus resul-tierenden empfundenen finanziellen Einschränkungen der Interviewees des Samples wäh-rend ihrer erfolgreichen Bildungswege zeigen ebenfalls eine differenzierte Sichtweise zu den quantitativen Ergebnissen. Ein niedriges Haushaltseinkommen der Herkunftsfamilien zeigt sich im Quervergleich als teilweise schwer überwindbare Hürde für die Teilhabe an außerschulischer kulturell/musisch-ästhetischer Bildung und/oder auch für die Inan-spruchnahme notwendigem zusätzlichen Nachhilfeunterrichts für die Bewältigung schuli-scher Anforderungen. Insgesamt fünfzehn der sechsundzwanzig Interviewees sind bereits während ihrer Schulzeit einer regelmäßigen Nebenbeschäftigung dem der Schule nachge-gangen und konnten dadurch finanzielle Misslagen ausgleichen. Interviewees, die ein Schülerstipendium erhielten konnten durch die finanzielle Förderung finanzielle Missla-gen ausgleichen. Mit Blick auf diese Übernahme finanzieller Verantwortung für sich und die Familie ist ebenfalls von einer erlernten und gleichzeitig schützenden Handlungsweise auszugehen, die sich insgesamt positiv auf die Bewältigung des erfolgreichen Bildungs-weges ausgewirkt hat.

Im Hinblick auf den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung oder auch der Stu-dienaufnahme zeigt sich das (familiäre) Haushaltseinkommen v.a. für jene Interviewees, die ihren erfolgreichen Bildungsweg nach einer ersten Berufsphase oder Familiengrün-dung und somit im Zuge eines erfolgreichen BilFamiliengrün-dungsumweges verwirklicht haben als Hürde auf ihren erfolgreich verlaufenen Bildungswegen. Teilzeitmodelle weisen sich da-bei als Lösungsstrategie aus. Der Blick auf die finanzielle Lage in Bezug auf ein Studium und die Studienaufnahme zeigt, dass ein Zögern der Studienaufnahme in allen Alterstufen der Untersuchungsgruppe v.a. durch eine mangelnde Kenntnis und mangelnde Aufklärung über Studienfinanzierungsmöglichkeiten und Rückzahlungsmodalitäten begünstigt wurde.

Als auffällig zeigt sich, dass besonders Interviewees, die während ihrer Schulzeit in den Genuss eines Schülerstipendiums gekommen sind, die Finanzierung eines Studiums weni-ger als Hindernis für ihren weiteren Bildungsweg im Übergang in ein Studium sahen.

Hierzu haben die Erfahrungen der finanziellen Förderung durch ein Stipendium und die Aufklärungsarbeit im Zuge des Stipendiums zu Folgefinanzierungen eines höheren Bil-dungsweges beigetragen. Demnach kann davon ausgegangen werden, dass durch ein

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Schülerstipendium finanzielle Einschränkungen des Elternhauses im Hinblick auf ein Stu-dium als Hindernis ausgeräumt werden können und den Übergang in ein StuStu-dium durch ein solches begünstigt werden kann. Eine weitere Auffälligkeit zeigt sich in der Betonung eines dualen Studiums als Möglichkeit eines finanziell abgesicherten Studienmodells.

Dieses wurde als positiv und als erstrebenswert empfunden, da es eine finanzielle Sicher-heit während des Studiums verspricht sowie die Anhäufung von Schulden im Zuge von Bildungskrediten oder BAföG-Verpflichtungen zu vermeiden vermag.

Im Folgenden wird ein Blick auf den beruflichen Status innerhalb der Herkunftsfami-lien und empfundene finanzielle Einschränkungen auf den erfolgreichen Bildungswegen der Interviewees ermöglicht. Dabei wird unter anderem anhand von Beispielen auf indivi-duelle Lösungsstrategien der Interviewees im Umgang mit Aspekten des beruflichen Sta-tus ihrer Eltern und finanziellen Einschränkungen auf ihren Bildungswegen exemplarisch eingegangen.

Blick auf den beruflichen Status der Eltern

Der berufliche Status der Eltern der Interviewees des Samples während ihrer Kinder- und Jugendzeit lässt sich grob in zwei Gruppen aufteilen: in abhängig Beschäftigte im gewerb-lichen Bereich und Erwerbslose mit und ohne Leistungsbezug. Laraas Vater, Mustafas Vater und Banafshes Mutter waren während der Schulzeit der genannten Interviewees eine zeitlang als Selbständige in der Lebensmittel- und Kosmetikbranche tätig sowie eine zeit-lang erwerbslos und auf Transferleistungen vom Staat (Arbeitslosengeld II) angewie-sen.165 Ein Viertel der Mütter aus dem Sample waren während der Schulzeit der Intervie-wees nicht berufstätig und sind es bis heute nicht.166 Lilianas und Sandras Mütter kehrten nach einer längeren Familienphase während der Schulzeit der Interviewees zurück ins Berufsleben. Dileks und Sophias Mütter haben im Laufe der Schulzeit der beiden Inter-viewees einen Minijob angenommen. Anouks Mutter schied aufgrund einer schweren Er-krankung aus dem Berufsleben aus als diese in der siebten Klasse war. Der Blick auf das Sample verweist auf eine klassische Rollenverteilung der Geschlechter innerhalb der Fa-milien. Im Sample waren v.a. die Väter der Interviewees berufstätig und für die Finanzie-rung der familiären Bedürfnisse zuständig. Dabei trifft dies insbesondere auf die Familien von Interviewees mit Migrationshintergrund zu. Ihnen lassen sich vornehmlich auch die bildungsfernen Haushalte innerhalb des Samples zuordnen. Demnach spiegelt sich im qua-litativen Teil auch die geringere Berufstätigkeit beider Elternteile wider, die sich im quan-titativen Teil im Vergleich zwischen bildungsfernen und bildungspragmatischen Haushal-ten zeigt. Gründe für eine geringere Berufsbeteiligung speziell der Mütter aus bildungs-fernen Elternhäusern lassen sich in der geringen Qualifizierung dieser, ihren geringen deutschen Sprachkenntnissen und den daraus resultierenden beruflichen Möglichkeiten

165 Mustafas Vater war ohne Leistungsbezug.

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erkennen. Kulturelle Gründe lassen sich in diesem Zusammenhang ebenfalls erkennen. So erklärt Layla beispielsweise, dass ihre Mutter nicht nur aufgrund fehlender beruflicher Qualifizierung nie gearbeitet habe, sondern auch aus dem Grund, dass es aus ihrem kultu-rellen Hintergrund heraus nicht üblich sei, einer Tätigkeit mit geringer oder keiner Quali-fizierung nachzugehen. Ihr Vater würde dies zudem aus Stolz allein auch nicht zulassen oder seine Frau beispielsweise dazu auffordern.

Interviewerin: Die Mutter ist zuhause?

Layla: Genau, meine Mama ist daheim. Sie hat ja auch keine Ausbildung und so und keine Deutsch-kenntnisse und es ist auch unüblich bei uns, weisch, wenn man eh nichts gelernt hat, dass man dann ir-gendwie noch keine Ahnung putzen geht oder so was. Und mein Vater ist halt so ein Mensch, der ist sich zu stolz dafür, dass seine Frau putzen gehen muss, oder irgendwie so was. Und deshalb würde er das auch nie machen. Und er eh arbeitet und sie ist daheim. So ist das bei uns geregelt. (35:13 - 35:36)

Der berufliche Status beider Elternteile des Sample während ihrer Schulzeit war demnach insbesondere vom Bildungsstand der Eltern, speziell der Mütter, den deutschen Sprach-kenntnissen der Eltern sowie von kulturellen Hintergründen abhängig. Je geringer der Bil-dungsstand innerhalb der Herkunftsfamilie der Untersuchungsgruppe ist, desto eher waren ihre Eltern während der Schulzeit der Interviewees nicht beide berufstätig. Aus dem quan-titativen Material lässt sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen einer Berufstätig-keit und dem Bildungsstand der Eltern erkennen.167 Dies gilt v.a. für Befragte mit Migra-tionshintergrund und speziell jenen, die während der Schulzeit eingewandert sind. Die Berufstätigkeit ihrer Eltern stand bei ihnen in Abhängigkeit des Bildungsstands der Eltern.

Der qualitative Blick vertieft somit die quantitativen Ergebnisse.

In Bezug auf den beruflichen Status der Eltern während der Schulzeit und den erfolg-reichen Bildungswegen konnte in den quantitativen Ergebnissen kein signifikanter Zu-sammenhang festgestellt werden. Die qualitative Untersuchung zeigt hierzu jedoch Risiko behaftete Komponenten des beruflichen Status und v.a. der elterlichen Berufstätigkeit, die im Zusammenhang zu einigen der erfolgreichen Bildungswege der Untersuchungsgruppe standen. So ließen sich in der qualitativen Untersuchung beispielsweise die theoretischen Überlegungen zur Berufstätigkeit der Eltern und dem daraus resultierenden Zeitmangels für die schulische Betreuung durch die Eltern oder auch weiteren Betreuung ihrer Kinder und somit sozialisationstheoretischen Förderung durch das Elternhaus erkennen. So erklärt beispielsweise Ana, dass sie viel Zeit vor dem Fernseher verbrachte, da ihre Eltern nicht zuhause waren, wenn sie bereits mittags aus der Schule kam. Nachmittagsunterricht hatte sie nur einmal die Woche. Zu ihrer volljährigen Schwester hatte sie zu dieser Zeit kaum einen Bezug, so dass sie sich dem Bedürfnis nach Unterhaltung, Kommunikation und In-teraktion folgend, dem Fernseher zu wendete.

Ana: Ich hab immer sehr viel Fernseh geguckt. Ich war glaub die Hälfte meiner Zeit, meiner Lebenszeit habe ich vor dem Fernseher verbracht, was bis heute noch anhält. (TT 6:10 – TT 6:22) […]

167 siehe Anhang II Tabelle: Beruflicher Status der Eltern während der Kinder- und Jugendzeit und

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Ja meine Eltern waren ja beide Vollzeit, eh berufstätig und kamen dann halt so erst gegen drei, halb vier, vier oder fünf. Also mein Vater hat sehr viele Überstunden gemacht. Und da war man ja, ich hatte ja Schule bis eins, gab’s ja glaub ich nur einmal die Woche Nachmittagsunterricht. Und da waren wir halt alleine daheim. Die Schwester war auf einer anderen Schule und zu ihr hatte ich jetzt auch nicht so großen Bezug. Hab sie auch nicht so richtig erlebt muss ich sagen, bis zu meinem 18., 19. Lebensjahr.

Ehm, und des war, ehm, ja ich war dann halt alleine zuhause und brauchte halt irgendwie Unterhal-tung, Kommunikation, Interaktion und da hab ich halt einfach mich in diese Welt irgendwie versteckt oder da hab ich mich wohl gefühlt. (TT 7:10 - TT 8:07) […] das war dann halt schon so irgendwie eine Einsamkeit. Und im Fernseher hat man einfach einen Freund irgendwie dargestellt. (TT 8:25 - TT 8:32).

Anas Beispiel zeigt, dass die Berufstätigkeit beider Eltern während der Schulzeit in Kom-bination mit der Halbtagsschule dazu führt, dass Kinder und Jugendliche verstärkt auf sich gestellt sind und sich andere Betreuungsmöglichkeiten nach der Schule suchen müssen, wie beispielsweise den Fernseher. Dieser kann dabei sogar den Status einer nahen Be-zugsperson (Freund) erhalten. Demnach eine wichtige Sozialisationsinstanz darstellen (Schorb, 2003; Hurrelmann, 2006). Aspekte des Medienkonsums auf die erfolgreich ver-laufenen Bildungswege der Interviewees werden unter dem dazugehörigen Kapitel 8.6 genauer angesprochen.

Ausgehend von Anas Beispiel kann angenommen werden, dass eine Berufstätigkeit der Eltern besonders in Kombination mit dem Halbtagsschulmodell einen Risikofaktor für das Beschreiten eines erfolgreichen Bildungsweges der Untersuchungsgruppe darstellte und immer noch darstellt. Schließlich müssen Alternativen für eine Betreuung gesucht werden. Können diese nicht geboten werden, sind Kinder und Jugendliche berufstätiger Eltern auf sich selbst gestellt. Nutzbare Zeit der Bildungsförderung untersteht so dem Ri-siko ungenutzt zu verstreichen. Es ist davon auszugehen, dass das Halbtagsschulmodell nicht die elterliche Betreuungszeit fördert, sondern vielmehr die Möglichkeit anderer Betreuungsalternativen. Zumindest ist bei berufstätigen Eltern, die in Vollzeit tätig sind davon auszugehen. Besonders beruftätigen Eltern wurde dadurch schließlich nicht mehr Zeit für eine adäquate schulische Betreuung oder Beteiligung an der Schulbildung der In-terviewees geboten, sondern sie werden vor die Herausforderung gestellt andere Betreu-ungsmöglichkeiten für ihre Kinder zu finden, wie der Quervergleich zeigt. Das Halbtags-schulmodell stellte demnach ein Risikofaktor für die erfolgreichen Bildungswege der Un-tersuchungsgruppe mit berufstätigen Eltern dar, da es Bildung fördernde Zeit ohne zusätz-liche Betreuungsangebote und – möglichkeiten unzureichend begünstigte. Die theoreti-schen Überlegungen zum Risikofaktor Halbtagsschule lassen sich durch den qualitativen Blick auf die erfolgreichen Bildungswege der Untersuchungsgruppe weiter untermauern (Raiser, 2007, S. 135; Mannitz, 2002).

Das mangelnde Zeitbudget berufstätiger Eltern kann auch als eine Erklärung für den statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen der Berufstätigkeit der Eltern und ihrer Beteiligung an der Schulbildung ihrer Kinder gewertet werden. Dieser zeigte sich für den Gesamtsurvey und für Befragte bildungspragmatischer Elternhäuser. Dabei ist die Beteili-gung insbesondere als Hilfestellung beispielsweise bei der BewältiBeteili-gung von

Hausaufga-8.2 RISIKO-/SCHUTZFAKTOR: SOZIALES MILIEU

ben zu werten.Zwar zeigte sich der Zusammenhang zwischen dem beruflichen Status der Eltern und der elterlichen Hausaufgabenbetreuung in Bezug auf den Survey als nicht sig-nifikant, doch ließen sich im Sample nichtsdestotrotz Tendenzen hierzu erkennen. Paul erklärt beispielsweise, dass ihm seine Mutter, bei welcher er nach der Trennung seiner Eltern aufwuchs, ohne Berücksichtigung der Anforderungen des schulischen Lehrstoffs allein im Hinblick auf ihre verfügbare Zeit neben einer 40stündigen Arbeitswoche und den zusätzlichen Haushaltspflichten, ihm kaum bei den Hausaufgaben hätte betreuen können.

Das mangelnde Zeitbudget seiner Mutter, das sich aus ihrer Berufstätigkeit ergab, bot nur wenig Raum für eine adäquate schulische Beteiligung und so Hausaufgabenbetreuung.

Paul: Ehm, gut nö, da wo ich jetzt Hilfe gebraucht eh Hilfe gebrauchen hätte können, wäre dann quasi ab 11 aufwärts gewesen. (45:46 - 45:55) […]... glaube ich nicht, dass sie damals das gehabt hätte, was wir da gehabt haben. Also glaub ich nicht, dass sie mir da groß ‚ne Hilfe gewesen wäre. V.a. weil sie ja sowieso erst noch ‚ne 40 Stundenwoche arbeiten geht. Dann hier noch Haushalt schmeißen sowieso, dass da noch viel Zeit für Hausaufgabenbetreuung, […], glaub ich nicht [lacht]. (46:10 – 46:30)

Ausgehend von Pauls Fall und dem qualitativen Quervergleich ist davon auszugehen, dass die Hausaufgabenbetreuung sowie die generelle schulische Betreuung von Kindern und Jugendlichen der Untersuchungsgruppe durch eine Berufstätigkeit der Eltern zeitlichen Einschränkungen unterliegen kann. Es ist davon auszugehen, dass Kinder und Jugendliche der Untersuchungsgruppe mit berufstätigen Eltern auf Hilfestellungen beispielsweise bei der Bewältigung von Hausaufgaben auf Hilfestellungen außerhalb des Elternhauses ange-wiesen sind oder diese alleine bewältigen müssen.

Als äußerst interessant zeigt sich im Sample, dass Arbeitslosigkeit der Eltern, die ebenfalls als beruflicher Status zu werten ist, sich nicht nur durch die daraus resultieren-den finanziellen Einschränkungen als Risikofaktor für die erfolgreichen Bildungswege erweisen kann, sondern auch durch die Aufnahme einer neuen Arbeitsstelle. In der quanti-tativen Untersuchung wurde der berufliche Status der Eltern der Befragten als ‚arbeitslos’

während ihrer Schulzeit nicht erfasst. In einer Folgeuntersuchung sollte dieser Aspekt je-doch berücksichtigt werden. Am Beispiel Banafshe lässt sich der Zusammenhang zwi-schen der elterlichen Arbeitslosigkeit, der darauffolgenden Aufnahme einer neuen Ar-beitsstelle und dem erfolgreichen Bildungsweg besonders gut verdeutlichen.168 Banafshe ist während ihres erfolgreichen Bildungsweges zweimal umgezogen, da ihre Mutter eine neue Stelle nach vorangegangener Arbeitslosigkeit annahm, welche einen Umzug erfor-derte. Beide Male haben sich die Umzüge direkt auf Banafshes Bildungsweg ausgewirkt.

Beim ersten Mal musste Banafshe die 5. Klasse wiederholen, da auf der neuen Schule auf welche sie kam, die Kinder mit Latein als erste Fremdsprache begonnen hatten. Damit sie sprachlich in der Schule mithalten konnte, wurde Banafshe daher zurückgestuft und wie-derholte die fünfte Klasse. Als Folge daraus verlor sie nicht nur ein Schuljahr, sondern war eine der Ältesten ihrer Klasse. Als Banafshe dann in die 12. Klasse kam, nahm ihre

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Mutter wiederum eine neue Stelle nach vorangegangener Arbeitslosigkeit an. Dies erfor-derte wiederum einen Umzug der Familie, da die neue Arbeitsstelle 50km weiter entfernt war und die Mutter aufgrund der Arbeitszeiten keine Pendelmöglichkeit besaß. Damals hatte Banafshe selbst zunächst versucht zu pendeln und ihren Abschluss auf ihrer bisheri-gen Schule zu beenden. Nach einem Monat des Pendelns, ging dies jedoch nicht mehr.

Durch die zeitliche Belastung, das frühe Aufstehen und den Fahrten zur Schule und wie-der nachhause war sie angeschlagen und schlief dadurch sogar mehrfach im Unterricht ein. Um ihren Schulabschluss nicht zu gefährden wechselte sie daher noch während des Schuljahres die Schule. Mit der Lage der neuen Schule, den dort unterschiedlichen schuli-schen Anforderungen und den neuen Mitschülern/innen kam sie nicht zurecht. Im Ge-spräch erzählt sie, dass ihre Mitschüler/innen an der neuen Schule, die sich in einer größe-ren Stadt befand, viel undisziplinierter wagröße-ren als sie es kannte, so dass Lernen im Klas-senverband und während des Unterrichts für sie schwierig war. Die Schüler erschienen ihr respektlos gegenüber Lehrern und haben diese ausgelacht. Zudem habe die Schule nach Bier gerochen, da eine Brauerei um die Ecke war. Trotz der Umstände versuchte sie sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Doch nach 6 Monaten des Eingewöhnungsversuchs hielt sie es nicht mehr aus und wechselte zurück auf ihre alte Schule. Ausschlaggebend hierfür war v.a. ihr verschlechterter Notenspiegel. Sie hatte an der neuen Schule schlechte-re Noten erhalten als zuvor an ihschlechte-rer alten Schule. Gründe hierfür sah sie v.a. in der

Durch die zeitliche Belastung, das frühe Aufstehen und den Fahrten zur Schule und wie-der nachhause war sie angeschlagen und schlief dadurch sogar mehrfach im Unterricht ein. Um ihren Schulabschluss nicht zu gefährden wechselte sie daher noch während des Schuljahres die Schule. Mit der Lage der neuen Schule, den dort unterschiedlichen schuli-schen Anforderungen und den neuen Mitschülern/innen kam sie nicht zurecht. Im Ge-spräch erzählt sie, dass ihre Mitschüler/innen an der neuen Schule, die sich in einer größe-ren Stadt befand, viel undisziplinierter wagröße-ren als sie es kannte, so dass Lernen im Klas-senverband und während des Unterrichts für sie schwierig war. Die Schüler erschienen ihr respektlos gegenüber Lehrern und haben diese ausgelacht. Zudem habe die Schule nach Bier gerochen, da eine Brauerei um die Ecke war. Trotz der Umstände versuchte sie sich an die neue Umgebung zu gewöhnen. Doch nach 6 Monaten des Eingewöhnungsversuchs hielt sie es nicht mehr aus und wechselte zurück auf ihre alte Schule. Ausschlaggebend hierfür war v.a. ihr verschlechterter Notenspiegel. Sie hatte an der neuen Schule schlechte-re Noten erhalten als zuvor an ihschlechte-rer alten Schule. Gründe hierfür sah sie v.a. in der